Mauerspechte 2014

Berlin, 9. November 2014, 22 Uhr (Symbolfoto):

"Kalle, haste 'n Sterni?" – "Ja, im Kofferraum!" Quelle: Sash

„Kalle, haste ’n Sterni?“ – „Ja, im Kofferraum!“ Quelle: Sash

Es ist wirklich auffällig gewesen, wie umfassend die Ständer der Ballons der Lichtgrenze heute Nacht von den Menschen weggetragen wurden. Ob zu Fuß, im Auto, vermutlich auch mit der Bahn. Zig Kilo schwere Plastikständer mit einer Lampe oben drin – und halb Berlin scheint Verwendung dafür zu haben, oder kann zumindest nicht an kostenlosen Souvenirs zu diesem Tag vorbeigehen. Mir soll es egal sein, aber wundern darf man sich ja …

Warnung aus der Zeitmaschine

Die „Lichtgrenze“ zu den Mauerfall-Feierlichkeiten steht ja nun schon seit Freitag. An just diesem Abend waren dann zwei Touris im Auto, die ich vom Ostbahnhof nach Neukölln gebracht habe. Als sie sahen, dass wir an der Adalbertstraße die ehemalige Grenze passierten, meinte einer völlig selbstverständlich:

„Man, you’re leaving the East! Don’t get shot!“

Da hätten manche ältere Kollegen vielleicht nicht so lachen können.

Aber mal im Ernst: So gesehen holt die Aktion die Geschichte offenbar ganz gut ins Bewusstsein der jungen Leute …

400k

Auf den letzten Metern des Hinwegs der letzten Tour hat die 72 dann übrigens die 400.000 km geknackt. Abgestellt hab ich sie danach so:

"Taugen die Opel was?" – "Nicht wirklich. Erst 400.000 km und schon Staub auf'm Tacho!" Quelle: Sash

„Taugen die Opel was?“ – „Nicht wirklich. Erst 400.000 km und schon Staub auf’m Tacho!“ Q: Sash

Bei so einem Jubiläum war ich Jungspund nun ja auch das erste Mal dabei. 🙂

Das mit dem Feierabend

oder: Von mies zu supergeil zu immer noch toll.

Trotz frühem Aufstehen hat die Fitness dann am Ende doch noch für eine 10-Stunden-Schicht gereicht. Nach nicht einmal neun hätte ich eigentlich gerne schon Feierabend gemacht. Ich hatte mir mein Ziel mit über 200 € hoch gesetzt und zumindest mal die zwei Scheine schon in der Tasche. So mehr symbolische 3,20 € haben mir gefehlt. Aber das Geile war halt: Egal wie kurz die Tour wird – mit der nächsten hab ich es auf jeden Fall!

Also hab ich mich nochmal angestellt.

Nach wenigen Minuten kam dann auch ein netter Bahner mit einem Gutschein und wollte nach Grunewald. Das war der Moment, wo ich die Tour mies fand. Deswegen hätte ich sie nicht hergeben wollen, immerhin bedeutet das über 20 € Umsatz, aber es war halt die grottenfalsche Richtung – und dann auch noch so weit! Aber hey, das erspart mir morgen vielleicht eine Stunde Arbeit …

Als wir auf dem Weg dann so ins Gespräch kamen, wechselte meine Meinung zu der Fahrt auf „“supergeil“ – und anders kann man’s nicht mehr sagen, denn in Grunewald sollte die Fahrt nur für den einen zu Ende sein. Dort würde sein Kollege dann einsteigen und zum Ostbahnhof zurückfahren. Gegen „für 20 € in die falsche Richtung“ wirkt „für 40 Euro wieder genau hier her“ zum Feierabend dann halt doch ein bisschen besser. OK, um ehrlich zu sein: Das würde natürlich fast immer zutreffen.

