Die Struckauer

„Wo genau an die Rigaer soll’s gehen?“

„Direkt Ecke Struckauer.“

„Uff, die sagt mir jetzt wirklich nix, wo ist die etwa? Muss ich gleich am Bersarinplatz reinfahren oder reicht über die Proskauer?“

„Ja, an die Ecke Proskauer will ich doch!“

„Sie haben eben Struckauer gesagt …“

„Echt? Wow, da hat mein Hirn offenbar zwei Straßen durcheinandergewürfelt.“

Puh, da war der Taxifahrer also einmal nicht schuld. 😉

Die Ausnahmen (die es meistens gibt)

Insgesamt war die Fahrt stressig. Erst sollte es zum Alex gehen, dann aber zu einem Lokal. Und ja, das kannte ich nicht. Was für ein Vergehen in einer 900km²-Stadt! Darüber hinaus wechselte stets die Mehrheitsmeinung, ob ich nun zum Alex oder zum Lokal fahren sollte. Mach dies, mach das, und warum zur Hölle haste eigentlich keine Ahnung, Du bist schließlich Taxifahrer!?

Ih, bäh!

Dabei gab’s nicht mal ein Problem: Sie konnten mir vom Alex aus ohne Probleme den Weg zeigen und der am Ende aufgelaufene Umweg, weil ich ganz zu Beginn wegen der anderen Zielangabe in die falsche Richtung gestartet war, blieb im 1€-Bereich. Trotzdem war ich am Ende froh, die Bande loszuwerden, manchmal fühlt sich so ein Zehner ja auch äußerst hart verdient an.

Aber ja, ein Zehner! Stellt Euch das mal vor! Schließlich hat der letzte Taxifahrer sie – von wo auch immer und mit welchen Angaben auch immer – doch für kaum 9 € ans Ziel gebracht!!!einself!

(Mal abgesehen davon, dass wir auch noch einen Umweg gemacht haben, weil einer der vier sich vorher ins Hotel hat bringen lassen.)

Entsprechend spannend war es beim Bezahlen: „Ich zahl nicht mehr als zwei Euro!“, „Ich hab eh kein Geld mehr“, „Wo ist jetzt mein Fünfer hin?“ … *nerv*

Aber nachdem sich der Fahrpreis (inkl. ca. 2% Trinkgeld) endlich zusammengefunden hatte, reichte mir eine junge Dame noch ein Zwei-Euro-Stück. Fast schon ein bisschen konspirativ. Und sie begründete das folgendermaßen:

„I …, I like you, really! I wish you would come with us to the bar.“

Da wäre ich ja fast schwach geworden. Glücklicherweise war ihr das mindestens genauso peinlich und sie hat das Weite gesucht.

PS:
Zugegeben: So offensichtlich ist es selten. Aber bei fast allen Idiotengruppen findet sich irgendwer, der sachlichen Argumenten zugänglich ist, das Verhalten der Kumpels doof findet oder sonstwie zumindest einem Seitenwechsel nahesteht. Die ausfindig zu machen entschärft viele Problemtouren, nur mal so als Tipp für die Kollegen!

Genau gleich lang …

Ja, ok, es geht nur um das Ende einer längeren Tour. Aber das lag direkt vor meiner Haustür, hier kannte ich mal so richtig schweinescheißegeil aus:

„Und dann rüber in die Marzahner Promenade, am Freizeitforum kurz rechts-links und dann in die Lea-Grundig?“

fragte ich die Kundin.

„Nein! Bis zur Mühle und dann links ab!“

„Mache ich gerne, ist aber länger.“

„Ach, iwo! Ich hab das kilometermäßig alles schon mal ausgemessen, das schenkt sich nix!“

Ach ja …

Meine Strecke blau, die der Kundin violett. Quelle: osrm.at

Meine Strecke blau, die der Kundin violett. Quelle: osrm.at

Natürlich: Es sind nur 600 Meter Umweg. 0,80 bis 1,00 € auf dem Taxameter. Und natürlich nehme ich die gerne mit, da streite ich mich sicher nicht mit der Kundschaft. Aber akzeptieren, dass die beiden Wege gleich lang sein sollen … hach, da nagt mein Gewissen dann doch an mir.

