Steil

Kleidungsstile sind nicht zufällig so unterschiedlich wie Sand am Meer. Die Menschen haben unterschiedliche Geschmäcker. Abgesehen davon, dass ich grundsätzlich kein Freund von Kleidern bin, hätte ich beispielsweise niemals eine derart hässliche ockerfarbene Kombination wie meine Kundin angezogen. Aber wie mir Filme aus ihrer Generation gezeigt haben, war die Vergangenheit schwarz-weiß, und da mag es sein, dass man Ocker vielleicht für eine hervorragend fröhliche Farbe hält, wenn man schon über 80 ist. Und das war meine Kundin.

Jetzt wo ich sie beschreiben will, fällt mir permanent das Wort „Muttchen“ ein – denn das trifft es einfach. Eine kleine zierliche alte Frau in einem ockergelben Kostüm mit einer brüchigen Stimme. Glücklicherweise ist ihr offenbar bis ins hohe Alter der Geist treu geblieben, und so erzählte sie ausschweifend über ihren Tag, was sie alles mit ihrer Tochter gemacht hat, was es für Probleme in der Familie gibt und nicht zuletzt, wie ich nun genau zu ihr komme, was ein wenig verzwickt sein sollte. Ganz ehrlich: Hat richtig Spaß gemacht mit ihr!

Irgendwann hielten wir dann kurz an einer Ampel und plötzlich hörte ich von ihr ein ziemlich lautes und überhaupt nicht ins Gespräch passende

„Oooohhh!!!“

Ich folgte ihrem Blick aus dem Fenster und blieb direkt vor meinem Auto an einem jungen Mädel hängen. Ganz offensichtlich Punk. Die Haare in 3 verschiedenen Farben gestylt, das löchrige Shirt ließ hier und da erkennen, dass Spitzenunterwäsche einer revolutionären Einstellung nicht widersprechen muss und die Hosen unter dem kurzen Jeansrock, der von einem Patronengürtel gehalten wurde, waren schwarz-weiß gestreifte Leggins, deren Löcher denen im Shirt um nichts nachstanden.

Meine Fahrgästin machte große Augen und ich sah es förmlich vor mir. In meinen Gedanken plapperte die alte Frau bereits munter über „die Jugend von heute“, die verdorbenen Sitten und den Untergang des Abendlandes. Da hätte ich ja gut drauf verzichten können…

Konnte ich auch. Denn was dem „Oooohhh!!!“ folgte, war folgendes:

„Sehen sie mal! Steiler Zahn da draussen!“

Darauf ist mir echt nix eingefallen und wir haben uns weiter über die Wehwehchen ihres Schwiegersohnes unterhalten. Vielleicht auch besser so 😉

Falsch geparkt

Im Großen und Ganzen versuche mich mich da darin, zumindest den Anschein zu erweckend, die StVO einzuhalten. Da macht das Parken keine große Ausnahme. Sicher muss man als Taxifahrer mal in zweiter Reihe halten und wenn es ganz dumm läuft, dann passiert das auch mal an einer einspurigen Straße. Das ist nicht immer schön für alle unfreiwillig Beteiligten hinter mir, aber wer selbst schon mal mit einem Taxi wohin musste, wird verstehen, dass die meisten Kunden vom Fahrer sicher nicht hören wollen, dass er mal eben um den Block fährt, um einen Parkplatz zu finden.

Da ich nachts unterwegs bin, hält sich das Behinderungsrisiko allerdings in engen Grenzen – und nebenbei ergeben sich auch sonst mehr Haltemöglichkeiten als tagsüber. Am Hauptbahnhof zum Beispiel. Jeden Tag ein unerträgliches Gewimmel auf dem kleinen Europaplatz zwischen der Invalidenstraße und dem Bahnhofsgebäude! Nachts, wenn der letzte Zug bereits raus ist, sieht das anders aus.

Deswegen war ich am Wochenende auch gar nicht zimperlich und hab mich auf den Entladeplatz für Taxen gestellt. Das ist insofern nicht legal gewesen, als ich mich eigentlich nur selbst entladen wollte und kurz auf einen Sprung zur Apotheke rein. Ich sollte meiner Freundin ein paar Tabletten mitbringen und da die Nacht gut lief, hatte ich keine große Lust, mich länger dort aufzuhalten.

