Lönnen

„Jetzt nur geradeaus und dann rechts. Lönnener Straße.“

WTF? Aber egal, die Richtungsangabe war ja schon mal klar.

Ich bin gefahren und Sie hat mir gesagt, wann ich wo abzubiegen habe. Business as usual. Oder vielleicht Besünis äs äsül? Ich hab sie am Ende jedenfalls zufrieden in der Londoner Straße abgesetzt …

Zur rechten Zeit

Meine Laune ist derzeit ungebrochen, das Geschäft allerdings ist dafür nur so mittel verantwortlich. Die alte Weiheit „Zwischen Ostern und Pfingsten ist der Verdienst am geringsten“ scheint sich zu bewahrheiten, was nach erwartungsgemäßen Osterferien und einem vorzeigbar schlechten Januar nun echt nicht noch hätte sein müssen fürs erste Halbjahr 2017. Aber egal, ich hab’s durchgezogen und kann wenigstens behaupten, es versucht zu haben. Und etwas mehr als gar nix kommt dann ja doch zusammen.

Bezeichnend  für dieses Wochenende war aber, dass beide Wochenendschichten ungefähr zur Mitte hin von unerwartet langen Touren aufgehübscht wurden. Am Freitag torkelte ein Betrunkener rund 10 Minuten kreuz und quer um mein Taxi in Friedrichsfelde herum, um am Ende wie nebenbei eine Fahrt nach Erkner zu ordern. Am Samstag dann winkte es nach hundsmiserablen vier Stunden auf der Warschauer Brücke und ich durfte von dort nach Ludwigsfelde fahren.

Schätze, das ist dieses „Glück im Unglück“. Oder selbiges, das angeblich mit den Tüchtigen ist. 😉

Unterschiedliche Koordinatensysteme

Etwas überrascht führte ich mit der Kundin rund ums Engelbecken Gespräche über den ehemaligen Gewässerverlauf. Da mussten wir allerdings beide geschichtlich passen. Ich hab dann eingeworfen, dass die Straßen in Berlin mir schon umfangreich genug seien, woraufhin sie sagte:

„Sehen Sie: Mich können Sie überall in Berlin aussetzen und ich hab keine Ahnung, wo ich bin. Es sei denn, es liegt an einem Gewässer.“

„Also nehme ich an, dass sie beruflich was mit Wasser machen?“

„Ich kartiere Wasserstraßen.“

Geil!

Ich meine: Eine riesige Stadt wie Berlin kann man auf 1000 Arten erschließen. Auch als Taxifahrer zum Beispiel ist man ja mit seinem Schwerpunkt auf Straßennamen (und z.B. eher Schwächen beim U-Bahn-Netz oder den Radwegen) auch ein Spezialfall. Aber die Kartierung von Wasserstraßen, da jubelt der Nerd in mir, das finde ich großartig. Einfach nur, weil es das auch gibt! 🙂

Einmal für 17€ pinkeln

Sie ist am Sisyphos eingestiegen und wollte nach Mitte. Soweit normal. Sehr  schnell aber ging es nur um eines:

„I need to pee. I am literally in pain right now!“

Und ja: Ein Freund hatte ihr schon mitgeteilt, dass es am Sisyphos auch Toiletten für die Leute in der Schlange gibt. Nur war die Schlange leider zu lang, sie hatte sie schlicht noch nicht einmal in Aussicht gehabt. Da es ihr sichtlich schlecht hing, hab ich nach rund zwei Kilometern mal nachgefragt, ob wir nicht vielleicht doch einen Zwischenstop einlegen sollten, an irgendeiner Bar vielleicht.

„They might charge you 50 Cent or one Euro, but …“

„That’s ok! I just wanna pee!“

Also hab ich am nächstgelegenen Restaurant angehalten. Und während die dort angefangen haben aufzuräumen hat meine Kundin mal eben satte 3€ Wartezeit zum Pinkeln genutzt. Holla die Waldfee, DAS ist echt nicht mehr lustig!

Nach dem Wiedereinstieg beschloss sie dann, sich doch noch einmal in die Anderthalb-Stunden-Schlange am Sisyphos einzureihen. Mir kam das mehr als gelegen  und sie versicherte auch, dass es ihr das wert war. Aber 16,10€ Taxikosten plus Betrag X, den sie auf den Tresen gelegt hat … ich vermute mal, dass das einer der teuersten Toilettenbesuche ever war.

