Noch ’ne Baustelle …

Ich hab hier über Rassismus geschrieben, kurz davor war mehr nebenbei in den Kommentaren auch Sexismus ein Thema – eines, das jetzt durch die #Aufschrei-Debatte immerhin auch in den Massenmedien breitgetreten wird.  Was aus all den Missständen in unserer Gesellschaft wird, ist nicht abzusehen. Noch nicht einmal, wie sich die Debatte entwickeln wird. Es kommen ja immer und immer wieder aus allen Löchern die Leute gekrochen, die „War halt schon immer so“ für ein brauchbares Argument halten.

Die nächste brachliegende Baustelle, Homophobie, hat Aro in einem sehr lesenswerten Text aufgerissen. Wie meine Fahrt mit Aguso ist es nur eine kleine Taxigeschichte, eine kleine, fast schon private Story – und dennoch Spiegelbild einer Gesellschaft, die sich zwar inzwischen hier und da redlich müht, Gleichberechtigung zu schaffen, in der es aber dann doch wieder in allen möglichen Nischen daran mangelt. Und wenn es „nur“ die Familie ist.

Mich bewegt diese Geschichte, denn im Gegensatz zu den ganzen „Kritikern“ führt mir das doch immer wieder vor Augen, dass ich völlig unverständlicherweise Glück gehabt habe – einfach, weil ich zufällig ein interesse für Frauen entwickelt habe. Die Vorstellung, dass meine Umwelt – noch dazu Respekts- und Vertrauenspersonen – mir das auszureden versucht hätten, die geht ganz ehrlich nicht einmal ansatzweise in meinen Kopf!

Und trotzdem passiert das zigtausendfach. Hier und heute. Und Aro hat einen von ihnen getroffen. Naja, nicht nur getroffen 😉

Und eine geniale Taxigeschichte ist es noch dazu.

10 Kommentare bis “Noch ’ne Baustelle …”

  1. elder taxidriver sagt:

    @ Aro: Sehr schön geschrieben und wohl auch schön erlebt..

    Wolfgang Joop lehnt Worte die mit ‚ sexuell‘ enden ab, weil dabei die Individualität zu kurz kommt..
    Und auf die Frage ob sein erstes sexuelles Erlebnis mit einem Jungen oder einem Mädchen war, hat er einmal geantwortet:

    ‚Das weiß ich nicht, ich war zu schüchtern um nachzufragen‘.

  2. Aro sagt:

    Nun, bei jeder Art der Diskrminierung, egal ob wegen Hautfarbe, Geschlecht, Aussehen, Glauben, sexueller Ausrichtung oder Herkunft (außer man kommt aus Schwaben) ist es natürlich wichtig, sich selber ein dickes Fell zuzulegen und sich nicht alles gefallen zu lassen. Ich hatte mein Coming out mit 14 oder 15, danach war das mit dem Selbstbewusstsein kein Thema mehr. Aber wenn ich z.B. an mein Gespräch mit dem Kerl denke, der sich mit 65 noch versteckt, dann könnte ich echt verzweifeln.
    Diskriminierung wird es sicher immer geben, in allen möglichen Formen. Man darf aber die Opferrolle für sich nicht akzeptieren, sonst wird sich das nicht ändern.

  3. ednong sagt:

    Oh ja,
    ein schöner Text. Und ein schönes Treffen, sicherlich.

    @ Aro:
    Find ich mutig, so offen drüber zu schreiben. Und ich bin gespannt, ob er mailt.

  4. Sash sagt:

    @Aro:
    Ich verstehe die Verzweiflung wirklich gut. Auf der anderen Seite ist es halt auch blöd, von schwachen Menschen zu verlangen, dass sie Kante zeigen, obwohl der Grund der Misere auf der anderen Seite liegt, die es sich mit ihren Vorurteilen bequem macht …

  5. Aro sagt:

    Ja, eigentlich hast Du ja Recht. Aber meine Erfahrungen haben mich gegen die Klemmschwestern wenig tolerant werden lassen. Schon als Lehrling wurde ich als Schwuler beschimpft und der selbe Typ wollte mir dann irgendwann an die Hose gehen. Und ähnliche Erfahrungen habe ich immer wieder gemacht. Der Spießer, der tagsüber gegen Schwule hetzt und sich nachts im Park rum drückt.
    Der 65-Jährige ist z.B. Psychologe, der anderen Menschen helfen will/soll. Aber er kriegt es nicht auf die Reihe, sich selber offen zu verhalten. Als Jugendlicher in den 70ern habe ich diese Leute genauso gehasst wie diejenigen, die mich verprügelt haben, wenn ich mit meinem Freund händehaltend über’n Kotti gegangen bin. Sie waren erwachsen und haben sich versteckt und verstellt und uns im Stich gelassen.
    Bei den damals alten Schwulen kann ich es im Nachhinein noch nachvollziehen, die haben natürlich durch die Erfahrungen in der Nazizeit und auch der Verfolgung in den 50er und 60er Jahren ein Trauma gehabt. Damals hab ich das anders gesehen und sie verachtet.