Einen kleinen Dämpfer bekam ich dann, als der andere Kollege dann unterwegs beschlossen hat, sich schon am Potsdamer Platz abzumelden, weil das für ihn günstiger lag. Auf der anderen Seite sind über 36 € als Abschlusstour mit einem Ende in Mitte dann doch ziemlich geil. Und vom Potsdamer Platz geht es in den Morgenstunden ja auch relativ schnell bis nach Marzahn … 🙂

Die beiden waren übrigens tatsächlich Lokführer – allerdings mussten sie die Notfalls-Loks für den Hauptbahnhoftunnel trotz Streik bereit halten, um dort ggf. liegengebliebene Züge rausziehen zu können. Ist ja immer interessant, was man so mitkriegt …

So nicht, Berlin!

Ich hatte ja eigentlich auf einen guten Wochenstart gehofft. Das kann mal anders laufen, aber die vergangene Nacht hatte beinahe etwas surreales. Da hat mich die Stadt mal komplett getrollt. Oder irgendwas in der Art. Normal war das jedenfalls nicht mehr.

Fangen wir damit an, dass Cheffe mal wieder eine halbe Stunde vor meinem Weckerklingeln angerufen hat. Das ist erträglich, war aber insofern unnötig, als die Nachricht eigentlich nur war, dass das Auto fertig repariert ist. OK. Obwohl, Moment, so einfach war das alles nicht. Ich sollte die 72 von der Werkstatt abholen und den Schlüssel gleich dazu. Um deren Öffnungszeiten Rechnung zu tragen, hätte ich runde zweieinhalb Stunden früher aus dem Haus gehen müssen als geplant. Aber das ließ sich klären, ich habe ja auch einen Schlüssel bei mir. War jedenfalls so direkt in Anschluss an die letzte Tiefschlafphase ein überraschend quirliges Telefonat, über das ich dann jenes Telefonat vergaß, das ich eigentlich wegen des Wasserschadens mit meiner Wohnungsbaugesellschaft zu führen gedachte.

Aber gut, alles kein Beinbruch.

Dann kam das erwartete: Der Bahnstreik. Natürlich wäre eine S-Bahn-Verbindung zu unserer Werkstatt in Britz deutlich schneller gewesen, aber die S-Bahn und die Innenstadtlinien wollte ich meiden. Kostet 20 Minuten mehr, wäre aber sicher angenehmer. Das hat soweit auch gepasst, trotz dreimaligem Umsteigen. Dummerweise hab ich in Schöneweide einen Bus um eine halbe Minute verpasst. Was völlig egal war, denn er wurde umgehend – noch an der Haltestelle – in einen Unfall mit einem anderen Bus verwickelt. Nur Blechschaden, aber natürlich:

„Wat jetz‘ is‘, wat jetz‘ is‘? Nüscht is‘! Jar nüscht! Stehenbleiben und Abschleppwajen – dit is, Mäuschen!“

erklärte die am Crash unschuldige Busfahrerin einem fragenden Fahrgast eloquent.

Gut, egal. Ob der verpasste Bus jetzt einen Crash baut … das war mir wirklich egal. Dass ich erst den 10 Minuten später nahm, hatte wiederum handfeste Auswirkungen, denn so musste ich einem Stammgast leider eine 30€-Tour zum Schichtbeginn absagen.

Aber egal – läuft ja eh gut, Bahnstreik und so!

Am Auto angekommen, stellte ich fest, dass die gerichtete Stoßstange von blauem Tape gehalten wird. Ich bin noch unsicher, unserem Schrauber würde ich auch zutrauen, dass das die ganze Reparatur war. Ich frage heute besser nochmal nach. Außerdem war das Auto dreckig. Da hatte niemand Schuld dran, es hatte nur wohl die vergangenen Tage unter hartnäckigen Bäumen gestanden. Also erst einmal waschen!

Aber – richtig! – egal. Einfach bei meiner Stammtanke den Kärcher geschwungen und dann ab an den Bahnhof. Da gab es gut Beeinträchtigungen, da war viel Volk auf der Straße.

