„a little extra“

Ich bin immer nett zu meinen Fahrgästen und hab kein Problem mit ihren für mich mitunter unlohnenden Beförderungswünschen, das wisst ihr. Ich hab in der letzten Woche gleich zweimal nach einer Wartezeit von mehr als einer Stunde eine Tour vom Ostbahnhof zum Berghain gemacht und keiner der Kunden hat auch nur mitbekommen, dass er damit meinen Stundenlohn auf einskommairgendwas gesenkt hat für die Zeit.

Aber ich muss dann doch mal meckern: Wieso eigentlich wird man ständig belogen oder mit falschen Versprechungen geködert?

Mir ist schon klar, dass Leute ihr Geld auch für andere Dinge als fürs Taxi ausgeben müssen, aber wieso zahlen 50% der Leute, die „leider leider nur noch einen Zehner“ haben, ihre Fahrt mit einem Zwanziger? Und wieso kriegt man das schlechteste Trinkgeld von Leuten, die besonders viel versprechen?

Andere und miese Kollegen hin oder her: ICH fahre die Leute ja und ich stelle gar keine Ansprüche oder versuche den Eindruck zu erwecken, dass ich das tun würde. Ich freue mich über ein gutes Trinkgeld, natürlich, aber man braucht mich nicht überreden. Und wenn man schon der Meinung ist, es tun zu müssen: Warum hält man sich dann nicht an die eigenen Versprechen?

Kommen wir zum Grund dieses Eintrages. Ich wurde in Neukölln herangewunken. Nun stieg die begeisterte junge Dame aber nicht etwa einfach ein, sondern sagte mir:

„I’m sooo sorry! My friend is very drunk, but would you pleeaaaase take her? I’ll pay you a little extra!“

Und ihre Freundin wurde mir ins Auto gesetzt. Also sie wurde getragen. Völlig hinüber dank in der Bar großzügig verschenkter Jägermeister. Die restliche Fahrt über haben sich die Mitreisenden über ihr Gesicht amüsiert und sich überlegt, was sie machen würden, sollte die junge Frau sterben. Jaja, alles ironisch. Und kotzen würde sie selbstverständlich auch nicht. Da sind sich die Begleiter ja irgendwie immer sehr sicher.

Aber ja, wir hatten Minusgrade, unser Opfer saß zuvor an einer Hausmauer und außerdem ist es mein Job. Natürlich hab ich’s riskiert. Ich hätte ablehnen können, aber man ist ja kein Unmensch. An „a little extra“ hab ich dabei nicht mal gedacht.

Die Fahrt ging nach Friedrichshain und die Mitreisenden hatten die Dame wirklich gut im Griff. Sie hatte den Kopf in einer Tüte und im Schoß einer Freundin. So gesehen war durchaus für etwas Sicherheit gesorgt. Für mich war’s natürlich trotzdem ein ständiges Angespanntsein, man weiß ja nie, ob man nicht plötzlich reagieren muss. Betrunkene machen ja gerne auch mal dumme Dinge wie z.B. vorhandene Tüten wegschmeißen und dann erst losreihern.

Aber gut, die 12 Minuten Stress, die die Fahrt brachte, hab ich mit einem Lächeln weggerockt. Nebenbei bin ich schön sanft und gemütlich um die Kurven, alles ganz im Sinne der Kundschaft. Die Uhr stand am Ende bei besonders Extra-unfreundlichen 15,00 €, natürlich. Gereicht wurden mir dann von der „so lucky“-Lady 15,50 €. Mit dem Hinweis, ich wäre ihr rettender Engel gewesen. Und nicht nur das: Dass ihr Extra wirklich sehr little war (das durchschnittliche Trinkgeld bei so einer Tour liegt eher bei 1,50 bis 2,00 €) hat sie auch erkannt:

„Sorry it’s only 50 cent. But there is more in your car!“

Aha. Nochmal 50 Cent. Die ich mir aus dem Fußraum kratzen durfte. Ich hab fast ein bisschen Schadenfreude empfunden, als die angeschlagende Kandidatin neben meinem Taxi ihrem Begleiter auf den Pulli gekotzt hat … 😉

PS:

