MyTaxi und die 50%-Wochen

Nun ist es (wieder einmal) soweit: MyTaxi erlässt den Kunden für zwei Wochen 50% der Kosten für ihre Fahrten während dieser Zeit. Das ist zweifelsohne super für die Kundschaft – und alle Fahrer mit MyTaxi freuen sich ebenso über eine bombige Auftragslage. Zumal wir hier in Deutschland ausgerechnet zu Beginn der Aktion auch noch mit den Auswirkungen des Bahnstreiks zu kämpfen haben.

Da kann man sich in erster Linie drüber freuen.

Ein bisschen mulmig wird mir bei dem Gedanken indes schon, denn das ist schon eine ganze Menge für Werbung rausgeschmissenes Geld. Klar, MyTaxi möchte seine Marktanteile erhöhen und hat international zusätzlich noch gegen Uber zu kämpfen, das verlangt halt drastische Mittel. Ich halte MyTaxi beileibe nicht für das personifizierte Böse, wie das gerne in der Branche gemacht wird, aber es stimmt mich doch nachdenklich, wenn Dumpingpreise von Unternehmen ausgelobt werden, die mit dem eigentlichen „Produkt“, nämlich der Taxifahrt selbst nur wenig zu tun haben. Natürlich sollte man in so einem Fall nicht vergessen, dass auch MyTaxi mit Daimler einen nur begrenzt uneignennützigen Konzern im Boot hat, der im Zuge der langsam in Aussicht stehenden selbstfahrenden Autos nach einem zum Zeitpunkt X potenten Vermittler sucht. Ob diese Absichten gut oder schlecht sind, mag jeder selbst bewerten.

Unfair an den Rabattwochen ist jedenfalls, dass das benötigte Geld für so eine Aktion im Taxigewerbe selbst nicht rumliegt (Find mal wen, der wirklich in die Personenbeförderung investiert und nicht nur in die vergleichsweise kostenarme und problemfreie Vermittlung!) und solche Aktionen – wie ich öfter gelesen hab, allerdings diesbezüglich rechtlich ahnungslos bin – zumindest den genossenschaftlich organisierten Zentralen schlicht verboten sein sollen. Die Vermittlung per App war und ist eine tolle Neuerung, aber bei dem ganzen Gehype um Uber oder jetzt der Rabattaktion von MyTaxi besorgt mich etwas, dass da Millionen bis Milliarden in irgendwelchen Büros verbrannt werden, die irgendwann von den Fahrern bezahlt werden müssen. Denn sobald ein Vermittler – ob das dann MyTaxi ist, sei dahingestellt, aber sie haben sicher das Potenzial – marktbeherrschend ist, können sie leicht die für die Kunden unsichtbare Preisschraube auf der Fahrerseite anziehen. Und, wie ich vielleicht schon mal erwähnt habe: da ist beileibe nicht so viel zu holen, wie allerorten (vermutlich auch bei den App-Herstellern) vermutet wird.

Eine Zehn-Euro-Tour mit mir im Taxi kostet meinen Chef über neun Euro, ganz egal für wieviel Geld MyTaxi sie weitervertickt. Das sollte man bei all der Freude über sein Schnäppchen in diesen Wochen nicht vergessen. Denn ich denke, jeder kann sich  ausrechenen, worauf es hinauslaufen würde, würden sie für ihre Vermittlung in zwei Jahren 1,50 € verlangen, um die Kohle langsam mal wieder reinzuholen …

12 Kommentare bis “MyTaxi und die 50%-Wochen”

  1. Cliff McLane sagt:

    > hat international zusätzlich noch gegen Uber zu kämpfen

    In Europa nicht mehr so sehr, wie es aussieht. Bin gerade nicht auf dem Laufenden, aber Uber-Verbot in Spanien und Portugal habe ich mitbekommen. In Europa sieht es so aus, als würde Ubers hinterer Körperteil sich gefrorenem H2O nähern.

    > das verlangt halt drastische Mittel

    Halte ich für diskussionswürdig, kenne aber die MyTaxi-App nicht, da ich nicht einmal ein Smartphone habe. Meiner Meinung nach ist es meist verkehrt, auf den „Geiz ist geil“-Zug aufzuspringen; besserer Kundenservice bringt oft mehr und wird gerne bezahlt, wie du ja selbst weißt. Promotions mit Billigwochen bringen, wie ich aus Erfahrung von Freunden weiß, kurzfristig Kunden, aber eine längerfristige Kundenbindung erreicht man damit nicht. Vor allem nicht in einer Groß- und Touristenstadt wie Berlin, wo das geschäft auf tages- bzw. Nachtkundschaft beruht. Da tun die sich langfristig nur selber weh.

  2. Sash sagt:

    @Cliff McLane:
    Ich bin da grundsätzlich bei Dir. Aber ich vermute stark, dass sich Anbieter in der Branche durchaus unter Druck gesetzt fühlen. Und ohne jetzt über alles informiert zu sein, was die in den letzten Monaten so gemacht haben: Das ist eine Aktion von vielen, aber halt eine, die bei Kunden stark verfängt und deshalb wird darüber viel geredet.
    Und dass Billigpreise vor allem dort nix bringen, wo man den Preis des Produktes nicht drücken kann … das werden die vermutlich eigentlich auch wissen. Deswegen ja die Rücken-an-der-Wand-Theorie meinerseits.

