Unsagbares Leid!

Sowas in der Art muss ich ausgestrahlt haben. Dabei konnte ich zufrieden sein. Ich hatte vom Ostbahnhof nach mittellanger Wartezeit eine Tour nach Weißensee gehabt. Einer der Kunden ließ sich von dort noch weiter bis ins Wohngebiet an der Pablo-Picasso-Sraße in Neu-Hohenschönhausen bringen. Und wenige Sekunden nachdem ich ihn abgesetzt hatte, stand sie plötzlich in meinem Sichtfeld, winkte mich heran und begann schließlich damit, wie leid ihr das alles tue.

Aha.

„Was tut Ihnen denn leid?“

„Na, dass das so eine kurze Tour ist.“

„Ähm … wo müssen Sie denn hin?“

„Naja, nur nach Marzahn – Märkische Allee.“

Ich hab mal im Kopf gerechnet und bin – egal wie man es dreht und wendet – auf Strecken von rund acht bis zwölf Euro gekommen. Zumindest mal keine Kurzstrecke – aber sie hatte ohnehin nicht um eine gebeten. Und überhaupt: warum sollte mich irgendwas stören an der Länge der Tour? Ich war ja heilfroh, überhaupt jemanden in dem Eck zu finden.

Aber so wirklich angeschlagen hat keine meiner Erklärungen. Dass mir kurze Touren egal sind, ich gerade eine lange hat und dass diese gar nicht kurz sei: Egal.

„Und schlecht ist mir auch noch.“

„Äh …“

„Keine Sorge, ich kotz nicht!“

„Vielen Dank dafür schon mal!“

„Ist auch nicht, weil ich gerade besoffen bin. Mir wird immer schlecht im Auto. Aber ist ja nicht weit …“

Am Ende war ich wirklich noch fast froh, sie losgeworden zu sein. Dabei war es wie gesagt eine prächtige Geschichte für mich. Und irgendwie ist es ja schon so eine Art Running Gag, wenn man das Trinkgeld mit den Worten „damit es sich wenigstens ein Bisschen lohnt für Sie!“ zu bekommen …

Mal eine andere Tour

Heute bin ich ausnahmsweise auch mal in der Helligkeit unterwegs. Sowas mache ich natürlich nicht ohne Grund – ich habe die Fahrt einem Leser zu verdanken – und deswegen wollte ich hier nochmal die Karte einblenden, auf der man sehen kann, wo ich unterwegs bin. So gegen 7.15 Uhr, vielleicht 7.30 Uhr fahr ich los. Wer wissen will, wo es hingeht, kommt um die F5-Taste diesen Vormittag wohl nicht herum 😉


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Ich wünsche euch ebenso frohes Aufstehen wie mir! Ein weiteres Geschichtchen gibt es dann heute Nachmittag noch …

„Sehr gerne doch!“

Als Taxifahrer tut man ja gut daran, den Kunden – oft auch nur potenziellen – entgegenzukommen und auf sie zu hören. Man sollte es dabei nicht übertreiben – unsere Kundschaft ist mit Stoffeln ja ebenso durchsetzt wie unser Gewerbe – aber mehrheitlich lohnt es sich. So wie dieses Wochenende in der Wendenschloßstraße. Ich hatte eine ansehnliche Tour von Mitte aus nach dort gehabt und war so gesehen sehr zufrieden mit dem Schichtverlauf und allem, was dazugehört. Ausgerechnet 50 Meter vor der Stelle, an der ich meinen Fahrgast absetzen sollte, pöbelte ein Haufen Jugendlicher uns an, ich befürchtete zunächst, sie würden uns nicht durchlassen.

