Wenn man einmal nicht aufpasst …

Berlin ist tricky mit seinen Straßennamen. Das weiß man inzwischen ja wahrscheinlich schon, wenn man hier mitliest. Viel besser noch weiß ich es also selbst. Es gibt so viele Doppel- und Mehrfachbenennungen, von ähnlich klingenden mal ganz zu schweigen. Mir ist da inzwischen auch nichts mehr grundsätzlich peinlich:

„Ich würde gerne in die Torstraße.“

„Die in Mitte oder gibt’s da noch eine zweite?“

„Unter den Linden bitte.“

„Sicher, dass sie nicht ‚Unter den Eichen‘ meinten?“

„Einmal in die Köpenicker.“

„Allee, Chaussee, Landstraße, Straße und wenn ja, welche von den acht?“

Irgendwann frage ich wahrscheinlich aus Gewohnheit beim Potsdamer Platz noch nach. Überraschenderweise fällt die Fragerunde dennoch oft aus, das sind dann die Punkte, bei denen sowas wie wirkliche Ortskunde meinerseits zu erkennen ist. Meist geben die Fahrgäste ja dann doch Tipps:

„In die Torstraße kurz hinterm Rosenthaler.“

„Unter den Linden, Ecke Friedrichstr.“

„Köpenicker, da beim A&O-Hostel.“

Und irgendwie kam ich nicht sofort auf die Idee, die beiden Jungs würden eventuell nicht in ein Marzahner Industriegebiet wollen, als sie mich baten, in die Meeraner Straße zu fahren. Die Ecke ist mir halt vertraut, nach der Straße ist eine Haltestelle benannt, die ich stets passiere, wenn ich zu meinen Chefs fahre. Nach 300 Metern auf der Leipziger in Mitte hat es mich dann aber doch kurz durchzuckt oder so, jedenfalls holte ich die Frage nach:

„Nur nochmal zur Sicherheit: wir reden über die in Marzahn!?“

„NEIN! Schöneberg.“

Ich hab’s versucht, professionell zu handhaben:

„Oh, gut. Dann wende ich wohl mal besser hier.“

Die Meraner Straße. Anders geschrieben, klar. Aber eben nicht gesprochen. Hätte ich das Navi eingeschaltet, hätten wir das Ganze vielleicht früher geklärt gehabt – aber ich war mir ja so sicher!

Die beiden Jungs haben es grundsätzlich mit Humor genommen, es entspann sich auch umgehend eine Spaßdiskussion darüber, dass sie ansonsten ja wohl gesagt hätten, sie müssten in die „Meheeeeraner Straße“, völlig logisch. Kleiner Wermutstropfen war der ernste Einwurf von einem, dass er selbstverständlich keinen Cent gezahlt hätte, wären wir in Marzahn gelandet. Da bin ich persönlich durchaus anderer Meinung, trotz Teilschuld. Das wäre sicher ein unangenehmer Abendverlauf geworden.

Aber gut, wurde es nicht. Es war nett, es gab Trinkgeld, alle sind dort gelandet, wo sie wollten und ich vergesse das nächste Mal sicher nicht das fragen:

„In die Meraner Straße.“

„Welche?“

„Da gibt es zwei?“

„Natürlich. Einmal in Marzahn und einmal in Schöneberg.“

„Das wusste ich auch nicht …“

„Dafür weiß ich ja Bescheid.“

Und man wird sich freuen, meine Ortskenntnis wird gelobt werden, das volle Programm. So gesehen freue ich mich eigentlich darauf. 🙂

22 Kommentare bis “Wenn man einmal nicht aufpasst …”

  1. Rosa sagt:

    bei uns gibt es in einem Vorort eine Brucknerstr., da hab ich mal gewohnt, im Nachbarort gibt es eine Anton-Brucknerstr.
    Ob sich da mal ein Taxi verirrt hat, weiss ich nicht. Aber Post haben wir des öfteren falsche bekommen. Und Besuch, der zu uns wollte, war im Nachbarort und hat unseren Namen nicht an der Klingel gefunden… zu Handyzeiten ja zum Glück kein Problem mehr. Das beste war, als mal unbestellte Handwerker bei uns vor der Tür standen 😉

  2. Jennifer sagt:

    Bezüglich der Teilschuld… Tja… Ist mir auch schon passiert, allerdings in Mexiko. Unwissend, dass es von meiner „Heimatstraße“ mehrere gibt, habe ich nach dem Einkaufen in einem Shopping Center einfach nur den Straßennamen angesagt. Nachgefragt wurde nicht, also dachte ich „alles klar“.

