Eigentlich war der Typ spontaner als ihm gut tat. Zunächst entschloss er sich, extrem spontan zu winken. Nun gut. Da ich aber wirklich nichts von Vollbremsungen halte, so lange keine Notlage es erfordert, musste er ein paar Meter zu meinem Taxi laufen. Es hat ihn nicht umgebracht.
Ich war gerade vor 10 Minuten in die Freitagsschicht gestartet, es regnete und war nasskalt, ein Beginn des Abends, der durchaus etwas Aufmunterung durch spontane Winker gebrauchen konnte. Die sollte ich haben.
Mein Fahrgast bedankte sich mit einem ausgeprägten russischen Akzent fürs Anhalten und brachte als erste Angabe für mich nur ein – wiederrum sehr spontan gerufenes – „Hier rechts!“ heraus. Ich hab ihn gefragt, wie weit es ginge, ob er eine Kurzstrecke haben wollte. Ich kann nicht anders, manchmal bin ich einfach zu nett. Und vor allem habe ich keine Lust auf Stress. Denn wenn man erstmal zum Normaltarif losfährt und danach der Wunsch nach einer Kurzstrecke kommt, kann man sich am Ende meist über den Wortlaut der Taxitarifordnung streiten (näheres zur Taxi-Kurzstrecke in Berlin hier) und darüber wie unfair es doch ist, was da drinsteht. Dass ich das Taxameter nicht mitten während der Fahrt umstellen kann, gerät da schnell unter den Tisch und am Ende hat man Zoff ums Geld – und aller Wahrscheinlichkeit nach kein Trinkgeld.
Er bestätigte auch, dass es nur kurz sei und das Kurzstrecke super wäre. Was soll’s? Ein nach 10 Minuten Schicht vom Regen ins Auto getriebener Kunde, der nur ein paar Meter weit will, ist das optimale Kurzstrecken-Anwendungsgebiet. Ich folgte seinen Anweisungen, die aber gerade mal noch zweimal Abbiegen beinhalteten und mich unweit der Frankfurter Allee in eine Sackgasse führten. Dort wollte er zahlen und zückte einen Fünfziger …
Naja. Das bedeutete für mich, entweder umgehend Geld zu wechseln oder den nächsten Kunden gleich beim Einsteigen zu sagen, dass ich auf 50 nicht rausgeben kann. Nicht unbedingt nett. Dabei war der Kerl aber echt ein Netter. Zumindest finanziell:
„Mach 6.“
Und er meinte nicht seinen Rasierer!
Also hab ich nur ganz zaghaft und höflich nachgefragt:
„Sie haben es nicht zufällig kleiner?“
Dass ich dabei am Münzfach herumfingerte, verstand er falsch und meinte:
„Is OK, mach 5.“
Hey, halt mal! Ich frag doch nicht, um mein Trinkgeld zu verringern! Ob ich jetzt 4 € in Klein oder einen 5er als Schein rausgebe, war mir egal. Schlimmer war für mich, dass ich mit den zwei Zehnern und dem einen Zwanni alle meine größeren Scheine und damit einen Großteil meines gesamten Wechselgeldes (direkt nach Schichtbeginn eben) los war. Also wiegelte ich in der Hoffnung, den Euro doch noch zu bekommen, ab:
„Nein, nein! Das ist kein Problem. Ich frag nur, weil …“
„OK, weißt Du machst Du gibs Du mir 40!“
Wow. In Anbetracht dieses Trinkgeldes ist auch Wechseln kein Problem mehr. 6 € Trinkgeld entsprechen dem Wert nach einer 13€-Tour für mich, da kann man mal ein paar Minuten Zeit investieren. Ich habe allerdings einen Moment überlegt. Insbesondere als er meinte:
„Weißt Du: Gute Laune heute. Jetzt hab ich Minus, aber egal!“
Aber? Richtig: egal. Ich hab ihn nicht gezwungen. Und ich hatte einen echt geilen Schichtbeginn. 150% Trinkgeld sind selbst bei Kurzstrecken nicht häufig!
Zuletzt möchte ich aber noch anmerken, dass selbst sowas gelegentlich sein „muss“. Im Laufe der Nacht kamen wieder viele Nichtgeber zusammen und am Ende hatte ich gerade mal noch recht normale 13% Trinkgeld. Andreas, einer meiner Chefs, hatte schon recht, als er damals zu mir sagte:
„Natürlich läuft es mal beschissen. Manchmal auch richtig gut. Aber am Ende gleicht sich das alles aus.“
Ich hoffe, dass das auch auf den Kerl mit seinem Minus zutrifft 😀
