Moderne Technik

Weil viele das immer so als Kampf sehen, möchte ich gleich vorweg kurz anmerken, dass ich wirklich nichts an Mercedes-Taxen auszusetzen habe. Ich denke nach wie vor, dass es für fast jedes Auto entsprechende Kundschaft gibt – und zudem ist die Wahl des Fahrzeugs eine der entscheidenden unternehmerischen Freiheiten im Taxigewerbe, die selbstverständlich genutzt werden. Meine Chefs sind bislang von Opel überzeugt und ich mag mein Kistchen auch. Mal mehr, mal weniger. Wie das halt so ist. Nun aber zur Geschichte:

Es pisste. Also regnete. Und zwar so richtig. Eigentlich hätte mich meine Nikotinsucht bereits nach draußen getrieben, aber da war es eklig. Ich stand auf der zweiten Rücke am Ostbahnhof, lange sollte es also nicht mehr dauern. Dann ertönte plötzlich ein Hupkonzert sondersgleichen. Schnell merkte ich, dass es tatsächlich die Kollegen am Stand waren. Warum aber nur?
Umgehend sehe ich: Gegenüber wollte einer von uns Fahrern eben mit offener Heckklappe losfahren. Na, da ist es doch toll, dass die Kollegen reagiert haben!
Besagter Kollege fährt ein T-Modell der aktuellen E-Klasse. Feine Kiste, kann ich zumindest als Taxi-Kunde sagen. Eines der Features, das mein Auto nicht hat, ist die automatische Heckklappe. Man muss sie nicht mehr herunterdrücken und zuschlagen, sondern drückt auf einen Knopf und sie schließt automatisch. Edle Sache; vor allem, da der Knopf innen an der Klappe liegt – da erspart man sich verdreckte Finger.
Nun aber war offenbar genau das das Problem. Verdreckte Finger hätte sich der Kollege sicher gerne geholt, denn er hatte bereits Fahrgäste an Bord und nur die offene Klappe hinderte ihn am Fahren. Aber die wollte nicht schließen. Er drückte auf den Knopf, die Klappe senkte sich, schloß, sprang wieder auf. Nochmal drücken, schließen, wieder auf. Dann kontrollierte er, ob Gepäck im Weg ist, drückte, wartete, guckte dumm.

Vor mir stand ein Kollege mit dem selben Modell. Vielleicht auch aus der selben Firma. Er sprintet schnell rüber und begibt sich mit dem Kollegen auf Fehlersuche. Manchmal klappt das mit der Solidarität am Taxistand dann ja doch noch.

Es zogen ungelogen fünf Minuten ins Land, während derer sich die Heckklappe dutzende Male öffnete, schloß und wieder öffnete. Einen Anhaltspunkt bei der Fehlersuche schienen die Kollegen nicht zu haben. Irgendwann bin ich dann auch raus, allerdings in mehr dekorativer Funktion. Ich kannte das Auto ja wirklich nicht. Aber unter dem Vordach eine rauchen und gucken, was passiert, konnte ich ja schon auch. Und ich war nicht alleine. Zwei weitere Kollegen mischten sich ins Geschehen ein und ich stellte mir die Gedanken der Fahrgäste vor. Da kommt man an, will mit dem Taxi schnell ins Hotel und ehe man sich’s versieht, stehen fünf Taxifahrer um einen herum und machen die Heckklappe auf und zu. Skurrile Situation.

Am Ende war die Lösung wohl denkbar einfach und fast am anderen Ende des Autos zu suchen: Ein Knopf zum Öffnen der Heckklappe befindet sich wohl auch irgendwo beim Fahrer vorne und genau jener war blockiert und öffnete die Luke stets erneut, sobald sie geschlossen war. Blöde Sache und ja, das kann man mal übersehen. Mich hat’s für den Kollegen gefreut, dass die Fahrgäste das offenbar einfach nur lustig fanden und nicht genervt ausgestiegen und zu einem anderen gegangen sind.

