Vorspiel

Ich war mir nur so mittelsicher, ob es ok wäre, jetzt Feierabend zu machen. Ich hatte meinen Wunschumsatz zwar zusammen, hatte mir aber eine extra lange Schicht verordnet, um auch mal drüber rauszukommen. Zumal die Tage davor nur so mittel waren. Aber jetzt war ich schon fast daheim und eigentlich sind neuneinhalb Stunden dann ja doch auch wirklich genug, selbst mit kurzer Pause …

Und dann, 300 Meter vor der Haustüre und 50 Meter vor dem Abschalten der Fackel (die Differenz ist dem Sicherheitsabstand zu meinem Stammdöner und dessen Kundschaft geschuldet), winkte es doch nochmal. Ein paar aufgeregte junge Kerle, vermutlich Vietnamesen, wuselten um mein Auto und freuten sich sichtbar, so kurz vor Sonnenaufgang ein Taxi draußen in Marzahn gefunden zu haben. Also dann … machen wir mal eben schnell noch einen Zehner!

Und dann guckte mich der Typ auf dem Beifahrersitz über beide Ohren grinsend an und sagt:

„Wi gehe Ficki-Ficki mache!“

Obwohl es wahrscheinlich mit Abstand die schlimmsten Worte für diese zweifelsohne begeisternde Freizeitbeschäftigung waren, war der Kerl schon wieder niedlich. Und mit der deutschen Sprache sah es ohnehin nur eher so mittel aus. Denn als ich sie gefragt habe, wo es hingehen soll, bekam ich aus allen Mündern Antworten, die scheinbar dasselbe sagen sollten, mir aber vom Berliner Dom bis zur Stromstraße die volle Freiheit gelassen hätten, zu welcher falschen Adresse ich sie bringen hätte können.

Mit etwas Händen und Füßen und „Ubannostomsetrass“ war dann aber nur wenige Minuten nach Einstieg geklärt, dass es zum U-Bahnhof Turmstraße gehen sollte. Ich kenne da in der Umgebung kein Bordell, aber wo das da genau liegen sollte, dazu haben sie ohnehin schwer verständliche oder offensichtlich gegensätzliche Angaben gemacht. Also zum U-Bahnhof, im Zweifelsfall wollte ich es mir ab da zeigen lassen.

Schon von Zeit und Richtung her hat mir die Tour nicht so sonderlich gut gepasst, aber ich hab mich mit dem Gedanken an die ca. 30 € Umsatz wachgehalten und gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Denn traurigerweise war eine nette Unterhaltung ja ebenfalls nur schwer möglich – wobei sich wenigstens der Komiker neben mir zunächst noch darin versucht hat, mir zu erklären, was „Ficki-Ficki“ nun genau bedeutet. Der direkt hinter mir war allerdings wirklich nervig. Er konnte als einziger eigentlich recht gut Englisch, hat das aber nur benutzt, um zu meckern, dass er eigentlich zum Westhafen wolle, wie lange das denn bitte dauern würde und wie schlimm es sei, dass ich das Bordell nicht kennen würde. Ich hab’s ignoriert und mich lieber auf die Strecke konzentriert.

Als wir am Ende dann wirklich am U-Bahnhof stoppten und sie mir nicht näher sagen wollten, wo dort denn jetzt genau der Laden liegen solle, bezahlte einer von ihnen mit 30 Cent Trinkgeld und der Typ, der hinter mir saß, hat sich zu guter Letzt wirklich noch genötigt gefühlt, sich vor mir aufzubauen (es ist eigentlich immer eher drollig, wenn das 1,70m-Typen tun …) und mich mit scharfer Zunge zu fragen, wie es denn bitte sein könne, dass ich eigentlich keine Ahnung hätte, welchen Laden sie meinen würden. Ich hab’s sportlich genommen und ihm geantwortet:

„Well, you recognized it the most, how long the tour took – so Berlin seems to be a big city, where it’s difficult to know everything. And in the end: Maybe I would have known a handful of better places. Think about that …“

So wutschnaubend hinterlasse ich Kundschaft ja wirklich nur, wenn sie’s verdient hat. Und war ja auch nur einer, die anderen hatten mir den Halt dort ja auferlegt und waren zufrieden. Konnte mir in dem Moment aber auch egal sein, denn ich hatte schon einen neuen Interessenten, den ich dann auch schnellstens in den Wedding gefahren hab. Und das war dann auch die wirklich letzte Tour an dem Abend …

PS:
Hab an dem Abend eine neue Kundenschublade aufgemacht: „Menschen, die fürs Vögeln schon im Taxi mehr als 30 € liegen lassen müssen, mir aber Unwissen unterstellen“. Ist keine Schublade für nette Menschen, aber von denen hab ich ja schon genug. 😉

2 Kommentare bis “Vorspiel”

  1. […] auf mich herein und mir war klar, dass es die Vietnamesen vom Vortag sein müssten. Nun, seit dem Vorspiel war fast ein ganzer Tag vergangen, aber die meiste Zeit stand das Auto halt ungenutzt auf dem […]

  2. D.R.I sagt:

    Gesicht merken und nächstes Mal die ganze Truppe in einen der „viel besseren Läden“ (= Läden, die Taxlern Prämien zahlen) karren. 😀

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