    Tja, und dann standen wir irgendwo mitten in der Stadt… Und ich sagte dann zum Taxifahrer, „Nee also hier wohne ich nicht“ hahaha. Wir konnten es klären, ich bot ihm an die ganze Strecke zu fahren aber er meinte wir einigen uns dann, wenn wir da sind. Am Ende zahlte ich mehr als sonst, aber deutlich weniger, als der ganze Weg gekostet hätte.

    Klar, seitdem habe ich IMMER den Stadtbezirk sowie die nächst größere Straße genannt. Aber wenn man sich selbst kaum auskennt / Tourist ist, dann weiß man eben teilweise nicht, dass es von einer Straße (die für einen selbst vielleicht auch sehr ungewöhnlich klingt) eventuell mehrere gibt.

    Wer hat da nun Schuld? Naja, eigentlich keiner so wirklich, aber eine sehr doofe Situation ist es natürlich für beide.

  3. Nietnagel sagt:

    Ich sehe das eigentlich auch so wie dein Fahrgast. Wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, die sich zwar in der Schreibweise unterscheiden, aber in der Aussprache nicht, halte ich es auch für nötig beim Fahrgast nachzufragen.
    Ich hätte auch nichts bezahlt. Dafür sollen Taxifahrer ja halt Ortskenntnisse haben. Das Berlin natürlich seeeeehr groß ist, ist mir auch bekannt. Aber dann muss ich als Fahrer halt mal mein Navi anschmeissen oder direkt nach dem Stadtteil fragen um sicher zu gehen. Warum der Fahrgast da eine Teilschuld haben sollte, versteh ich nicht.

  4. elder taxidriver sagt:

    Ich habe im Zweifel immer Kurs auf die Straße genommen aus deren Namen literarisch irgendwie was rauszuholen war..
    (Oder wo ich mal ne Freundin hatte. Kam gleich oft vor)
    Also hier ganz klar: Meranerstraße in ‚Schöneberch‘. Weil ja um die Ecke, in der Bozener , Gottfried Benn gewohnt hat und weil er das Poem ‚März. Brief an Meran‘ geschriehm hat, so beginnend: “

    Blüht nicht zu früh, ach , blüht erst, wenn ich komme..‘

  5. qwerty sagt:

    “Da gibt es zwei?”
    “Natürlich.“

    :D:D:D

  6. Smithee sagt:

    Meinem Sprachgefühl nach müssten die Straßen aber durchaus unterschiedlich ausgesprochen werden. Das südtiroler Meran wird auf der zweiten Silbe betont, wohingegen ich den sächsischen Ort Meeran auf der ersten Silbe betonen würde. Wenn die Fahrgäste also tatsächlich in die „Mehraner“ Str. wollten und nicht in die „Merahner“ wären sie in Mahrzahn richtig gewesen…

  7. elder taxidriver sagt:

    @ Smithee:

    Gar nicht so schlecht, Dein Sprachgefühl. Wobei man sagen muss, dass der Berliner gern falsch betont, meist auf der ersten Silbe, auch auf die Gefahr hin, dass es richtig ist. Ein anderes Beispiel wäre die Sedanstraße. Ich kenne Stadt und Straße eigentlich nur auf der zweiten Silbe betont. Aber die Anwohner betonen es alle auf der ersten Silbe. Wir wollen das aber nicht benoten..

  8. Sash sagt:

    @Rosa:
    Das ist natürlich eine tolle Sache 🙂
    Das kennen hier offenbar die Bewohner der Köpenicker Straße(n) auch ganz gut. Gerade bei den zwei nahe aneinanderliegenden …

    @Gast:
    OK, das ist ja noch fieser als ein falsch navigierendes Einsatzkommando der Polizei. 🙂