Nur wollte keine Sau Taxi fahren. Nach ewigem Warten bin ich leer weg gefahren und hatte noch eine Winkertour. Dann nach Festquatschen mit einem Kollegen nach einer Dreiviertelstunde warten eine Wahnsinnsfahrt bis zum Matrix. 5,80 € plus 20 Cent Trinkgeld, danach eine Winkerin, es lief langsam an. 25 € auf der Uhr …

Und dann stand an der Ampel neben mir plötzlich ein Autofahrer und meinte:

„Ey, mach ma‘ dein Licht an!“

„Ist an.“

„Nich‘ hinten!“

Und tatsächlich. Zumindest beide Rücklichter gingen nicht, die Bremslichter scheinbar auch nicht. Das ist nun wirklich ein bisschen arg wenig. Ich bin nochmal kurz zum Bahnhof rüber. Da kenne ich einige Kollegen, etliche mit Zafira.

Aber gestern: Kein einziger Zafira! Was eine Rolle spielte, da in meinem Auto offenbar alle Ersatzlampen aufgebraucht waren. Das kontrolliere ich nun auch nicht jede Woche. Aber gut, Lampen kann man notfalls irgendwo kaufen – und die hinteren sind ja noch halbwegs austauschbar. Ein Kollege meinte aber auch, ich solle mir keine großen Hoffnungen machen. Dass alle Lampen gleichzeitig durch sind, sei doch unwahrscheinlich. Eher wär’s eine Sicherung. Wie praktisch, dass ich auch keine Sicherungen dabeihatte und immer noch kein Kollege mit Zafira da war. Zu zweit haben wir dann eine halbe Stunde lang versucht, in der Bedienungsanleitung wenigstens die richtige zu finden, um deren Dahinscheiden zu bestätigen – aber nicht einmal das gelang uns. Als der Kollege erster war, hab ich mich verabschiedet. Ein kaputtes Rücklicht kann man ja mal machen – aber gänzlich ohne Heckbeleuchtung war mir etwas zu viel.

Was ein Scheißtag: Anderthalb Stunden Anfahrt, drei Stunden auf der Straße und 12 € brutto verdient.

Aber immer wenn man denkt, es geht nicht mehr … winkt es.

Ich hatte die Fackel schon aus, ich wollte die Kiste einfach abstellen, um am nächsten Tag – also heute – das mit der Werkstatt zu klären. Aber die Winkerin stand an der Landsberger, das würde schon noch gehen. Vermutlich in die Richtung, in die ich eh fahren wollte. War ja Zeit, dass das Glück sich noch meldete!

Was hätte an dem Punkt noch passieren sollen? Vielleicht eine betrunkene Bulgarin, die kein Deutsch oder Englisch spricht, kein Ziel angeben kann und erst durch die Polizei wieder aus meinem Taxi entfernt werden konnte? Sowas?

Ja, genau. Genau das ist dann passiert. Die Frau stieg ein, redete auf mich ein und wir verstanden voneinander maximal 5 Worte. Sie hatte eine Adresse oder so auf ein Blatt gekritzelt, bei der mein Navi schon nach dem zweiten Buchstaben nur eine einzige Straße gefunden hat. Eine völlig falsche. Noch dazu in Spandau. Die Frau hatte offenbar ein dringliches Problem, aber wir hatten so wenig gemeinsames Vokabular, dass ich bis jetzt nicht weiß, ob jemand ihren Freund erschlagen hat oder sie wissen wollte, wo sie um die Uhrzeit noch was zu essen kriegt. Dass in ihrem Vokabular auch „Policia“ vorkam, war dann letztlich mein Glück – sie schien tatsächlich Gefallen daran zu finden, dass ich die Polizei hole. Den Ausstieg aus dem Taxi verweigerte sie bis dahin aber. Genau das, was ich an dem Abend noch gebraucht hatte. Hat am Ende gut 25 Minuten gedauert.

Als die Polizei da war, war alles prima. Also ja, die Polizisten konnten auch kein bulgarisch, aber sie ist ausgestiegen und hat weitererzählt. Das ist sicher für alle Beteiligten noch eine lange Nacht geworden. Und ich hab Blut und Wasser geschwitzt, dass die Cops bei meinem Wegfahren nicht merken, dass mein Auto hinten keine funktionierenden Lichter mehr hat …

Nun also heute Abend nochmal kurz zur Werkstatt und/oder zur Firma, alles weitere wird schon klappen. Und so einen Tag wie gestern findet man eh nicht zweimal pro Jahr, da kann ich wohl beruhigt davon ausgehen, dass es einfach besser wird heute.

