Killer Nr. 1

Die wirklichen Gefahren im Taxi lauern ja nicht wirklich in Form von Räubern oder Kotzern auf uns. Am gefährlichsten ist nach wie vor der Straßenverkehr. Und man selbst wird auch schnell zum Problemkandidaten – z.B. wenn man müde ist. Ich hab mein Koffein nicht umsonst dabei und ich denke, dass jeder schon mal irgendwann an dem Punkt war, den mein Chef damals mit den poetisch anmutenden Worten „wenn die Mülltonnen zu winken anfangen“ umschrieben hat:
Man ist so müde, dass man unachtsam wird, erschrickt dann, weil man was gesehen zu haben glaubt – und stellt fest, dass es irgendwas banales wie eine Mülltonne oder ein Verkehrsschild war.

Als ich neulich mit einem Kollegen ins Gespräch gekommen bin, hat er mir von der nächsten Stufe erzählt, die ich bisher wirklich noch nie erreicht habe.

Ich möchte vorweg sagen, dass der Kollege kein schlechter ist. Er teilt meine Einstellung, heimzufahren, wenn man müde ist. An dem Morgen hat sich die „kurze Winkertour zum Schichtende“ allerdings als ewige Fahrt ans andere Ende der Stadt entpuppt und auf dem langweiligen Weg zurück, alleine im Auto, hat ihn dann halt die Müdigkeit voll getroffen.

Er meinte:

„OK, das einem die Augen zuzufallen drohen … kennen wir alle. Aber ick war so weit, dass ick mir plötzlich jedacht hab: ‚Nu ja, so für ein paar Sekunden is ja nich schlimm …‘ Als ick DIT jedacht hatte, war ick aber auch uff ein‘ Schlach wieder hellwach vor Panik.“

DAS glaube ich. Und wohl dem, der das noch erkennt!

Dieses „Normal“

„Wie ist das denn so normal?“

„Normal stell‘ ich mir das ganz locker vor.“

„Ist das normal für Sie?“

Normalität ist etwas seltsames, wenn man sie im Taxi zu ergründen sucht. Insbesondere in einer Berliner Nachtschicht. Natürlich ist Taxifahren in vielen Belangen ein normaler Job. In manchen Dingen ist die Normalität da halt etwas stapazierbarer als jetzt vielleicht die eines Fließbandarbeiters.

Und die Frage wird immer wieder gestellt. Angefangen von den Leuten, die gerade irgend was „total verrücktes“ machen und selbstverständlich absolut NICHT normal sein wollen; bis hin zu jenen, die sich versichern wollen, dass ihre Tour jetzt aber hoffentlich nicht zu sehr aus dem Raster fällt. Ob das jetzt die Länge der Fahrt, die Uhrzeit, die Themen der Gespräche oder das Fahrtziel angeht – überall die Angst oder Hoffnung, normal zu sein.
Aber auch im Gewerbe, beim Bloggen – selbst jetzt bei der unseligen Uber-Diskussion – überall wird erzählt, wie was jetzt „normalerweise“ ist. Und keine Frage: ich verwende den Begriff auch oft. Ist ja normal. 😉

Meistens ist das ja egal, weil es nur ein dahergesagtes Wort für häufig ist. Traurig finde ich halt, wenn sich eine Rentnerin fürchtet, mir die Schicht zu verderben, weil ich sie vom Ostbahnhof mit einem Stapel Gepäck bis nach Mahlsdorf bringen muss. Das passiert zwar viel zu selten, ist aber abgesehen vom überdurchschnittlichen Verdienst eine ganz normale Fahrt für mich. Ebenso wie um 5 Uhr morgens zwei verknallte Kerle vom Berghain zu Tom’s Bar zu fahren eine ganz normale Fahrt ist. Die Auslöser für diesen Eintrag waren zwei Jungs, Anfang dreißig, hackedicht aber lieb. Wegen eines Junggesellenabschieds in Berlin und auf dem Weg in ihr Hotel. Für mich völlig normal, hätte ich den beiden aber nicht sagen dürfen. Für sie war es nämlich der geilste Abend der letzten Jahre.