Ein bisschen war mir natürlich nach Lästern über die moderne Technik zumute. Dann aber musste ich an die wesentlich dämlichere Macke meines kleinen Opels denken: Wenn die Zentralverriegelung spinnt, lässt sich der Tankdeckel nicht mehr öffnen

So haben wir wohl alle mal Grund, uns über die Technik zu beklagen. 😉

Zufrieden

„Dann wären wir bei 14,80 €.“

„Ach, das ist ja, das ist ja geradezu ein Freundschaftspreis!“

Nee, Freundschaftspreise kann ich leider nicht einfach so machen. Auch wenn sich die rüstige Seniorin so gefreut hat über das, was das Taxameter angezeigt hat. Was ich aber eben kann: auf dem kürzesten Weg zur Zieladresse fahren. Scheint ja manchmal zu reichen …

Taxi-Betrüger vor Gericht

Mehrere Leser und mein News-Ticker haben es ausgespuckt: Derzeit steht einer der mutmaßlichen dreisten Abzocker von Tegel vor Gericht. Karge Tageseinnahmen wie seine Kollegen wird er wohl kaum zu befürchten gehabt haben, denn seine Preise pro Tour waren eher so das, was bei mir als Schicht- oder gar Wocheneinnahme läuft.

Sollten sie den richtigen erwischt haben, freue ich mich natürlich. Er – und offenbar ja auch noch ein paar andere „Kollegen“ – haben ja eine ganze Weile lang für negative Presse für uns Taxifahrer gesorgt. Auf der anderen Seite muss man sich auch mal anschauen, wie krass dieser Fall wirklich ist. Da geht es nicht mehr um einen Taxifahrer, der mal Fahrgäste abgezockt hat, sondern um einen Abzocker, der zufällig ein Taxi zur Verfügung hatte. Der Kerl hätte es wahrscheinlich auch an einer Supermarktkasse zum Spezialfall geschafft.

Wer noch ein paar aufregende Grammatikfehler entdecken will, sei auf den Artikel des Tagesspiegels eingeladen.

(Nachtrag: Ui, inzwischen ist wohl das meiste korrigiert.)

Südost rulez!

Ich hab’s ja nun wirklich nicht mit Lokalpatriotismus, aber es ist witzig zu sehen, dass an den letzten beiden Donnerstagen jeweils eine Fahrt vom Ostbahnhof in den tiefsten Südosten Berlins mir die Schicht gerettet hat. Und hey, wir haben Januar, da muss man sich seine Schicht gelegentlich von einzelnen Touren retten lassen!

Vor nicht einmal 48 Stunden war es eine nette Frau, die mich damit überraschte, nach Rahnsdorf zu wollen. Nachdem sich anfangs eher ein bisschen unangenehmes Schweigen im Taxi ausbreitete, haben wir dann doch mit unbekannten Berliner Stadtteilen und den Tücken von Navis ein Thema gefunden, das zwar ein wenig absurd für Außenstehende anmutet, zwischen Fahrer und Fahrgast aber durchaus mal vorkommt. Die Tour endete mit 34,60 € auf der Uhr – ein Betrag, den mancher Kollege in der Nacht in 5 Stunden auf der Straße nicht zusammengefahren hat. Das aber war nicht alles. Ohne irgendeinen Anflug von Unsicherheit wurde mir ein Fünfziger gereicht mit der Bitte, doch 8 € rauszugeben. Ein Aufrunden auf 40 € wäre schon weit überdurchschnittlich gewesen, nochmal ein Zweier mehr war aber völlig jenseits jeder Erwartung. Vielen Dank dafür!

Fast punktgenau den gleichen Betrag brachte die Tour eine Woche zuvor nach Müggelheim: 34,40 €. Wie die andere somit irgendwo in den Top-10% meiner Fahrten, würde ich sagen. Die Kundschaft war ein Ehepaar, irgendwo zwischen 50 und 65 Jahren. Außer der Länge war an der Tour nichts spektakuläres, abgesehen davon vielleicht, dass ich nach Vollendung kurz eine Pause am Müggelsee gemacht hab, um ein wenig den etwas dunkleren Sternenhimmel dort draußen bei einer Zigarette zu genießen.
Unterhalten haben wir uns wohl, aber im Gegensatz zur ein oder anderen Party-Besatzung am Wochenende konnte man das gerade als absolute 08/15-Dienstleistung abtun, ohne besondere Sympathien oder dergleichen. Umso überraschter war ich, als mir am Ende der bei dieser Fahrtlänge ja völlig normale Fünfziger gereicht wurde, dieses Mal sogar mit der Bemerkung „Stimmt so.“.

0.o WTF?

Das sind Größenordnungen, die ich sonst fast ausschließlich von Lesern oder – ohne da einen Zusammenhang konstruieren zu wollen – völlig unzurechnungsfähigen Gestalten gewöhnt bin. Und „gewöhnt“ meint auch hier nur „kommt mal vor“.

