Wozu frage ich eigentlich?

Ich hab ja neulich mal geschrieben, dass man als Taxifahrer am Besten immer alles mögliche fragt. Auf die Zieladressen trifft das sehr sehr oft zu, auf die Strecken ein bisschen weniger. Klar, es gibt auch eine Menge gleichwertige Strecken zwischen zwei Punkten. Und so manche Strecken, bei denen fragen eigentlich … nun ja.

Eine von mir vergleichsweise oft gefahrene und doch immer wieder gerne gesehene Fahrt ist die vom Ostbahnhof zum Flughafen Schönefeld. Eine erstklassige 30€-Tour, die mir schon das ein oder andere Mal ganz zuletzt noch teilweise die Schicht gerettet hat – oder für einen guten Start gesorgt, je nach Uhrzeit. Für diese Strecke gibt es so viele halbwegs vernünftige Routen, das ist nicht mehr normal:

1. Die Touristen-Route

Das ist eine schöne Route, die von vielen Touristen – allerdings auch Berlinern – geliebt wird. Sie ist einfach, weil es fast immer nur geradeaus geht und es zudem die ausgeschilderte Strecke ist. Auf allen anderen Pfaden biegt man irgendwann mal „falsch“ ab. Dabei ist die Route definitiv die längste von allen.

2. Die schnellste Route

Ohne großes Bohei immer auf den Hauptstraßen bis zur Autobahn – und dann ab dafür! So fahre ich in 90% aller Fälle, natürlich nach Absprache mit den Kunden. Denn auch wenn sie kürzer als die Touristen-Route ist, ist sie immer noch lang. Die Argumente „Autobahn“ und „schnell“ werden aber gemeinhin bei Flughafenfahrten immer gerne gehört. Auch von Menschen, deren Flieger erst in 7 (!) Stunden geht …

3. Die vorbildliche Route

Nochmal ein paar Meter kürzer ist dieser Weg, den viele Kollegen offenbar gerne fahren. Der Preisunterschied zu meiner ist marginal und ich mag sie deswegen nicht, weil die Ecke über die man abkürzt, so düster ist, dass man regelmäßig ängstliche Kunden im Auto hat, die einen fragen, wo man jetzt bitte sei und ob man nicht anders fahren könnte. Dabei ist sie wirklich eine Top-Strecke!

4. Die kürzeste Route

Das ist die definitiv kürzeste Strecke, das ist die, die wir bei der Ortskundeprüfung wissen müssen. Der Fahrpreisunterschied zur Touristen-Route liegt bei fast 4 €. Das Problem ist, dass sie einmal quer durch die Herzen von Kreuzberg und Neukölln führt, ein einziges Stop-and-Go vor den zahlreichen Ampeln. Sie dauert mindestens so viel länger, wie sie weniger kostet. Ich hatte in 4 Jahren noch keinen Fahrgast, der das ernsthaft bis zum Schluss durchziehen wollte …

(alle Beispiele unter Einbeziehung der derzeitigen Sperrung der Oberbaumbrücke)

Ich muss zugeben, dass ich die Frage nach der Route oft wertend stelle. Ich frage selten einfach sachlich „Günstig oder schnell?“. Meist sage ich: „Ich würde die Strecke über die Autobahn bevorzugen, die ist sowohl schnell als auch nicht die teuerste.“ Wenn ich das gesagt habe, gab es noch nie einen Widerspruch, außerdem kommt man hier bei der Ansage „30 €“ tatsächlich auf 29,80 bis eben 30,00 €. Aber wirklich immer mache ich das dann halt auch nicht. So auch neulich.