Trinkgeld ist von 0,00 bis vielleicht 5,00 € völlig normal. Was aber – und da kommen wir der Sache näher – nicht heißt, dass es deswegen uneingeschränkt selbstverständlich ist. Oder für mich kein Grund, mich zu freuen.

Ich glaube, im Dienstleistungsbereich geht die Spanne des „Normalen“ im Vergleich zu vielen anderen Jobs bis weit vom Durchschnittswert weg. Weil Dienstleister eben auf sehr unterschiedliche Kundschaft stoßen und zumindest im Taxi beispielsweise auch unsere Arbeitsweise stark ändern können. Mag die Durchschnittsfahrt im Gewerbe 12 € bringen, wird ein Flughafenfahrer noch Touren für 40 € völlig normal finden, während mein Tagfahrer vielleicht nicht mehr ganz so normal findet, was sich betrunkene Mädels auf dem Heimweg über ihre Freunde erzählen. Ich selbst bekomme schon Probleme, wenn Kunden mich fragen, wie lange ich normal arbeite.

Ich habe einen Facebooktroll, der mich seit Monaten fragt, wie viel man „normal“ im Taxi verdient, wann man „normal“ arbeitet, was einem „normal“ erlaubt ist und nebenbei natürlich, warum ich ihm darauf nach dreimaligem Klarstellen, warum das schwierig ist, nicht mehr antworte.

Deswegen sind die meisten Jobblogs meiner Meinung nach Dienstleistungsblogs. Weil unser „Normal“ manchmal weit in den „Skurril-Bereich“ der Leser reinragt.

Das Ganze hat aber eine weitere Dimension. Nämlich die, dass es genau das ist, was uns Dienstleistern den Job so schwer macht und unsere eigentliche Qualifikation sein sollte: dass wir Dinge irgendwie „normal“ handhaben können, obwohl viele Menschen da draußen das nicht finden. Ich weiß – und bin stolz drauf – dass mich als Dienstleister auszeichnet, dass ich mit betrunkenen Jugendlichen, knausrigen Oberlehrern, wehleidigen Rentnern und streitenden Pärchen umgehen kann. Ohne immer nur das Schlechte zu sehen, ohne die Leute für Dinge verantwortlich zu machen, für die sie nichts können. Und letzten Endes auch ohne daran selbst kaputtzugehen.

Auch das ist ein Grund – und der Hinweis muss immer und immer wieder sein – warum ich mich hier so in diesen an sich lächerlichen Kampf mit Uber stürze, obwohl ich selbst immer öfter lachen muss, wenn ich den Namen höre. Im Taxi- und Mietwagen-, aber auch in jedem anderen Dienstleistungsgewerbe hat man zu kämpfen. Damit, dass nicht alles normal und geregelt ist. Diese Firma – oder zumindest ihr Diplomatiegenie an der Spitze – stuft, was ich und viele Kollegen machen, als überflüssig ein. Weil das ja auch ohne Regeln hobbymäßig für noch weniger Geld erledigt werden könnte. Wie immer an den meist schwammigen und anzweifelbaren Aussagen aus dem Hause Uber ist auch daran zumindest mal so viel richtig, dass man es schlecht als komplett falsch verwerfen kann. Abends an seiner Lieblingsbar die Stammkunden einsacken und heimfahren kann jeder. Seinen Lebensunterhalt mit dem Heimbringen derer zu bestreiten, die in Läden rumliegen, die aus Gründen niemandes Stammkneipen sind, kann halt nicht jeder. Genauso wie beispielsweise nicht jeder in der Lage ist, mir meine Wut über einen unnötigen Internetausfall durch Pfusch an der Hotline zu nehmen und das Problem sachlich und schnell zu lösen.

