Halbe Sachen

Die Reifen versuchen zu kreischen, aber die Nässe verhindert es. Hätte ich die Winkerin doch fast übersehen…

Ja, sie wolle nur mal kurz zur Tanke ums Eck. Das Auto ist liegengeblieben. Defekte Tankanzeige und noch 800 Meter. Böse Geschichte. Ich hab nach einer Kurzstrecke gefragt, sie hat genickt.

An der Tanke ist mir dann eingefallen, dass es eigentlich sinnvoller gewesen wäre, zum Normaltarif hinzufahren, kurz zu warten und wieder zurückzugurken. Wären wahrscheinlich keine 6 € geworden. Aber irgendwie wollte sie nur hin zur Tanke. Manchmal verstehe ich die Kundschaft nicht.

Ernste Aufmerksamkeitsprobleme

Ich hab echt keine Ahnung, wie ich diese Tour angemessen in Worte fassen kann.

Montags bin ich grundsätzlich froh um alles. Winker seien da an vorderster Stelle genannt. Richtig schön war allerdings, dass ich meinen Fahrgast gerade direkt bei unserer Bundeskanzlerin vor der Tür abgesetzt habe und noch während ich mir Gedanken über die Gedanken der grimmig dreinschauenden Polizisten vor der Tür machte, neue Kundschaft hatte. Wow!

Drei Leute, vielleicht leicht angetrunken, aber erstmal erträglich. Die Zielbenennung war auch ok:

„Erstmal fahren wir zum Bundesplatz. Er hier muss dann zur Attilastr. und mich kannste dann in Lankwitz rausschmeissen.“

OK, und ich hab mich schon gefreut, dass ich eine Stunde vorher eine 18 €-Tour hatte…

Der vorne sitzende Fahrgast mit dem Ziel Attilastr. war allerdings ein ganz besonderer Fall. Eine Minute Ruhe war nicht im Auto bis er wieder ausgestiegen ist. Er hat mich pausenlos Zeug gefragt, von dem ich nicht einmal wusste, dass man dazu Fragen stellen kann. Über die Form meines Taxameter-Keys zum Beispiel („Sieht aus wie ein Schuh, oder?“). Seine Finger konnte er auch nicht bei sich lassen. Das Taxameter musste begrabbelt werden, der Sitz, das Armaturenbrett, meine Haare und zum Abschluss wollte er es sich nicht nehmen lassen, das Navi zu programmieren, obwohl es nicht nötig war…

Seine Freunde / Bekannten / Kollegen haben sehr deutlich Fremdscham gespürt in diesem sich ewig hinziehenden Moment, was sie dann damit ausglichen, dass sie in seiner Anwesenheit über seine Vorliebe gelästert haben, bei Firmenfeiern betrunken anzufangen, Leute zu duzen um es am nächsten Tag dank Gedächtnisverlust wieder beim Sie zu belassen.

Dazu kam das übliche Programm Berliner Kundschaft: Wo wir hinfahren wusste er besser als alle anderen, wenngleich er bisweilen nicht einmal blickte, wo wir aktuell sind.

Irgendwie witzig war es aber dennoch, und die 4,20 € „Schmerzensgeld“, die sein Kumpel sich zu zahlen genötigt sah, haben auch einiges wieder gut gemacht 😉

Hey, es ist wirklich nicht leicht, das angemessen zu schildern, und selbst wenn ich mich an den Wortlaut erinnern würde, müsste ich mehrere Tage freinehmen, um das runterzutippen…

Auffliegen

Es sind wirklich viele Kunden, die einen Nachts über den Job ausfragen. Ich weiss nicht, ob es an meinem Alter liegt oder daran, dass mein Publikum meistens noch recht jung ist. Jedenfalls wollen – wie auch die stillen Google-Gesandten hier im Blog – viele wissen, was man denn so verdienen kann als Taxifahrer und ob die Ausbildung teuer wäre.

So auch neulich ein junger Mann.

Er sah mich beim Nennen meines Netto-Verdienstes (der ja dank Trinkgeld höher als der Brutto-Betrag ist) ungläubig an, und sein ohnehin schon vorhandenes Interesse wurde größer. Er selbst bekäme weniger und sei eigentlich ziemlich genervt von seinem Job.

