Ich bin ja nun schon einige Jahre sehr sehr regelmäßig im Straßenverkehr unterwegs. Sicher, im Taxi meist nachts, da ist selbst in Berlin so wenig los, dass man sich nur höchst selten in die Quere kommt – aber auch mir fehlt es nicht an den vielen hier oft ungenannten Beispielen von egoistischen Verkehrsteilnehmern, die allerorten das Klima auf der Straße versauen. Irgendwer drängelt sich immer vor, nimmt die Vorfahrt oder versucht durch Hupen einen Stau aufzulösen.
Während die spannenden Fahrgäste letztes Wochenende leider auf sich warten ließen, hab ich abseits des Taxis aber in den letzten Wochen ein kleines Idyll entdeckt: Die Schleizer Straße. Das ist eine unbedeutende Nebenstraße in Alt-Hohenschönhausen (glaube ich zumindest, ich hab mir die Ortsteilgrenzen da nicht so genau angesehen), die auch ich gerade eher zufällig in einem anderen Auto regelmäßig befahre. Im Berufsverkehr.
Das besondere Setting der Straße ist wie folgt: Es wird von Ortskundigen derzeit zur Umgehung einer Baustelle benutzt und oft von Anfang bis Ende befahren. In beide Richtungen. Dabei handelt es sich um eine 30er-Zone mit überwiegend nur einer freien Spur, die andere Seite ist legal beparkt. Sollte allen Gesetzmäßigkeiten des deutschen Verkehrs nach die absolute Hölle sein. Und vielleicht ist das sogar oft so, aber ich hab in den letzten paar Wochen erstaunt gesehen, dass dort, in dieser kleinen Straße, alles sowas von absurd planmäßig verläuft, dass es mich als Vielfahrer schaudert. Die Fahrer auf der beparkten Seite scheren frühzeitig in Lücken ein und die, die in der anderen Richtung unterwegs sind, haben fast immer eine komplett freie Fahrt. Nix mit Lichthupen, Dränglern, Auf-den-Gehweg-Ausweichern. Alles gesittet und wie geplant, ich traue meinen Augen immer noch kaum.
Aber ich glaube, ich habe eine Idee, warum es so ist:
Ziemlich genau in der Mitte der Straße ist eine Kreuzung und an der wechseln die Vorzeichen. Jeder kann die erste Hälfte durchfahren und wird erst in der zweiten zu dem, der ausweichen muss. Und als nicht wirklich kleiner und nicht wirklich begabter Psychologe glaube ich, dass das vielleicht wirklich kein Zufall ist. Erst kann man trotz wenig Platz frei fahren, weil alle entgegenkommenden Autos regelkonform ausweichen – und dann ist man selber der, der ausweichen muss. Erhöht das Verhalten der Entgegenkommenden zuvor nicht die Bereitschaft, hier auch brav zu sein und immer in eine Parklücke zu schwenken? Ich bin mir da sehr sicher.
Was ich noch nicht weiß: Wem ich dafür danken soll.
Eher dem Planer, der die Parkplätze dort so verteilt hat oder dem armen Trottel, der irgendwann vor Jahren mit seiner Nettigkeit ein Spiel angestoßen hat, das seither kein Ende findet? 😉
Es ist auch eine Frage der Gewohnheit. Berlin, Einfahrt Tunnel Tegel, da ist oft eine von 2 Spuren durch Lichtzeichen (!) gesperrt. Das kümmert ja den gemeinen Berliner Autofahrer eher selten. Wenn frei, dann fahren. Wenn wirklich irgendwo ein Hindernis kommt, kann man ja immer noch auf die andere Spur ausweichen. Gerade deshalb, weil diese Lichtzeichen manchmal anscheinend grundlos einen Spur für ein paar Meter sperren. Gern auch mal im Tunnel in einer engen Kurve. Da ist die Gefahr eines Unfalls deutlich erhöht, wenn man in der Kurve im Tunnel die Spur wechseln soll. Also: ignorieren. Nicht aber so auf der Einfahrt: fast ausnahmslos alle fädeln sich ordentlich ein bzw. lassen einfädeln. Meine Vermutung: weil das eben „alle“ so machen. Und weil es immer alle so machen.
Auf der eigentlich breitgenugen Eisenacher Straße (Ja, die eine da) werden beide Straßenseiten im Berufsverkehr gleich doppelt beparkt/beliefert, sodass plötzlich auch hier eine einspurige Straße entsteht.
Die Leute fädeln sich da stressfrei in lustigen Schlangenlinien durch und ergeben herrliche Zeitrafferaufnahmen.
Wer das besser verstehen möchte sollte sich folgende Webseite anschauen: http://ncase.me/trust/ (kann unten auch auf Deutsch umgestellt werden!)
So eine Straße gibts hier auch, so ein Verhalten leider nicht. Fahre zu Berufsverkehrszeiten die Parallelstraße hoch, weil mir die Leute auf den Keks gehen, die ewig sich nochmal zwischendrängeln.