Verkehr, kennta!?

Es ist vielleicht nicht so wirklich nett, da einen Zusammenhang herzustellen. Aber es muss einfach raus:

Ich hab noch nie in meinem Leben eine größere Herde egoistischer Vollhonks auf der Straße gesehen wie nach dem zweiten Mario-Barth-Auftritt vor der O2-World.

Versteht mich nicht falsch, ich finde die meisten Angriffe gegen Mario Barth noch viel hohler als die Witze, die mir von ihm selbst nicht gefallen. Ich finde Mario Barth nicht per se scheiße. Ich hab seine erste Platte auch mal irgendwo rumliegen gehabt und hab auch drüber gelacht, ganz ehrlich. Inzwischen wär’s mir ein bisschen zu flach, der Untergang des Abendlandes wird aber sicher nicht mit „Kennta? Kennta?“ eingeleitet.

So wie es da aber abging … ein Zusammenhang zwischen gepflegtem Proletentum und Verhalten im Straßenverkehr scheint mir einfach naheliegend zu sein.

Aber meine 5 Minuten auf der Mühlenstraße waren echt eine Show mit ganz eigenen Regeln. Dass es da nach Konzerten und anderen Veranstaltungen eng ist und man im Stau steht, das ist Standard. Dem Verkehr in der Gegend tut es nicht gut, dass die Halle keine Entlastungsstraße in Richtung Norden aufzuweisen hat. Ich zwäng mich da trotzdem gerne mal durch, weil es nach Ende der Shows oftmals einen Mangel an Taxen (oder am Durchblick, wo sie stehen) gibt, so dass Winker fast schon obligatorisch sind. Und für eine Tour stehe ich doch gerne mal 5 Minuten im Stau. Besser als 20 Minuten am Stand …

Das Drama begann noch in der Warschauer Straße. An der Ampel standen ein paar Fahrzeuge, mit der zweiten Grünphase kam ich allerdings locker durch. Ich wollte glücklicherweise sowieso auf die rechte Spur in der Mühlenstraße, sonst hätte mich wohl der Cayenne getroffen, der mit ziemlich aberwitzigem Tempo links an mir vorbeipfiff. Man muss ihm zugute halten, dass das während der Sperrung der Oberbaumbrücke in den letzten Monaten erlaubt war – aber nur nach Erinnerung fahren ist halt auch ein wenig doof.
An der Tamara-Danz-Straße hatte sich bereits eine lange Schlange Einfädelwütiger versammelt, die insgesamt nicht mehr so wirklich auf die Ampelphasen achtete. Ich hab zugunsten des Verkehrsflusses mal ignoriert, dass mir hier die Vorfahrt genommen wurde …
Vor der Hedwig-Wachenheim-Straße war die rechte Spur blockiert, weil allerlei Fahrer auf den Parkstreifen fahren wollten, ohne dass dort Platz für sie war. Auf die linke Spur rüberzukommen hat mich etliche Zeit gekostet, weil natürlich keiner mal Platz machen wollte. Kaum wieder in Fahrt wurde ich ziemlich dreist von einem Golf mit Münchener Kennzeichen geschnitten und ausgebremst, der ungeachtet der Hinweisschilder und der Männer in Warnwesten, die die Zufahrt absperrten, in die Mildred-Harnack-Straße abbiegen wollte. Ich bin genervt, aber vorsichtig, an ihm vorbeigefahren, da er nun ja auch ziemlich blöd im Weg rumstand. Als ich die Kreuzung passierte, hupte mich prompt ein Mercedes-Fahrer an, der aus der Einbiegung kam, aber unmöglich grün gehabt haben konnte.

Kein Winker bis dato. Aber immerhin fast durch!

