Betrunkene Versprechen

Das Pärchen hatte mehr als nur einen im Tee. Beide waren sie sturzbesoffen. Er ein korpulenter Mitvierziger im Anzug mit dunkelstmöglicher Hautfarbe, sie eine reichlich mitgenommen wirkende Blondine im selben Alter mit komplett derangierter Frisur. Sie wollten zum Potsdamer Platz, aber nicht irgendwie! Er bestimmte:

„Ich zeige Dir die Weg meine Freund, ich fahre auch, aber fahre ich die große Busse! Berlin, Amsterdam, Paris!“

Eine unglaubliche Frohnatur, stets lachend und mir einen Weg zeigend, den ich für ziemlich bescheuert hielt. Damit lag ich falsch, was aber daran lag, dass es nicht wirklich direkt zum Potsdamer Platz ging, sondern ein ganzes Stück weiter in den Süden.

Was ich neben dem Warten auf Anweisungen so mitbekam, war interessant. So sonderlich gut zu kennen schienen sie sich beide nicht. Immerhin sorgte seine Aussage, er sei Busfahrer, für Staunen, das man mit zweieinhalb Promille einfach nicht mehr so gut spielen kann, wie es von ihr vorgetragen wurde. Obwohl die gemeinsame Nacht der beiden schon ziemlich in trockenen Tüchern zu sein schien, erwähnte er nochmal wie beiläufig, dass er sie selbstverständlich auch mal mitnehmen könnte. Nach Paris, London, Rom. Kostenlos natürlich, sein Hotelzimmer bekäme er schließlich gestellt.

Nun ist das natürlich toll. Mit dem Gedanken, Reisebusse zu fahren, hab ich schon etwas vor meiner Taxikarriere auch geträumt. Ich halte es für machbar, seine Freizeit als Fahrer in den tollen Städten Europas auch ein wenig zu genießen. Die Option, jemanden kostenlos mitzunehmen, werden einem aber vermutlich nur wenige Unternehmen bieten. Und mit Begleitung bis morgens um halb drei besoffen durch Paris schlendern wird vermutlich schon aus Zeitnot, spätestens aber wegen dieser 0,0-Promille-Geschichte schwierig, die keinen Unterschied zwischen Rest- und sonstigem Alkoholpegel macht.

Das alles wäre auch keine große Erwähnung wert, ich preise meinen Beruf betrunken sicher auch mehr an als nüchtern. Nein, wirklich hart war ihre Reaktion. Sie hat sich beim lautstarken Versuch, sich zwischen augenblicklichem Orgasmus und Heulen vor Glück zu entscheiden, für so eine Art winselnde Schockstarre entschieden. Das war ganz ohne jeden Zweifel einer der schönsten Momente in ihrem ganzen Leben: Als ein besoffener Busfahrer ihr im Taxi versprochen hat, er würde sie mit nach Paris nehmen.

Glück ist was, was wirklich mal in kleinen unscheinbaren Momenten dahergaloppiert kommt. Eine Umarmung zum richtigen Zeitpunkt, ein paar schöne Worte, die richtige Melodie zur richtigen Zeit. Und vielleicht auch das berühmte eine Bier über den Durst, das die Situation dann vollends traumgleich macht. Und ich missgönne das der werten Kundin kein Bisschen.

Ich hab nur starke Zweifel, ob die Wirklichkeit mit all dem wird mithalten können, was in diesem einen Moment in der Luft lag.

Ein Kommentar bis “Betrunkene Versprechen”

  1. icke sagt:

    Da muss ich spontan an die Ballade von Lucy Jordan denken. Vielleicht wirds ja doch noch was mit Paris, wenn auch im Bus statt im Sportwagen…

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