Also bin ich schnell aus dem Auto rausgesprungen und die 10 Meter zur Tür gelaufen…

Und habe auf der Stelle bedauert, dass ich genau diesen Parkplatz zu diesem Zeitpunkt gewählt hatte. Denn statt die von mir erwartete gähnende Leere auf der anderen Seite der Tür vorzufinden, drückten sich plötzlich ein paar hundert Hooligans durch die Tür, dem Anschein nach zwei Truppen, die nicht so sonderlich gut aufeinander zu sprechen waren. Team Green war natürlich auch dabei, und so folgten ein oder zwei Einsatzhundertschaften dem aufgewühlten Mob und keine 30 Sekunden, nachdem ich mein Auto verlassen hatte, war es umzingelt von Hassparolen brüllenden betrunkenen Typen und ein paar Polizeiwannen nebst dazugehörigem Schlägertrupp. Als der erste Böller geflogen ist, hab ich nicht mehr damit gerechnet, mit meiner guten alten 1925 noch irgendwohin fahren zu können.

Da ich in der Situation eh nicht viel machen konnte, bin ich in den Bahnhof und hab versucht, durch einen möglichst intellektuellen Blick der soeben nachrückenden Polizei das Gefühl zu vermitteln, ich sei kein Angriffsziel. Erfolgreich.

Als ich, nachdem ich in der Apotheke beim Security-Mitarbeiter Tabletten kaufen wollte und sie letztlich doch vom Apotheker bekam, wieder draussen war, musste ich mich immer noch durch die Menge drücken, aber Hools sind auch nur Menschen und als solche überwiegend kleiner als ich. Mein Auto stand allerdings schon wieder ausserhalb des operativen Einsatzgebietes aller Beteiligten und ich konnte nun als Außenstehender verfolgen, wie die Cops hinter einem Rudel Vollhorste herrannte, um sie wieder in den Bahnhof zu bugsieren.

Nochmal gut gegangen!

Und zudem hab ich jetzt eines der beklopptesten Argumente gegens Falschparken:

Nicht falsch parken, denn es könnte sein, dass euer Auto dann von Hooligans oder der Polizei beschädigt wird! 🙂

Aber vielleicht leuchtet bei der Polizei auch irgendwo ein Lämpchen auf, wenn ich illegal vor einer Apotheke halte und sie kommen deswegen…

Quickies

So, am Wochenende bin ich ja immer viel beschäftigt. Einige Dinge graben sich stets ins Hirn, es will aber kein kompletter Blogeintrag daraus werden. Deswegen hier eine kurze Auswahl an nicht existenten Blogeinträgen.

Der erste hätte sich mit der Frage beschäftigt, wieso ausgerechnet der Taxistand, bzw. der Bahnhofsvorplatz als Umkleide, bzw. Entkleide gebraucht wird. Zurückzuführen ist diese recht seltsam anmutende Frage auf das Verhalten zweier junger Mädels, die sich noch schnell vor dem Clubbesuch ihrer Höschen entledigen wollten. Es ist sicher eine Frage des persönlichen Empfindens, ob man sich das auch öffentlich zutraut – die beiden wirkten aber ziemlich um Privatsphäre bemüht. Als Tipp würde ich mal den Parkplatz gegenüber nennen. Sind keine 30 Meter Fußweg, dennoch sinkt die Zuschauerzahl von 100 auf 0. Inklusive irritierter Taxifahrer…

Der zweite nicht geschriebene Blogeintrag wäre eine Rezension des Films „Unknown Identity“ geworden. Ich fand ihn eigentlich ganz nett und unterhaltsam, aber natürlich hab ich mich über die Taxiszenen gewundert. Mal abgesehen davon, dass die inexistente im Film auftretende Firma natürlich quasi das organisierte Verbrechen selbst war: Es tut weh, als Taxifahrer zu sehen, wie eine Kollegin vom Adlon zum Flughafen Tegel als „schnelleren Weg“ irgendwie bei der Oberbaumbrücke vorbeikommt (um dann auch noch in die Spree zu fallen). Aber so ist das wohl, wenn man eine Stadt halbwegs kennt: Die Fiktion tut weh 🙂

Am frühen Morgen des Samstags hat mich dann auf der Leipziger Straße die betrunkene Beifahrerin in einem dunkelgrünen BMW ziemlich schamlos angebaggert, was ich allerdings eher als Scherz aufgefasst habe. Noch niveauloser waren nur zwei Jungs, die an einer Ampel bei mir einen Whopper bestellen wollten. Berlin, wie es leibt und lebt.