An der Marianne-von-Rantzau-Straße war dann ebenfalls alles verstopft. In so ziemlich jede Richtung. Zwischen den kreuz und quer stehenden Autos gab es zwar eine kleine Lücke, nach dem Durchschlüpfen hätte ich allerdings selbst wie der letzte Horst mitten auf der Kreuzung stehen müssen. Also hab ich kurz gewartet. Keine fünf Sekunden später meinte ein Depp in einem Opel, er müsse mich mit seiner Lichthupe dazu überreden, es doch mal zu versuchen. Er zog es dann vor, mich rechts unter wildem Gehupe über die Abbiegerspur zu überholen, um letzten Endes direkt auf der Kreuzung zu stehen und von einem sichtlich ungehaltenen Vokuhila-Träger in einem Toyota angepöbelt und beschimpft zu werden.
Keine 50 Meter hinter dieser letzten wirklich relevanten und nervigen Kreuzung musste ich beinahe einem weiteren Mercedes ausweichen, der aus irgendwelchen Gründen meinte, hier mit sportlicher Fahrweise rückwärts dem Stau entgegenzugurken. An der Straße der Pariser Kommune konnte ich die Grünphase für Rechtsabbieger nicht nutzen, weil vor mir ein Spinner in einem BMW stand, der sich auf dieser Spur nur vorgedrängelt hatte und jetzt auf das grüne Licht für die Geradeausspur wartete.

Und dann hab ich mich an den Ostbahnhof gestellt und mich einfach darüber gefreut, diesen Irrsinn für ein paar Minuten los zu sein.

Taxi oder nicht?

So lobt man sich das!

Ich kam von der Petersburger Straße gen Süden geschossen, die Ampel am Frankfurter Tor im Blick. Sie war erstaunlicherweise schon grün und diesem Frieden ist einfach nicht zu trauen. Ein Kollege war noch vor mir und im Gegensatz zu mir schaffte er es. Ich hab zwar meinen kritischen Blick aufgesetzt, als er mit seiner vielleicht 100 PS stärkeren E-Klasse vor mir mal eben einen Endspurt hingelegt hat (schließlich fuhr ich selbst schon knapp 60), aber vielleicht war die Ampel wirklich noch nicht rot, als er sie passierte und unter Bremsenquietschen scharf rechts auf die Karl-Marx-Allee in Richtung Alex einbog.
Ich kenne das ja: manchmal will man’s einfach noch schaffen – und auch den größten Profi erwischt mal die Unvernunft. Ironischerweise tat mir das Warten an der Ampel ganz gut, denn auf der anderen Straßenseite postierte sich eine Winkerin. Dem Anschein nach irgendwo um die 60 Jahre alt, nicht gerade die Durchschnittskundschaft um halb drei. Während der Nachtschicht erliegt man ja manchmal dem Glauben, die einzigen Senioren in Berlin wären die Kollegen am Taxistand.

Man kann sich die äußerst energische Winkerin ungefähr so vorstellen wie „es Hilde“ aus der Serie „Familie Heinz Becker“. Nur ein wenig korpulenter. Klein, altersgerechte Kurzhaarfrisur, Brille mit sichtbarem Rand und einem verzweifelten Blick, weil die Welt mal wieder nicht so wollte wie sie. Anbei ein Mann. Ein unscheinbarer Rentner, im Gegensatz zu ihr in unauffälliges Grau gekleidet, eine ebenso fahle Schiebermütze auf dem ebenfalls bebrillten Kopf. Sicher sehr angenehme Kundschaft und zweifelsohne eine Abwechslung!

Ich setze den Blinker und halte direkt auf dem Fahrradweg. In dieser nasskalten Nacht sind kaum Radler unterwegs und so erlaube ich es den Autofahrern hinter mir, ohne Spurwechsel vorbeizufahren.

Und nun? Die Frau wirbelt freudig erregt im leichten Nieselregen umher, ist erleichtert, dass ich halte. Er hingegen würdigt mich nur schnell eines Blickes und stapft energisch und mit nach unten gezogenen Mundwinkeln von dannen. Seine Begleiterin, mutmaßlich seine Frau, redet auf ihn ein, gestikuliert wild – was ihn kein bisschen kümmert.
Das alles spielt sich für mich lautlos ab. Die Fenster sind geschlossen, allenfalls ein wenig Lärm der vorbeifahrenden Autos dringt zu mir ins Cockpit vor.
Die Frau ist außer sich vor Bestürzung, es ist ihr sichtlich peinlich, dass sie mich rangewunken hat, obwohl ihr Begleiter jetzt offenbar die Entscheidung getroffen hat, nicht mit mir zu fahren. Ob er einfach kein Taxi will, ob ihm mein Opel zu billig oder mein Bart zu sehr Rock ’n‘ Roll ist? Wer weiß es schon? Am Ende verständigen ich und ’s Hilde uns mittels hochgezogener Schultern darüber, das wir uns wohl nicht näher kennenlernen würden.