PS: Ich hab die Kundin wie gewünscht befördert. Hab dann halt auf dem Rückweg die kürzeste Route genommen, einfach so für den Kilometerschnitt.

PPS: „Denken in Karten“ kann ein Vorteil sein. Gute Taxifahrer sind diesbezüglich besser als die Kunden!

Der Jim

Ich hatte gerade Leute am About Blank abgesetzt, da winkte es schon wieder. Juhu!

Oder … eher nicht. Ein super enthusiastischer Hipster bugsierte einen Kumpel ins Auto, von dem kaum mehr als eine leblose Hülle übrig war:

„Bring den doch bitte zum Platz der vereinten Nationen, danke, tschüssi, ciao Jim!“

Und Abgang. Jim wollte noch meckern, aber nach anderthalb Sekunden fiel er einfach um, Koma. Na super. Aber um ehrlich zu sein: Die Nacht an sich lief großartig und einen Totalausfall gibt’s immer. Dieses Mal also Jim, der hinter meinem Sitz in sich zusammengesunken war und dem dünne Speichelfäden aus dem Mund auf seinen Pullover rannen. Ich hab einfach die Karte „Wir sind eh da, bevor er das nächste Mal aufwacht und kotzen könnte“ gespielt. Erfolgreich.

Da Jim schlief, hab ich die genaue Adresse gar nicht erst in Erfahrung gebracht – obwohl der Platz der vereinten Nationen mit den umstehenden Hochhäusern nur eine vage Angabe war. Ich würde ihn eh wecken müssen. Und so kam es dann auch. Auf Ansprachen reagiert hat er gar nicht, also hab ich angehalten und die Tür aufgemacht:

„So, aufgewacht! Platz der vereinten Nationen! Wir sind da!“

Dazu einmal an der Schulter gerüttelt, schon sah mich das Häufchen Elend an und flüsterte:

„Taxi?“

„Ja, Taxi.“

„Gut. Ischlafdannhier!“

Ich hab ihn wieder wachgerüttelt:

„Nein, Du schläfst nicht hier! Ich muss arbeiten, also raus hier, zack-zack!“

„Issokeh, issokeh. Ich muss Warschauer Straße!“

„Dein Kumpel hat gesagt Platz der vereinten Nationen und da sind wir jetzt.“

Ungläubig hat er sich umgeguckt, während das ganze Körpergewicht des zierlichen Mannes an der Schulter hing, an der ich ihn aufrecht gehalten hab.

„Ah, dadrühmwohni!“

… und deutete mit seinem Arm auf die acht uns grob am nächsten stehenden Häuser.

„Mussinosaaln?“

„Ja, Du musst noch zahlen. 13,30 €.“

Beim Versuch, in seine Hosentasche zu greifen, wäre er beinahe auf die Straße gestolpert, wo gerade ein Auto kam. Ich hab ihn zurückgerissen und hab ihn ein paar Meter durch den strömenden Regen geschleift.

„Junge, das war aber auch mal ’n bisschen zu viel heute, was?“

„Kannselautsahn!“

„Wird’s langsam?“

„Alsokeh! Mussinosaahln?“

„Jo. Immer noch 13,30 €.“

So ein gepflegter kalter Herbstregen aber wirkt ja Wunder bei Betrunkenen, die sich in der wohlig-warmen Taxiluft haben umherschaukeln lassen. Komplett Herr seiner Sinne ist Jim wahrscheinlich auch jetzt, 30 Stunden später, eher nur bedingt. Zumindest vom Autofahren würde ich ihm abraten – aber das mit dem Bezahlen des Taxis hat er hingekriegt. Und auch sein Wanken gen Haustüre sah relativ vielversprechend aus. Besser noch als sein Einstieg bei mir. So gesehen hake ich das mal als gute Tat ab, ok?