Normal in der Personenbeförderung jeder Art ist es, auch mal auf Fahrten warten zu müssen. Oder unliebsame, weil schwierige Fahrten für wenig Geld zu machen. Nicht nur, dass niemand einem die nervigen Kunden ewig vom Hals halten kann. Nein, am Ende brauchen wir die auch noch, um unser Geld zusammenzukriegen. Die Belohnung sind dann Fahrten wie diese:

Winker am Mariannenplatz (halbwegs normal). Sechs Leute, die zufällig ein Großraumtaxi angetroffen haben (schon eher glücklich). Meine dritte Winkertour in Folge (Wahnsinn!).
Die Größe der Passagiere passte perfekt zu den komplizierten Platzverhältnissen (sehr selten!) und nach etwas Eisbrechen gelang uns eine flüssige Konversation (normal) in englisch (ebenso normal).
Die Familie kam aus Israel (normal), war allerdings hier, weil die Mutter in der letzten Sitzreihe hier in Berlin geboren war (in der Kombination eher selten) und sie nun mal auf den Spuren der Vergangenheit wandeln und entfernte Verwandte besuchen wollten. Die eine Hälfte der Leute war still (normal), der Vater war nach allen vorbereitenden Gesprächen ein geradezu anstrengender Berlin-Enthusiast, der bei jedem Haus wissen wollte, was da drin ist und dauernd schwer zu beantwortende Fragen stellte wie „Wo kann man hier abends noch weggehen?“ (grenzwertig normal). Am Ende kamen wir auf gute 15,80 € Umsatz (normal), alle waren bester Laune (normal), aber die Mutter gab mir keinen Cent Trinkgeld (bei so einer Tour eher selten). Während mich der Vater beim Zusammenklappen der Zusatz-Sitze weiter mit Fragen löcherte (nicht mehr wirklich normal), kam einer der Söhne an und steckte mir die 4,20 € Wechselgeld zu, bei der die Mutter sich offenbar nicht getraut hatte, sie mir zu geben (normal. Quatsch, war so unerwartet natürlich extrem geil!).

Was lernen wir daraus? Nur weil das Wort „normal“ gefühlte hundert Mal in einem Blogeintrag vorkommt, muss der noch lange nicht normal sein. 😉

Pop ’n‘ Black #Uber

Ozie verdanke ich eine interessante neue Sichtweise, die ich gerne mit allen Kollegen teilen möchte:

Die Grenze verläuft nicht zwischen Uber und den Taxis. Die Grenze verläuft zwischen UberPop und UberBlack!

Immer noch schreiben „die Medien“, dass die Taxifahrer sich gegen „die Konkurrenz aus dem Internet“ wehren. Was nach wie vor Bullshit ist und Uber zugute kommt. Uber geriert sich selbst als „innovativ“ und kämpft gegen böse „Taxi-Kartelle“ an. Und das ist traurigerweise erfolgsversprechend. Selbst die von mir geschätzte Piratenpartei lässt sich mitunter ködern dadurch, dass „Uber aus dem Internet“ ja einfach nur toll sein kann, weil neu und geil und so.

Das ist natürlich Quatsch. Apps hatten wir Taxifahrer schon vorher und teurer als UberPop sind wir nur, weil wir Geld in unsere Ausbildung, unsere Autos und in die Sozialkassen stecken müssen. Und das nicht zuletzt zum Wohle und zur Sicherheit der Kunden.

Es geht ja nicht darum, dass Uber uns Konkurrenz macht. Verdammte Scheiße: im Gegensatz zu Uber wissen wir seit Jahrzehnten, was Konkurrenz durch Mietwagen, Limousinen, Carsharing und co. bedeutet!

Das eigentliche Problem ist, das Uber eine beschissene Firma ist, die mit sicher nicht wenig Frust seit einem Jahr (in Berlin) versucht hat, uns mit UberBlack Konkurrenz zu machen – und es einfach nicht geschafft hat. Uber hat sich daran versucht, einen Limousinendienst zu etablieren und ist damit auf die Schnauze gefallen. So einfach ist das! Und anstatt in Würde den Rückzug anzutreten haben sie beschlossen, es jetzt halt noch mal illegal zu versuchen. Legal konnten sie – o Wunder! – die Taxipreise nicht unterbieten. Also versuchen sie es jetzt, indem sie auf alle Vorschriften scheißen und dazu ein paar Millionen Dollar  rauszuhauen. Für Werbung, um die Fahrer zu alimentieren und um uns Taxifahrer als altmodische Deppen hinzustellen.