Zu guter Letzt gab es aber auch noch eine süße Begebenheit in letzter Zeit. Ich hab einen wirklich sehr sehr netten und schüchternen jungen Mann in einen Vorort gefahren. Es war an der Fahrt alles ok, aber auch alles belanglos. Die Strecke war nicht schwierig, der Kunde nett aber recht stumm und der Preis war kein Thema. Das Trinkgeld war durchschnittlich und ich bin nicht einmal durch irgendwelche Glasscherben gefahren. Es ist einfach nix passiert. Am Schluss hab ich bei ihm im Wohngebiet gewendet und dann mitbekommen, dass er tatsächlich an der Türe gewartet hat bis ich wieder vorbeigekommen bin, um mir zum Abschied nochmal zu winken…
Manchmal sind die Kunden ja schon niedlich 😀

Mündlich: Mangelhaft

„Hallo, wo ist der Braucher Berg?“

„Der wat bitte nochmal?“

Als mich der Typ mit seinem Kumpel am Ostbahnhof angequatscht hat, hab ich zwar einen groben Verdacht gehabt, dennoch vermutet, ich kann ihm nur bedingt weiterhelfen.

„Ja, der hier, der Braucher Berg?“

Das klang verdächtig nach Prenzlauer Berg (wenn man die Fantasie eines 8-jährigen Kindes mit der Lebensweisheit eines 80-jährigen Taxifahrers kreuzt), aber das ist als Stadtteil doch eine etwas unscharfe Angabe. Wobei? Die Straße…
Es gibt ja auch tatsächlich eine Straße, die Prenzlauer Berg heißt. Ich fragte mich bloß, was Touris da wollen könnten. Sonderlich spannend kam mir die Ecke nicht vor bisher.

Aber sie hatten Hilfe in Form einer kleinen Karte dabei. Die war offensichtlich von einer bestimmten Einrichtung herausgegeben, denn sie umfasste nur einen kleinen Ausschnitt aus dem Straßennetz. Sie deuteten auch gleich auf „Prenzlauer Berg“ und verdeckten dabei rund 80% der sicher lesenswerten Restinfo.

„Ihr wollt zum Prenzlauer Berg. Sicher? Wohin genau?“

Ich schaute mir die beiden nochmal an. Inzwischen hatte ich auch herausgefunden, dass es Schweizer waren, und so wie sie mit ihren Wanderrucksäcken vor mir standen, erweckten sie den Anschein, gar nicht Taxi fahren zu wollen. Nicht, dass die Strecke unschaffbar wäre, aber ich hätte nach einer wahrscheinlich 8- bis 10-stündigen Fahrt besseres zu tun als noch mal eben 3 Kilometer zu laufen.

„Ja, äh, eigentlich genau hier.“

Sprach es und legte den Rest der Karte frei, wo alsbald ein mir nicht unbekannt vorkommendes Zeichen unter dem Finger zum Vorschein kam, das mir irgendwas sagen wollte. Ich warf nur einen flüchtigen Blick auf die umständliche Karte und meinte:

„Ihr wollt ins Pegasus Hostel?“

„Äh ja, genau.“

„Na das ist hier direkt um die Ecke. Da vorne links und dann nach 600 Metern auf der linken Seite.“

Manchmal wäre das Leben einfacher, wenn man nicht aneinander vorbeiredet 🙂
Ich weiss, ich sage ja auch immer wieder: Merkt euch in Berlin am Besten auch gleich den Stadtteil und den Straßennamen – auch wir Taxifahrer können nicht alles wissen – aber mit dem Namen des Hotels darf man es durchaus auch mal probieren. Vor allem, wenn man ihn besser aussprechen kann als etwaige Straßennamen. 😉

(Was beim Pegasus durchaus öfter vorkommt, da es in der Straße der Pariser Kommune liegt, was insbesondere für Nichtdeutschsprachige eine enorme Schwierigkeit darstellt.)

Spandau? Für fünfzehn?

