Weinerlicher Trinkgeldgeber

Es gibt so Leute, die könnte man sich als Nicht-Dienstleister echt nicht ausdenken. Zum Beispiel den Typen, den ich mit zwei Kumpels in Friedrichsfelde eingeladen habe. Er sagte mir flott von der Rückbank an, dass ich sie ins Krankenhaus bringen solle, sein Freund sei verletzt. Der nun wiederum saß neben mir und sah erst einmal ganz vergnügt aus.

Aber der Typ von der Rückbank begann nach der kurzen Klärung, in welches KH sie denn nun wirklich wollten, gleich mal mit seiner wichtigen Feststellung, dass ich ja nun eigentlich verpflichtet sei, sie umsonst dorthin zu bringen, weil der Kumpel ja verletzt sei. Ich hab das ohne mal kurz alle Paragraphen zu wälzen wie folgt beantwortet:

„Nö.“

Meine neu erworbene Lieblingsnervensäge hatte Glück. Denn zum einen war sein erster Satz „Wir bezahlen natürlich trotzdem, logo!“ und zudem haben ihn seine Kumpels aufgefordert, ruhig zu sein. Aber dann stieg er während der Fahrt voll ein und versuchte mir abzuringen, dass es jetzt eigentlich nicht in Ordnung wäre, dass ich ihnen Geld berechne, weil das ja „meine Pflicht“ sei, Verletzten zu helfen.

Wie gesagt: Ich hab nicht Jura studiert und bin offen einer gegenteiligen Aussage diesbezüglich, aber ich bin mir doch sehr sicher, dass das nicht so ist. Wie ich dem Fahrgast auch schnell mal gesagt habe, bin ich als Mensch und Bürger selbstverständlich in der Pflicht, gegebenenfalls Hilfe zu leisten – was aber natürlich nicht mit einschließt, dass ich meine Dienstleistung kostenlos anbiete. Ich bin mir sicher, dass sich selbst (bzw. gerade!) im Falle von Schwerverletzten meine Pflicht darauf beschränkt, den Rettungsdienst zu alarmieren.

Aber das wollte der eloquente junge Mann nicht hören und redete und redete auf mich ein, was ich denn machen würde, wenn X und Y wäre und überhaupt und sowieso!

„Ja oder Nein? Ja oder nein? JA ODER NEIN? JA ODER NEIN? JA ODER NEIN?“

„NEIN.“

„Was, wie kannst Du, Du bist als Taxifahrer …“

„KANNST DU JETZT MAL DIE KLAPPE HALTEN!?“

Und mal im Ernst: Man muss es wirklich erst einmal schaffen, mich bei nur zwei Kilometern Strecke so zu reizen, dass ich laut werde. Aber meine Fresse war der Typ nervig. Wenn er mich wenigstens hätte ausreden lassen!

Was dann aber folgte, war so eine Art Meta-Parodie. Während der „schwer verletzte“ Kumpel auf dem Beifahrersitz seine blutende Lippe – das war die Verletzung! – im Spiegel beäugte, wurde der dritte im Bunde plötzlich nachdenklich und bat mich, doch bitte nicht so schlimme Worte zu benutzen. Ich hätte seinem Freund gesagt, er solle „die Klappe halten“ und das wäre nicht nett. Sie würden so ein Vokabular nicht benutzen und es wäre nicht fair, dass ich das tun würde.

Und das ist kein Witz. Ich hab nicht einmal „Fresse“ gesagt, obwohl es selbstverständlich genau so gemeint war*.

Der Rest der Fahrt verlief recht leise, aber dennoch mit dem anhaltenden Tenor, dass es nicht ok war, was ich gesagt hätte.

WHAT

THE

FUCK?

Während mich der schwer verletzte Beifahrer bezahlte, ermahnte mich der Ach-so-gut-bescheid-Wisser dann noch einmal, dass es echt lieb wäre, wenn ich mich bei ihm entschuldigen würde. Das war in Anbetracht der Tatsache, dass das drei Männer in meinem Alter mit großer Klappe waren, so absurd, dass ich’s einfach gemacht habe. Ich bin ja kein Unmensch und will ja nicht, dass einer weinen muss.

Und was soll ich sagen? Dafür gab’s sogar Trinkgeld.

Hätte ich keinen Blog, läge mir sehr viel daran, diesen Bullshit einfach zu verdrängen. 🙂

*Alle, die hier länger als ein paar Tage mitlesen, wissen, dass ich meine Kunden sehr gern hab und ihnen einiges verzeihe, was viele Kollegen nicht nachvollziehen können. Aber als Taxifahrer gehöre ich zu jenen Dienstleistern, die teils mehrmals pro Nacht auf Leute treffen, die nicht nur wie der Typ hier versucht, mir meinen Job und meine Rechte und Pflichten zu erklären, sondern zudem immer einen Grund parat haben, warum ich gerade für sie heute mal auf meinen ohnehin nicht sehr stattlichen Lohn natürlich verzichten müsse. Natürlich ist das manchmal nur ein Witz und ich bin nicht einmal da völlig humorbefreit, aber wenn solche Typen dann auch noch darauf bestehen, dass ich sagen soll, sie hätten aber recht, recht, recht, RECHT, REEEEHEEEEEECHT! … mal ganz im Ernst: Wie wäre Eure Laune dabei?

