In der Ruhe …

liegt die Kraft!

So sagt es ein Sprichwort, dessen Ursprung für mich persönlich mein Schwiegervater ist.

Und so unwahr ist es nicht. Sicher, manch Begebenheit benötigt Aufruhr, Widerstand und Gegenwehr. Im Alltag lassen sich viele Dinge aber auch lösen, verarbeiten oder einfach überstehen, wenn man Ruhe bewahrt. Gerade im Verkehr zum Beispiel. Kopfschütteln verursacht mancher Mensch bei mir, wirkliche Wut, tatsächliches Ausrasten dagegen kaum jemand. Neulich ist mir am Kotti plötzlich ein Skater im Kreisverkehr entgegengekommen. Das war zwar der mit Abstand dämlichste Verkehrsteilnehmer, der mir in den letzten Monaten untergekommen ist, aber selbst der war nach dem Ausweichmanöver nur noch Grund für ein Lächeln und ein gedachtes

„Sieh an, ein Idiot. Bin ja mal gespannt auf die Polizeipressemeldungen morgen …“

Meine Kundin hingegen war da ganz anderen Kalibers. Während ihr Mann auf dem Rücksitz Platz nahm, kam sie nach vorne und kommentierte das Verkehrsgeschehen unglaublich ausdauernd. Da wurde ein Radfahrer, der immerhin rechtzeitig am Gehweg stoppte, um die Autos vorbeizulassen, plötzlich zum „rücksichtslosen Freak“ und ein bei Gelb noch beschleunigender Fahrer zum „asozialen Proll“. Fußgänger jeder Art – also auch die, die sich auf dem Gehweg aufhielten – wurden zu „Chaoten“ und kaum dass wir innerstädtisch – und damit legal – rechts überholt wurden, begann sie auf Raser zu schimpfen.

Ironischerweise kam ausgerechnet von ihr auf eine meiner zahlreichen Anmerkungen, dass ich das eigentlich locker sehe, eben jenes Sprichwort:

„Ach, sie haben ja Recht. In der Ruhe liegt die Kraft!“

Und sie meinte das ernst. Sie versuchte mir nach all ihren Hasstiraden zu verkaufen, dass sie sich ja nur so aufregt, wenn sie morgens zur Arbeit fährt, jetzt aber sicher nicht …

Zwischendrin vergaß sie hier und da mal die Route anzusagen, obwohl sie außer einem kurzen Genuschel zu Beginn das Fahrtziel nicht so recht preisgeben wollte. OK, den Stadtteil hatte ich, das ersparte mir einige Fragen, aber ganz ohne war das dann auch nicht. Am Ende angekommen wies sie ihren Mann an zu zahlen, während sie selbst bereits ausstieg. Allerdings durchaus mit netten Dankesworten – ich war niemals Ziel ihrer Wut. Ihr Ehemann legte auf den Preis ein ordentliches Trinkgeld von knapp über drei Euro und damit fast 20% drauf und meinte:

„Tut mir echt leid, so ist sie halt …“

„Ach kommen Sie, ich hab schon schlimmeres gehört …“

Die Antwort war irgendwie naheliegend:

„O ja, ich auch. Ich auch!“

7 Kommentare bis “In der Ruhe …”

  1. leserin sagt:

    „Sieh an, ein Idiot.[…]“ -> :D!

    ich versteh das nicht, dass einige leute ihr fahrtziel nicht sagen möchten. eigentlich finde ich es sogar unhöflich: als fahrer wäre mir das total unangenehm, ich hätte ständig das gefühl im letzten moment wenn es schon zu spät ist bekomm ich plötzlich das ziel von hinten angesagt und außerdem finde ich es einfach unenstpannend…

