Mitgezählt

Gestern war das DFB-Pokalfinale in Berlin, entsprechend viele gleichfarbige Truppen waren in der Stadt unterwegs. Mich haben als erstes Dortmunder erwischt. Und mit der Truppe hatte ich wirklich Glück. Trotz verlorenem Spiel waren sie eigentlich ganz gut drauf, haben rumgescherzt und sich neben Fußball auch über x andere Dinge unterhalten. Alkoholintoxikation war auch entweder gar nicht vorhanden oder schlicht zu gering, um Auswirkungen zu zeigen. Aber da die Probleme der Menschen vielerlei Gestalt haben, hatte einer etwas eher seltenes ins Taxi mitgebracht: Eine Niesattacke.

Schon beim ersten Mal meinte er gleich:

„Oh nee, jetzt geht’s los!“

und er hatte recht. Fortan hätte das die Geräuschkulisse der Fahrt bestimmt, wäre nicht neben ihm offenbar ein als Chronist verpflichteter Mitzähler gesessen.

„Zwölf, Manfred. Jetzt bisste bei zwölf. Ab dreißig wird’s arg stressig, was?“

„Vierzehn. Vierzehn, haste mitgekriegt, Manfred?“

„Achtzehn. Bist bei achtzehn.“

Usw.

Kurz vor Schluss hieß es dann aber nur noch:

„Weißte Manfred, ich hab aufgehört mitzuzählen, aber Du gehst auf die dreißig zu!“

Inwieweit das irgendwie geholfen hat, weiß ich aber leider nicht. Für die Truppe schien das aber  relativ normal zu sein. Nicht, dass ich mich noch wundern würde – aber Dinge, bei denen ich mir eingestehen muss, dass ich sie mir nicht hätte ausdenken können, verblogge ich immer präventiv. Wer weiß, wann ich’s mal brauche. 😀

Ein Winker ist ein Winker ist ein Winker

(Blitzmerker-Edition)

Gleich am Schlesischen Tor, ich war gerade erst gen Innenstadt gestartet, winkte er mich aus dem Laufen heraus an den Straßenrand. Yeah! \o/ Die Tour war ok, es blieb gerade noch so innerhalb Kreuzbergs. Unterwegs dann der übliche Smalltalk, inklusive folgenden Kleinods:

„Und, wie war deine Woche bisher?“

„Ich arbeite gerade Donnerstag bis Sonntag nachts, ist gerade erster Tag und erste Tour.“

„Ehrlich jetzt? Und niemand hat dich bisher rangewunken oder so?“

Ich habe einen fragenden Blick aufgesetzt und mit meiner linken Hand ehrfürchtig zu ihm auf den Beifahrersitz gewiesen. Es hat eine Sekunde gedauert, dann hat er gerufen:

„Ach, icke!? Stimmt ja!“

Wenn die Woche so anfängt, kann’s ja nur gut werden. 😀

Mehr mitgegeben

Man sollte im Nachhinein vielleicht wissen: Die letzten beiden kurzen Dialog-Artikel stammen von einer einzigen Fahrt, auf die ich jetzt noch ein drittes Mal zurückkomme. Eine geradezu schichtrettende Fahrt, denn ich hab zwei ungefähr 50-jährige Winker am Ringcenter aufgegabelt, wobei der eine eben nach Haselhorst musste; nicht allerdings, ohne vorher seinen Kollegen noch in Friedrichsfelde abzusetzen.

„Is ejal, ick hab Kohle ohne Ende dabei!“,

hat er seinen Kumpel wissen lassen. Sowas beruhigt nebenbei auch den Taxifahrer. 🙂

Die lange Fahrt hat am Ende schnuckelige 48,10 € auf dem Taxameter stehen lassen, und tatsächlich: Anstelle von Unverständnis oder ähnlichem hab ich einfach nur warme Dankesworte dafür bekommen, die Tour gemacht zu haben. Ich hab zum Bezahlvorgang gleich mein Portemonnaie rausgekramt, was mein Kunde gleich kritisierte:

„Nee, nee, nee! Brauchst nich‘ nach Wechselgeld zu suchen!“

Ich hab den Fünfziger dankbar entgegengenommen und nicht einmal Anstalten gemacht, das Trinkgeld zu bemängeln. Ja, es waren deutlich weniger als die üblichen 10%, aber wer will nach so einer Tour auch nur über irgendwas meckern? Und während ich so einpackte, kam dann von rechts ein sowohl inhaltlich als auch von der Wortwahl schöner Einwurf:

„Warte, warte, warte! Mami hat mir heute etwas mehr mitgegeben!“

Ein Fünfer obenauf. Hach. 🙂

Wenn’s auf solche Fahrten ein Abo gibt, ich schließe es ab!

„Muss man nicht kennen“

„Tja, da wären wir dann: Im unspektakulärsten Teil von Haselhorst!“

„Man lernt nie aus in dem Job.“

„Ach, das musste nicht wissen. Das kennt keiner. Aber: Ist ein Biber-Schutzgebiet!“

Es kam mir selten angemessener vor, auf einen Satz nix erwidern zu können. 🙂

Geständnisse

Wenn Kunden im Taxi mit ihren Partnern telefonieren, dann ist das stets ein Happening. Der Typ auf meinem Beifahrersitz war laut eigener Aussage auf einer Firmenfeier, hatte schon eine halbe Stunde Schlaf auf einem Bahnsteig hinter sich und wurde nun auf halbem Weg zum Ziel von der Freundin angerufen.