„Hallo, kennen sie den Bahnhof Spandau?“

„Wieso?“

„Ja wie, wieso? Kennen sie ihn?“

„Klar, bin schon mal dort ausgestiegen.“

„Das klingt aber nicht sehr professionell.“

„Passen sie auf, was sie sagen!!!“

„Meinetwegen. Würden sie mich zum Bahnhof Spandau bringen?“

„Wollen sie mich verarschen?“

„Hallo, sie haben doch eine Beförderungspflicht…“

„Ich zeig ihnen gleich Beförderungspflicht!“

„Was kostet das? 15 €? Oder 20?“

„Moment mal…“

„Hm, isses also doch teurer? Hab ich mir fast gedacht…“

„Ich glaube, sie wissen nicht, wen sie hier vor sich haben!“

„Und ich glaube, sie wissen nicht, wo sie gerade stehen…“

Polizei, Taxistand

Einmal nach Spandau bitte! Quelle: Sash

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Taxifahrer und Ampeln

Uns Taxifahrern werden ja die wildesten Verkehrsverstöße vorgehalten. Nicht immer zu Unrecht, gerade Nachts sehe ich mich ja auch oft mit Kollegen konfrontiert, die nicht ganz zwischen Rennstrecke und öffentlichem Verkehrsraum unterscheiden können.

Ich selbst halte mich meistens zurück, aber da es bekanntlich verkehrt ist, egal wie man es macht, hatte ich bis Anfang des Jahres ja auch 3 Punkte wegen eines (angeblichen!) Ampel-Verstoßes.

Einer meiner Fahrgäste und ich hatten allerdings vorletzte Nacht ein Schauspiel der besonderen Art zu bewundern. Ein Kollege, im Übrigen ebenfalls mit Fahrgast, hat binnen 100 Metern sage und schreibe 3 (!) rote Ampeln überfahren. Die erste hat er besonders stilvoll genommen, das war die Abbiegerampel von der Köpenicker Straße auf den Bethaniendamm in Richtung Ostbahnhof. Da die Ampel aber kurz darauf grün anzeigte (also so ca. 3 Sekunden später) und ich den selben Weg hatte, habe ich noch von der Schillingbrücke aus gesehen, wie der Typ nach kurzem Bremsen links in die Holzmarktstraße eingebogen ist und dabei 2 weitere rote Ampeln hinter sich gelassen hat.

„Gehört wahrscheinlich zu denen, die gar keinen Schein zu verlieren haben…“

hab ich trocken angemerkt, als mein Fahrgast ungläubig dem Mercedes hinterhergeblickt hat.

Aber da die Idioten wie so oft immer gesammelt Ausgang haben, ist mir in derselben Nacht noch so ein Blindfisch begegnet. Am Frankfurter Tor ist vielleicht 30 Meter vor mir die Ampel gelb geworden. Bremsen wäre ziemlich ungemütlich gewesen, also hab ich ein kleines Ordnungsgeld riskiert und mal kurz hochbeschleunigt, obwohl ich eigentlich schon über die 50 Sachen rüber war. Das ist nun vielleicht nicht lobenswert, ich glaube allerdings, dass mein Fahrgast noch keine Angst vor meinem Fahrstil bekommen hat.

Wäre er hingegen in dem Touran hinter mir gesessen, auch wieder von einem Kollegen gelenkt, wäre er sicher in Versuchung gekommen. Das Taxi fuhr gut und gern 70 bis 100 Meter hinter mir und hat auch die Geschwindigkeit nicht erhöht. Soweit ich das im Rückspiegel gesehen hab. Das hat ihn aber nicht daran gehindert, dennoch gemütlich über die Kreuzung zu tuckern. Da muss es locker schon 2 bis 3 Sekunden rot gewesen sein…

Sind die Ampeln wirklich so unauffällig, oder ist es inzwischen egal?

Also ich hab die ärgerliche Aussage der beiden Polizisten damals mit 3 Punkten und 125 € bezahlen müssen, und soweit ich weiss, sind die Preise nochmal hochgegangen seitdem. Von der offensichtlichen Gefahr durch Querverkehr wollen wir mal gar nicht reden. Aber da greift wohl der alte Taxiwitz:

Ein Taxifahrer heizt mit seinem Kunden wie blöde durch die komplette Stadt. Die erste Ampel nimmt er bei rot, die zweite auch. Das geht noch eine Weile so weiter, bis sie schließlich an eine grüne Ampel gelangen.
Der Fahrer tritt in die Eisen und bringt das Auto gerade noch so vor der Haltelinie zum Stehen. Der Fahrgast ist schockiert und äußert seinen Unmut, nachdem er in den Sitz zurückgefallen ist:

„Sagen sie mal? Sind sie bescheuert? Sie sind jetzt über 5 rote Ampeln gefahren, und jetzt bremsen sie an einer grünen. Fahren sie doch einfach rüber, verdammt!“

Der Taxifahrer entgegnet:

„Bin ich lebensmüde? Stellen sie sich vor, da kommt von rechts oder links ein Kollege!“