    @Nietnagel:
    Im Grunde würde ich es so sehen, dass eigentlich niemand eine wirkliche Schuld in dem Sinne hat. Es ist relativ üblich, dass man sich an bekannten Punkten orientiert – und klar, das mögen in einer Stadt wie Berlin auch mal unterschiedliche sein 😉
    Ich bin ja auch der Meinung, dass es wichtig ist, zu fragen. Aber hätte ich jetzt z.B. mein Navi angeschmissen – was gemeinhin ja auch als legitime Wegfindungsmethode gilt – und hätte MEE eingegeben, hätte ich die andere Straße nicht gesehen. Es gibt eine Menge Möglichkeiten, am Ende zum falschen Ergebnis zu kommen und ich würde sagen, ebenso wie der Kunde natürlich ein Anrecht auf einen ortskundigen Fahrer hat, kann ich auch verlangen, eine vollständige Adresse zu bekommen – was in Berlin sinnigerweise z.B. einen Stadtteil mit einschließen könnte. Am Ende wäre sowohl der Kunde im Recht („Du hast mich nicht dahin gebracht, wo ich hinwollte!“) als auch der Fahrer („Ich hab dich in die Straße gebracht, die Du angesagt hast!“). Und das Fehlen des letzten Fitzelchens Information, das zum Erfolg geführt hat, hätte ich mir halt nicht alleine anlasten lassen.

    @elder taxidriver:
    „die Straße, aus deren Name literarisch irgendwie was rauszuholen war“ – DAS ist eine innovative Lösungsfindung! 😀

    @Smithee:
    Darauf hab ich bislang gar nicht geachtet. Aber jetzt, wo Du es sagst: Ich hätte beide Straßen auf der zweiten Silbe betont, witzigerweise weil die Haltestellenansage das bei der Meeraner eben macht 🙂

  9. Andi sagt:

    Lieber Sash bedauerlicherweise ist hier meines Erachtens der Kunde im Recht wenn er dich nicht bezahlen will wenn du ihn zu einer anderen Straße fährst als er Dachte gemeint zu haben.

    Ausm BGB:
    § 119
    Anfechtbarkeit wegen Irrtums

    (1) Wer bei der Abgabe einer Willenserklärung über deren Inhalt im Irrtum war oder eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte, kann die Erklärung anfechten, wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde.

    (2) Als Irrtum über den Inhalt der Erklärung gilt auch der Irrtum über solche Eigenschaften der Person oder der Sache, die im Verkehr als wesentlich angesehen werden.

    Du als Verkäufer der Dienstleistung Taxifahrt („ich bring dich an den Ort den du mir nennst“) musst deinen Kunden über die Sachlage das es mehere Orte mit diesem Namen gibt aufklären. Da er sich ansonsten auf einen Irrtum bei Bestätigung des Fahrtziels berufen kann.

  10. elder taxidriver sagt:

    So Mißverständnisse können fürchterlich enden. Ich hatte mal Besucherinnen aus dem Morgenland am Halteplatz Grolman-Kudamm geladen, die wurden von ihren Männern, oder Brüdern im Privat-Pkw bei mir abgesetzt. Wollten zum Kronprinzendamm. Der ist am Ende vom Kudamm. Habe nachgefragt. Auch ob die eingeschlagene Richtung stimmt. Ja ja war die Antwort. Aber manchmal kann man auf ein Ja nichts geben. Es stellte sich heraus, dass sie in die Prinzenstraße in Kreuzberg wollten. Die Männer waren natürlich schon da.
    Die wollten mir, total außer sich , umgehend an den Kragen gehen. Die Frauen konnten sie gerade noch bremsen.. .
    Natürlich stellt man bei so etwas sofort die Uhr aus und schaltet eine gefühlte Ewigkeit später erst wieder ein, um dem Fahrgast, wenn er schon später ankommt wenigstens ein angenehmes Gefühl zu geben..Und mehr bezahlen soll er auch nicht, eher weniger.

  11. elder taxidriver sagt:

    Fortsetzung:
    Vermutlich hatten sie ‚Prinzendamm‘ gesagt und ich : Gibt’s nicht, vielleicht ‚Kronprinzendamm?‘ Ja, ja..

  12. Sash sagt:

    @Andi:
    Hmm, ok. Das könnte sein. Aber gefallen muss es mir nicht, oder? 😉

    @elder taxidriver:
    Ich weiß nicht, wie weit Du bei mir zurückgelesen hast, aber mir fällt da immer wieder das eine positive Gegenbeispiel ein, bei dem wir durch Glück dem totalen GAU entgangen sind:
    http://gestern-nacht-im-taxi.de/wordpress/2010/07/31/jetpak-hostel/

  13. elder taxidriver sagt:

    Zurücklesen soeben nachgeholt. Wenn Du doch mal nach Dahlem fahren musst, kannst Du mich zitieren, ich hätte gesagt ‚Dahlem ist schwer‘. Da könnte der Fahrgast natürlich den Schauspieler Otfried Fischer zitieren, der mal gesagt hat:
    ‚ Schwer ist leicht was‘.. Das Schwere ist, dass die Straßen alle irgendwie unmerkliche Biegen machen und es keine Geschäfte gibt zur Orientierung. Nur riesige Grundstücke mit Kiefern drauf.

