Menschen, mit denen man nicht kann

An sich kann ich über meinen Fahrgast kaum meckern. Es war eine lange Tour, wir haben uns durchgehend unterhalten, es gab immerhin ein bisschen Trinkgeld – im schlimmsten Fall also Dienst nach Vorschrift. In der Tat war es aber auch keinen Deut besser. Er gehörte einfach zu der Sorte Mensch, mit der ich nichts anfangen kann.

Ein wenig skeptisch war ich schon beim Einstieg. Vor mir standen noch zwei Kollegen, die waren aber gerade in ein Gespräch mit potenziellen Fahrgästen außerhalb ihrer Autos verwickelt. Als ich ihm dann zusagte, ich würde ihn fahren, fing es nämlich schon damit an, dass er nicht mit mir zu meinem Auto lief sondern an dem vom Kollegen davor stehen blieb. Die Situation war für ihn sicher unübersichtlicher als für mich, aber er blieb da wirklich trotzig stehen und schien zu hoffen, dass ich mich spontan noch für das andere Auto entscheiden würde.

Dann sagte er mir an, dass er nach Marzahn wolle, und eine Straße gleich anbei. Ich hatte den Namen schon gehört, hatte aber ein paar potenzielle Kandidaten dazu im Kopf. Um da nicht die große Irrfahrt zu starten, hab ich ihn gefragt, ob er mir das zeigen könne. Natürlich könne er das, er wohne ja da.

Also hab ich das Navi ausgelassen und – weil ich mir bis auf etwa einen Kilometer Radius sicher war – gesagt, dass ich dann die Landsberger entlang fahren würde.

„Hihi, ja die Landsberger …“,

kicherte er vieldeutig. Ich fragte vorsichtshalber nochmal nach, ob das richtig sei.

„Wie, richtig?“

„Na, wenn wir zu Ihnen in die Straße wollen.“

„Ach, kennste nicht, oder was?“

Das ist wirklich unangenehm. Ich kläre die Adresse auch deswegen so gerne vor Fahrtbeginn, weil es mir durchaus reicht, einmal zuzugeben, sie nicht zu kennen. Ist ja nicht so, dass ich stolz drauf wäre. Ich find’s nicht schlimm und ich kann’s erklären – aber mir erst zu sagen, mir den Weg zu zeigen und dann drauf rumhacken finde ich bescheuert.

So ganz der hellste war der Kandidat aber auch nicht. Das mit der Landsberger fand er nach wie vor super, also hab ich mich auf den Weg gemacht – und nur die Augen verdreht, als er mich zwischenzeitlich scheinbar stichelnd fragte, ob wir jetzt im Westen seien und wo ich ihn hinfahre.

Man muss dazu sagen, dass der Kerl stocknüchtern und um die 50 war – beileibe nicht das Klientel, dem ich aus Vorsichtsgründen einfach nicht vertraue. Er missverstand das ein wenig als Einladung, mir seine unglaublich sinnigen Thesen zu erläutern. Das Grundprinzip war so ein verschwörungstheoretisches „Die da oben“-Konstrukt, wobei er sich besonders dafür fürchtete, dass Ursula von der Leyen die nächste Kanzlerin werden könnte. Ich will jetzt nicht sagen, dass ich die Vorstellung ungruselig finden würde, aber als er dann angefangen hat, sich auszumalen, wie besagte Politikerin den Mann unserer derzeitigen Kanzlerin daten würde und dabei könnten sie ja erwischt werden … da hab ich einfach mal auf Durchzug gestellt. Ich hab ja nix dagegen, mich über Politik im weitesten Sinne zu unterhalten, aber was bitte war das?

Am Ende waren wir dann kurz vor seiner Straße und ich fragte, ob ich an dieser Kreuzung rechts ab müsse, ich hätte das so im Kopf.

„Mach mal!“,

sagte er, nur um dann hundert Meter weiter einzuwerfen:

„Na, dit is‘ nu wohl völlig falsch, hier kenn‘ ick mir nicht aus!“

Ich war wirklich kurz davor, ihm zu sagen, dass das dann halt blöd gelaufen wäre und ich ihn zum Ostbahnhof zurück bringe. Hätte ich nie im Leben gemacht und außerdem hatte ich auf der Karte meines Trackers die richtige Adresse längst ausgemacht und sogar festgestellt, dass es gar kein Umweg war, den ich gefahren war, sondern nur eine sehr bescheuerte Variante. Aber Spaß gemacht hätte es schon. Wenn es ihn nicht interessiert, was ich ihn frage … warum dann umgekehrt?