War eine unangenehme Truppe. Sicher 20 bis 30 Leute, alle besoffen und darüber hinaus etwa so sympathisch wie ein Rudel tollwütiger Affen. Ja, der Vergleich trifft es ganz gut. Als wir an ihnen vorbei waren, meinte mein Fahrgast mit einem Lächeln:

„Naja, so wie’s aussieht, kommen die gerade vom Fußball …“

Ach so, na dann ist es ja völlig logisch und normal, dass sie auf einer Durchfahrtstraße herumtorkeln und parkende Autos anpinkeln!

Was mir wesentlich mehr Sorge machte als die Feierei der Jungs, war, dass ich den Eindruck hatte, sie wären gerne mitgefahren. Dort unten, wo man den Arsch der Welt schon recht gut sehen kann, hätte ich gerne eine Anschlusstour gehabt – aber musste das Schicksal mir ausgerechnet eine Großgruppe von übermütigen Schwachmaten bescheren?

Mein Fahrgast ließ mich mit einem großzügigen Trinkgeld zurück und ich überlegte mir, was ich machen sollte. Sollte ich anhalten? Wenn ja: Großraumtaxi spielen oder nicht? Ich lehne einfach ungerne Fahrten ab und selbst solche Töffel hatten mich schon oft genug positiv überrascht. Ich war echt am Grübeln. Ich beschloss, wenigstens mal zu sehen, was sie wollen. Im Notfall bin ich halt einfach schnell weg. Und an ihnen vorbei musste ich ohnehin.

Da sie ihr Gelage inzwischen wirklich über die ganze Straße ausgedehnt hatten, fuhr ich vorsichtig heran und sah mich behutsam um. Alle stierten mich an, aber nix passierte. Bis einer mir freundlich zurief:

„Verpiss Dich! Wir brauchen kein Taxi!“

Und da greift meine Aussage von oben: Einfach machen! War in dem Fall sicherlich eine vernünftige Entscheidung. 😉

Besorgnis

Ich hatte gerade noch so ein wenig Glück. Ich stand am Bahnhof auf der letzten Rücke und ich bekam die letzten Fahrgäste aus dem vor fünf Minuten dort angekommenen Reisebus – was bedeutete, dass ich meine unbezahlte Wartezeit vielleicht um eine halbe Stunde verkürzt habe damit. Die Besetzung war ungewöhnlich: ein forscher Endzwanziger mit Kurzhaarschnitt und Kapu, daneben eine Seniorin in hellgrauem Mäntelchen.

Er bedeutete mir gleich, dass es nach Prenzlauer Berg gehen würden, wir seine Oma allerdings zuvor in einer der umliegenden Straßen absetzen könnten. Kein großer Umweg, da an sich kein großer Weg. 500 Meter Fahrtweg, maximal.

Entgegen meiner ersten Vermutung ist sie allerdings nicht mitgekommen, weil die alten Knochen nicht mehr so gut für Fußmärsche geeignet waren, sondern auf sein Drängen hin:

„Omi, guck doch! Hier ist kein Schwein.“

„Ach und?“

„Was ach und? Wenn Dich hier jemand absticht, kriegt das keiner mit!“

„Ach, nu komm …“

„Nix nu komm! Das ist gefährlich!“

„Aber es wird doch keiner so eine alte Frau …“

„Aber hallo! Gerade so alte Frauen. Nee nee, wir bringen Dich jetzt nach Hause.“

Das war eine fast schon niedlich umgekehrte Rollenverteilung. Ich gebe zu, ich halte es da eher mit der rüstigen Seniorin und ich hab dazu auch vor langer Zeit schon mal was geschrieben: Big Bad City | Berlin

Geschwindigkeitsrekord

Es ist ja immer höchst unterschiedlich, wie lange es am Stand dauert, bis so eine Tour zustande kommt. Die einen schleichen sich unbemerkt aus dem toten Winkel ans Taxi, machen die Tür auf und nennen recht schnell ein Fahrtziel. Andere versuchen erst mal eine Viertelstunde lang über den Preis zu verhandeln oder irgendwelche obskuren Routenvorschläge einzubringen, Infos einzuholen und so weiter. Oder sie suchen ewig nach ihrem Fahrtziel.