  2. Sash sagt:

    @leserin:
    Da kommt es aber sehr auf die Fahrgäste an. Die hier hat wohl gar nicht so recht bemerkt, dass ich ihr anfangs nicht folgen konnte. Andere wollen mir ganz explizit selbst den Weg erklären und die unterteilen sich nochmal in die, die es gerne machen und die, die mich damit ein wenig ärgern, bzw. mir meine Unfähigkeit vorhalten wollen. Vor allem aber auch in die, die es können und die, die es dann völlig verraffen. Stressig sind nicht alle, manche sind auch sehr engagiert und man merkt ihnen an, wie stolz sie sind, mir als Taxifahrer was zeigen zu können und erledigen das dann sehr gewissenhaft. Die zum Beispiel finde ich irgendwie niedlich und ich lasse sie gerne. Da sorgt das dann sogar für gute Laune 😀

  3. Bernd K. sagt:

    Schlimmer sind die Taxifahrer, die sich über Kleinigkeiten aufregen. Hab ich aber noch kaum erlebt.

    Zur Nicht-Nennung des Fahrtziels: Als ich mir die ersten Male am Bahnhof ein Taxi genommen habe, fand ich es immer seltsam, dass der Fahrer nicht gleich losgefahren ist (die ersten Meter geht es nur in eine Richtung) sobald ich gesessen bin, sondern erst nach dem Ziel fragte. Inzwischen gibt es oft, da ich in einem kleinen überschaubaren Stadtteil wohne, beim einsteigen nur die Nennung „X-Berg“ und dann lotse ich direkt hin oder sage eben erst kurz vor dem Ziel den Strassennamen.

  4. Sash sagt:

    @Bernd K.:
    Wenn es entsprechend passt, ist das natürlich ok. Ich gebe aber zu, dass ich gerne bei unbekannten Zielen – und das schließt irgendwie ungenannte mit ein – doch eine gewisse Sicherheit empfinde, wenn ich das Navi mitlaufen lasse. Um nicht eventuell im Gespräch eine Abzweigung zu verpassen.
    Wie oben erwähnt: Meist geht das wunderbar, aber ich kenne auch einige Kollegen, die das gar nicht so toll finden und das Fahrtziel verlangen. Da spielt allerdings auch oft der Gedanke mit, dass Taxiräuber oftmals einfach nur lotsen, um am Anfang keinen Verdacht zu erwecken …

  5. koma sagt:

    auch sehr faszinierend sind diejenigen Fahrgäste, die einem ganz zu Anfang einfach nur eine Straße nennen. Fahre ich dann, ohne nachzufragen in die richtige Richtung los und biege mal hier links und mal da rechts ab, sollte man doch meinen, das ich die Straße kenne und somit auch weiß, wo ich hinzufahren habe. Und jetzt kommt das faszinierende, in über 80% der Fälle bekomme ich nur exakt die letzte Richtungsänderung eindringlich angesagt. Etwa in der Form: „Achtung, hier müssen sie jetzt aber rechts abbiegen“.
    Dazu ist zu sagen, das wir hier bei uns in Würzburg keine doppelten Straßen haben und mit etwa 1300 auch „etwas“ weniger, als ihr in Berlin.

  6. Bernd K. sagt:

    @Sash:
    Ja das habe ich inzwischen gelernt. Wie ich es auch vermeide, ohne akutellen Bezug das Problem Taxiräuber anzusprechen. Einen Fahrer, der das Navi benutzt, hab ich in meiner kleinen Großstadt bisher nur selten erlebt.

    @koma:
    Wahrscheinlich, weil die Kunden zeigen wollen, dass sie sich wenigstens daheim auskennen 😉

  7. Sash sagt:

    @koma:
    Ja, das kenne ich aber auch! 😀
    Aber klar: Die meisten kennen sich in ihrem Viertel gut aus, verlassen sich in der „großen weiten Stadt“ dann aber doch irgendwie auf den Taxifahrer. Auch wenn das beides zusammen kombiniert nicht viel Sinn gibt 😉

    @Bernd K.:
    Ach, ich für meinen Teil bin da ja auch nicht ängstlich oder so. Aber viele Kollegen sehen das halt anders.

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