Meinetwegen könnte man daraus gerne eine Serie machen. Jetzt bin ich aber erst mal gespannt, ob die anderen Ecken der Stadt das vielleicht aufholen wollen. 😉

Googles Reise in die Vergangenheit

Gestern abend wurde ich bei Twitter über mehrere Leute darauf aufmerksam und Aro war auch schneller, da ich heute Nacht arbeiten war. Egal, wenn schon mal der Berliner Stadtplan im Gespräch ist, kann GNIT nicht außen vor bleiben.

Darum geht’s:

Mit Google 80 Jahre zurück. Quelle: Google Maps, eigener Screenshot

Mit Google 80 Jahre zurück. Quelle: Google Maps, eigener Screenshot (9.1.2014, 18.40 Uhr)

Aus mir leider nicht näher bekanntem Grund wurde auf der Karte von Google Maps ein Teil des nördlichen Theodor-Heuss-Platzes als Adolf-Hitler-Platz bezeichnet und ist als solcher auch über die Suchfunktion zumindest gestern noch auffindbar gewesen. Inzwischen ist das wohl gefixt. So richtig grundfalsch ist das alles zwar allenfalls zeitlich – denn während der Nazi-Zeit hieß der Platz tatsächlich so – aber ein wenig erstaunt darf man dann doch sein. Im Allgemeinen sind nach Hitler benannte Straßen und Plätze in Deutschland doch eher selten geworden seit den 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts.

Das ist dann der Punkt, der uns wenigstens ein bisschen zum Taxi zurück bringt: Deswegen ist es gefährlich, einfach so nur mit einem x-beliebigen Stadtplan auf die Ortskundeprüfung in Berlin zu lernen. Denn auch die enthalten Fehler. Nicht immer gleich Hitler, aber ich bin damals auch wegen weniger durch die Prüfung gefallen. 😉

Mindestlohn im Taxigewerbe

Da hat sich die Tage also die werte Frau Hasselfeldt aus der CSU zu Wort gemeldet und Taxifahrer mit dem seltsamen Argument, sie bekämen keine Stundenlöhne, auf eine Stufe mit Ehrenamtlichen gestellt. Um damit zu suggerieren, ein Mindestlohn im Taxigewerbe würde nicht funktionieren. Das ist natürlich Blödsinn. Zum einen arbeiten in vielen Orten Deutschlands Taxifahrer nach fixen Stundenlöhnen, zum anderen sind wir nicht die einzige Branche, die erfolgsbasierte Bezahlung kennt. Was Taxifahrer indes recht einzigartig macht, ist der Anteil der Beschäftigten, der im Niedriglohnbereich arbeitet (siehe z.B. hier). Da schlagen wir sogar die gerne ins Feld geführten Frisöre.
Dass unser Umsatz schwankt, ist ebenso inhaltsleere Ablenkung, denn das trifft selbstverständlich auch auf den Handel in all seinen Formen und so gut wie jede andere Dienstleistung zu. Dass sich bei der Bezahlung im Taxigewerbe unbedingt was ändern muss, ist seit Jahren klar, schließlich fahr ich im Januar gerne mal mit einem errechneten Stundenlohn von 4 € nach Hause. Unbegreiflich, dass ausgerechnet die Taxifahrer bei einem Mindestlohn ausgeklammert werden könnten!

Was bloß ist an der Vorstellung, wir könnten fair entlohnt werden, so absurd? Geht da tatsächlich gleich das Abendland unter?

Die folgenden Betrachtungen beziehen sich hauptsächlich auf die Berliner Verhältnisse, gelten teilweise aber auch anderswo.