Trinkgeldgeben für Mutige

„Dann sind wir bei 19,30€.“

„Hier schon mal ein Zwanni. Aber warte kurz …“

Er nestelt in seiner Hose und kramt eine Handvoll Münzen hervor.

„Hier, ich geb Dir … ich … ach, ich geb Dir einfach alles, was ich hier hab. Auch wenn ich nicht weiß, wie viel es ist.“

Hört man selten, wenn nicht einmal ein Stück Rotgeld dabei ist. 🙂

Allerdings waren es am Ende irgendwas um die drei Euro, einen neuen Rekord kann ich also leider auch nicht vermelden.

Trinkgeldkleinigkeiten

Trinkgeld war heute mal wieder so mittel. Keinen großen Anteil daran hatte eine einzelne Kundin, die ich aber dennoch erwähnen muss, denn sie hat seit langem mal wieder ein sehr seltsames Trinkgeld gegeben: Die leicht überzogene Kurzstrecke für 5,50€ hat sie mit 5,80€ beglichen.

Gleich vorweg: Ja, damit fällt man weit (!) mehr auf, als wenn man kein Trinkgeld gibt. 😉

Ansonsten war das für heute Nacht bedeutsam, weil sie damit endgültig dafür gesorgt hat, dass ich Scheine in Münzen wechseln musste, denn nach den 4,20€ Wechselgeld hatte ich wirklich nur noch 80 Cent in der Tasche, sowas passiert wenn’s hochkommt alle drei Jahre mal.

Lustigerweise passt das auch zu einem Artikel, den mir Sören zugeschickt hat, bei dem es um einen Polizeieinsatz wegen ganzen drei Cent (!) Trinkgeld geht. Für Nichtklicker: Der Fahrgast hat drei Cent Trinkgeld gegeben, der Taxifahrer hat es abgelehnt. Der Kunde schmeißt’s ins Auto, der Fahrer aus dem Fenster und daraufhin will der Fahrgast nicht aussteigen.

So weit, so absurd. Aber ich weiß ja von einigen Kommentaren hier, dass manche Kollegen bei solchen Beträgen auch schnell genervt sind und ebenso handeln würden. Im Übrigen hab ich beim Verlauf der obigen Geschichte durchaus die Vermutung, dass das „Trinkgeld“ in diesem Fall wirklich herablassend gemeint war. Aber ich möchte da auch mal ganz ehrlich und nicht böse gemeint genau jene Kollegen fragen: Was bringt’s Euch eigentlich? Also mal abgesehen davon, dass ich persönlich glaube, dass man da auch einigen Kollateralschaden unter einfach nicht nachdenkenden Kunden anrichtet: Was gibt einem das, wenn man dann seinerseits herablassend ist?

Ich meine, Ihr habt recht: Auf den einen Kunden oder diese paar Cent kommt’s natürlich nicht an. Aber ist das nicht eigentlich eine Bestätigung für den Kunden, dass man kleinlich ist oder sich schnell ärgern lässt? Ich hab diese Kunden ja auch, aber ich hatte nach dem oberflächlichen „Schönen Abend noch!“ nie das Gefühl, dass da einer ausgestiegen ist, der glaubte, es mir jetzt aber gezeigt zu haben oder dergleichen. Dazu all der Stress … ich blick’s echt nicht. Deswegen wäre ich echt froh über Erklärungen, die einen Schritt über „Ich lass nicht alles mit mir machen“ rausgehen. 🙂

Hohendönerhausen, Trinkgeld und das große Ganze

Für all die Leute mit fixem Monatslohn mag es manchmal seltsam erscheinen, wieso wir Taxifahrer uns über eine lange Tour freuen. Aber so ist das halt. Und mal ganz im Ernst: Ich habe ja auch Mitleid mit der Schuhverkäuferin, der ich erst einmal mitteile, dass sie ihr Mainstream-Programm nun mal niederlegen kann und mir die 50+-Abteilung zeigen soll.

Aber nein, schwierig war der Fahrgast nicht. Er war mir altersmäßig ein paar Jahre voraus und seines Zeichens Koch. Ein Berufsstand, vor dem ich hehren Respekt hege. Und das eines ehemaligen Mitbewohners wegen, den ich zwar eigentlich gerne vergessen würde, der mir den Job aber dennoch nahegebracht hat. Solltest Du weiter mitlesen, Ralf: Ich respektiere deine Arbeit mehr denn je!

Mein Kunde jedenfalls war fertig. Klassische 15-Stunden-Schicht, die nächsten 33 Stunden frei, immerhin.