    Die Pücklerstraße hingegen ist leicht, weil sie die Clayallee quert. Und: Die Bundespräsidenten wohnen da, falls Du mal persönlich einen Brief abgeben möchtest..

  14. Sash sagt:

    @elder taxidriver:
    Ich werde mir das merken! 🙂
    (wenn ich mal wieder unklare Touren nach Dahlem habe)
    Was mich als Nachtarbeiter aber auch mal interessieren würde, wäre dein Schlafrhythmus. Der scheint mir auch sehr speziell zu sein 😉

  15. elder taxidriver sagt:

    Mein Schlafrhythmus wie folgt:

    Als lebenslanger Nachtfahrer (Mein Ex-Chef: Umstellung von Nacht auf Tag funktioniert bei kaum einem), ist es irgendwie kompliziert. Einerseits braucht man im Alter eher weniger Schlaf . Dann aber ist man schlagartig plötzlich soo müde, dass ich jedenfalls im Bett nicht mal eine Seite noch lesen kann, statt wie früher ne halbe Stunde.

    Manchmal spaziere ich zu dem schönen türkischen Imbiss mit dem Reetdachhütchen am U-Bahnhof Dahlem Dorf, trinke dort einen Kaffee, kaufe ein Buch bei Schleichers Buchhandlung und laufe nach Hause zurück. Das sind zusammen 7 Kilometer. Wenn ich das nachmittags um 4 beginne,
    bin ich nach vollbrachter Tat gegen 7 so groggy, dass ich gerade noch bei GNIT reinschauen kann und dann selig entschlummere..Nachts um vier wache ich dann auf. Warte auf den Zeitungsboten , der kommt um 5, reiße ihm
    die beiden Zeitungen aus der Hand und lese die, das dauert drei Stunden, incl. überlegen , was ich meiner Frau hinlege, was sie von der Welt wissen soll (alles über Obama und Frau ) und was ich ihr verschweige (Opernpremieren).

    Tagsüber natürlich noch 1 kleines Päuschen auf der Chaiselongue.. Kochen muss ich auch.

  16. Marco sagt:

    @Andi: Sollte hier tatsächlich § 119 BGB einschlägig sein, dann sollte man aber zumindest bis zum § 122 BGB lesen, wonach der Anfechtende schadensersatzpflichtig ist, d.h. er hätte zumindest die tatsächlichen Kosten der fehlerhaften Fahrt zu ersetzen.

    Aber in der Tat eine rechtlich interessante Frage, wie das so wäre. Ich tendiere ja dazu, dass der Vertrag die tatsächlich gemeinte Straße beinhaltet (wenn sie wie hier richtig wiedergegeben war), und dass es ggf. Aufgabe des Taxifahrers ist, der ja schließlich im Gegensatz zum Fahrgast zur Ortskenntnis verpflichtet ist, nachzufragen, welche von mehreren in Frage kommenden Straßen gemeint ist. Demnach hätte der Fahrgast dann nur den regulären Preis bei direkter Fahrt zu seinem Ziel zu zahlen.

  17. […] hab ja neulich mal geschrieben, dass man als Taxifahrer am Besten immer alles mögliche fragt. Auf die Zieladressen trifft das sehr sehr oft zu, auf die Strecken ein bisschen weniger. Klar, es […]

  18. ali sagt:

    hallo
    ich wollte fragen was ist wenn ich von Fahrgast Adresse nicht finder was für eine schaden kann kommen

  19. ali sagt:

    was soll Fuhrpark heissen

  20. Sash sagt:

    @ali:
    „Fuhrpark“ kommt in diesem Text nicht vor, bedeutet aber die gesamte Flotte, also die Menge an Autos, die ein Unternehmen besitzt.
    Was passiert, wenn Du eine Adresse nicht findest, hängt natürlich vom Fahrgast ab – und davon, was Du selbst machst. Vielleicht erlässt Du ihm den Fahrpreis, vielleicht kommt es zu einem Gerichtsverfahren. Was im zweiten Fall alles passieren kann, kann ich Dir aber auch nicht sagen, sorry. Das hängt wahrscheinlich sehr vom Einzelfall ab.
    „alo alo“? Was soll das heißen?

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