Ich weiß, dass das jetzt so klingt, als fände ich einen Euro zu wenig Trinkgeld. Das ist nicht so. Ich krieg haufenweise Trinkgeld in der Höhe, auch bei kürzeren oder längeren Fahrten. Und es ist besser als nichts und ich freue mich entsprechend über alles. Wären sie einfach nur eingestiegen und hätten so bezahlt, hätte ich allenfalls einen Artikel über das Auf-den-Pulli-Kotzen geschrieben. Ich mag wirklich dieses Lügen nicht, schon alleine weil es auch ein bisschen arrogant wirkt: Wir versprechen einfach so ’nem Taxifahrer mal irgendwas, ist ja am Ende egal …

Ich lass mir dadurch sicher nicht insgesamt die Laune verderben – aber Spaß machen solche Touren dann halt auch nicht wirklich.

13 Kommentare bis “„a little extra“”

  1. anicca sagt:

    Hm, vielleicht kam sie ja aus einem Land, in dem grundsätzlich erstmal überhaupt kein Trinkgeld gegeben wird? Oder sie meinte, dass das little extra (nur) dann folgen würde, wenn’s Schwierigkeiten mit der Freundin geben würde?
    Ach Quatsch, es war einfach nur ein gedankenloser Spruch, von dem sie selbst überhaupt nicht geglaubt hätte, dass den jemand wörtlich nehmen könnte.

  2. gilbertron sagt:

    also in meinem Portmonnaie haben am Donnerstag 20 Euro gefehlt.

    Eine Taxifahrt hätte mich 12-13 gekostet. Allerdings weiß ich nicht wie ich heim gekommen bin 😛

  3. Die Kombination aus falschem Versprechen, der Gefahr von Magensäure plus X im Taxi und wenig Trinkgeld (mit Durchstöberung des Fußraums!) finde ich legitim für ein wenig Schadenfreude. Ich glaube bei Aktionen wie diesen ja noch immer (vielleicht etwas naiv) an ausgleichende Gerechtigkeit. Und: Karma will strike back 😉

  4. Gregor sagt:

    Sie hat doch von Anfang an gesagt, dass du nur ein little extra bekommst…

  5. Nur nicht ärgern lassen! jeder von uns kennt diese Art von Kunden, wenn ich schon am Anfang so ein Versprechen höre, dann weiß ich schon, dass ich mit absolut nichts rechnen muss. Aber am Ende, ist es dann so, wie du schon selbst oft geschrieben hast: Die große Gerechtigkeit, der sog. „Taxigott“ gleicht es wieder aus…

  6. Thomas sagt:

    Hey,

    das ist wohl das harte Los eines Taxifahrers. Fahre neben dem Studium noch Pizza aus..und bin da wohl noch mehr auf Trinkgeld angewiesen als ein Taxifahrer^^. Da erlebt man auch die suspektesten Sachen. Das Trinkgeldverhalten von manchen Leuten ist einfach großes Kino. „Ich würde ihnen ja mehr geben, aber habe gerade kein Kleingeld“ ( Rechnung 16 Euro. Mit 20 bezahlt und mir dann 50 Cent in die Hand gedrückt) kommt eigentlich 2-3 mal am Abend vor. Oder dem Puff mit Kleingeld ausgeholfen (8 Euro Rechnung..mit 50 bezahlt..Restgeld in Münzen verlangt)- “ Fürs wechseln“- 20 Cent in die Hand gedrückt mit dem Zusatz „Brauch das Kleingeld ja leider selbst..sonst hätte ich natürlich mehr gegeben“.
    Da fühlt man sich halt leicht verarscht. Die Leute müssen ja kein Trinkgeld geben- ist sicherlich immer sehr nett und man freut sich. Nur das kommunizieren, dass man gerade nicht mehr geben kann obwohl man wollte ist in der oben genannten Konstellation immer ein „Pulsbringer“. So Sachen wie 400 Euro Rechnung (was Platten an Essen bedeutet-die ich aufbauen darf und eine Stunde beschäftigt bin und dementsprechend nix verdiene und mir den Stundenschnitt so etwas von versaue) und kein Cent Trinkgeld steckt man mit der Zeit dagegen schon locker weg. Trinkgeld ist halt eine freiwillige Sache. Toller Blog übrigens. Als stiller Mitleser muss man ja auch mal hallo sagen.