  3. Aro sagt:

    Heute vier Touren von mytaxi bekommen, nur ein Fahrgast hat per App bezahlt, also das 50-Prozent-Angebot genutzt. Das ist etwa Durchschnitt. Der große Run war das noch nicht.

  4. Sam sagt:

    Ja, die Leute sehen immer nur „das kostet x-mal mehr, als wenn ich es selber mache“ und denken der komplette Rest wäre Gewinn. Ist in der Gastronomie nicht anders. Dass man den deutlich überwiegenden Teil davon auch direkt wieder ausgibt für die Aufrechterhaltung des Betriebes, wird da gern vergessen.

  5. Patrick sagt:

    Gerade das anbieten von Zahlungsmitteln ist ja auch nicht gerade eine Stärke des regulären Taxis.
    In den meisten europäischen Ländern gehört es zum selbstverständlichen Service mit ec oder Kreditkarte zu zahlen.
    In Deutschland muss ich dafür extra vorher drauf Hinweisen und bezahle meist eine horrende extra Gebühr, die mit der eigentlichen KK Gebühr nichts zu tun hat.
    Diese Lücke wird jetzt durch die mytaxi app geschlossen.
    Warum Die Taxi Genossenschaften das nicht selber hin bekommen frage ich mich ja schon manchmal.
    Aber ohne Not, also Wettbewerb oder Regulierung, verbessert man sein Angebot scheinbar nicht.

  6. Cliff McLane sagt:

    > Rücken-an-der-Wand-Theorie meinerseits

    Da stimme ich dir wiederum zu, aber mit dem Rücken an der Wand ist es eine ganz schlechte Strategie, das Spiel der anderen mitzuspielen. „Rücken an der Wand“ klingt für mich wie „Erschießungskommando“, und wenn ich sowieso erschossen werde, kann ich auch die Flucht nach vorne antreten. Mit etwas Glück gelingt sie mir, und im anderen Fall tritt eben das ein, was ohnehin beabsichigt war.

  7. Sash sagt:

    @Aro:
    OK, interessant.

    @Sam:
    Ist überall so. Ich versuche inzwischen manchmal, mir bei Do-it-yourself-Aufgaben zumindest mal zu überlegen, was man für einen Stundenlohn für diese oder jene Tätigkeit nehmen würde.

    @Patrick:
    Ist aber auch ein Henne-Ei-Problem gewesen bisher. Die Geräte waren teuer und in Deutschland hatte es sich eben auch unter Nutzern nicht stark verbreitet. Und im Übrigen: KK-Gebühren stehen in der Taxitarifordnung und werden durch die MyTaxi-App nicht umgangen. Die kann jeder Fahrer trotzdem erheben. Zumindest in Berlin werden die Zuschläge nämlich konkret für „bargeldloses Bezahlen“ erhoben – wobei Karten noch den kleinsten Teil ausmachen, es gibt ja auch eine Menge Gutscheine von Ämtern oder Firmen, die dann statt Gebühren wie bei einer KK eben einen erhöhten Aufwand bei der Abrechnung bedeuten.

    @Cliff McLane:
    Da ist was dran.

  8. Aro sagt:

    Heute wieder vier Mytaxi-Touren, keine mit App-Zahlung. Komisch, ich hab gedacht, dass das echt mehr genutzt wird.

  9. Robert sagt:

    „Eine Zehn-Euro-Tour mit mir im Taxi kostet meinen Chef über neun Euro, ganz egal für wieviel Geld MyTaxi sie weitervertickt.“

    Sash, wie kommst Du darauf oder besser: Wie rechnest Du das?

    Ehrlich gesagt kann ich mir nicht vorstellen, dass der Unternehmer dann noch Fahrer aufs Auto setzen würde. Mein Unternehmer erzählt mir zwar tendenziell auch immer Ähnliches, als ich aber einmal krankheitsbedingt länger ausgefallen bin, hatte ich doch den Eindruck, dass ich schon vermisst werde. 😉

  10. Sash sagt:

    @Aro:
    Das überrascht mich tatsächlich. Aber gut, man steckt ja nicht drin …

    @Robert:
    Auf den Cent kann ich’s Dir nicht sagen, weil einige Kosten natürlich nicht pro Kilometer oder Euro anfallen. Aber wenn ich selbst schon über einen Fünfer koste (inkl. Lohnnebenkosten), das Auto 4 km + 2 km leer mindestens 1,50 €, dann ist die Richtung doch schon mal klar. Ob das am Ende 8,50 € oder 9,50 € sind, ist ja auch nicht so relevant, wenn man den 50%-Rabatt von MyTaxi betrachtet.

  11. Stephan sagt:

    Du hast da etwas ncht verstanden. Es geht nicht darum, langfristig ein Unternehmen zu führen und am Leben zu erhalten. Es geht um Quartalsziele, Sonderboni, Aktienkurse. Wenn die Firma in einem Jahr im Arsch ist, interesssiert das niemanden, außer denen, die ihre Anteile nicht rechtzeitig an irgendwen anderen losgeworden sind.

  12. Sash sagt:

    @Stephan:
    Und dein Wissen, dass alle bei MyTaxi ihre Anteile schnell loswerden wollen, steht wo nochmal nachzulesen?
    Versteh mich nicht falsch, ich bin auch skeptisch bei MyTaxi, insbesondere bei der Rabattaktion. Aber ganz ehrlich: Nein, es ist lukrativer, auf Dauer einer der Big Player bei der Vermittlung zu sein, das liegt einfach näher als Begründung. Ockhams Razor und so …

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