Der Kunde hatte Zeit, obwohl er der Kleidung nach geschäftsmäßig unterwegs war. Das roséfarbene Hemd spannte ziemlich über der Wohlstandsplauze, die Krawatte in dunkelblauem Satin schlackerte unwirsch nach links und rechts. Der hellgraue Anzug darüber hinterließ mich einmal mehr mit der Frage, warum Business-Outfits offenbar von farbenblinden Ottifanten designt, bzw. zusammengestellt werden. Sein auch nicht gerade schmales Gesicht wurde von einer viel zu kleinen Brille betont, etwas lässig wirkte da schon der sauber rasierte schmale Bart über die gesamte Kopfbreite. Hübsch war vielleicht was anderes, aber zum einen hätte ich in dem Outfit noch schlimmer ausgesehen, zum anderen war er ja nicht da um mich zu heiraten. Ich hab’s ihm also durchgehen lassen. 😉

Er wollte, mit lässiger Distanz betont, „keine Umwege“ fahren, ansonsten solle ich tun, was ich für richtig hielt. In Anbetracht der obigen Auswahl dann halt doch eher eine verwirrende als klärende Aussage. Also hab ich ihm die Wahrheit gesagt: dass ich meine Lieblingsstrecke hätte, es allerdings auch wesentlich kürzer gehen würde:

„Es sind locker drei Kilometer weniger, wenn ich über Neukölln fahre, aber dann …“

wollte ich schon zum Verteidigungsmonolog ansetzen.

„NEUKÖLLN? Also so mitten durch, das, also, das ist ja ein UNFUG sondersgleichen! Nein nein, fahren Sie mal über Treptow!“

Ich sag’s ja. KEIN EINZIGER Kunde in vier Jahren. Und was haben wir in der Taxischule diese blöde Strecke gelernt …

Maria, was ’ne Strecke!

„Ey Du, sorry. Kannste uns sagen, wo’s Magdalena is?“

Das Magdalena, ehemals Maria oder ADS, direkt beim Joseph oder so. Eine Ahnung, was da hinterm Zaun wann genau wie hieß – aber wo’s ist, ist nicht so schwer zu erklären vom Ostbahnhof aus:

„Na, das ist – vereinfacht gesagt – direkt da drüben!“

„Und wie kommen wir da hin?“

„Am einfachsten hier bis zum Ende, dann links, noch über die Kreuzung und dann ist da links im Zaun …“

„Fährste uns auch?“

„Klar, kann ich machen. Kostet aber auch gleich vier Euro.“

„Alles prima. Hauptsache nicht verlaufen!“

„Auf der Strecke?“

„Man weiß ja nie.“

Also gut. Die Straße war frei, die einzige Ampel grün, die Fahrt dauerte rund 30 Sekunden.

„Und wo ist das jetzt genau?“

„Hier durch’n Zaun, dann ist nach ein paar Metern Weg der Eingang.“

„OK, cool Mann! Kurze Frage noch!“

„Jepp, was is‘?“

„Haste uns ’ne Nummer? Dann könn‘ wir dich anrufen und Du kannst uns später wieder zurück zum Bahnhof bringen!“

Also bei aller Liebe zu kurzen Touren …

„Jungs, hier fahren genug Taxen vorbei. Da müsst ihr euch notfalls einen Kollegen ranwinken!“

Immer wieder neues …

Was schön daran ist, während man sich als kleiner Taxiblogger auf die erste Million Visits zubewegt: Festzustellen, wo man überall verlinkt wird. Gar nicht mal nur die großen Seiten – was natürlich per se schon immer ein Happenig ist, weil ein Haufen neue Besucher die Folge ist – nein, es ist toll zu sehen, dass man hier und da auf kleinen Blogs mit Links (und meist auch noch sehr netten Worten) bedacht wird.

Deswegen guck ich gerne mal nach, wenn ich Besuche über Seiten erhalte, die mir nichts sagen.

Und manchmal findet man auf diesem Wege auch noch ganz kleine Taxiblogs …

So heute erst. Einen Blog, bei dem das Taxi nur ein Thema ist, eine Seite die noch nicht so ganz zu einem stimmigen Design oder einer ordentlichen Domain gefunden hat. Dafür aber bereits ein paar nette Texte bietet. Und das meine ich ernst. Ihr würdet mir eine große Freude machen, wenn ihr mal fix meinem Link zu DTC-Marzahl folgt, der im Taxi on his way to glory bloggt.