  7. elder taxidriver sagt:

    @ Thomas:

    Das habe ich mit Interesse gelesen.

  8. bleistift sagt:

    Den Teil mit „Sie hatte den Kopf in einer Tüte“ musste ich mehrmals lesen, bis ich ihn richtig verstanden habe 😉

  9. Marco sagt:

    Mache die gleichen Erfahrungen bei Sätzen wie „hab nur n’10er“ oder so ähnlich.Bei solchen Aussagen kassiere ich grundsätzlich im vorraus, „hat ja eh nicht mehr“. Sollte derjenige dann jedoch mit nem 20er 50er daher kommen, so wie dann in de meißten Fällen, fahre ich nach Uhr, schon alleine für’s lügen sage ich dann. Hat bisher jeder reumütig akzeptiert. Außnahmen: Ein(e) Jugendliche(r) steht mit ner Handvoll Geld und bietet ne total krumme Zahl an. „Reichen 13,26 € bis nach Dingsbums?“ Dem glaube ich sofort, und den fahre ich dann auch, denn DAS ist dann wahr und wirklich ein „Notfall“ und das fahre ich dann auch gerne.

  10. Taxi 123 sagt:

    Kommt halt wirklich auf die Art und Weise an. Immer wieder gern der Spruch:“Ich hab aber nur noch einen Zehner!“ und dann wird mit viel bunteren Scheinen bezahlt.
    Ich bin bisher immer gut auf Uhr gefahren.
    Erst sollte ich die ganze Tour für einen Zehner machen! und dann wurden die 11,50 auf Uhr mit 15 honoriert. Warum nicht gleich so!
    Andererseits habe ich auch schon Leutchen auf der Rückfahrt ins Pflichtfahrgebiet vollkommen kostenfrei mitgenommen – ich bin früher schließlich auch als Tramper unterwegs gewesen.
    Aber diese penetrante Masche – in München ist Taxifahren viel billiger als hier (definitiv falsch) oder in den gebrauchten Bundesländern sind alle Taxis ein Mercedes (stimmt auch nicht) kann ich überhaupt nicht ausstehen.

  11. Sternennacht sagt:

    Hallo

    Kurze Vorstellung: bin seit ca 25 Jahren in München als Nachtfahrer unterwegs.

    Und ich denke das der Satz in jedem Gespräch mit Kollegen „es gibt ein gutes Trinkgeld“ stets für Aufheiterung sorgt 🙂

    Ich kann es nur bestätigen, wenn dieser Satz fällt, gibt es meist nur unterdurchschnittliches.

    Gruß

  12. Der Banker sagt:

    Hmpff… die Lügerei ist leider auch mein täglich Brot.
    Ich zählte einer Kundin gerade noch die Haushaltsmischung vor (100 in kleinen Scheinen). Dann nahm sie eine Ware für wenige Euro, legte einen Fuffi hin und meinte dazu (völlig ohne Not, ich kann doch eh alles wechseln!):
    „Kleiner hab ichs nicht.“

    Ich meine: das ist ja noch ne Anekdote. Aber was ich auf der Arbeit schon so alles gehört habe, da wirste zum Menschenfeind. Wenn mir Leute allen Ernstes weismachen wollen, der Kollege letztens hätte aber doch auch… warum ich denn nicht… (gegen das Geldwäschegesetz verstoßen will, na klar).
    Umgekehrt habe ich ganz ehrlich nicht mehr die geringsten Hemmungen, Kunden in einigen Dingen eiskalt anzulügen.
    Um das nur klarzustellen: ich verkaufe nicht mit Lügen.
    Aber zum Beispiel sowas: der Kunde muss noch ein Formular ausfüllen.
    Kunde: „Oh, ich hab gar keine Brille mit!“
    Ich: „Ach je, ich auch nicht, und jetzt?“

  13. hrururur sagt:

    Banker: Haushaltsmischung kennen deine Kollegen in meinem Alter leider oft nicht mehr. Genauso wie die Lebensmittel-warenfachverkäufer weder Dutzend noch Pfund kennen.

    Manchmal fühle ich mich wie eine Hausfrau aus den Fünfzigern, nicht wie eine Handwerkerazubine aus dem neuen Jahrtausend…

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