Meinem Glück tat’s keinen Abbruch, denn 20 Meter weiter winkte nun eine bedeutend jüngere Frau. Ohne mürrischen Begleiter. War nur eine Kurzstrecke, aber immerhin eine Fahrt.

Keine Poblem!

Cottbus also. Viel gesehen habe ich in der Nacht nicht von der Stadt, aber sie wirkt nachts recht beschaulich. Wie ja fast alles in Deutschland. Die Rückfahrt war an sich schön, 100 Kilometer unbeschwerter Heimflug mit bereits verdientem Geld – besser geht es ja kaum. Aber gezogen hat es sich. Heute taut der ganze Schnee bereits weg, auf der Autobahn nach Berlin hat man sich nach 5 Minuten gefühlt, als würde man auf einen Win98-Screensaver starren, Schneeflocken überall. Eine gewisse Hirbeligkeit im Kopf machte sich breit. Ich hab’s dann auch langsam angehen lassen, dem Tempomat die Geschwindigkeit unter der maximal erlaubten diktiert und zwei Coffees gegen die aufkommende Müdigkeit eingeworfen.

Da arbeitet man 4 Jahre in der Nachtschicht und hat seinen Biorhythmus immer noch nicht umfassend verarscht!

Zuletzt hab ich die hellen und abwechslungsreichen Straßen Berlins geradezu herbeigesehnt. Ich war zwar erst rund 6 Stunden auf der Straße, aber dafür weite Teile durchgehend – ist man ja als Taxifahrer auch nicht gerade gewöhnt. Kurzum: ich dachte an einen frühen Feierabend. Aber wie immer schaltete ich die Fackel nicht einfach aus. Kann man ja nicht machen, schon gar nicht an einem Sonntag Morgen um 3 Uhr!

Ich wurde umgehend wieder fitter in der Stadt und beschloss, zumindest den Gastank schon mal wieder aufzufüllen. Kleiner Umweg zur nächsten Tanke, ansonsten hab ich mal grob in Richtung Heimat gezielt. Nach dem Tanken kurz Winker, kleine Tour, unter 8 €. Kam mir irgendwie mickrig vor. Egal, weiter!

Ich war bereits gefühlt in Marzahn, eierte die Rhinstraße hoch, da winkte es tatsächlich noch. Ein bereits reichlich verlebt aussehender Typ, um die fünfzig vielleicht, offenbar asiatischer Abstammung. Ich hoffte auf eine schnelle Tour, die mich der Heimat näher bringen würde, stattdessen meinte er:

„Kenndu Casino, Lessandaplas?“

„Hm, Casino am Alex?“

„Opossdaplaas!? Possdaplaas!“

„Aber ein Casino? Am Potsdamer Platz. Die Spielbank?“

„Bielank! Ja!“

Es mag undankbar erscheinen, aber sonderlich gefreut habe ich mich nicht über diese zehn Kilometer lange Fahrt, zu der ich umgehend wenden musste und mit der meine Heimat langsam im Rückspiegel verschwand. Auf der anderen Seite war es aber eben eine fette 20€-Winkertour. Trotz Cottbus ist das eine tolle Sache. Während ich mich innerlich also mit meinem Schicksal arrangierte, indem ich mir meinen Verdienst ausrechnete, ermahnte mein Fahrgast mich:

„Biee snell fahe!“

„OK, ich sehe, was ich tun kann.“

Schnell fahren. Das ist nachts um halb vier nicht wirklich ein Problem, aber an gewisse Verkehrsregeln hat man sich als professioneller Fahrer dann halt doch zu halten. Wenigstens so grob …
Dass ich ganz knapp über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit war, nicht einmal ihm, sondern eher mir zuliebe, nahm er wortlos zur Kenntnis und neigte umgehend zum Wegnicken. Nach einer knappen Minute standen wir an der Rechtsabbiegerampel, die uns auf Alt-Friedrichsfelde, die große Ost-West-Achse, führen sollte.