Ein Kindergartenkrieg, mit dem sie ihre eigene Firmenphilosophie angreifen. Denn ihre erfolglosen und hochgepriesenen UberBlack-Fahrer sind genauso Opfer der UberPop-Kampagne wie wir Taxifahrer. Die Regeln, die sie mit UberPop einzureissen drohen, sind diejenigen, die den UberBlack-Chauffeuren ihr bescheidenes Auskommen gesichert haben. Aber ist ja egal: Uber bietet ja nur die App an und wer da im Fahrdienst arbeitet, kann ihnen ja egal sein. Umsatz ist Umsatz – und wenn den jetzt UberPop bringt, dann passt das schon.

Ja, ich als Taxifahrer habe es leicht, gegen Uber zu sein. Befangenheit etc.

Aber stellt Euch mal vor, Ihr seid UberBlack-Fahrer. Ausgebildeter Fahrer mit P-Schein und entsprechend ausgestattetem Auto. Alle Kriterien erfüllt, um in Deutschland legal Personenbeförderung anzubieten. Und dann fällt Euch euer eigenes Unternehmen in den Rücken …

Ich meine es ernst: auch wenn Uber der beschissenste Arbeitgeber seit Hitler ist wäre:  die Grenze verläuft nicht zwischen Taxis und Uber. Nicht zwischen App und Kartell. Nicht mal zwischen innovativ und altbacken. Sie verläuft zwischen UberBlack und UberPop!

Wenn ich etwas wirklich gut unter Kontrolle hab, dann ist es meine Cholerik. Die hab ich so gut im Griff, dass die meisten Menschen, die ich kenne, abstreiten würden, dass ich Choleriker bin. Das natürlich nicht grundlos. Ich bin groß und stark und wenn ich ausraste, dann wird’s halt schnell teuer. Einer meiner ehemaligen Schulkameraden hat wohl noch heute eine Bleistiftspitze von mir im Bein stecken – und als das geschah, war ich in der dritten Klasse …

Wie gesagt: sowas passiert mir heute nicht mehr. Ich muss mich da auch nicht mehr groß zusammenreißen, ich nehme einfach viel mehr Dinge hin seitdem. Inzwischen kann man mich gefahrlos im Mensch-ärgere-dich-nicht besiegen und es schert mich nicht. Und im Job erst! Leute, die mich schneiden? Pffft … Leute, die ins Auto kotzen? Ja mei, wenn sie wenigstens nett waren …

Aber heute Nacht war ich kurz davor, einfach spontan einem Fahrgast von hinten den Schädel zu spalten. Notfalls mit meinem Haustürschlüssel.

Ich hab’s nicht gemacht, denn zum einen brauche ich meinen Schlüssel noch, zum anderen schien’s mir ein schlechtes Bild abzugeben für einen kundenfreundlichen Taxifahrer. Und wie gesagt: ich halte Lynchjustitz inzwischen als Reaktion auf manche Kleinigkeiten nicht mehr für die richtige Wahl.

Dass die Fahrt nicht die leichteste an diesem Abend werden sollte, war schnell klar. Vier verstrahlte Jugendliche mit McDonald’s-Tüten in den Händen, alle angetrunken. Aber ich will nicht unfair sein. Zwei von denen schienen schwer in Ordnung zu sein, keiner hat auch nur nach einem Preis gefragt, auch schon mal was. Die Ermittlung der Zieladresse erfolgte erst unterwegs, aber sie war davor hinreichend genau. Eine Tour nach Charlottenburg, vom Ostbahnhof aus immerhin ein Zwanni Umsatz.

Nun isses halt manchmal anstrengend. Dorf-Jugendliche aus Niedersachsen, die beim Wort Puff kichern müssen, aber voll ganz im Ernst nachher in einen gehen werden. Oder zumindest mal bis zum Schaufenster, in dem Alter reicht das ja schon, um sich die Hosen nass zu machen.