Und wenn mich der Autor hier hören kann: ein RSS-Feed wäre nicht schlecht!

„Halt!“

Der piepsige Ruf kam etwas unerwartet. Papa und Mama hatten gerade ihre schweren Reiserucksäcke mit meiner Hilfe in den Kofferraum gewuchtet und waren jetzt eigentlich gewillt, im Taxi Platz zu nehmen. Aber ja, ganz fertig waren wir da hinten noch nicht. Der kleine Justin-Severin streckte mir weltmännisch seinen Rucksack entgegen, ein kleines blaues Teil von der Größe einer Saftpackung und dem Gewicht eines Federmäppchens. Und er bestand ernsten Blickes darauf, dass der selbstverständlich auch in den Kofferraum muss. Wo er Recht hat, hat er Recht!

Also hab ich ihm freundlich sein Gepäck abgenommen, versucht, es nicht versehentlich zwischen meinen Fingern zu zerdrücken und es dann an den Rucksack von Mama gelehnt, die ganz offensichtlich einen Elefanten im Rucksack nach Deutschland geschmuggelt hatte. Danach durfte ich den Kofferraum zumachen und der kleine Blondschopf ist sicheren Schrittes nach vorne, wo er fast schon begeistert auf den Kindersitz gehopst ist.

Sein verantwortungsvoller Umgang mit dem Rucksack war allerdings nur von kurzer Dauer. Bei Aussteigen hatte er bereits vergessen, dass er etwas dabei hatte. Aber zwischen Mamis Daumen und Zeigefinger war noch genug Platz …

Schwarzarbeit Mathematik

Schwarzarbeit ist so eine Sache: eine unbekannte nämlich. Da es ja genau um Arbeit (und damit Geld) geht, das NICHT messbar ist, ist man auf Schätzungen angewiesen. Ganz aktuell vermutet das bedruckte Klopapier „Bild“ (ebenso wie die aus dem gleichen Klo stammende „Welt„) unter Berufung auf die „Berliner Morgenpost„, dass die Berliner Taxifahrer jährlich rund 2 Millionen Mindereinnahmen durch Steuerhinterziehung verursachen.

Ui.

Noch viel schlimmer: das sollen nicht etwa einfach zwei Millionen irgendwas sein. Nein, das soll so viel Geld sein, weil ich und meine Kollegen insgesamt nachgewiesene grob geschätzte 50% unseres Umsatzes nicht versteuern.

Doppel-Ui!

OK, bleiben wir mal bei den Tatsachen: Ich hab keine Ahnung, ob diese zwei Millionen seriös ermittelt geschätzt wurden, oder ob grenzdebile Astrologen das noch mal eben mit dem Durchmesser des Uranus multipliziert haben. Auf jeden Fall ist das Weltklasse! Denn vor zwei Jahren hieß es in der „Berliner Morgenpost“ noch, dass wir rund 50 Millionen Euro jährlich nicht ans Finanzamt abgeben. So gesehen ist die Betrugsquote bei sicher ziemlich vergleichbaren Umsatzzahlen (und inzwischen mehr zugelassenen Taxen) von ungefähr 1250% auf 50% gefallen. Das mag insgesamt noch unzureichend sein, aber der Trend spricht für uns Berliner Taxifahrer!

[/ironie]

Ja, es gibt sicher eine Menge Schwarzarbeit im Gewerbe. Das kostet nicht nur die Steuerzahler ein paar Euro, sondern belastet auch uns seriöse Taxifahrer. Finanziell und imagemäßig. Das ist nicht witzig. Nichtsdestotrotz sind die Zahlen wahrscheinlich einfach nur Kaffeesatzleserei.