1. ALLGEMEINES

1.1. Wenn der Mindestlohn keine Folgen hätte, würde er ja nix bringen.

Man muss natürlich der Tatsache ins Auge sehen, dass der in Berlin erwirtschaftete Umsatz sicher nicht reichen wird, wie bisher 10.000, dann aber besser bezahlte Taxifahrer zu beschäftigen. Völlig erfolglose Fahrer werden vermutlich ein Kündigungsschreiben kriegen, andere vielleicht die Auflage, zu unlukrativen Zeiten nicht mehr rauszufahren. Die Frage ist am Ende doch aber, ob es wirklich besser ist, ca. 10.000 Jobs mit überwiegend beschissenem Einkommen zu tolerieren, als 7.000 zu gesellschaftlich als akzeptabel eingeordneten Bedingungen zu schaffen. Auch nicht vergessen sollte man hier die Tatsache, dass der Mindestlohn flächendeckend sein soll. Das könnte uns einerseits mehr Kunden bringen, zum anderen vielleicht auch Fahrer in andere Branchen locken.
Ich möchte die Problematik von Entlassungen nicht leichtfertig beiseite wischen. Auch mein Job wäre damit in Gefahr und auch unabhängig davon mag ich meine Chefs sehr und für Unternehmer ist es noch viel schwerer abzusehen, ob sie zu denen gehören, die am Ende übrig bleiben. Die sozialen Folgen ließen sich im Übrigen schmälern, wenn bereits jetzt keine neuen Konzessionen vergeben würden und keine neuen Fahrer eingestellt. Wie hart der Umschwung die Branche treffen würde, hängt auch stark davon ab, was im Vorfeld geschieht.

1.2. Wir würden kein Schlaraffenland verlieren.

So sehr wir das bestehende Modell liebgewonnen oder uns schöngeredet haben: Es hat dazu geführt, dass sich die Taxifahrer gegenseitig im Kampf um die letzten paar Euro stundenlang die Räder platt stehen. Obwohl sicher auch Privilegien wegfallen werden (siehe 2.2), werden wir Freizeit gewinnen dadurch, dass künftig auch unseren Chefs wichtig wird, in welcher Zeit wir den Umsatz erwirtschaften. Belohnung von Fleiß in allen Ehren, aber wie sinnvoll ist es, dass heute noch der Taxifahrer als besser gilt, der 150 € in 12 Stunden einfährt, als der, der 120 € in 6 Stunden schafft?
Bislang ist die Zahl der Taxen in Berlin fast kontinuierlich gestiegen – mit besonderen Sprüngen nach Tariferhöhungen. Der ach so hoch geschätzte freie Markt hat im Taxigewerbe genau eines bewirkt: Dass etliche Unternehmer immer mehr Fahrer und Fahrzeuge auf die Straße gelassen haben, um ein größeres Stück vom Kuchen zu bekommen. Ungeachtet der negativen Entwicklungen für den einzelnen Fahrer.

1.3. Unfreiwillige Unsicherheit als Angestellter? Wieso eigentlich?

Durch die in Berlin übliche ausschließlich umsatzbasierte Bezahlung haben die Angestellten bislang einen großen Teil des Unternehmerrisikos mitgetragen. Ohne Grenze nach unten. Eine eigentliche Selbstverständlichkeit für Angestellte ist zumindest die Sicherheit eines gewissen Grundeinkommens. Eines bezifferbaren! Dass wir im Gegenzug auch an Gewinnen beteiligt werden, ist eine Sache, die man durchaus davon trennen muss, da das Risiko eines Verlustes (in unserem Fall Arbeitszeit, die wir „für umme“ raushauen) eigentlich ganz eindeutig Unternehmersache ist. Eine Rückkehr der Verantwortung selbiger für ihre Arbeitnehmer würde hoffentlich mehr als heute den vernünftigen Arbeitgebern zugute kommen.

1.4. Das klappt doch gar nicht, weil so viele Fahrer sowieso selbständig sind!

Das würde ich nicht zwingend sagen. Obwohl es die Sache natürlich verkompliziert. Natürlich kann man Selbständigen keinen Lohn vorschreiben. Auf der anderen Seite haben die Selbständigen auch kaum etwas von ihrem eigenen Unternehmen, wenn sie schlechter verdienen als Angestellte. Über kurz oder lang und ungeachtet einzelner Ausnahmen werden sich auch die Verdienste der Selbständigen auf einem Niveau einpendeln, das dem Einkommen angestellter Mindestlohnempfänger ähnelt. Während der ein oder andere anfangs sicher noch zu unlukrativen Zeiten rausfährt, wird langfristig kaum die Mehrheit freiwillig weniger Geld einfahren, als sie in einem Unternehmen als Angestellte garantiert bekommen würden.