„Oje. Kenne Lampe. Is lange Waatn!“

„Ach ja …“

„Keine Poblem! Einfa faahe!“

Na klar. Vom Beifahrersitz aus redet sich das ja schön daher. Aber ein fleißiger Gesetzeshüter in der Ecke und ich hätte – dieses Mal zu Recht – wieder den ganzen Mist wegen überfahrenen Rotlichts an der Backe. Nicht nur, dass ich eigentlich recht stolz bin auf meine 0 Punkte in Flensburg, ein beknackter Verstoß wie der hätte mich mehr gekostet als die ganze Nacht gebracht hatte. Inklusive Cottbus, inklusive Trinkgeld! Manche blöde Ideen erkennt man recht schnell und ich hab meinen Fahrgast folglich einfach auflaufen lassen. Hat mich vielleicht einen oder zwei Euro Trinkgeld gekostet. Boah, tragisch!

Den Rest der Fahrt über hat er glücklicherweise geschlafen und nach der Tour hatte ich auch nichts anderes mehr vor. Dieses Mal hab ich den Heimflug auf dem kürzesten Weg auch geschafft. Ohne Unterbrechungen. Irgendwann ist dann auch mal gut.

Die Kollegen Dunning und Kruger

Der Dunning-Kruger-Effekt ist für mich eine sehr gute Erklärung, warum man mit Idioten so viele Probleme hat. Idiotie alleine wäre oftmals allenfalls eine niedliche Macke und im privaten Bereich vielleicht sogar recht unterhaltsam. O.g. Effekt beschreibt das, was uns dann aber allen auf den Keks geht:

Eben durch ihre Inkompetenz fehlt den Leuten die Einsicht, dass sie inkompetent sind. In der Folge fehlt – flapsig ausgedrückt – just den größten Idioten die Ahnung, dass sie keine Ahnung haben, Sie werden ihre Meinung selbstsicher vertreten, sich überschätzen und erst Recht schlecht blicken, wenn jemand anders cleverer ist. (Wikipedia zum Dunning-Kruger-Effekt)

Das Schöne daran ist: so lange man der selben Meinung ist, passiert auch nix. Im Dienstleistungsbereich gerät man aber immer mal wieder in Situationen, in denen die Meinung von Kunde und Dienstleister aufeinander treffen. Da die beiden Parteien von den Umständen des Gegenüber oft recht wenig wissen, begibt man sich somit leicht auf’s Glatteis eines Kompetenzgefälles – und nicht immer kommt man dabei vorwärts, ohne auf die Nase zu fliegen.

Ich stand letztes Wochenende in Hohenschönhausen und war eigentlich schon vorab ein wenig verärgert, weil ich wegen einer unglücklichen Infopanne umsonst dorthin gefahren war. Scheinbar war das Glück mir jedoch hold und sandte mir ein paar Fahrgäste. Na prima?

Denkste!

„Na endlich sind Sie da!“

„Oh! Hatten Sie etwa ein Taxi bestellt?“

„Na sicher – sie sind doch Suleyman!“

„Ähm, nein. Leider nicht! Aber ich bin sicher, der Kollege kommt gleich.“

„Können Sie uns nicht einfach kurz mit dem Kind hier durch die Gegend fahren?“

Ich hab mich überwinden müssen, sie nicht einfach einzuladen. Aber es wäre unfair dem Kollegen gegenüber gewesen und zudem hätte ich für das Kind wirklich keine passende Sicherung gehabt. Dafür war es schlicht zu klein. Ich habe also freundlich, dennoch bestimmt, verneint und sie gebeten, doch kurz zu warten.
Für den ersten Moment schienen sie das auch zu akzeptieren. Ich hatte noch kurz was im Auto rumzuräumen, stand also noch etwa fünf Sekunden da. Dann riss der Typ, Marke Möchtegern-Irgendwas mit Karohemd und Brille, abermals die Beifahrertür auf und schnauzte mich an:

