Man trifft ja nicht nur Leute in Feierlaune bei der Arbeit im Taxi. Ich versuche ja, die Quote recht hoch zu halten, aber man weiss ja nie, wie die Kunden so drauf sind. Manchmal trifft man auch auf ziemlich fertige Gestalten, die nicht nur Redebedarf haben, sondern auch sonst unter jeder Zuwendungsgrenze liegen und das wissen. Den wahrscheinlich schwierigsten dieser Fälle hatte ich Mitte letzten Jahres, das war die Geschichte mit Mike.
Ein bisschen harmloser gestaltete sich die Frau in den 50ern, die ich neulich aufgegabelt habe. Aber nachdem ich für sie in Lichtenberg eine Vollbremsung hingelegt habe, war die gute Laune aus meinem Auto auch schlagartig verflogen – und das nicht nur, weil ich die Musik ausmache, wenn Kunden einsteigen. Sie nannte das Fahrtziel nicht gleich und wollte mir zeigen, wo es lang geht. Während wir allerdings über die erste Kreuzung fuhren, bei der Rechtsabbiegen für den kürzesten Weg sinnvoll gewesen wären, war sie längst am Erzählen, wie sehr sie ihr Asthma plagt und dass sie nur deshalb jetzt schon heimgeht. Abgefüllt war sie bis Oberkante Unterlippe, das Reden fiel ihr schwer, aber sie tat es mit ausladenden Gesten, großer Lust und nicht zuletzt einer gehörigen Portion Verachtung gegenüber allen Themen, die sie ansprach. Ihr Mann, das Asthma, die Kneipe, die Wohnung, die Stadt, die anderen Menschen und eigentlich die ganze Welt…
Aus kleinen Satzfragmenten bastelte ich mir in Gedanken eine Zieladresse, die mir dann auch noch überhaupt nichts sagte. Das Navi wusste mal wieder mehr als ich, und so kam ich immerhin nicht in die Verlegenheit ihren ziemlich wirren Routenansagen folgen zu müssen, mit denen wir zwar sicher auch in Friedrichshain gelandet wären, allerdings eher mit einem dreistelligen Betrag auf dem Taxameter oder gleich nach einer Rundfahrt an den größten Sehenswürdigkeiten des Kontinents vorbei.
Ein paar total unehrliche „Ja sicher“ meinerseits später war sie immerhin wieder soweit, einen Witz zu machen. Gut, da waren wir schon am Ziel, aber immerhin. Wir standen in einer Sackgasse und ich fragte, ob ich hier halten solle. Daraufhin lallte sie schwungvoll, dass ich sie gerne auch noch bis in den vierten Stock fahren könne. Na also 🙂
Aber ich hab von ihr einen neuen Spruch gelernt, mit dem man Trinkgeld ansagt. Sehr beliebt ist ja das „Machen se eine Rechnung über…“ oder ganz simpel „Machen se…“. „Der Rest ist für sie“ ist mir verständlich und auch wenn jemand einen Betrag mit 3 Ausrufezeichen nennt, ist das Wink mit dem Zaunpfahl genug. Sie reichte mir allerdings einen Zehner mit den Worten:
„Das haben wir alles besprochen.“
Was eine glatte Lüge war, denn neben ihrem Monolog hätten wir nicht einmal Zeit gehabt, sowas wie das Trinkgeld oder den Fahrpreis zu besprechen. Wir haben es ja nicht einmal bei der Route geschafft 🙂
Aber als ich im Portemonnaie nestelte, meinte sie abermals mit Nachdruck:
„Das haben wir besprochen!!!“
Nicht fragen. Kunde, König und so weiter…