„Ja, Schatz. Ob ich was, Schatz?“

Dann wandte er sich zu mir:

„Hab ich einen in der Krone?“

„Ich verweigere die Aussage!“

Dann sprach er weiter ins Telefon:

„Nein Schatz, das war der Taxifahrer. Ich hab doch gesagt, ich bin im Taxi. Natürlich hab ich einen in der Krone, ich war doch bei, bei, Du weißt doch, wo ich war! Und jetzt komm ich nach Hause. OK?“

Seiner Aussage nach „alles kein Problem“. Na denn. 😀

 

So Fahrten, bei denen man einfach nicht weiß, ob man sie machen will

So vom ersten Auftreten her war die Truppe Kiddies ja gar nicht so schlimm. Dass aber mindestens drei von ihnen sich mit dem Tragen von Nazi-Pullis selbst diskreditiert haben, war das andere. Und dann war da ja auch noch die Strecke: Vom Ostbahnhof  zum A&O-Hostel in der Köpenicker. Ich lehne sowas nach wie vor nicht ab, aber da die Köpenicker wegen eines Straßenfestes gesperrt war, hab ich ihnen wahrheitsgemäß gesagt, dass ich von den 900 Metern Strecke nur 500 Meter fahren könne und das trotzdem mehr als 5 € kosten würde. Also haben sie sich nach dem Weg erkundigt und sind gelaufen.

Ein bisschen Spaß gemacht hätte mir aber zumindest das Zuschauen, denn das dort stattfindende Straßenfest war der „Carnival of  Subculture“ in und vor der Köpi und ganz sicher der mit Abstand dümmste Platz an diesem Abend, um in schwarz-weiß-roten Klamotten mit Runenschrift dran vorbeizulaufen. Aber hey, danach hatten sie nicht gefragt! 😉

Und bevor jemand meckert: Da waren genügend Cops vor Ort, um denen das nochmal auszureden. Ich fühle mich ja für vieles verantwortlich, aber sicher nicht für das übersteigerte Selbstbewusstsein von Schnullernazis.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Die übliche regelbestätigende Ausnahme

Ich bin erst an ihm vorbeigefahren, denn er winkte kurzentschlossen und deutlich weg vom Straßenrand aus einer Gruppe heraus. Als er dann am Auto stand, fragte er kleinlaut, ob ich ihn für 40 € nach Strausberg bringen könnte, mehr hätte er wirklich nicht mehr.

Aus dem Stegreif war das nur so Pi mal Daumen zu entscheiden, aber da ich auf Verdacht hin ohnehin auch nur einen Fuffi verlangt hätte, hab ich zugesagt. Wir waren schon tief in Ostberlin, ich war dem Feierabend nahe und die Schicht war bisher so gut, dass mich die Fahrt auch kilometerschnittmäßig keineswegs aus dem Takt gebracht hat. Trotz der Leerkilometer zurück. Und dann so ein Abschluss!

Ich könnte jetzt rückblickend auch sauer sein. Hat er mir anschließend doch erzählt, er habe an dem Abend 500 € durchgebracht und die letzte Kohle vor der Taxifahrt einem Kumpel für den Puff geliehen. Ich könnte mich jetzt zu wenig wertgeschätzt fühlen und den Typen für seine Arroganz beschimpfen.

Aber wie so oft macht der Ton die Musik. Er hat sich entschuldigt und klargestellt, dass ihm das mehr als peinlich ist, weil ihm selbst als Handwerker die Preisdrückerei auf die Nerven geht und er sonst immer ein guter Trinkgeldgeber sei. Außerdem war’s auch nicht so, dass das sein wöchentliches Besäufnis war, nein: Er war mit ein paar ehemaligen Sportvereinskameraden auf dem einmal jährlich stattfindenden Veteranentreffen gewesen, ein durch und durch besonderer Anlass. Dass er seine großzügig geplanten Finanzen überschritten hatte, lag dann auch wirklich an den Kumpels, die ihn zum Puff überredet hätten, wo er als Verheirateter nur zwei Bier getrunken hätte, einem Kumpel mit knapperer Kasse aber eben noch mal ausgeholfen hat. Und zuletzt selbst überrascht war, dass er inklusive Kleingeld nur noch auf 40 € gekommen ist.

Ja, mein Lifestyle ist das sicher auch nicht, aber ich hab mich in letzter Zeit selten netter mit einem Typen unterhalten.

„Du hältst das jetzt sicher für ’ne Ausrede, wa? Kriegste wahrscheinlich dauernd zu hören, oder?“

„Ganz im Ernst: Das ist ok. Ich hab ja zugesagt. Der Preis ist am unteren Ende, ja. Aber die Anfragen zu denen ich nein sage, sind eher die, wo mir eine Gruppe von fünf Leuten 20 € für die Fahrt bietet, weil die Cocktails so teuer waren und ich mich mal nicht so anstellen sollte, weil’s ja immer noch besser wäre als gar nix.“

Er hat sich bis zuletzt entschuldigt und das Kunststück vollbracht, mir auf ernsthaft nette Art zu erlauben, die Uhr auszulassen, wie auch mich im Anschluss aus seiner Sicht als Firmenchef glaubhaft zu loben, dass ich es nicht machen wollte. Das schaffen wirklich nur die wenigsten.

Natürlich kann ich jetzt nur hoffen, dass er wirklich der nette Kerl ist, der er vorgegeben hat zu sein. Aber glaubt mir: Wenn Typen über 50 es schaffen, mir sympathisch zu sein, obwohl sie mir erzählen, dass sie gerade über 400 € fürs Saufen und im Puff ausgegeben haben – dann ist das wirklich nicht normal.