Ich schreibe hier tagtäglich von einem der Hauptkampfplätze Deutschlands: Dem Straßenverkehr. Ich weiß, das klingt jetzt ein wenig radikal und ich hab auch besseres zu tun, als hier zu klingen wie ein Fahrschullehrer. Aber gelegentlich muss ich doch mal nachfragen:
Wenn ihr da draußen unterwegs seit auf der Straße mit dem Auto: Ist euch eigentlich bewusst, dass ihr mit einem Gefährt unterwegs seid, das prinzipiell wesentlich tödlicher ist als eine langweilige Gewehrkugel?
Ich meine, mit etwas Trainig und einer gutgläubigen Schulklasse vor dem Kühlergrill schafft man locker mehrere Personen auf einmal…
Aber ich will gar nicht auf die Gefahren von Raserei, Drogen und den üblichen Mist raus. Was ist mit Stress? Aro hat kürzlich mal wieder von einer (wenn auch etwas uneindeutigen) Schlägerei berichtet – was sicher kein Einzelfall ist. Und schon gar kein taxispezifisches Problem!
Warum es so ist, weiß ich nicht – aber es ist weit verbreitet, im Straßenverkehr erst einmal alle Fehler der anderen als feindliche Aktion zu werten und alle eigenen als versehentliches Mißgeschick, das den anderen Hornochsen ja wohl auch begreiflich sein müsste! Wenn die nicht eh schuld sind! Bloß weil die Vorfahrt haben…
Ich bin ein geduldiger Mensch, stehe nicht mal unterbewusst auf Stress und die Situationen, in denen ich mich wirklich mal aufrege, geht auch das selten über ein zwei böse Worte hinaus. Vielleicht ein Glücksfall, genetisch sollte ich eine gewisse Veranlagung zur Cholerik haben.
Aber gestern habe ich mich mal wirklich gefreut darüber, alle Wut in den Wind zu schlagen und defensiv geblieben zu sein. Und das wollte ich kurz schildern. EInfach so 🙂
Ich bin den Weißenseer Weg in Richtung Süden entlanggebretzelt, die letzten Meter vor der Möllendorffstraße. Halbwegs am Tempolimit orientiert auf der mittleren Spur. Irgendwann tauchte vor mir ein Kombi auf, von dem ich allerdings nichts sah, da er einen großen Anhänger am Heck hatte. Er war etwas langsamer unterwegs als ich, was mich veranlasst hat, die Spur zu wechseln um ihn zu überholen. Alles ordentlich, mit Blinker, Abstand etc….
Irgendwann hatte ich zu ihm aufgeschlossen, war gerade dabei am hintersten Teil seines Anhängers vorbeizuziehen, als er plötzlich nach links auf meine Spur zieht. Kein Blinken, keine Rücksicht, ziemlich scheiße das alles. Ich hab das in dem Moment sinnvollste getan und eine behutsame und dennoch energische Vollbremsung hingelegt. Da er durchaus nicht langsam war, war ich binnen Sekundenbruchteilen aus der Gefahrensituation raus, da ich mit dem Fuß aber nicht auf der Kupplung war, hab ich das Auto kurzerhand abgewürgt. Kommt davon, wenn man immer im fünften Gang in der Stadt unterwegs ist…
Ihm war das auch nicht entgangen, und es war irgendwie lustig anzusehen, wie er vor mir in den nächsten 30 Sekunden jeden Spurwechsel artig mit Blinken ankündigte und behutsam wechselte (er wollte links abbiegen), nachdem auch er die Fahrt spürbar verlangsamt hatte. Ich hab schon am Fahrstil erkannt, dass der Typ genauso wie ich mindestens einen Schrecken hatte und über seinen Fehler nachgedacht hat.
An der Ampel kamen wir beide nebeneinander zum Stehen. Innerlich war bei mir schon noch das Verlangen da, ihn zu maßregeln oder mir wenigstens anzuschauen, was für ein Depp da über meine Straße fährt…
Aber ich hab demonstrativ ein Gute-Laune-Gesicht aufgesetzt, gewartet bis grün war, und nicht einmal rübergesehen. So, als wäre nichts passiert. Als hätte ich nicht durch meine Reaktion einen Totalschaden unser beider Fahrzeuge verhindert. Als wäre er nicht regelwidrig nach links gezogen ohne zu blinken, als hätte er nicht den Blick in den Rückspiegel vergessen…
Und jetzt? Als ob ich mich einen Tag später darüber noch ärgern würde! Als ob sich für mich irgendwas ändern würde… obwohl, sicher fahre ich in den nächsten Tagen wieder einmal etwas vorsichtiger.
Und er: Er ist jetzt immerhin nicht davon überzeugt, dass Berliner Taxifahrer cholerische Idioten sind. Über die Aktion nachgedacht hat er schon, da bin ich mir sicher. Und in Anbetracht dessen, dass ich jetzt nicht zwingend der Feind auf vier Rädern bin, fällt der Rückblick vielleicht sogar realistischer aus 🙂
Haltet mich für einen Idioten, aber ich bin fest überzeugt davon, dass der Weg der bessere ist!