Am Ende war’s dann unspektakulär, wie eingangs erwähnt. Trotzdem sind das so Kunden, die ich mir nicht wirklich ins Auto wünsche – so wie andere vielleicht 4 besoffene Holländer, die einen Zwischenstopp beim Burger King einlegen wollen. Ich muss höflich sein und die Leute an Ziel bringen – und ich muss es auf dem kürzesten Weg tun. Hab ich gemacht, aber mögen muss ich dann auch nicht alle, die ich fahre.

9 Kommentare bis “Menschen, mit denen man nicht kann”

  1. Novia sagt:

    Das kann ich total nachvollziehen.

    Ich arbeite an der Kasse und habe auch immer so Spezialisten. (Und es sind immer Männer über 50.)
    Halten sich für wahnsinnig witzig, geben nicht sofort das ganze Geld sondern legen nur einen Teil hin „das ist alles, kann ich anschreiben“ *höhöhö*, machen blöde Sprüche wenn ich die Endsumme nenne „Och, haben Sie das so schnell im Kopf gerechnet“ *höhöhö* oder meinen sie sind die witzigsten wenn es um die Frage nach dem Kassenzettel geht „Ne, den kann man ja nicht essen“, „och, meine Frau glaubt mir das“, „ach, sie wissen ja, dass ich bezahlt habe“… Argh!!!!

    Gerne genommen auch das lustige Verwirrspiel, wenn man nicht direkt sagen möchte was man will. „Ich möchte eine Banane *höhöhö* “ (ein Croissant)…

    Auch schön ist das Geduze. Ich habe kein Problem damit geduzt zu werden, mit den meisten Stammkunden duze ich mich oder biete ihnen das du an, aber von diesen Männern die mich (knapp 30) ungefragt duzen finde ich das auch immer unschön.

    Aber so ist das eben in der Dienstleistung. Immer nett lächeln. Kommen auch wieder (überwiegend) nette Kunden.

  2. Roichi sagt:

    Leute, die sonst keine Möglichkeit haben, sich irgendwie Bestätigung zu holen und das dann eben auf die Art versuchen. Sie denken eben, sie sind besser und machen sich nur zum Klops.
    Mitleid bleibt für diese Gestalten. Mehr nicht.

  3. Edgar sagt:

    Mal eine andere Fraga an Sash:
    Wer hat Dir eigentlich damals das Taxihaus Berlin empfohlen?
    (Hab keinen Eintrag darüber gefunden).

  4. elder taxidriver sagt:

    Und erst die armen Ehefrauen, die diese hohlköpfigen Trottel 24/7 ertragen müssen und nicht nur den Moment an der Kasse.
    Aber vielleicht sind die ja aus dem gleichen Holz geschnitzt..

  5. Edgar sagt:

    @ elder taxidriver : Aber die Ehefrauen haben SiE doch damals selbst gewählt…….

  6. Sash sagt:

    @Novia:
    Oh, das kann ich nachvollziehen …

    @Roichi:
    Ja, das trifft zumindest auf einige von ihnen zu.

    @Edgar:
    War eine Anzeige, online bei irgendeiner Zeitung. Zufallstreffer so gesehen.

  7. Bernd K. sagt:

    Mir sagte neulich so ein Kandidat für schräge Sprüche: „Meine Frau meinte neulich: wenn die Leute wüssten, was ich für einen blöden Mann habe…“

    @Novia: Einfach ungeniert zurückduzen, mit Ausnahme netter Oma- oder Opatypen. Manche Midlifecrisler brauchen das „Du“ von Jüngeren fürs Ego.

  8. hrururur sagt:

    @Bernd: ich war oft genug selber in novias Situation. Ich duze so Vögel ganz sicher nicht zurück. Das bestätigt solche Vollhonks nur in ihrem Verhalten. Übertrieben zurücksiezen und „kackenfreundlich“ sein mit aller Ironie die man irgendwie in die Stimme gepumpt kriegt. Die einzige Chance gegen so Schmierlappen.

  9. thorstenv sagt:

    „dass Ursula von der Leyen die nächste Kanzlerin werden könnte. Ich will jetzt nicht sagen, dass ich die Vorstellung ungruselig finden würde, aber als er dann angefangen hat, sich auszumalen, wie besagte Politikerin den Mann unserer derzeitigen Kanzlerin daten würde und dabei könnten sie ja erwischt werden … “

    Hmm. also so ganz objektiv betrachtet, das hätte schon was. Wenn die da von der Leyen nur Kanzlerin wird um Angela den Mann auszuuspannen und die alle damit beschäftigt sind GZSZ nachzuspielen und gar keine Zeit mehr für wirkliche Regierungsgeschäfte haben, dann könnte es dazu kommen, dass irgendein Hinterbänkler aus der dritten Reihe, der tatsächlich noch eine Ahnung von der Materie hat, statt die Realität nur mehr aus den Erklärungen von Beratern und Lobbyisten zu kennen, das machen muss. Ich mein: auf was kann man den sonst hoffen? Das wär immerhin eine Chance.

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