„Ick hab ja Zeit!“

Nachdem eine Lesertour gestern aufgrund akuter Fliegerverspätung leider doch nicht stattgefunden hatte, fuhr ich eher uninspiriert durch den Wedding in Richtung City zurück. Glücklicherweise griff ich noch einen Winker auf, der zumindest mal bis Charlottenburg meine Dienste in Anspruch nehmen wollte. So weit, so gut!

Der Beginn der Fahrt verlief noch reibungsfrei, am Ernst-Reuter-Platz war damit Schluss. Als ich gerade die grüne Welle zu nutzen gedachte, eierte ein Polizei-Touran auf die Straße und machte dicht. Dass dem Cop beim Aussteigen schier sein eigenes Auto weggefahren wäre, hat mich zumindest mal sehr erheitert, der Aufwand der Eskorte, die da für irgendeinen Politikhansel betrieben wurde, war aber wirklich ein bisschen abenteuerlich. Also dass der ein oder andere mit Polizeischutz unterwegs ist, verstehe ich ja noch. Aber permanent immer runde zwei bis drei Kilometer im Vorfeld die Straßen abriegeln?

Geht bei so einer Panzerlimo die Garantie flöten, wenn sie an einer roten Ampel halten muss?

Da das Schauspiel (das in den ersten drei Minuten sowieso nur Polizeiautos umfasste) sich etwas zog, kurbelte mein Fahrgast dann sein Fenster runter. Er sah aus, als wolle er den Polizisten fragen, wie lange der Spaß noch dauern würde – stattdessen lehnte er sich in zweifacher Hinsicht aus dem Fenster und brüllte den Cop an:

„ICK HAB JA ZEIT!“

In dem Moment war dann allerdings fast schon alles vorbei. Die Kolonne nicht gerade vorbildlicher Verkehrsteilnehmer schoß umgehend vorbei, nicht ohne um 22:30 Uhr nochmal die ganze Nachbarschaft vollzubäffen:

„DIT IS NE KOLONNE!!! KEIN AUTO F’ÄHRT!“

Nee, bei den Spaßbremsen wäre ich auch ungerne mitgefahren. Dabei ist es echt lustig, sich in Polizeikolonnen einzureihen. Die Blicke sind so gespielt unlustig, dass man doch wieder lachen muss – und bei einem kann man sich sicher sein: die halten in dem Moment nicht an und wiken einen raus … 😉

Im Grunde hat mein Fahrgast es aber auch mit Humor genommen und abschließend verkündet:

„Na, wenn die Merkel jetzt den Herrn Sauer halt flott mal Königsberger Klopse kochen soll, dann is dit halt so!“

In diesem Sinne: frohes Wochenende euch allen!

14 Kommentare bis “„Ick hab ja Zeit!“”

  1. Nessa LG sagt:

    Dit is Berlin, wa?
    Großartig. 😀

  2. der schwob sagt:

    „Ängie komm mal schnell heim und mach abendessen. Aber flott….“
    Da bekam früher grüne Welle eine ganz andere bedeutung.
    Heute ist das anders. Blaue leute machen selten den weg frei…die torkeln eher in einen rein

  3. dingens sagt:

    „Geht bei so einer Panzerlimo die Garantie flöten, wenn sie an einer roten Ampel halten muss“

    Wichtigste Regel bei Panzerlimos: Immer in Bewegung bleiben. Das gehört zum Sicherheitskonzept der Karren dazu.

  4. elder taxidriver sagt:

    Am Fußgängerüberweg Wittenbergplatz hat mal ein Motorradpolizist die Straße freigemacht für einen Motorradkorso oder
    Skaterkorso , ich glaube die nennen sich intern ‚Feger‘ oder so . Ich hörte noch, wie er zu den 20 Fußgängern sagte
    ( mit feinem Humor):
    ‚Dauert nur 10 Minuten‘ . Und zischte ab.

