„Uh!“, „Oh!“ und BAM!

„Just one Second! Another one! No problem, there’s no traffic!“

Während ihre ältere Begleiterin bereits auf der Rückbank bis hinter mich durchgerutscht war, stand sie mit diesen Worten an der Türe und versuchte sich darin, ihre Zigarette auf einmal einzuatmen.

Es war früh am Morgen, etwa 18.45 Uhr, entsprechend erfreut war ich über eine Winkertour. An der Warschauer Straße war tatsächlich recht wenig Verkehr und ich freute mich, dass der frühe Arbeitsbeginn offenbar was brachte (wie man später gesehen hat, war das tatsächlich so). Die beiden Frauen, beide der Sprache nach russischer Abstammung, waren bereits reichlich angeheitert. Oder naturdicht. Jedenfalls irgendwie ein wenig neben der Kappe.

Ich erfüllte ihnen gern den Wunsch nach einem Radiosender – der allerdings schaffte es nicht einmal ansatzweise, das Gelächter der beiden zu übertönen. Aber was soll’s? Gut gelaunte Kundschaft gleich zu Schichtbeginn. Ist doch prima!

Also weitgehend. Die jüngere der beiden fand in ihrem Zustand offenbar Gefallen an mir und ich merkte das wieder einmal dadurch, dass ich völlig unerwartet an der Schulter gegriffen und spontan massiert wurde. Ich mit meinen oftmals verstrahlten Fahrgästen bin an sowas langsam gewöhnt, aber ich kann dennoch nur davon abraten, das zu tun. Die Menschen reagieren ein wenig unberechenbar, wenn man sie spontan und ohne Vorbereitung an der Schulter packt – und das ist das letzte, was ich bei jemandem riskieren würde, der gerade das Steuer des Autos in der Hand hält, in dem ich selbst sitze.

Ich selbst bin da hart im Nehmen. Ich weiß nicht, woher ich diese Gelassenheit habe – aber wenn ich am Steuer sitze, dann ist erstmal alles außer der Sicherheit zweitrangig. Da mag das noch so oft eine rallige Russin sein: zunächst einmal gilt es, die Kontrolle über meine 1925 zu behalten. Und dann – vielen Dank dafür, dass ich eine stressfreie Ehe führen darf! – kann man ja immer noch dazu übergehen, das zu genießen. Es ist doch alles in allem eine aufbauende Sache, dafür bezahlt zu werden, dass attraktive Frauen einem in einem fort Komplimente machen und einen massieren. Je nach Orientierung möge man auch gerne das andere Geschlecht in diese Vorstellung miteinbeziehen.

Neben vielfachem Dank für Körpergröße und Musikwunscherfüllung fuhr ich die beiden einfach recht gelassen bis beinahe nach Schöneberg. Schön weite Strecke, fast 20 € Umsatz und kein Grund zu klagen. Und ein entspannter Nacken dazu. Es gibt Momente, in denen ich meinem Job einfach nichts schlechtes abgewinnen kann … 😉

Dass ich wahrheitsgemäß auf die Frage nach einer Frau antwortete, störte meine reizende Begleitung nicht, sie sah das nur als Anlass, mir zu empfehlen, wenn ich schon keine Kinder hätte, mich wenigstens fleißig jeden Abend an deren Erschaffung zu üben. Und ich kann nun nicht sagen, dass ich diesen Ratschlag grundsätzlich falsch finden würde.

Nun ja, die Intimitäten nahmen nicht überhand, wenngleich ich irgendwann den Blick in den Rückspiegel verweigern musste. Ein gewisses Level von Notgeilheit ist einfach nur schwer zu ertragen.

Gegen Ende wurde das Ganze aber wesentlich erträglicher, da sich die holde Braut in spe auch als ausgesprochene Fahrzeugliebhaberin erwies und ihre leicht gestöhnten Uh’s und Oh’s mehr und mehr auf den Audi vor der eigenen Haustüre bezogen, dem sie auch nach dem Aussteigen umgehend ein Herzchen auf die Windschutzscheibe malen sollte.

Zuvor aber ging es ans Bezahlen, und selbiges sollte mir nicht nur Trinkgeld, sondern auch Schmerzen bescheren. Nach dem Genestel nach hemmungslos zerknüllten Scheinen in ihrer Hosentasche wollte sie dem „best cabdriver in the world“ noch gerne kräftig auf die Schulter klopfen. Dummerweise, während ich mich gerade umdrehte, so dass ihre Hand mit ordentlichem Schwung in meinem Gesicht landete und sich ein Nagel von ihr tief in meine Lippe grub. Ich sollte noch die halbe Nacht etwas von dieser körperlichen Begegnung haben, habe aber aus verständlichen Gründen auf eine Anzeige wegen Körperverletzung verzichtet.

Manchmal hilft cool bleiben doch sehr in dem Job …

7 Kommentare bis “„Uh!“, „Oh!“ und BAM!”

  1. Wahlberliner sagt:

    Ah, endlich! Danke für die Auflösung des „hat Dir der Mund wehgetan, weil Dir ein Fahrgast eine verpasst hat“! 🙂
    Interessant bei der Menge an notgeilen Fahrgästinnen wäre die Frage, bzw. als „was-wäre-wenn-Spiel“, wenn Du nicht in einer glücklichen Ehe oder einer Beziehung oder ähnliches wärst – nach Deinen Ausführungen hättest Du da wohl so manche Gelegenheit, ein recht promiskuitives Leben zu führen. Wäre auch mal interessant zu erfahren, wie häufig solche Geschichten sich in bzw. um Berliner Taxen abspielen, bzw. wie viele Taxifahrer zugleich das Glück (oder die Last) haben, zusätzlich zum Taxifahrersein auch noch „Pussy-Magnet“ zu sein…

    PS: Erster! SCNR 😉

  2. Sash sagt:

    @Wahlberliner:
    Ach, das lässt sich eh nicht erfassen, weil wir ja alle anders arbeiten und leben. Ja, Gelegenheiten hätten wir sicher alle einige (schließlich liege ich in Punkto Attraktivität ja eher unter dem Durchschnitt).
    Außerdem glaube ich, dass wir da noch nicht die interessanteste Gruppe sind – siehe Kellner etc. 😉

  3. elder taxidriver sagt:

    Die entscheidende Frage war früher immer: ‚Wie lange müssen Sie denn noch fahren?‘.
    (Ooch, wollte gerade erstmal einen Kaffee trinken..‘)
    Manchmal kündigt sich ein weitergehender Kontakt auch durch durch einen kleinen Disput an.

  4. ednong sagt:

    Irgendwie finde ich das Foto zu diesem Beitrag nicht 🙁

  5. Sash sagt:

    @elder taxidriver:
    Ja, die Frage fiel auch irgendwann. Bzw. die direktere Variante: eine eindeutige Aufforderung, Feierabend zu machen …

    @ednong:
    Schon klar, Du hättest in der Situation erstmal fotografiert … 😉

  6. Kat sagt:

    Danke für den Lacher!

  7. Sash sagt:

    @Kat:
    Bitte! 🙂

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