1.5. Und in den Unternehmen? Jeder 8,50 € und fertig? Wozu dann Umsatz einfahren?

Glaube ich nicht. Die Unternehmer hätten nach Einführung eines Mindestlohnes ein gesteigertes Interesse daran, dass ihre Fahrer guten Umsatz machen. Viele denken da jetzt vorschnell an immensen innerbetrieblichen Druck. Dabei könnte der Anreiz derselbe bleiben. Der Mindestlohn muss nicht das Aus für umsatzbasierte Bezahlung bedeuten, er ist erst mal nur eine Untergrenze. Wenn sich alles eingespielt hat, ist durchaus Platz für Bonuszahlungen – die ja auch in anderen Branchen durchaus üblich sind. Nur werden sie sich dann wohl am Umsatz pro Stunde messen. Die befürchtete Horde fauler Taxifahrer wird sich vermutlich in Grenzen halten, da die Unternehmen (im Gegensatz zu heute!) ein Interesse haben werden, nur gute Fahrer zu behalten.

2. DIE PRAXIS

2.1. Die Ausgestaltung macht’s!

Entscheidend wird am Ende sein, wie genau die Regelungen zum Mindestlohn an sich sind und wie das Gewerbe sie allgemein umsetzen wird. Dazu die folgenden Anmerkungen.

2.1.1. LABO, Zoll, etc. Sprich: Schwarzarbeit.

Ein ganz entscheidender Punkt gleich zu Beginn der Einführung wird die Schwarzarbeit sein. Die vielen nicht legal arbeitenden Betriebe sind bislang zu einem Teil für die Misere der Branche verantwortlich und es ist die Frage, inwieweit sich da neue Schlupflöcher ergeben würden, bzw. ob z.B. die Aufmerksamkeit aufgrund von Verstößen gegen die Zahlung des Mindestlohns mal wieder das Taxigewerbe in den Fokus rücken würde und dann durch Kontrollen das ein oder andere schwarze Schaf auffliegt. Denn auch das könnte Teil der Reduktion der Arbeitsplätze sein. Viel zu erwarten ist da nach der Tiefschlafphase in den letzten Jahren zwar nicht, aber man sollte die Hoffnung nicht aufgeben. Interessant wäre aber zum Beispiel auch, ob das 2017 (wahrscheinlich gleichzeitig mit dem Mindestlohn) einzuführende Fiskaltaxameter auch die Arbeitszeiten loggt. Sollte das der Fall sein, wäre das vermutlich schon die halbe Miete.

2.1.2. Tricksen die Unternehmer?

Da zunächst ein Verdrängungswettbewerb zu erwarten ist, steht zu befürchten, dass die Unternehmer z.B. die Arbeitszeiten schönrechnen. Gerade das Taxifahren mit den vielen auftragsfreien Zeiten bietet ja z.B. lustige Optionen wie das Anrechnen von Standzeiten als Pause. Über die Rechtmäßigkeit brauchen wir nicht zu streiten, denn das ist nie und nimmer eine Pause. An einem Stand darf man nur stehen, wenn man sich bereithält, aber ich befürchte derartiges. Und da die Mühlen der Justiz langsam mahlen, könnten sich so unseriöse Arbeitgeber eventuell in der heißen Phase einen Zeitvorsprung verschaffen. Das ist zwar hochspekulativ, könnte aber auf den Ausgang gravierende Auswirkungen haben.
Will heißen: Natürlich ist es wichtig, dass darauf geachtet wird, dass nicht nur auf dem Papier alles schnieke aussieht.

2.1.3. Und die Taxitarife steigen dann um 250%, was?

Das sicher nicht. Eigentlich wäre eine Steigerung sogar ziemlicher Unsinn. Bei guter Auslastung sind im Taxi bei den bisherigen Tarifen auch in Berlin gut 12 bis vielleicht 16 € Stundenlohn möglich. Und durch eine Tariferhöhung alleine ist die Kluft zwischen dem jetztigen und dem für einen Mindestlohn von beispielsweise 8,50 € erforderlichen Umsatz sowieso nicht zu erreichen. Es müsste so viel draufgeschlagen werden, dass auf der anderen Seite eine Menge Kundschaft wegfällt. In der Tat wird aber immer gesagt, dass Mindestlöhne im Taxigewerbe nicht sinnvoll wären, da wir die Preise nicht selbst bestimmen könnten. Das ist allenfalls teilweise wahr. In den letzten Jahren ist der Berliner Senat vor allem dadurch aufgefallen, dass er Tarifforderungen des Taxigewerbes meist wohlwollend aufgenommen hat. Wenn sich daran nichts ändert, ist zu erwarten, dass nach dem Gesundschrumpfen der Branche über die Tarife recht schnell eine Möglichkeit besteht, kleinere Defizite zu beheben. Mehr nicht, aber mehr war auch bisher nicht drin.