Mal wieder eine Kundenroute

Auf dem Bild sieht das ja erst einmal ganz nett aus:

„So fahr‘ ich immer!“ Quelle: openrouteservice.org

Dass die kürzeste Route ein Spezialfetisch von uns Taxifahrern ist: Schon klar. Dass ein Kunde also nicht an die Marzahner Chaussee (erkennbar hilfreich schräg im Bild) denkt, ist in Ordnung. Aber ausgerechnet die Schleife auf die Märkische Allee fahren zu wollen (anstatt direkt auf den Blumberger Damm) oder gefühlte dreihundert Kilometer die Oberfeldstraße (die lange senkrechte Strecke) anstelle des – nun ja, Blumberger Damms – wo weitgehend rechts vor links herrscht …

Ich weiß, für Nicht-Marzahner wirkt das geradezu kleinlich, trotz Blick auf die Karte. Aber sowas  absurdes habe ich selten erlebt. Dass Kunden mal auch nachts die „tagsüber schnellere“ Strecke wählen: OK. Aber ein verlängerter Weg bei gleichzeitig massiv erhöhter Nervigkeit ist echt beeindruckend!

Eigentlich BVG-Kunden

Eine Truppe Winker in Friedrichsfelde. Eine (weitgehend) nüchterne Frau und zwei sturzbesoffene Kerle mit Getränkebechern. Ich verstehe die Kollegen, die das gar nicht machen, aber ich bin halt der Gutmütige, der am Ende auch noch den Rest einsammelt. Ich hab um Vorsicht gebeten, die beiden haben mir selbige versprochen, so wie sie auch sonst alles auf der Welt versprochen hätten. Alles. Auch einen Friedensvertrag zwischen den USA und Nordkorea. Aber immerhin hat das mit den Bechern geklappt.

Die Frau wollte nach Marzahn, die beiden Jungs nach Hellersdorf und Hönow. Schnell war klar, dass die 20€ von ihr  für alles nicht reichen würden. Also eine Straßenbahnstation. M6, meine Linie, kenn‘ ich. Anstatt sie drei Kilometer nach der zurechnungsfähigen Kundin rauszuschmeißen, kam mir die Haltestelle vor meiner Haustüre in den Sinn. Sie fanden das gut, es gab kein Geklecker, alles super.

Ich zu meiner nunmehr einzigen Kundin:

„Sorry, sollte nicht fies aussehen, aber mit den beiden am Ende alleine … da wäre ich der einzig zurechnungsfähige Mensch im Wagen gewesen.“

„Oh, das verstehe ich total!“

Am Ende blieben mehr als drei Euro Trinkgeld und der Hinweis, ich fahre „sehr gut“.

Was ein paar Minuten  zuvor noch mit „Wo biste’n jetze? Hohenschönhausen oder wat?“  kommentiert worden war. Einmal mehr: Alles richtig gemacht!

Und  an die BVG: Sorry, falls Putzarbeit angefallen ist!

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Die Postbank

„Äh, ok? Wohin denn da genau?“

„Na die Postbank kurz vorm Bahnhof!“

Und ich hab mich schon gefragt, wie ich überhaupt den kürzesten Weg in den entsprechenden Stadtteil hinkriege.

„Mach‘ Du nur, ick penn‘ eh glei‘ ein …“

Und – zack! – weg war er.

Ich hab spitz vor knapp die Route noch geändert. Eher gefühlsmäßig, denn das Navi konnte ich mangels Zieladresse nicht nutzen. Im Stadtteil angekommen weckte ich ihn auf, sagte aus welcher Richtung ich komme und wartete auf Hilfe. Wirklich ernsthaft. Außenbezirkiger als da ging nicht. Aber ja:

„Ja klar Mann, bester Weg! Hier rechts, dann is‘ gut!“

Puh!

Oder wie ich’s heute Nacht erst mit einem Kunden hatte:

„Dann rechts?“

„Nee, besser geradeaus. Ist aber nicht wichtig, ist jetzt echt so Experten-Bullshit.“

„Mag sein, aber das ist genau der Experten-Bullshit, mit dem ich mich den ganzen Tag beschäftige …“

Ihr wisst: Ich bin definitiv ein Navi-Freund, aber Ortskunde ist (zumindest noch) kein unnützer Scheiß im Alltag!