Was er denn mache, fragte ich.

Er arbeite für einen bekannten Computerhersteller im Support.

Callcenter also. OK. Richtig witzig wurde dann allerdings, was er noch so sagte:

„Ich sollte mich wirklich mal nach was neuem umsehen. Ich hab ja von nichts eine Ahnung. Ist nur eine Frage von Wochen, bis ich auffliege…“

Was die Leute einem alles erzählen…

Aber ich bin ja froh, hab ich wenigstens was zum Bloggen.

Systemkritik-Fail

Angefangen hat alles mit einem kleinen Drift.

Die Ausfahrt vom Warschauer Platz auf die Stralauer ist eine der glattesten Stellen in ganz Berlin gewesen am Wochenende. Das macht so viel nicht aus, da man die Kurve sowieso nur mit 10 km/h fährt, aber das Heck kommt mir in aller Regelmäßigkeit ein Stück weit nach vorne dort. Was soll’s? Junge Kunden aus dem Matrix in Partylaune… ich benehme mich sicher nicht wie ein Rennfahrer beim Arbeiten, aber es gibt ja dennoch Kunden, mit denen man Spaß haben kann. Hat seine Wirkung natürlich nicht verfehlt:

Die beiden Mädels auf den Rücksitzen juchzten, ich solle das nochmal machen und ich hab mich gefragt, warum man das Eis nicht immer so schnell brechen kann.

Antwort: Weil nicht immer Eis da ist!

Aber gut, weg von der Philosophie. Ich hab den beiden dann gesagt, dass ich das ja gerne machen würde, dass es aber schon ein bisschen unsinnig sei, dazu ausgerechnet ein Taxi zu nehmen, weil das auf Dauer ja doch eine etwas teure Möglichkeit wäre, ich mich aber natürlich darüber freuen würde 😉

Da meldete sich mein Fahrgast vom Beifahrersitz: Naja, was ich dabei verdienen würde, wäre ja trotzdem traurig. Dann kam so diese typische kuriose Situation, in der ich meinen Job gutgeheißen habe und mein Fahrgast versucht hat, mir zu erklären, wie scheiße er wäre. Ich will ja niemandem widersprechen, wenn er 5 € Stundenlohn für zu wenig hält. Klar hätte ich gerne mehr, da brauchen wir uns sicher nicht streiten.

Aber nein: Dass ich nicht mal die Hälfte von der Kohle kriegen würde, erregte seinen Unmut. Also dass mein Chef „fürs Däumchendrehen“ mehr als die Hälfte bekommt…

Das mag auf den ersten Blick ja auch komisch aussehen, das gebe ich zu. Und ja, 75% vom Umsatz wünscht sich wohl jeder Fahrer, der nicht gleich von 100% träumt. Aber ich hab ihm dennoch versucht zu erklären, dass es ja nicht so ist, dass mein Chef das Geld einfach komplett einsteckt, sondern dass der davon auch einige Kleinigkeiten wie z.B. das Auto bezahlt. Und ja, wir sind in der Diskussion bis zum Lagerraum für die Winterreifen vorgedrungen…

Ich komme selbst aus der linken Ecke und finde nun nichts schlimmes an einer grundsätzlichen Kritik an Lohnarbeit oder einem gesunden Misstrauen gegenüber Vorgesetzten. Da können wir gerne drüber reden. Ein bisschen absurd ist es, das von jemandem zu hören, der froh ist, dass er „bald ausgelernt hat“ und auf die Frage, was er mit seiner Mechaniker-Ausbildung gedenkt zu tun antwortet:

„Ich geh für 12 Jahre zur Bundeswehr!“

Kommentar unnötig!

Scheibenwischer-Update

Tja, mein Tagfahrer hat sich die Misere heute auch mal angesehen und festgestellt, dass es den Bügel, der an der Feder hing, nicht mal abgebrochen ist, sondern sich unter der Motorhaube finden lies. Am Werkstattbesuch ändert das leider nichts, da kein normaler Mensch die Feder mal eben so spannen kann 🙁

Naja, sieht wenigstens so aus, als ob ich morgen (Montag) ganz normal durchstarten kann. Hatte ich eben ein zweitägiges Wochenende. Scheint ja gar nicht so unverbreitet zu sein, ist insofern also nur halb so schlimm 😉

Igitt, wie neumodisch!

