Hin und wieder hat man Fahrgäste mehrmals. Im Normalfall fällt das sofort auf, ich bin aber nicht der Normalfall. Ich muss es gelegentlich erwähnen: Ich hab Schwierigkeiten, mir Gesichter zu merken. Menschen, die ich ich nur einmal als Fahrgast hatte, erkenne ich schlicht nicht wieder. Einzelne Ausnahmen gibt es, aber ich sehe es schon kommen, dass ich irgendwann einen Fahrgast kurz in ein Lokal reinspringen lasse und mir anschließend ein anderer einsteigt, ohne dass ich es merke. Das wird ein super Tag, da bin ich mir sicher! 😉
Während das aber wenigstens hier und da mal klappt mit dem Erkennen, ist es echt schwierig bei Leuten, die ich dazwischen ein paar Wochen oder gar Monate nicht gesehen hab. Das geht so weit, dass ich selbst Leute nicht erkenne, die ich schon dreimal gefahren habe. Was zugegeben aber noch seltener ist, als dass ich Leute dreimal im Auto habe und es keine Leser sind, die ich nicht wenigstens an Netz-Avataren oder so erkenne.
Und nun hatte ich so eine Fahrt. Am Ostbahnhof stieg mir relativ weit hinten in der Schlange ein Mann zu. Er konnte kaum deutsch, hat einen stark osteuropäischen Akzent und fragte – soweit eigentlich nicht ungewöhnlich, aber dennoch seltsam vertraut:
„Und? Wie geht?“
Nach zwei Floskeln dann das Fahrtziel: „Osler Strass“ – Osloer Straße. So weit, so unspektakulär. Dann aber meinte er:
„Erst fahre Kolleg. Kollege swei, dann Osler Strass.“
Und obwohl das jetzt wirklich ein absolut übliches vereinfachtes Deutsch von Zuwanderern war, war ich schlagartig hellwach. Denn es war nicht das erste Mal, dass ich vom Ostbahnhof eine Tour hatte mit einem Mann, der mit diesen Worten von zwei Kollegen sprach. Und das war nicht irgendeine Tour! Das war eine Tour, die mir nicht bezahlt worden war (nachdem zugegebenermaßen ICH die Hoffnung aufgegeben hatte – kann man hier und in den folgenden zwei Artikeln ausführlich nachlesen.) und die mein Nervenkostüm nachhaltig geschädigt hat. Waren die Indizien bis dahin noch dünn, so ging es nun auch just noch in einen jener Hinterhöfe, durch die ich mit dem damaligen Fahrgast auf der Suchen nach „Kollege swei“ gestreift war. Verdächtig über alle Maßen.
Aber ich hab leider keine Ahnung, ob meine Vermutung richtig ist.
Sicher, ich hab überlegt, ob ich es ansprechen sollte. Aber ich hatte hier einen netten Kerl, der zumindest dieses Mal nicht betrunken war und wusste, wo die Kollegen wohnen. Und als die kamen war alles noch viel einfacher. Einer sprach passables Deutsch, die Fahrt war absolut problemlos und am Ende wurde ich mit angemessenem Trinkgeld bezahlt. Hätte ich da wirklich mit dem vagen Verdacht ins Haus fallen sollen, der Typ würde mir Geld schulden?
Ich weiß es nicht. Vielleicht hätte ich es ja bekommen. Aber der Kerl war damals so hacke, eigentlich war es unwahrscheinlich, dass er sich – guten Willen sowieso vorausgesetzt – überhaupt hätte erinnern können. Und abgeschrieben hatte ich die Tour ja auch schon längst. Aber ein bisschen wurmt der Gedanke, dass er es war.
Naja, ich schätze, dass ich nächstes Mal wenigstens keine Sorgen haben werde. Ich bin schon beim ersten Kandidaten nicht von Absicht ausgegangen, und dieser jetzt war eindeutig in Ordnung. Wie schlecht also sollten die Chancen beim nächsten Verdacht meinerseits sein?
ach, ich versteh das so gut. du beißt dir jetzt in den arsch dass du niemals die gewissheit haben wirst ob er’s war, aber wenn es rund gegangen wäre und er wär’s dann gar nicht gewesen – na das wäre ja erst recht beschissen.
zwecks gesichter merken: gilt nicht bei nem NACHTtaxi! is halt immer zu dunkel.
tipp: nicht überspielen, dass man keine ahnung hat wer da minutenlang mit einem redet. das wird nur immer noch peinlicher. oh ja, das wird es.
Direkt ansprechen und fragen, ob er es war. Nicht nur den Fragenden dabei spielen. Das wäre mein Tip gewesen. Wenn er es nicht war, wird sich das mit 1-2 Sätzen auch wieder aus der Welt schaffen lassen. Wenn er sich nicht richtig daran erinnern kann, dann halt Pech, du weißt es ja auch nicht besser. Wenn er ne halbgare Entschuldigung oder ne unglaubwürdige Erklärung auspackt, dann raus mit ihm aus dem Taxi.
Es gibt genug andere Kunden, man kann auch mal nicht nach Lehrbuch vorgehen, mein ich.
Nun ja, ganz ehrlich – wenn er es war, beim ersten Mal hackedicht war und noch kaum der deutschen Sprache mächtig ist… wie hoch wäre die Chance gewesen, dass er es a) verstanden, b) zugegeben oder man es c) im Falle der „Falschverdächtigung“ mit 1-2 Sätzen bereinigt gehabt hätte?
Weißt du’s? Angenommen er war eben nicht so hackedicht, wie man ihn eingeschätzt hat, angenommen er spricht die Sprache schlecht versteht sie aber gut, angenommen es kommt an, weil er zum 2mal, an derselben Stelle, mit demselben Taxifahrer, dieselbe Tour abfährt, dieselben Kumpels einsammelt, dann ändert sich die Perspektive.
Aber letztlich machste das ja nicht nur für ihn. Ich zumindest wöllte auch einfach was gesagt haben, bevor ich den Kerl ne Dienstleistung anbiete.
@leserin:
Ach, ich bin gut im Überspielen. Gibt zwei Kollegen, mit denen ich seit Jahren am Stand rede, deren Namen ich vergessen habe. 😉
@Micha:
Naja, gewisserweise wäre das ja auch „nach Lehrbuch“. Kommt immer darauf an, welches man nimmt. Leute, die schon einmal nicht gezahlt haben, nicht mitzunehmen, ist sicher kein Geheimtipp.
@judith:
Das kommt als Problem vermutlich noch obendrauf …