Auch wenn einer inzwischen krähte, dass er bloß 15 € bezahlen wollte, war das harmlos. Das selbe hatte er nämlich bei 5 € auf der Uhr auch über einen Zehner gesagt. Und tat es folglich bei 15 € wieder und wollte nun höchstens einen Zwanni bezahlen. Drauf geschissen. Dann fragte mich der eher schweigsame Typ auf dem Beifahrersitz, ob er vielleicht einen Happen essen könne. Obwohl einer von hinten gleich schrie:

„Nee, Du Depp! Nicht im Taxi! Vollpfosten!“,

hab ich einen auf „korrekter Typ“ gemacht, der ich laut Aussage des jungen Mannes hinter mir war (der, der immer nur 5 € mehr als bisher zahlen wollte):

„Eigentlich kein Problem. BigMäc wäre scheiße, soll ja sauber bleiben. Aber …“

„Cheeseburger?“

„Na klar, kein Thema.“

„Aber Alter, Dir is‘ schon klar, dass ich keine Gurken mag. Die nehm‘ ich runter und kleb‘ sie dir unter’n Sitz …“

Wieder der Kerl hinter mir. Die meiste Zeit lachten wir dann aber wieder, wie er versuchte, seiner Freundin im Hotel die Adresse zu entlocken, zu der sie jetzt fahren müssten. Um ganz ehrlich zu sein: die Jungs hatten mehr Humor als ich erwartet hatte und im Grunde verlief die Fahrt eigentlich vergleichsweise nett. Wobei anzumerken sei, dass mir bewusst war, dass nur arg ambitionierte Gesellen es schaffen können, nach 20 Minuten aus dem Matrix zu fliegen – was ihnen angeblich zuvor gelungen war. Nach kurzer Diskussion hielten dann wir mittig zwischen Hotel und Puff und ich bekam die 19,60 € Fahrtpreis großzügig mit einem Zwanziger bezahlt. Naja, immerhin. Und während die Jungs dann in Richtung Hotel (!) verschwanden, fand ich … tatsächlich eine Gurkenscheibe am Sitz hinter mir.

Kein großes Ding. Ich hatte gerade ein Tuch zum Abwischen in der Hand und das war eine Arbeit von vielleicht zweieinhalb Sekunden. Wahrlich ein Abgrund, in den ich sehenden Auges renne, wenn ich das Essen im Auto erlaube. Ähnliches hatte ich hier und da schon ohne es im Blog zu erwähnen. Nicht oft, aber  sicher schon zwei- oder dreimal.

Nein, was mich wirklich kochen lassen hat, war natürlich die Dreistigkeit. Denn ich denke, wir sind uns einig, dass purer Zufall eine mäßig glaubwürdige Option ist, wenn jemand androht, eine Gurkenscheibe an den Sitz zu pappen und am Ende eine Gurkenscheibe am Sitz pappt.

Ich schreibe im Internet. Ich bin durchaus gewöhnt daran, dass Leute mich für einen Idioten halten. Das passiert. Wahrscheinlich haben das jetzt einige Kollegen gelesen, die mich für blöd und unerfahren halten, weil ich die Jungs habe essen lassen. Andere vielleicht sogar, weil ich sie mitgenommen habe. Oder überhaupt am Ostbahnhof gestanden bin. Sei es drum, ich halte ja auch nicht alle Menschen da draußen für Reinkarnationen Einsteins.

Aber so ein Vollhonk, der sich was darauf einbildet, absichtlich meine Arbeit zu behindern, indem er an einer Stelle, an der ich ihn weder überwachen kann noch will, mein Auto zu verschmutzen – und sich für diese dümmlich-destruktive Meisterleistung vermutlich auf sich selbst einen runterholt – der hat schon außerordentliches Glück, dass ich ein paar Jahre Erfahrung damit habe, meinen Ruhepuls nicht für Gurkenscheiben zu überschreiten.

Entsprechend hab ich mich beherrscht. Und mir hilft der Gedanke, dass der Kerl in den nun folgenden 3 Tagen in Berlin eventuell an streitsüchtige Kollegen oder gewinnorientierte Prostituierte gerät. Oder dass ihn wahlweise der Blitz beim Scheißen trifft, den ich umgehend für ihn geordert habe.

(Vorhersehbarer) erster Schlag gegen Uber

Laut dem Tagesspigel hat das LABO die App von Uber in Berlin vorerst verboten.

Das ist natürlich alles noch nicht endgültig und Uber wird vermutlich wie in Hamburg auch erst einmal dagegenhalten. Das ist völlig normal und ein Sieg lässt sich daraus noch nicht herleiten. Auch Uber hat die Möglichkeit, den Rechtsweg zu beschreiten und das will nicht einmal ich ihnen verbieten.