Ich bin wirklich froh, dass ich ein Auto fahre, das halbwegs aktuell ist. Wenn ich schon 10 Stunden während einer Schicht das Innere meines Taxis hüte, dann bin ich doch froh um die Klimaanlage, den mp3-CD-Player und die Tatsache, dass mich nicht jeder Kunde fragt, warum ich immer noch den 60ern nachhänge.

Aber wenn das Wetter so richtig mies wird, mag ich es wieder nicht. So langsam müsstet ihr wissen, dass ich auf Schnee und Eis stehe und dass ich ein bisschen Umsatzverlust wegen langsamen Fahrens verkraften kann, wenn es dafür draussen wenigstens eine kleine Herausforderung für Fahrer gibt.

Ich war da schon immer so. Das Auto muss entweder zu groß für die Straße oder die Straße zu rutschig für das Auto sein! Das bringt Abwechslung in den Alltag. Und solange man nicht suizidal veranlagt ist, bringt einen das auch nie ernsthaft in Bedrängnis.

Mein Bruder wird bestätigen können, dass mein Leitmotto im Behindertenfahrdienst war „Wenn da ein Smart durchkommt, komme ich auch mit dem Sprinter durch!“ und wir dabei nie nennenswerte Kollisionen zu melden hatten. OK, es gab da mal ein Verkehrsschild, aber das war auch vorher schon schief…

Gestern Abend habe ich also (nachdem ich dank ausgefallenem Scheibenwischer sonst schon keinen Spaß haben konnte) mal wieder ausgereizt, was der Winter so hergibt. Ich hab an einer Kreuzung beim Linksabbiegen einfach mal die Handbremse angezogen, um einen schönen Drift hinzulegen. Die eigene Seele muss ja mit irgendwas befeuert werden, wenn schon keine Einnahmen zum Kauf von Drogen animieren. Im Grunde hat diese Sache ja auch hervorragend funktioniert, aber während ich über die Kreuzung geschlittert bin, meldete sich irgendein verblödetes Sicherheitsprogramm mit einem lästigen „MÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄP!“.

Irgendwelche Elektromotoren haben versucht, mich als spaßorientierten Fahrer auf meinem Weg zur Glückseligkeit zu bremsen und dies – das ist das Traurige – nicht einmal geschafft.

Hey, ein Dank an alle Konstrukteure, die die Welt mit Systemen versorgen, die das Leben sicherer machen! Ganz im Ernst! Wahrscheinlich habt ihr mehr Leben gerettet als ich, der ich nur Betrunkene bei kaltem Wetter heimfahre. Aber sorgt doch in Zukunft dafür, dass eure Systeme erkennen, dass bei angezogener Handbremse im Fahrbetrieb eine gewisse Absicht vorliegt! Angeblich war es ja Mark Twain, der gesagt hat, dass auch das Recht auf Dummheit zur freien Entfaltung der Persönlichkeit zählt. Und wenigstens auf einer menschenverlassenen Kreuzung mit genug Auslaufzone möchte ich doch gerne einmal dumm sein dürfen. Einfach, weil es Spaß macht!

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Zyniker on Tour

Wie schön: Eigentlich schon nach der Schicht – auf dem Weg zum Abgeben des Autos – noch eine Kurzstrecke in die richtige Richtung bekommen. Ein junger Typ, bewaffnet mit einer klirrenden Tüte, Alkoholeinkauf beim Späti, müde aber nett. Passt. Unkomplizierte Kundschaft, weil selbst unsteter Lebenswandel. Ich mag das. Haben uns kurz unterhalten, dies und das, nix ernstes, Berlin ist toll. Fast zuletzt dann:

Fahrgast: „Bist mir echt sympathisch für’n Taxifahrer, kommt nicht oft vor in Berlin.“

Sash: „Freut mich zu hören.“

Fahrgast: „Ist echt selten. Gewöhn’s dir wieder ab!“

Wat willste da sagen?