2.2. Weniger Freiheit? Ja, puh …

Der Wegfall der ein oder anderen Freiheit für uns Fahrer ist das, was ich selbst mit am meisten fürchte. Meist werden da Dinge genannt, wie dass wir während der Arbeit ja dieses oder jenes noch privat machen könnten. Aber mal im Ernst: Das wird doch nur eine Umstellung sein! Ich wette, ich kann das nach Einführung eines Mindestlohnes (einen netten Chef vorausgesetzt natürlich) immer noch. Tatsächlich wird der Unterschied halt sein, dass ich diesen Einkauf künftig eben als Pause deklarieren müsste – was, wenn wir ehrlich sind, eigentlich nur eine Formalie ist. Schließlich habe ich mich bislang auch damit abgefunden, in dieser Zeit kein Geld zu verdienen.
Und was sonst? Es wird sie sicher geben, die Unternehmer, die den Fahrern bestimmte Halten befehlen o.ä. Aber mal im Ernst: Es gibt heute Unternehmen, die ihren Fahrern 12 Stunden Arbeitszeit vorschreiben. Für solche Leute arbeitet man gefälligst nicht mehr, anstatt sich über den Mindestlohn zu beschweren.

FAZIT:

Natürlich gibt es hier und da Unwägbarkeiten. Es werden Jobs verloren gehen und es ist leider nicht hundertprozentig sicher, dass am Ende auch wirklich die besten Arbeitgeber und die besten Angestellten von einem Mindestlohn im Berliner Taxigewerbe profitieren. Was aber sicher ist: Dass mehrere tausend Angestellte bessergestellt sind als zuvor. Und bessergestellt bedeutet, dass sie dann endlich Jobs haben werden, die bei der Bezahlung wenigstens die Mindest-Anforderung (nicht weniger sagt ein flächendeckender Mindestlohn aus!) an eine gerechte Entlohnung erfüllen. Ich verstehe die Sorgen und Ängste der Unternehmer, bin aber doch sicher, dass sich das sehr schnell einpendeln wird. Es ist weiterhin keine schöne Vorstellung, dass der ein oder andere Kollege seine Arbeit verlieren wird. Auf der anderen Seite wird Taxifahren dann vielleicht endlich wieder ein Job sein, bei dem auf der anderen Seite auch kein Fahrer mehr gezwungen ist, trotz Arbeit nebenher beim Amt als Aufstocker betteln zu gehen. Und es bleibt sogar die leise Hoffnung, dass das insgesamt die Qualität auch des Gewerbes – nicht nur der Arbeitsplätze – erhöht.

Eingedenk der oben genannten Aspekte bleibt die Frage an Frau Hasselfeldt und ihre Fangemeinde, weswegen also ausgerechnet wir Taxifahrer eine einsame Ausnahme bilden und weiterhin weniger verdienen sollten als das gesellschaftlich anerkannte Minimum. Was soll unseren Job denn jetzt noch so besonders machen, dass wir uns mit Ehrenamtlichen messen sollen, die freiwillig Aufgaben übernehmen, mit deren Entlohnung sie nicht leben oder gar eine Familie ernähren müssen?

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Das erste Taxi nehmen

Ich sage es ja auch immer wieder gerne: Man muss nicht das erste Taxi am Stand nehmen!

Ja, es gibt Kollegen, die das immer noch behaupten und es ist natürlich prinzipiell auch nett, weil der erste am längsten wartet. Aber als Kunden seid Ihr Könige und wenn Euch z.B. ein bestimmtes Auto besser gefällt oder ein Fahrer sympathischer ist als die anderen, dann nehmt Euch die Freiheit! Ich hoffe zwar, dass nicht zu viele dabei alberne Kriterien wie die Hautfarbe des Fahrers oder eine abgefallene Radkappe bei einer ansonsten gepflegten Luxuslimousine ansetzen, aber erlaubt ist, was gefällt.

Passend zum Thema hat mir Dirk Fotos aus Frankfurt am Main gemailt, und dort wird das so ernst genommen, dass eigens Schilder am Taxistand darauf hinweisen:

Eins, zwei oder drei? Ob Ihr wirklich richtig steht, seht Ihr, wenn … Quelle: Dirk

Eins, zwei oder drei? Ob Ihr wirklich richtig steht, seht Ihr, wenn … Quelle: Dirk

Was ich hier als voll verschärfte Realsatire empfinde, ist übrigens, dass diese Schilder fast den Einstieg in die zweite Taxe verhindern … 😀