„So ein Scheiß! Erst schicken Sie uns mit dem Kind hier durch die Gegend und dann wollen Sie uns nicht mitnehmen! Eine Frechheit!“

Keine Ahnung, wie es euch so geht, aber ich lass mich ungern anschreien. Schon gar nicht, wenn ich nichts für den Ärger kann. Am liebsten wäre ich natürlich rübergegangen, hätte den Kerl gefechtsunfähig gemacht und ihm vorgeworfen, der Blödheit der Menschheit Vortrieb zu leisten, indem er sich auch noch vermehrt. Wäre sicher befriedigend gewesen, aber ich halte es da dann doch mit Fettes Brot:

N‘ dummer Bauer
mit blaugehau’nen Augen
wär keine Nummer schlauer
das wäre blauäugig zu glauben …

(witzigerweise ein Text, der auf einen Taxifahrer bezogen ist)

Aber hey: ich hatte überhaupt niemanden irgendwohin geschickt und ich hätte sie eigentlich sehr gerne mitgenommen. Außerem wusste ich, dass ich nicht bestellt war, dass noch ein Taxi unterwegs ist und dass ich die Fahrt wegen fehlendem Kindersitz gar nicht hätte machen dürfen. Für mein Gegenüber, immerhin erwachsen genug um ein Kind zu tragen, stand ganz offensichtlich die Gleichung fest:

„Ich hab ein Taxi bestellt + da steht ein Taxi = mein bestelltes Taxi ist da“

Für mich war das etwas unbefriedigend, denn nach kurzer Selbsteinschätzung war ich immer noch Sash, nicht Suleyman – und meiner 1925 war auch noch kein passender Kindersitz und eine neue Konzessionsnummer gewachsen. Also bin ich zumindest oberflächlich ruhig geblieben, ausgestiegen und hab einfach darauf hingewiesen, dass ich doch nicht einmal wüsste, welches Taxi sie wo bestellt hätten und mich deswegen ein bisschen zu Unrecht angegangen fühlen würde. Aber klar – an einer inhaltlichen Diskussion lag den Intelligenzverweigerern wenig Sie hatten ja Recht, soll dieser Depp von Suleyman doch sagen, was er will!
Ihre „logische“ Konsequenz auf meine Nachfrage war, sich ein freies Taxi heranzuwinken. Klar: Man kann ja ruhig mal drei Taxifahrer in einer Viertelstunde beschäftigen!

Ich hab natürlich auf eine große Szene verzichtet. Schlimm genug, dass ein egoistischer Schwachmat mir meine Laune versaut, was sollte ein Streit um eine Tour, die ich jetzt ganz sicher nicht mehr fahren wollte, bewirken? Und wenn er so weiter macht, vermöbelt ihn schon mal jemand anders für mich mit, das ist ok.

Ich sollte da nicht so emotional sein. Schon klar. Ich freue mich trotzdem immer, wenn man nach ein paar gewechselten Sätzen den Erkenntsnisstand angeglichen hat – dann kommen die Kollegen Dunning und Kruger gar nicht erst zum Zug. 😉

„Ick hab ja Zeit!“

Nachdem eine Lesertour gestern aufgrund akuter Fliegerverspätung leider doch nicht stattgefunden hatte, fuhr ich eher uninspiriert durch den Wedding in Richtung City zurück. Glücklicherweise griff ich noch einen Winker auf, der zumindest mal bis Charlottenburg meine Dienste in Anspruch nehmen wollte. So weit, so gut!

Der Beginn der Fahrt verlief noch reibungsfrei, am Ernst-Reuter-Platz war damit Schluss. Als ich gerade die grüne Welle zu nutzen gedachte, eierte ein Polizei-Touran auf die Straße und machte dicht. Dass dem Cop beim Aussteigen schier sein eigenes Auto weggefahren wäre, hat mich zumindest mal sehr erheitert, der Aufwand der Eskorte, die da für irgendeinen Politikhansel betrieben wurde, war aber wirklich ein bisschen abenteuerlich. Also dass der ein oder andere mit Polizeischutz unterwegs ist, verstehe ich ja noch. Aber permanent immer runde zwei bis drei Kilometer im Vorfeld die Straßen abriegeln?

