Vorwort: Ich hab’s oft geschrieben: Man kennt als Taxifahrer in Berlin auch nicht alles. Schon gar nicht aus dem Stegreif – oder wenn die Ansagen etwas wirr sind.
Die Dame winkte mich in Prenzlauer Berg an den Straßenrand und war weit betrunkener als ihr Gehvermögen erwarten ließ. Im Laufe der Fahrt ließ sie mich dann auch wissen, dass sie irgendwas mit Bierbrauern zu tun hatte an dem Abend, selbst in dem Business sei und sicher um die 20 Bier intus hätte. Jaja, auch ein paar von den großen Nullfünfern.
0.o
Aber gut, Aufklärung über die Gefahren von Alkohol ist nicht meine Aufgabe. Ich musste sie heimbringen. Wohin genau? Dorthin:
„Sissis near Tiergarten. Hotel. You know Lsso? Is sie … well very near Lsso. Just there, thank you!“
Dem Englisch nach hätte sie auch von der Deutschen Bahn sein können. Aber gut, nahe dem Tiergarten Lsso …
„Lützow? Lützowstraße, Lützowufer?“
„Sisssis great! Giesrasse!“
Da hab ich mal kurz in den Bildschirm meines GPS-Trackers reingezoomt und die zu gießende Rasse gesucht. Aber klar, die Keithstraße, die erfüllte alle Bedingungen. Und weshalb ich das Vorwort geschrieben habe: Die Existenz des Hotel Lützow in jener Straße war mir in diesem Moment nicht bekannt. Aber ja, ist ja alles dicht beisammen und dann der Alkoholpegel …
Mir war das egal. Immerhin hatte die gute Frau offenbar Training, nach Brockenlachen sah das Ganze gar nicht aus. Also hab ich mal eben eine sowas von geniale Route in die Keithstraße ersonnen, dass es meinem Ortskundelehrer vor Stolz das T-Shirt zerreissen müsste. Sie war nämlich ohne jede Abstriche perfekt. Der allerallerkürzeste Weg, mir war in dem Moment selbst nicht bewusst, dass keine Alternative auch nur halb so elegant gewesen wäre. Oder, wie meine Kundin sagte:
„I know Berlin, sissis Bullshit. Snoddeway to my Hotel!“
Nun bin ich ja auch bei betrunkenen Brauereidamen ein Gentleman und hab ihr einfach nur versichert, dass das zur Keithstraße ein sehr guter Weg sei, ich für 100 Meter nicht die Hand ins Feuer legen würde, sie sich aber wirklich keine Sorgen machen müsse, dass ich irgendwie dreimal im Kreis mit ihr fahren würde. Sie entschuldigte sich für ihr Misstrauen und wir waren sowieso schon fast da. Ich befuhr die Keithstraße von Norden her und als ich das Hotel sah und mir wegen meines Unwissens wegen auf die Lippen biss, verkündete ich dennoch etwa stolz:
„Aaaand then I guess, THIS is your hotel …“
Pustekuchen.
„Sissis not mytel!“
Öhm. OK. Wat willste machen? Wir waren nahe des Tiergartens in der Keithstraße am Hotel Lützow. Arg viel näher konnte ich mich an ihre Beschreibung herantasten. Aber sie wusste Rat. Es wäre noch ein Stück die Straße runter. An der Kurfürstenstraße war es dann immer noch ein Stück die Straße runter. Und als die Keithstraße an der Kleiststraße endete, sollte es immer noch ein Stück die Straße runter sein. Tja, nun …
Sie schwor Stein und Bein, sich auszukennen, sichtbar erregt durch den U-Bahnhof Wittenbergplatz und versicherte mir, da hinten links ginge die Keithstraße (selbst über das Buchstabieren und die Aussprache waren wir uns inzwischen einig) weiter. Ich war – und bin heute noch – 100%ig überzeugt, dass sie ins Hotel Lützow wollte und es nur aus der Perspektive von Norden aus nicht erkannt hat. Sie saß ja auch ungünstig hinten rechts, während ich ihr das Hotel vorne links gezeigt hatte. Ich habe sie noch gebeten, nochmal zurückzufahren, gerne mit ausgeschalteter Uhr. Wirklich. Auch wenn’s nicht mein Fehler war. Aber sie bestand nun darauf, auszusteigen und den Rest des Weges zu gehen. 🙁
Man trifft solche Entscheidungen nicht leichtfertig, ganz ehrlich. Aber am Ende hab ich sie gelassen. Vermutlich hat sie am Ende noch eine halbe Stunde gebraucht, um zum Hotel zu kommen. Mit großzügiger Umrundung des Wittenbergplatzes zieht sich die Strecke dann ja in so einem Zustand doch etwas. Aber gut, die einen lernen so, die anderen eben so …
PS: Mich hat das alles ein wenig an den hier erinnert.