Richtig schnell ging es bei der jungen Frau, die am vergangenen Wochenende am Ostbahnhof nach einer offenbar hitzigen Diskussion mit ihrem Begleiter plötzlich ins Auto springt und mir von hinten ins Ohr brüllt:

„Tür zu und fahr! Ich muss nach Wilmersdorf!“

Als ich dann gesehen hab, dass der Typ offenbar gegen ihren Willen seine Mitfahrt plante, hab ich den Rat schleunigst umgesetzt. Nicht, dass er gefährlich gewirkt hätte, aber schon aus Eigennutz hab ich doch lieber eine gemütliche 20€-Tour als gleich am Stand noch Diskussionen und Stress. Und am Ende vielleicht nichtmal einen Vorteil davon.

Die junge Dame jedenfalls hat sich gefreut und es hat sich herausgestellt, dass der Typ – den sie auch erst seit diesem Abend kannte – wohl völlig druff war und einem anderen gegenüber plötzlich und unerwartet völlig ausgerastet ist. Abgesehen davon, dass ich ihre Furcht nachvollziehen konnte: das ist wahrlich auch keine Kundschaft, auf die ich als Taxifahrer irgendwie gesteigerten Wert legen würde.

Am Ende blieb für mich der Umsatz, ein nettes Trinkgeld und die vielfach ausgesprochene Bestätigung, dass ich ihr mit der Ermöglichung der schnellen Flucht den Abend wenigstens halbwegs gerettet habe. Ende gut, alles gut.

Und ich hoffe mal stark, dass kein Kollege den Wutbolzen nachher im Auto ertragen musste …

PS: Der Text ist hier zu Ende, aber mir fehlen noch ein paar Zeichen. So, fertig.

Feierabend

Ich hatte es wirklich auf die Sekunde genau geschafft. Das Auto in einem letzten Sprint zum Parkplatz befördert, die Anzeige an der Haltestelle verkündete mir, dass ich noch 4 Minuten habe, um meine Straßenbahn zu erwischen. Und das sollte schon klappen, die nächste fuhr wie immer erst eine halbe Stunde später.

4 Minuten. Das klingt erstmal recht locker, aber es ist ja nicht so, dass ich beim Abstellen nicht noch einiges zu erledigen hätte:

Das Auto saubermachen und betanken ist zu diesem Zeitpunkt immer schon erledigt. Allerdings hab ich ja jede Menge Zeug im Auto verteilt. Trinken, Essen, mein Büchlein, Lektüre, Geldbeutel und nicht zuletzt die CD im Laufwerk wollen alle eingetütet werden. Dann aber der aufwändigste Teil: Ausfüllen des Schichtabschreibers. Allerlei Daten vom Taxameter auf Papier übertragen, zwischenrein immer weiterklicken. Danach muss man sich noch abmelden, sonst hat mein Tagfahrer meine Schicht auf seinem Key – das ist nicht schlimm und wird auch erkannt – aber man kann es sich ersparen.
Zuletzt dann noch die eine Tür von Hand abschließen, bei der die Zentralverriegelung gerade nicht greift, einmal ums Auto gehen, endgültig zusperren – und am Ende dann merken, dass man irgendwas vergessen hat 😉

Nein, unter 3 Minuten hab ich es noch nie geschafft, eine Schicht zu beenden. Deswegen waren die 4 an diesem Morgen durchaus recht hektisch.