Vorspiel

Ich war mir nur so mittelsicher, ob es ok wäre, jetzt Feierabend zu machen. Ich hatte meinen Wunschumsatz zwar zusammen, hatte mir aber eine extra lange Schicht verordnet, um auch mal drüber rauszukommen. Zumal die Tage davor nur so mittel waren. Aber jetzt war ich schon fast daheim und eigentlich sind neuneinhalb Stunden dann ja doch auch wirklich genug, selbst mit kurzer Pause …

Und dann, 300 Meter vor der Haustüre und 50 Meter vor dem Abschalten der Fackel (die Differenz ist dem Sicherheitsabstand zu meinem Stammdöner und dessen Kundschaft geschuldet), winkte es doch nochmal. Ein paar aufgeregte junge Kerle, vermutlich Vietnamesen, wuselten um mein Auto und freuten sich sichtbar, so kurz vor Sonnenaufgang ein Taxi draußen in Marzahn gefunden zu haben. Also dann … machen wir mal eben schnell noch einen Zehner!

Und dann guckte mich der Typ auf dem Beifahrersitz über beide Ohren grinsend an und sagt:

„Wi gehe Ficki-Ficki mache!“

Obwohl es wahrscheinlich mit Abstand die schlimmsten Worte für diese zweifelsohne begeisternde Freizeitbeschäftigung waren, war der Kerl schon wieder niedlich. Und mit der deutschen Sprache sah es ohnehin nur eher so mittel aus. Denn als ich sie gefragt habe, wo es hingehen soll, bekam ich aus allen Mündern Antworten, die scheinbar dasselbe sagen sollten, mir aber vom Berliner Dom bis zur Stromstraße die volle Freiheit gelassen hätten, zu welcher falschen Adresse ich sie bringen hätte können.

Mit etwas Händen und Füßen und „Ubannostomsetrass“ war dann aber nur wenige Minuten nach Einstieg geklärt, dass es zum U-Bahnhof Turmstraße gehen sollte. Ich kenne da in der Umgebung kein Bordell, aber wo das da genau liegen sollte, dazu haben sie ohnehin schwer verständliche oder offensichtlich gegensätzliche Angaben gemacht. Also zum U-Bahnhof, im Zweifelsfall wollte ich es mir ab da zeigen lassen.

Schon von Zeit und Richtung her hat mir die Tour nicht so sonderlich gut gepasst, aber ich hab mich mit dem Gedanken an die ca. 30 € Umsatz wachgehalten und gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Denn traurigerweise war eine nette Unterhaltung ja ebenfalls nur schwer möglich – wobei sich wenigstens der Komiker neben mir zunächst noch darin versucht hat, mir zu erklären, was „Ficki-Ficki“ nun genau bedeutet. Der direkt hinter mir war allerdings wirklich nervig. Er konnte als einziger eigentlich recht gut Englisch, hat das aber nur benutzt, um zu meckern, dass er eigentlich zum Westhafen wolle, wie lange das denn bitte dauern würde und wie schlimm es sei, dass ich das Bordell nicht kennen würde. Ich hab’s ignoriert und mich lieber auf die Strecke konzentriert.

Als wir am Ende dann wirklich am U-Bahnhof stoppten und sie mir nicht näher sagen wollten, wo dort denn jetzt genau der Laden liegen solle, bezahlte einer von ihnen mit 30 Cent Trinkgeld und der Typ, der hinter mir saß, hat sich zu guter Letzt wirklich noch genötigt gefühlt, sich vor mir aufzubauen (es ist eigentlich immer eher drollig, wenn das 1,70m-Typen tun …) und mich mit scharfer Zunge zu fragen, wie es denn bitte sein könne, dass ich eigentlich keine Ahnung hätte, welchen Laden sie meinen würden. Ich hab’s sportlich genommen und ihm geantwortet:

„Well, you recognized it the most, how long the tour took – so Berlin seems to be a big city, where it’s difficult to know everything. And in the end: Maybe I would have known a handful of better places. Think about that …“