Reden ist Silber …

Über den Stellenwert von Gesprächen im Taxi kursieren ja stets unterschiedliche Meinungen. Ich persönlich unterhalte mich gerne, aber hier lesen so viele Leute, dass ich jedes Mal, wenn ich das einfach so als Aussage stehen lasse, von irgendwem die Antwort kriege, dass geschwätzige Taxifahrer voll doof wären. Dabei hab ich selbstverständlich auch mit Ruhe im Auto kein Problem. Schwierig daran ist höchstens, dass ja kaum jemand das Wort ergreift und um Ruhe bittet. Aber die meisten signalisieren ihre Haltung mittels Körpersprache oder indem sie Handy und Zeitung rausholen. Klappt alles. In den übrigen Fällen muss ich dann mit ein wenig Fingerspitzengefühl in den ersten Sekunden oder Minuten der Fahrt herausfinden, wie der Hase läuft.
Und ich würde sagen, dass das Teil dessen ist, was gute Taxifahrer ausmacht.

Meine Fahrgäste, zwei Stück an der Zahl, gemischtgeschlechtlich und wahrscheinlich in einer intimen Beziehung zueinander, passten irgendwie in kein Raster. Auf die ein, zwei einleitenden Gesprächsfetzen antwortete vor allem sie sehr nett und offen, mit einer Begeisterung, die keinesfalls mehr unterschwellig zu nennen war. Gesprächsführung hingegen war eher nicht so ihr Ding, sie sagte stets ein bis maximal zwei Sätze – und zwar dergestalt, dass ein ums andere Mal unklar war, ob ich das Thema jetzt vertiefen sollte oder könnte oder eben nicht.

„Oh, dem Gepäck nach hatten Sie wohl eine lange Reise!?“

„Ja, wir waren in der Schweiz, zwei Wochen Winterurlaub, Schifahren. War eine lange Zugfahrt, glücklicherweise ohne Bahnverspätung und jetzt sind wir ja gleich da.“

Kaum, dass ich ein Thema ansprach, wurde es schnell mit zwei Sätzen beendet – dennoch schwang dazwischen aber Lust an der Unterhaltung durch.

„Ach, Sie haben Kinder?“

„Ja, zwei Mädchen, acht und fünf. Ist schön mit den beiden. Manchmal halt auch stressig.“

Es war komisch. Auch dass ich am Anfang mit ihrer Straße nichts anzufangen wusste … das wurde nett aufgenommen – und unterschwellig enttäuscht. Zuletzt hab ich mich auf’s Fahren konzentriert und mich darüber gefreut, dass die Tour allenfalls eine Viertelstunde dauern würde. Ich war mir bewusst, dass ich gerade einer von „diesen Taxifahrern“ war. Ich wusste nur nicht so recht, welcher:

Der nervig geschwätzige Laberheini oder
der stumme, grummlige, unnahbare Sack?

Ich wollte keiner der beiden sein und ich hatte nicht den Hauch einer Ahnung, was in meinen Kunden, insbesondere in ihr, vorging. Ich hab in Gedanken das Trinkgeld gestrichen und mich damit abgefunden, dass am nächsten Abend in einer Wohnung in Pankow über den schrägen Vogel im Taxi gequatscht werden würde, der zu viel/zu wenig geredet hat. Bin ich halt auch einmal Negativbeispiel, sowas soll vorkommen.

Am Ende hielt ich vor ihrer Türe und der Ausladevorgang bezüglich ihrer Reiseutensilien lief genauso ab wie die Fahrt. Freude und Empathielosigkeit, Nettigkeiten und eiserne Mienen.

„Dann wären wir genau bei 14 €.“

„Hier, zwanzig. Stimmt so.“

Ich raff’s bis jetzt nicht. Für ein obligatorisches Na-er-war-ja-wenigstens-kein-Vollidiot-Trinkgeld war es definitiv einige Klassen zu hoch.

0.o

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Lustig

„Dann wären wir bei genau 7 €.“

„Machen Sie mal neun. Danke für die lustige Fahrt.“

„Ach, dafür sind wir ja da.“

„Naja, so lustig sind nicht alle Fahrer …“

Wahrscheinlich auch wieder wahr 🙂