Während ich so auf allerlei Zetteln herumkritzelte und hier und da Knöpfchen drückte, hörte ich an der Haltestelle schon eindeutig alkoholisiertes Rumpoltern:

„Ja was denn? Hey, da steht doch’n Scheiß-Taxi!“

Hab mich schnell vergewissert, dass meine Fackel auch aus ist. Ja, war sie. Als dann die Tür aufging, hab ich kurzen Prozess gemacht:

„Hi, ich will gerne nach…“

„Sorry, ich mach jetzt Feierabend! Ich versuch, die Bahn noch zu kriegen.“

„Du …?“

„Ja, meine Schicht ist zu Ende und ich muss mich beeilen.“

„Du meinst das ernst?“

„Jepp, sorry.“

Wozu das führen kann, hat Klaus am Dienstag geschrieben: Stress, Ärger über die „miese Dienstleistung“ usw. usf. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern natürlich auch Schwachsinn. Auch wir haben Freizeit und als Angestellte sogar eine Arbeitszeitbegrenzung. Da gibt es überhaupt nichts dran zu rütteln, auch wenn wir es meist schaffen, ohne ungewollten Kundenkontakt Schluss zu machen. Aber ich vermute, in keinem Bereich ist es irgendwie angenehm, kurz vor Schluss noch Arbeit aufgedrückt zu bekommen, die die Arbeitszeit verlängert – wobei ich vermute, dass wir unter den Dienstleistern ohnehin noch diejenigen sind, die öfter als andere noch mal eben kurz eine Ausnahme machen. Aber trotzdem: es sind Ausnahmen und keine Selbstverständlichkeit.

Die junge Dame hat es im Übrigen gelassen genommen und mit ihrer Begleitung und mir dann noch auf die Bahn gewartet. Da sie weiterhin wenigstens von einer anderen Station aus ein Taxi zu nehmen gedachte (sie musste noch umsteigen, wäre eine echt lukrative Tour gewesen), hab ich ihr die Nummern unserer beiden großen Taxizentralen gegeben. Wenn ich das Gelalle richtig interpretiert habe, das mich hier und da während der Heimfahrt am Lesen hinderte, dann ist das Gespräch mit der Zentrale wohl auch nicht optimal verlaufen, aber das – und da hab ich echt ein gutes Gewissen bei – war wirklich nicht mein Problem. Ich hatte nämlich, genau: Feierabend.

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Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Kurz mal dankbar

Ein etwas breiter gebauter, aber recht flinker Typ eilte mir an der Ampel entgegen. Er verwendete unmissverständliche Zeichen, um mich zu bitten, einsteigen zu dürfen. Na klar! Als ob ich was gegen Winker hätte …

„Ey Du!? Ich darf doch Du sagen, oder? Ey, verdammt, tut mir echt leid, dass ich Dich jetzt wegen so einer kurzen Strecke hier – muss echt ganz um die Ecke sein, Ist echt nicht böse gemeint, aber mein Navi hat das irgendwie voll verkackt, das – ey sei bitte nicht sauer! Ich weiß, dass eine kurze Fahrt jetzt sicher nicht das ist, was Du gerne hättest, ist auch echt so eine Art Notfall. Aber wenn man es mal …“

„Ganz ruhig! Alles ok! Wo soll es denn hingehen?“

„Das ist, hier, warte, zum Kater Holzig, das muss hier …“

„Jo, das ist wirklich nicht weit. Machen wir mal Kurzstrecke, oder?“

„Ja Mann, danke Mann! Echt, ist scheiße wegen der kurzen Fahrt, ich würde ja auch nie ein Taxi nehmen, wenn das jetzt nicht …“

Die Fahrt hat keine Minute gedauert, ich hab es kaum hinbekommen, ihn in der Zeit ruhigzustellen. Was für ein Aufhebens! Zumal jeder verdammte Winker die Schicht nur besser machen kann – auch wenn er nur 10 Meter weit fährt. Vom Stand aus kann eine kurze Fahrt natürlich mal weh tun. Aber von unterwegs?

Naja, er scheint vor mir jedenfalls entsprechend einschlägige Erfahrungen gemacht zu haben. An die Kollegen, die wegen solch einer Tour auch noch meckern, geht hier mal wieder ein Danke raus: Die drei Euro Trinkgeld haben mich ernstlich erfreut! 😉