Los, Woche …

dann zeig mal, was Du draufhast!

Ich hab zwar ein reichlich unentspanntes Wochenende (mit einem Wasserschaden) gehabt, bin aber dennoch ziemlich voller Vorfreude, was die Arbeit angeht. Zum einen hab ich wirklich keinerlei verwertbare Taxigeschichten der Vorwoche mehr rumliegen, zum anderen werden meine kommenden Schichten wohl im Zeichen des Lokführerstreiks stehen. Wie vor kurzem. Jetzt in den frühen Morgenstunden ist zwar noch nicht absehbar, wie stark z.B. die Berliner S-Bahn betroffen sein wird – aber natürlich haben wir prinzipiell mit fast jeder ausfallenden Bahn mehr Kundschaft. Man muss nicht gleich an Silvesterumsätze denken, aber auf ein gutes Wochenende hoffe ich natürlich.

Bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass es halt auch bei den Taxis eng werden kann und man mal warten muss. Jetzt rocken halt wir und die BVG mal wieder für ein paar Tage die City. Irgendwas ist ja immer. 🙂

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Unerwartetes von Cheffe

Ich hatte eine Idee, die ich selten habe: Warum nicht vielleicht schon morgen statt erst am Donnerstag mit der Arbeit beginnen? Damit habe ich Christian gestern im Büro etwas überrascht. Natürlich wäre das vor allem toll gewesen, wenn ich das Auto gleich hätte mitnehmen können.

„Die 72 ist in der Werkstatt.“

„Oh Shit, was hat sie denn?“

„Ach, nix. Ich wollte nur, dass sie vorne wieder ordentlich aussieht.“

Also wird wohl derzeit sowohl die Zierleiste angebracht, es werden aber wohl auch – und das ist der größere Act – die Träger der Stoßstange nochmal zurechtgebogen, damit sie wieder gerade sitzt. Ich hätte auf beides verzichten können, aber schön ist es natürlich trotzdem.

Und dann hab ich unerwartet noch eine gute halbe Stunde bei Andreas im Büro verbracht. Wir haben es über alle möglichen Sachen gehabt, von Uber bis zu Sitzkontakten. Wie immer ein interessantes Plaudern, eher unter Kollegen als von Chef zu Angestelltem. Unter anderem ging es schon der Aktualität wegen um den Mindestlohn. Ist in der Branche ein großes Ding und immerhin haben schon Fahrer ihre Kündigung erhalten deswegen. Oder von sich aus den Arbeitgeber gewechselt.

Ich hab von Andreas (obwohl wir vorher das Wichtigste schon vorher geklärt hatten) dann einfach mal den noch nicht endgültig bestätigten neuen Arbeitsvertrag zugeschickt bekommen, der ja zwangsläufig bald kommen musste. Und auch wenn ich daraus jetzt nicht zitieren werde (das sind eben Firmen-Interna und ich bin nur Angestellter), kann ich doch nur einmal mehr sagen, dass ich weiß, warum ich für genau diese Firma arbeite. I like. Insbesondere mit dem inzwischen langjährigen Hintergrundwissen, wie die Vertragsdetails dann genau umgesetzt werden. Ich bin trotz geringer Zweifel immer noch positiv überrascht.

Ich komme als Taxifahrer – und das ist ganz ohne Zweifel eigentlich ein positiver Punkt des Jobs – nur selten wirklich in Kontakt mit meinen Chefs. Abr genau an diesem Punkt denke ich mir jedes Mal wieder, dass das eigentlich schade ist, weil sich meine Laune auch nach sechs Jahren immer noch nach jedem Besuch in der Firma bessert.

In unserem Gewerbe läuft eindeutig zu viel schief. Umso mehr ist es schön zu wissen, nicht Teil daran zu haben. 🙂