Juristische Prozesse brauchen Zeit und das ist ok. Das Gewerbe wird nicht untergehen unterdessen.

Dennoch: schön zu sehen, dass sich in unserem Gewerbe – in dem sonst gerne weggesehen wird – offenbar auch mal was bewegt.

Nachtrag: Und wie erwartet: Sie machen weiter. Auch irgendwie putzig ist Ubers eigene Stellungnahme. Nett geschrieben ist sie ja, aber es ist schon faszinierend, wie viel Text sich ohne ein einziges inhaltliches Argument produzieren lässt.

Trinkgeld. Ja oder nein?

asci hat mir in den Kommentaren eine Frage gestellt, die mir irgendwie schwer fiel zu beantworten. Hab’s gerade dann doch gemacht, aber ich dachte, dass das auch ein spannendes Thema für unterschiedliche Meinungen ist. asci fragte (ich fasse das mal eben mit meinen Worten zusammen):

Zusätzlich zum Taxipreis noch Trinkgeld zu geben, habe ich eigentlich keine Lust. Würde es Dir gefallen, mehr Fahrten zu haben, wenn die dann kein Trinkgeld abwerfen – oder ist das erst recht doof?

Schwer getan habe ich mich damit, weil

a) ich das Trinkgeldsystem in Teilen gut finde

(Die Bevorteilung engagierter Dienstleister. Dass deswegen teils die Löhne niedrig gehalten werden, ist natürlich eine Frechheit – trifft aber weniger aufs Taxigewerbe und mehr auf die Gastronomie zu)

b) ich umsatzbasiert bezahlt werde

(Deswegen kann für mich ein gutes Trinkgeld finanziell gleich bedeutend mit einer Tour sein, was eine allgemeine Aussage schwer macht.)

c) weiß, dass es da kein Schwarz und Weiß gibt

(Man kriegt auch als Arschloch Trinkgeld; für viele ist es schwer, das Geld auch noch aufzubringen etc. pp.)

Wie seht Ihr das?

Meine Sicht als Taxifahrer:
Trinkgeld ist nicht das wichtigste. So lange mir eine Tour Geld bringt, fahre ich sie. Sicher erhoffe ich mir bei 9,00 € auf der Uhr, dass zu dem Zehner ein „Stimmt so!“ kommt, aber ebenso wie ich eigentlich nie genervt bin, dass die 10€-Tour keine 12€-Tour ist, sehe ich den „fehlenden“ Euro Einnahmen nicht als Problem. Was ich aber auch anmerken muss: ich freue mich wahnsinnig über Trinkgeld. Sicher, der Euro läuft irgendwo unter „normal“ und das „Vielen Dank!“ ist natürlich nicht gerade der Ausdruck über einen noch nie dagewesenen Brüller in meinem Leben – aber zwei Euro extra mit einem Hinweis auf die nette Unterhaltung, die angenehme Fahrweise oder so, weiß dann schon zu rühren. Und je nach Umständen graben sich auch Kleinbeträge in die Erinnerung ein. Den Euro, den ich von drei Obdachlosen auf eine 5€-Fahrt bekommen habe, werde ich wohl nicht so bald vergessen.

Meine Sicht als Kunde:
Ich nehme Dienstleistungen nur sehr selten in Anspruch. Das macht es mir leicht, das Trinkgeld einzupreisen. Die Taxi-Fahrt wird 20 bis 22 € kosten? Lege ich halt 25 € raus. Ebenso beim Pizzaservice. Wenn ich mir schon den Luxus gönne, mal Leute Arbeit für mich zu erledigen zu lassen, denen ich naturgemäß nur selten über den Weg laufe, dann ist Geld halt eine schnelle Option, meine Anerkennung auszudrücken. Und wenn ich dann den Rentner vom Pizzaservice an der Tür stehen hab, der mir während eines Halbfinalspiels der Fußball-WM Essen bringt – der Kerl, der die betriebsinterne Auslosung für die Arschlochschicht verloren hat – warum sollte ich da über 2 oder meinetwegen 4 € extra nachdenken?
Ich weiß: andere kommen öfter als ich mit Dienstleistern in Kontakt, da kann das schon teuer werden. Denen kann ich nur nach wie vor raten, sich einfach genau zu überlegen, wem sie warum Trinkgeld geben – und das ggf. anpassen. Bei den einen nach oben, bei den anderen nach unten …