So wutschnaubend hinterlasse ich Kundschaft ja wirklich nur, wenn sie’s verdient hat. Und war ja auch nur einer, die anderen hatten mir den Halt dort ja auferlegt und waren zufrieden. Konnte mir in dem Moment aber auch egal sein, denn ich hatte schon einen neuen Interessenten, den ich dann auch schnellstens in den Wedding gefahren hab. Und das war dann auch die wirklich letzte Tour an dem Abend …

PS:
Hab an dem Abend eine neue Kundenschublade aufgemacht: „Menschen, die fürs Vögeln schon im Taxi mehr als 30 € liegen lassen müssen, mir aber Unwissen unterstellen“. Ist keine Schublade für nette Menschen, aber von denen hab ich ja schon genug. 😉

Mitarbeitende Kunden sind die besten Kunden

Der Streckenvorschlag der Kundschaft war spitze, ich war so schnell noch nicht auf eine gute Route gekommen. Dann aber fiel mir ein:

„Da ist doch gesperrt, da komm‘ ich nicht durch.“

„Doch, das geht.“

„Gestern war da schon zu und da die für morgen absperren …“

„Nee nee, das geht schon. Wir sind da doch vorher durchgefahren!“

Na gut, ich wehre mich ja nicht gegen einen Kundenwunsch. Als wir der entsprechenden Stelle nähergekommen sind, hab ich meine Zweifel aber nochmal erneuert – insbesondere weil es wegen einer weiteren eventuellen Sperrung schnell mal einen Umweg von 2 Kilometern oder so hätte bedeuten können. Als ich dann sagte, dass das echt blöd wäre, wenn es so sein sollte, meinte mein Kunde nur:

„Wieso denn bitte? Das ist doch perfekt für Dich: Du hast es gewusst, der Fahrgast wollte es anders – und dann kannste schön den langen Weg nehmen!“

Da ist was dran. Das Dumme nur ist: Erst einmal mit den Mehrkosten konfrontiert, verfallen viele Fahrgäste lieber in den „Das hätten Sie als Taxifahrer ja besser wissen müssen, machen Sie mal bitte die Uhr aus, ich zahl nie mehr als 15 €“-Modus.

Dieser aber nicht. Und wie soll ich sagen: Die aktuellen Absperrungen haben mir auch die Möglichkeit gegeben, das gleich auszuprobieren. Und ja: Er hat gelassen die 2 km Umweg abgesegnet und am Ende noch über 3 € Trinkgeld gegeben.

Ich bin doch nicht bescheuert und denke mir eigene Umwege aus. Das outsource ich an die Kundschaft! 😉

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Gesprächsführung …

„Zur Warschauer. Was wird das kosten?“

„Zur S-Bahn? Knapp über Kurzstrecke, acht Euro vielleicht.“

„Alles klar.“

„… und dann fahr ich zum Flughafen Schönefeld.“

„Mit der S-Bahn?“

„Ja nee, nicht um die Uhrzeit. Erst mit der U12, dann die U8 und dann irgendein Bus …“

„Klingt ja nach der schlimmstmöglichen Verbindung. Wie lange dauert das?“

„Naja, eine Stunde. Da fällt mir ein: Wie viel würde es denn kosten, wenn Sie mich zum Flughafen fahren?“

Und an der Stelle war die Sache schon komplikationslos eingetütet. Da lüge dann aber sogar ich:

„Hey, DAS war jetzt aber nicht meine Intention …“ 😉

War am Ende eine nette Fahrt, wir haben uns gut unterhalten, der Fahrgast war superfroh, noch eine halbe Stunde Zeit zu haben („Weißte, ich fahr ja fast nie Taxi …“) und am Ende werden die 30 € Mehrkosten zum ursprünglichen Plan seinen zweiwöchigen Ägypten-Aufenthalt sicher nicht über die Maßen teurer gemacht haben. Passt doch. 🙂