Geht bei so einer Panzerlimo die Garantie flöten, wenn sie an einer roten Ampel halten muss?

Da das Schauspiel (das in den ersten drei Minuten sowieso nur Polizeiautos umfasste) sich etwas zog, kurbelte mein Fahrgast dann sein Fenster runter. Er sah aus, als wolle er den Polizisten fragen, wie lange der Spaß noch dauern würde – stattdessen lehnte er sich in zweifacher Hinsicht aus dem Fenster und brüllte den Cop an:

„ICK HAB JA ZEIT!“

In dem Moment war dann allerdings fast schon alles vorbei. Die Kolonne nicht gerade vorbildlicher Verkehrsteilnehmer schoß umgehend vorbei, nicht ohne um 22:30 Uhr nochmal die ganze Nachbarschaft vollzubäffen:

„DIT IS NE KOLONNE!!! KEIN AUTO F’ÄHRT!“

Nee, bei den Spaßbremsen wäre ich auch ungerne mitgefahren. Dabei ist es echt lustig, sich in Polizeikolonnen einzureihen. Die Blicke sind so gespielt unlustig, dass man doch wieder lachen muss – und bei einem kann man sich sicher sein: die halten in dem Moment nicht an und wiken einen raus … 😉

Im Grunde hat mein Fahrgast es aber auch mit Humor genommen und abschließend verkündet:

„Na, wenn die Merkel jetzt den Herrn Sauer halt flott mal Königsberger Klopse kochen soll, dann is dit halt so!“

In diesem Sinne: frohes Wochenende euch allen!

BER, LDS, WTF und LMAA

Die Wellen schlagen ja seit dem 1. Januar wieder mal höher, was das Taxigewerbe in Berlin angeht. Der Grund ist wie bei sämtlichen Kindergärtnereien das nicht enden wollende Gerangel um den Flughafen Schönefeld (SXF), bzw. die Dauerbaustelle des BER. Es ist in allen Medien nur noch vom „Taxi-Krieg“ die Rede, wenngleich es allenfalls ein paar Handgreiflichkeiten in den letzten Jahren gab – was im Grunde für eine recht niedrige Idiotenquote im Gewerbe spricht, wenn man mal betrachtet, wie viele wir sind.

Das Problem

Das Problem am jetztigen und auch am zukünftigen Flughafen ist, dass er im Landkreis Dahme-Spreewald (LDS) liegt. Dazu kam, dass vor einigen Jahren noch in LDS nur rund 40 Taxen zugelassen waren, die das Fahrgastaufkommen dort gar nicht bewältigen konnten. Das Pflichtfahr- und Tarifgebiet der verschiedenen Taxen endet hier aber wie fast überall deutschlandweit an der Stadt-/Landkreisgrenze und ignoriert den Flughafen. Ergo: obwohl der Flughafen dem Gefühl der meisten Leute nach zu Berlin gehört, ist taximäßig LDS dort zuständig.

Lösungs-, bzw. Problemerschaffungsversuche

Die geringe Taxianzahl in LDS war ausschlaggebend dafür, dass es zwischen Stadt und Landkreis ein Abkommen gab, welches uns Berliner Fahrer berechtigt hat, am Flughafen Kundschaft aufzunehmen. Wie genau und wann das System gewachsen ist, weiß ich auch nicht, aber das Abkommen beinhaltete natürlich auch Einschränkungen und Gegenleistungen. Es wurde eine Vorrückregelung am Flughafen geschaffen, die zunächst die LDS-Fahrer begünstigte, weil sie zahlenmäßig unterlegen waren – und einigen LDS-Fahrern wurde erlaubt, auch am Flughafen Tegel (der auf Berliner Stadtgebiet liegt) zu laden. Als die BER-Planungen langsam Gestalt annahmen und wunderliche Gerüchte um die Verdienstmöglichkeiten am größeren Flughafen herumgingen, meldeten einige Berliner Taxiunternehmer ihr Unternehmen in LDS an, so dass die Zahl der Taxen im Landkreis auf mehrere hundert stieg. Womit, relativ unerwartet, plötzlich die Berliner in der Schlange im Vorteil waren.
Deswegen wurde um die 1:1-Regelung auch wieder gefeilscht, sie wurde geändert und am Ende haben sich die Gewerbevertretungen bei der Lösungsfindung um einen gemeinsamen Tarif am Flughafen zerfleischt.
Bis dato war die (für Fahrgäste auch nicht gerade sinnvolle) Lösung, dass die Taxen halt einfach unterschiedlich kosteten, je nachdem, welches Kennzeichen der Wagen hatte. Die Tariffindung gestaltete sich schwierig, da die bisherigen Tarife extrem unterschiedlich sind:

