Es war ja vor ein paar Wochen wieder in aller Munde: Das inzwischen wohl bekannteste Urteil zum Thema illegale Autorennen schlechthin: Dass vom Moabiter Kriminalgericht zwei Möchtegern-Rennfahrer wegen Mordes verurteilt wurden, weil sie einen Unfall verursacht hatten, bei dem ein Mann getötet wurde. In aller Munde war es dann neulich wieder, weil es durch den Bundesgerichtshof aufgehoben wurde.
Mit meinem Kunden kam ich auf das Thema, weil ich anmerkte, dass die nachts so leeren Straßen in Berlin leider manchmal auch zum Zu-schnell-Fahren animieren würden. Wir waren bezüglich meines Tempos der gleichen Meinung: Das sei schon ok. Ich war hier und da mit den berühmt-berüchtigten „10 km/h zu viel“ unterwegs, aber auch mein Kunde, dem nach „ein paar Bier“ nicht mehr so ganz wohl im Magen war, fand, dass ich einen super Job machen würde.
Um dann umzuschwenken auf oben genannten Fall. Für alle, die das wirklich verpennt haben: Zwei völlige Vollhonks haben im Februar 2016 bei einem Rennen über den Kurfürstendamm bei einem Tempo von mindestens 160 km/h (ich glaube, stellenweise gilt da Tempo 30) gleich im Dutzend rote Ampeln überfahren und einer hat dann den anderen Wagen gerammt, bzw. geradezu von der Straße gefegt.
Wie endlos dumm und falsch das ist, lässt sich kaum in Worte fassen, dennoch war die Justizlandschaft am Ende doch auch etwas baff, als das wirklich als Mord gewertet wurde. Und andersrum war der Aufschrei natürlich groß, als der BGH das Urteil kippte.
Naja, nun jedenfalls war da mein Kunde, mit dem ich über das alles plauderte und obwohl ich ihm zustimmte, dass solche Geschichten jenseits von Gut und Böse und natürlich hart zu bestrafen seien, wandte ich ein, dass ich das Urteil vom BGH völlig in Ordnung finde. Woraufhin sich eine ernsthaft faire und nette Diskussion entwickelte, die am Ende trotzdem darin gipfelte, dass wir uns uneins waren, der Kunde mir aber ein sehr gutes Trinkgeld gab.
Und natürlich möchte ich diese Stelle nutzen, um meine Sicht auf die Geschichte zu erklären und die nette Diskussion vielleicht hier fortzuführen.
Ich bin in Sachen StVO in der Regel ja eher ein Hardliner gegen die Autofraktion. Also nicht, dass ich als leidenschaftlicher und beruflicher Autofahrer so sehen würde, aber man unterstellt mir das gerne. Ich finde, dass einem der Führerschein hier oft viel zu lange gegönnt wird, ich befürworte etliche Pro-Fahrrad-Anliegen und gehe an die meisten Sachen erst einmal von Seiten des Gemeinwohls und der Umwelt heran, anstatt an meine persönliche Bedürfnisbefriedigung zu denken, der innerstädtisch Mindest-Tempo 100 und ein deutschlandweites Fahrradverbot natürlich ungemein entgegenkommen würden. 😉
Tatsächlich ist beides aber völlig egal, wenn es um das „Raser-Urteil“ geht. Nur weil ich mal 70 fahre, wo 60 erlaubt sind, ekeln mich diese beiden Schluffis an, die 30 PS mehr für ein valides Argument für was auch immer halten. Und ebenso finde ich das Mord-Urteil derart grotesk, dass ich mich frage, wie sowas auch nur möglich ist hierzulande.
Der Tod eines Menschen ist tragisch und natürlich ist es nicht entschuldbar, wenn ein bestimmter Mensch durch eine konkrete und vielleicht sogar freiwillige Handlung das herbeigeführt hat. Da stimme ich allen Mordurteil-Befürwortern zu. Und vielleicht sollte die Strafe für sowas höher liegen. Ich gebe zu, dass ich da kein großer Befürworter bin, weil ich glaube, dass viele Menschen massiv fehleinschätzen, was Haft bedeutet, aber ist für diesen Fall auch egal, denn mir geht es nicht darum, dass die Typen eine minderschwere Strafe kriegen.
Ich bin natürlich kein Jurist, der sich abschließend mit dem von den Moabiter Richtern eingebrachten Begriff des „bedingten Vorsatzes“ beschäftigt hat, aber ich glaube, man muss kein Jura-Studium absolvieren, um feststellen zu können, dass es absurd ist, wenn den Tätern einerseits vorgeworfen wird, dass sie sich sicher waren, dass ihnen nix passiert, weil sie alles unter Kontrolle haben und andererseits, dass sie jemanden töten wollten.
Natürlich sollte jeder Mensch bei klarem Verstand verstehen, dass man bei Tempo 160 in der Innenstadt jemanden töten könnte. Aber wenn jemandes Persönlichkeit in ein paar Zylinderköpfen steckt, dann hege ich starke Zweifel, dass er die freiwillig zerschreddert.
Die Sache ist die: Mord ist ein sehr extremes Verbrechen, das ganz bewusst nicht alle Tötungsdelikte umfasst. Es gibt daneben eben auch Totschlag, fahrlässige Tötung und was weiß ich noch. Ich will hier sicher nicht runterspielen, was die beiden Verantwortlichen in jener Nacht am Ku’damm angerichtet haben, aber gerade die Leute, die gerne überall mehr Strafe sehen wollen, sollten sich doch mal überlegen, wieso die zwei jetzt wegen Mordes verurteilt werden, wenn jemand, der absichtlich einen anderen überfährt, um zum Beispiel Wettschulden loszuwerden – obwohl er das Geld eigentlich hätte und es nur nicht hergeben will – nicht höher bestraft werden könnte, weil Mord halt Mord ist.
Ja, auch das ist vereinfacht, ich weiß. Natürlich gibt es noch besondere Schwere der Schuld, im Endergebnis Sicherheitsverwahrung etc. pp. Aber im Grundsatz ist es so, dass „Mord“ nun einmal der Straftatbestand ist, der hier zur Sprache kommt, wenn Leute absichtlich aus niederen Motiven getötet werden. Und eben nicht, wenn jemand getötet wird, weil er zufällig extrem dummen Leuten im Straßenverkehr begegnet ist.
Und ja: Natürlich kann man Geltungssucht, idiotische Rumprollerei und überhabenes Männlichkeitsgetue, Dreistigkeit oder chronische Selbstüberschätzung eklig finden. Aber die Typen haben sich gegenseitig beeindrucken wollen, mehr nicht. Jeder, der darüber nachdenkt, weiß doch selbst, dass das genau die eklige Sorte Mensch ist, die jeden verprügeln würde, der ihr Auto beleidigt. Es kann mir doch keiner erzählen, dass die freiwillig und absichtlich für irgendwen ihre Kiste zu Schrott fahren würden.
Wie gesagt: Ich finde das auch extrem abstoßend, Mitleid mit denen braucht ihr mir echt nicht unterstellen, so einfach isses nicht. Aber Mord? Nein! Das sollte dann doch anderen vorbehalten bleiben. Denn auch wenn es erschreckend ist: Es gibt noch ekligere Menschen da draußen!