Aber ich bin gespannt auf Eure Meinungen zum Thema. 🙂

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Andere Winker …

Winker am Halteplatz sind so eine Sache. Ich fahre in der Regel nicht hin, wenn jemand nicht bis zum Halteplatz läuft und von dort aus winkt. Und das nun wirklich nicht aus Faulheitsgründen. Im Gegenteil: ich laufe den Leuten sogar lieber entgegen.

Der Grund ist simpel: auf die Distanz weiß ich einfach nicht, ob überhaupt eine Fahrt zustande kommt. Und wenn man einmal weg ist von der Halte … ich sag’s mal so: man trifft selten eine komplette Halte voller verständiger Kollegen, die einen wieder auf den alten Platz lassen. Und schon auf die Diskussionen dazu habe ich keine Lust.

Sicher: bei den meisten Kunden, die einen aus der Ferne heranwinken, gibt es einen Grund. Sie wollen ihr Gepäck nicht alleine stehen lassen oder können es nicht alleine tragen zum Beispiel. Da komme ich dann wie gesagt gerne als Fußgänger entgegen. Aber ja, manchmal hat man dann eine Tour, die man nicht machen kann. Keinen passenden Kindersitz an Bord, keinen Kartenleser, keine Ahnung wo das Ziel liegt. (Ist höchst selten, soll ja aber auch mal vorkommen)
Das alleine wäre ja noch ok. Die Statistik wirklich verderben dann die Spaßvögel, die einen vorwinken und dann eine Kurzstrecke haben wollen, weil man „ja nicht mehr am Stand steht“. Oder eine Wegbeschreibung wollen. Da kennt die Fantasie ja keine Grenzen. Und bei aller Nettigkeit: solche Aktionen kosten einen dann bisweilen über eine Stunde Arbeitszeit (man hat ja lange gewartet), da hört der Spaß halt auch mal auf.

Aber auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel. Dieses Mal hat beispielsweise ein voll besetzter Reisebus neben mir gehalten und der Fahrer hat mir bedeutet, ihn bis zur Bushaltestelle zu begleiten. Er hatte also eine oder mehrere Touren – da haben Busfahrer als Quasi-Kollegen dann doch ein wenig Vertrauensvorschuss.

Ich war gespannt, aber Touren von Bussen gehören am Ostbahnhof durchschnittlich eher zu den besseren. Die Tagesreisen, die die meisten von ihnen machen, werden oft von Rentnern gebucht, viele davon wohnen auch ein Stückchen weiter weg. Die klassische Tour geht dann etwa nach Pankow, Hohenschönhausen oder Mahlsdorf. Irgendwas zwischen 15 und 25 € Umsatz und liegen damit deutlich über dem normalen 8€-Stich nach Kreuzberg.

Ich sollte nicht enttäuscht werden. Zunächst leerte sich zwar der Bus ohne erkennbare Tendenzen der Passagiere, ein Taxi zu suchen. Dann aber kam der Fahrer selbst an und geleitete – Überraschung! – ein Pärchen Rentner zu mir. Nach Marzahn sollte es gehen, etwas weiter noch als bis zu mir. Über 20 € also, ein Jackpot für Leute, die nicht die ganz großen Hoffnungen haben.

Es war auch wie so oft eine angenehme Fahrt, wobei ich besonders lustig fand, dass der Mann teilweise völlig grundlos geflucht hat wie ein Kesselflicker.

„Sie haben eine Tagesreise gemacht?“

„Ja. War sehr schön. Aber dass das sooo lange daaaauuuuert – meine Fresse!“

Umso angenehmer war, dass sie wirklich gutes Trinkgeld gegeben haben. Bei 22,60 € auf der Uhr liegen 25 € nicht wirklich fern, sind es doch quasi glatt die 10 üblichen Prozent. Dann aber noch einen Zweier draufgelegt zu bekommen, ist immer wieder schön. Da kann man sich auch mal von der Halte wegwinken lassen. 🙂