Berlin hat einen recht einfachen Tarif mit der berühmten Wartezeitunterdrückung und ohne (hier nennenswerte) Zuschläge, die kurzen Fahrten sind teurer als im LDS-Taxi, die übliche Tour vom SXF (oder BER) ins Zentrum Berlins jedoch billiger.

LDS hat einen komplexeren Tarif mit Nachtzuschlag, keine Wartezeitunterdrückung, dafür günstigere erste Kilometer.

Keiner wollte auf die eigenen Vorzüge verzichten, am Ende stand ein ziemlich dürftiger Kompromiss: Bei der Eröffnung des BER sollten alle Fahrten von dort nach LDS-Tarif gefahren werden, egal woher das Taxi kommt. Dass das keine endgültige Lösung sein würde (es hätte hier in Berlin z.B. anscheinend Probleme gegeben, den neuen Tarif im Taxameter einzuspeichern), war klar. Der Senat aber war stolz wie Bolle, die Gewerbevertretungen suchten weiter nach Lösungen und die Fahrer hassten sich nach wie vor und bezichtigten die anderen jeweils der Abzockerei, des Vordrängelns und dergleichen mehr.

Dann wurde die Eröffnung des BER plötzlich um anderthalb Jahre verschoben und der Landkreis kündigte recht überraschend an, dass die bisherige Einigung damit hinfällig sei und hat die Zusammenarbeit zum 31.12.2012 hin gekündigt.

Der jetztige Stand

Seit Jahresbeginn dürfen nun keine Berliner Taxen mehr Fahrgäste am Flughafen Schönefeld aufnehmen. Also ja, dürfen sie natürlich – wenn sie bestellt sind. Das Ganze betrifft nur den Taxistand. Im Gegenzug haben die LDS-Fahrer, die bislang Tegel angesteuert haben, dort auch kein Laderecht mehr. Was nun in Boulevard-Medien als „immer irrer“ bezeichnet wird, soll auf der anderen Seite vollkommen „gelungen“ und „harmonisch“ sein. Im Grunde ist die Regelung damit zwar neu, ansonsten aber einfach nur identisch mit dem, was an den meisten Grenzen zwischen Tarifgebieten in Deutschland üblich ist: es ist eine Grenze, ab dort ist Schluss mit Fahrgastaufnahme. Immerhin eine durchschaubare Regelung.

Vorteile:
Kein Tarif-Roulette am Flughafen mehr, die Preise sind einheitlich.
Die Grenzen sind einheitlich und nachvollziehbar.
Alle Taxen können ihre Tarife behalten.
Weniger Stress zwischen den Lagern.

Nachteile:
LDS hat derzeit eher Probleme, weil Tegel noch besser läuft als Schönefeld.
Berlin wird Probleme haben, weil Tegel irgendwann in den nächsten, sagen wir mal 10 Jahren, schließt.
Die Fahrgäste zahlen für eine Fahrt von Schönefeld in die City ein paar Euro mehr.

In der Presse wird gelegentlich prominent erwähnt, wie schlimm das sei, dass die LDS-Taxen jetzt leer durch die ganze Stadt zurückfahren müssten – oder die Berliner, wenn sie Kunden in SXF anliefern. Dabei wird meiner Meinung nach übersehen, dass das bisher nicht groß anders lief. Viele Fahrer fahren ausschließlich vom Flughafen, es wird nur recht wenige Berliner Kollegen betreffen, die z.B. immer am SXF gestartet sind und dann in der City ihre Schicht fortgesetzt haben.