    Aber heutzutage verstehe ich es nicht mehr. Man kann sich nun mal bestimmte Kriterien wie Hautfarbe oder auch sexuelle Orientierung nicht aussuchen, also muss man sie für sich akzeptieren. Jeder der sich versteckt schadet damit nicht nur sich selber, sondern verhindert auch, dass es einfach normal wird.
    Natürlich kann man deshalb auch heute noch Ärger kriegen, logisch. Gewalt gegen Schwule ist ja real. Aber das betrifft auch alle anderen, die irgendwie anders sind als die Masse. Andererseits aber sind wir auch noch nie so weit gewesen wie jetzt und darüber bin ich sehr froh. Nur wenn die Schwarzen und Behinderten und wer noch ales diskriminiert wird, sich dagegen wehren und ihre Rechte einfordern, kann es sich ändern. Das ist eine ganz einfache Gleichung: Wer nicht für seine Rechte, seine Akzeptanz eintritt, wird sie auch nicht bekommen.
    Der Ludwig, den ich beschrieben habe, hat es ja auch verstanden. Ihm fehlte bisher nur der Mut, den ersten Schritt zu tun. Aber das ist jetzt hoffentlich schon Geschichte 🙂

  6. Sash sagt:

    @Aro:
    Ich kann das durchaus verstehen und ich würde es natürlich auch jedem im eigenen Interesse und im Interesse aller Betroffenen raten, zu sich zu stehen, laut zu werden, etc.
    Auf der anderen Seite schwappt z.B. bei der Sexismusdebatte immer wieder dieses „hätte se halt mal was sagen müssen …“ ins Gespräch und an solchen Punkten wird dann einfach schnell wieder klar, dass es nicht sein kann, dass „der Fehler“ bei „denen“, sprich: den „Opfern“ liegt. Das verhält sich sicher unterschiedlich bei den Problemen Homophobie und Sexismus, in der Sache jedoch ist es dann halt (bewusst kühl betrachtet) derselbe Umstand. Denn sicher wären wir heute nicht so weit, wenn es nicht immer wieder mutige Coming Outs gegeben hätte und natürlich begrüße ich das auch aufs Höchste. Am Ende aber ist es – wie Du ja auch sagst – gar nicht das Problem, dass jemand schwul ist, sondern dass es Idioten gibt, die das, aus welchen Gründen auch immer, nicht akzeptieren können oder wollen.
    Und unter den Schwulen wie unter den Heteros gibt es einfach Leute, die mit dem Druck nicht klarkommen, die daran zerbrechen und sich wegen verschiedenster Umstände eben nicht outen können. Und ich finde, diese Leute haben definitiv mehr Schutz verdient als diejenigen, die letztlich zum perversen Klima beitragen, das das ausgelöst hat.
    Ich möchte aber auch anmerken, dass ich das als theoretische Überlegung schreibe und es im Einzelfall Ausnahmen geben mag (z.B. wenn die Befürchtungen irrational sind).

  7. Aro sagt:

    Ne, natürlich gibt es viele, die sich nicht wehren können. Das werfe ich denen auch nicht vor. Letztendlich ist es ja auch die eigene Entscheidung, weil man sich damit der eigenen Möglichkeiten beraubt. Das ist klar.
    Ich habe aber eben aufgrund meiner persönlichen Geschichte auch noch eine andere Meinung dazu. Dass sich das teilweise beißt, sehe ich auch und da habe ich auch keine Antwort drauf. Und natürlich ist nicht das Opfer einer Diskriminierung schuld, das ist ja klar.

    So, jetzt aber Schluss für heute, ich schlaf schon vor dem Rechn…. .

  8. Sash sagt:

    @Aro:
    Gute Nacht! 🙂

  9. Oni sagt:

    Die Angst vor dem Coming Out ist wohl ein klassischer Fall von „Impact Bias“. Das psychologische Phänomen, dass große Schritte im Leben mehr zu verändern scheinen als sie es tatsächlich tun.
    Vielleicht wäre der Vater des Jungen enttäuscht, keine Enkelkinder zu bekommen oder wasweißich was sein Problem ist. Aber nach kurzer Zeit würde doch auch der merken, dass er nicht aufhören kann seinen Sohn zu lieben.
    Und dann setzt bei ihm Hindsight Bias ein und er glaubt er habe es schon immer geahnt 😉

  10. Sash sagt:

    @Oni:
    Ja, meist ist es das. Ich kenne allerdings – aus dem persönlichen Umfeld – Beispiele, bei denen es ganz anders gelaufen ist … 🙁

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