Er stellte in Aussicht, vielleicht „nur“ mit Karte zahlen zu können, lotste mich dann aber doch erst an eine Bank, dann an einen Dönerladen und zuletzt vor seinem Ziel an einen Späti. Doch noch ein paar Bier, der Kollege hatte sich eben erst wachgemeldet.

Die Zwischenstopps fraßen Zeit und damit am Ende auch Geld. Ich  bin ein netter Mensch, aber während meiner Arbeitszeit läuft die Uhr weiter, so ist das halt.

Ich habe nicht ein Gegenwort gehört. Nicht mal im Ansatz.

„Schön, das Du mich heimbringst!“

„Nett, dass Du wartest!“

„Geil, dass Du da warst!“

„Fett, dass Du dir den Stress mit mir gibst!“

Ja, ich hab nur meinen Job gemacht. So wie er die 15 Stunden zuvor. Aber ich hätte auch Trinkgeld gegeben, auch einen Gruß an die Küche ausgrichtet, seine Arbeit auch wertgeschätzt. „Was auch sonst?“, denke ich mir bisweilen. Und stelle dann fest, dass das leider immer noch viel zu selten der Fall ist.

Ja, vielleicht ist es absurd, dass ich das gute Trinkeld dieser Tour am Ende jemandem zukommen lasse, der mich z.B. bei meinem nächsten Restaurantbesuch nett bedient und der es dann wieder einem anderen Taxifahrer zukommen lässt. Oder noch mehr. dass irgend ein Arschloch die Kette am Ende durchbricht. Vielleicht ist das ein finanziell betrachtet sinnloser Kreislauf, ich will das nicht ausschließen.
Aber erst einmal fühlt es sich gut an.

Für Menschen außerhalb des Dienstleistungsgewerbes mag dieser Gedanke noch fremder erscheinen, aber ich möchte das hier einmal aussprechen: Ja, wo euer Trinkgeld am Ende landet, wisst Ihr nicht. Vielleicht beim Kellner, vielleicht beim Koch, vielleicht beim Taxifahrer des Kochs oder dem Koch des Taxifahrers. Am Ende aber immer bei irgendwem, der es eingepreist hat oder einpreisen musste.

Also bitte …

Trinkgelder, wie sie Dienstleister heimlich träumen

Ja, es war schon eine nette Fahrt. Eine junge Familie vom Bahnhof nach Hellersdorf. Ich hab dem Kleinen eine Sitzerhöhung gereicht, hab eloquent bedauert, die Straße nicht auswendig zu wissen und mich mit Papa ein wenig über seinen und meinen Job unterhalten. So weit, so gut normal.

„Dann wären wir bei 30,90€.“

„Ja, dann mach mal 45.“

„Oh, äh, wow, danke!“

„Was denn? War nett, ging schnell, alles ok.“

Und ich dachte, ich wäre bei Trinkgeldern schon vorbildlich.

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Sommertrinkgeld 2

Diesmal war’s etwas spartanischer:

"Wasser? Im Wasser vögeln die Fische!" Quelle: Sash

„Wasser? Im Wasser vögeln die Fische!“ Quelle: Sash

Auch die „Überreichung“ fiel ruhiger aus. Mit müder Stimme nuschelte mein Fahrgast:

„Ich lass‘ ne Flasche Wasser da. Ist noch zu, schmeckt auf jeden Fall.“

Man muss es ja auch nicht übertreiben mit netten Worten. 🙂

PS: Ich hab das polnische Apfelbier aus dem letzten Eintrag eben probiert. Und bei aller Skepsis gegenüber Bier-Mischgetränken: Holy Shit, was ist das für ein geiles Gesöff!? Zugegeben: Ein bisschen arg süß ist es, aber dank des Bieres eben auch herb. Schmeckt also wie irgendwas in Richtung „saure Apfelringe“. Die 4,5 Umdrehungen merkt man dem Zeug nicht an, ganz ehrlich. Ziemlich Alkopop-mäßig. Aber LECKER!

Das mit dem Alkoholgehalt überprüfe ich gerne auch, falls mir mal wer eine Palette des Zeugs zukommen lässt. Ich twittere dann auch den Abend live, versprochen. 🙂

Für heute ist es mit dem einen aber auch gut, schließlich geht’s heute Abend wieder auf die Straße!

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Sommertrinkgeld 1

Die vergangene Woche war heiß. Da gab’s dann auch mal Trinkgeld im überwörtlichen Sinne. Sehr schön – wobei? Ich hab’s noch nicht probiert! – war das hier:

Polnisches Apfelbier – öfter mal was neues … Quelle: Sash

Öfter mal was neues … Quelle: Sash

Polnisches Apfelbier ist das. Wurde mir regelrecht aufgenötigt von ein paar Kerlen, die mich anschließend dreimal ermahnten, es nicht während der Arbeit zu trinken. Das gab es im Übrigen zusätzlich zu einem Euro Trinkgeld auf eine läppische Kurzstrecke. Sehr schön, sowas. Seit dem Fototermin eben liegt die Dose im Kühlschrank. Ich bin wirklich gespannt. 🙂