Aber wir würden hier keinen Kindergartenkrieg führen, wenn wir nicht jetzt schon wieder Gespräche vereinbart hätten und eine neue „Lösung“ anstreben würden …

Meine persönliche Meinung als Berliner Taxifahrer

Lassen wir’s doch so!

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich würde mich über einen gemeinsamen Tarif mit LDS freuen. Aber mir ist auch klar, wie schwierig das ist. Ich bin ja selbst ausgesprochener Befürworter unseres recht simplen Tarifs, weil ich Transparenz wichtiger finde als die Möglichkeit, irgendwo noch ein paar Cent mehr abzugreifen.

Ich finde es als Taxifahrer zwar auch bekloppt, dass der Senat mal eben zwei innerstädtische Flughäfen schließt, um einen auf dem Land nie fertigzubauen. Andererseits ist es derselbe Senat, der an den Flughäfen mal eben Privatfirmen in den Taxitarif eingreifen lässt (zu diesem Thema hab ich hier noch ein paar Worte verloren). Es gibt offenbar ohnehin keinen, der sich wirklich für die Belange der Taxifahrer interessiert, da kann man doch froh sein, wenn uns der ganze Flughafenstress künftig nicht mehr betrifft.

Das Problem, dass inzwischen zu viele Taxen auf der Straße unterwegs sind, wird zwar dadurch verschärft, rein mengenmäßig ist aber weder der eine, noch der andere Flughafen sonderlich relevant fürs Gewerbe. Dem Problem mit den vielen Taxen sollte ohnehin mal durch einen Konzessionsstopp oder durch eine vernünftigen Kontrolle begegnet werden.

Außerdem bin ich mir auch nicht sicher, ob der BER irgendwann mal ein wirklich gutes Geschäft abgeben wird. Die Preise für die Taxifahrt von dort in die City werden dank größerer Entfernung und den Zuschlägen deutlich höher sein als bisher, im Gegenzug bekommt der Flughafen eine schnelle Bahnanbindung. Ob da nur wegen steigender Passagierzahlen wirklich ein Plus für uns herausspringt, darauf würde ich nicht wetten. Vorschnelles Ärgern halte ich da für nicht angebracht. Und wer als Taxifahrer unbedingt zum Flughafen will, kann ja sein Gewerbe in LDS melden – er wäre damit ja in guter Gesellschaft.

Und die Preise für die Kunden? Ich würde mal sagen, dass die Kunden, die sich für die 5 bis 10 € interessieren, mit der Zeit wissen werden, dass sie dafür ein Berliner Taxi bestellen müssen. Vielleicht ist der Status Quo also doch nicht ganz so schlimm, wie es allenthalben berichtet wurde.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Meista!?

Dass der Typ nicht unbedingt ein Fahrgast war, war mir schnell klar.  Man kann sich mal irren, aber mit der Zeit hat man doch ein Gespür dafür, ob einen die Leute vor dem Auto nach einer Möglichkeit zur Kartenzahlung oder nach einem Euro fragen wollen. Daran denkend, dass mein Kleingeldfach gerade nicht so optimal ausgestattet ist, ließ ich die Scheibe runter. Und da stand er dann endgültig vor mir und beugte sich fast ins Auto. Das Alter irgendwo zwischen 60 und 40, zauseliger Bart, gelbliche Zähne und eine Fahne, die in den Augen brannte.

Naja, einen Euro kann ich sicher entbehren …

„Meista!?

„Was is?“

„Tschuljung! Du bis nu der Letzte, tut ma ja ooch leid. Sach mal, haste vielleicht ’n Maßband oder ’n Zollstock dabei? Ick jeb Dir auch Pfand, keen Ding!“

In dem Fall tut es mir ganz besonders leid, dass ich die Nachfrage mit „Nein“ beantworten musste. Ich hätte doch zu gerne mitgekriegt, worum es ging! 🙂