  5. Sven Glückspilz sagt:

    Politiker unterwegs – wahrscheinlich berufen die sich darauf, dass bei uns NICHT der Grundsatz Freiheit-Gleichheit-Brüderlichkeit gilt. Ich bin einmal durch das östliche Zentrum Berlins geschlendert, als am Straßenrand eine Panzerlimousine hilt. Aus stieg Herr Stolpe, damals Ministerpräsident von Brandenburg, außerdem zwei andere Anzugträger, von denen der eine auf mich zu kam und dabei eine Hand unter das Jacket steckte. Mir wurde ganz anders …
    .
    Noch länger zurück begegnete mir der Konvoi des damaligen Ministers Schwarz-Schilling. Nach dem Einbiegen von der A66 auf die A3 tuckerten die beiden Panzermercedes gemächlich über die Autobahn, ich wollte schneller fahren, beschleunigte auf ca. 160 km/h, überholte den Konvoi und ordnete mich rechts ein. Der Konvoi blieb in der Mitte und kam langsam wieder näher, bis er mich dann erfolgreich hinter langsamfahrenden Autos einklemmte. Auf mein erzürntes Gestikulieren hin versuchte mich auch einer der Sicherheitsbeamten mit Blicken zu töten …
    .
    Und schließlich der ehemalige hessische Landeschef Roland „die Lippe“ Koch, der sich kraft seines Amtes ein Sonderrecht besorgte, mit seinem Konvoi schneller als erlaubt über damals auf 120 km/h begrenzte A66 rasen zu dürfen, damit er abends schneller nach Hause kommen konnte. Zwei BMW-Panzer, die ohne Abstand über die zweispurige Autobahn rasten und jeden von der linken Spur nötigten, der nicht schnell genug kapiert hatte, dass hier der Boss anrauscht …

  6. Roichi sagt:

    Och, man gewöhnt sich dran.
    Die TU ist ja regelmäßig davon betroffen.

    Schlimm wird’s immer nur, wenn der israelische, oder der amerikanisch Präsident vorbeikommt.
    Das geht dann Stunden vorher nichts mehr.
    Und die Kolonne umfasst auch Fahrzeuge mit MG auf dem Dach.

  7. Ana sagt:

    Stark sympatischer Fahrgast 🙂

  8. Hannah sagt:

    Wär dein Fahrgast ein Tourist vom Lande gewesen, hätte es wahrscheinlich ne Fotosession gegeben…so ne Kolonne ist doch beeindruckend 😉 Israelische, palästinensische und amerikanische Staatsgäste und ihr Fuhrpark sind aber tatsächlich einigermaßen beeindruckend (ob ‚beeindruckend‘ jetzt positiv oder negativ gemeint ist, lasse ich mal lieber offen…)

  9. Der Banker sagt:

    Geht bei so einer Panzerlimo die Garantie flöten, wenn sie an einer roten Ampel halten muss?

    Möglich.
    „Bei unsachgemäßer Fahrweise erlischt der Garantieanspruch!“ – BMW Bordcomputer, TND (James Bond hatte das Auto in die Finger gekriegt)

  10. Sonnenschein sagt:

    Da kannst du noch froh sein, dass du nicht in Brüssel Taxi fährst 🙂
    Ich hab mal ein halbes Jahr dort gewohnt, und meine Uni war auch noch direkt neben den EU-Gebäuden… da vergeht kein Tag ohne Sperrungen (oft mit Stacheldraht und pipapo), gepanzerte Limos und bewaffnete Schutztruppen *seufz*

  11. Sash sagt:

    @Nessa LG:
    Ja, dit is Berlin. Allerdings. 🙂

    @der schwob:
    Ja, so sieht es bei mir im Taxi ja auch aus 😉

    @dingens:
    Ja, ist schon klar. Ein bisschen lächerlich wirkt es aber schon.

    @elder taxidriver:
    LOL! Das ist auch eine Marke gewesen! 😀

    @Sven Glückspilz:
    Na das sind ja auch aussagestarke Begegnungen …

    @Roichi:
    Ich bin ja fast schon schockiert, dass es mich erst jetzt trifft – aber ein bisschen albern kann man es ja wohl finden … 😉

    @Ana:
    Eigentlich nicht wirklich. Ich habe behutsam einige Aussagen weggelassen. Hatte nichts mit der Politik zu tun, aber arg viel besser als dem Cop gegenüber war er mir manchmal auch nicht …

    @Hannah:
    Dass er kein Touri war, hat man schnell bemerkt. So gesehen hast Du Recht! 😀

    @Der Banker:
    Das erinnert mich irgendwie an eine (angebliche) Gebrauchsanweisung der Mercedes-S-Klasse, die behauptet, man solle die ersten 1.200 km nicht schneller als 30 km/h fahren …

    @Sonnenschein:
    Na auf den Zirkus verzichte ich wirklich gerne!

  12. […] “Ick hab ja Zeit!” » gestern-nacht-im-taxi.de […]

  13. […] wird. Aber vielleicht immer noch besser, als die nüchterne Erkenntnis eines meiner Fahrgäste, der bei einem Zwangsstopp aufgrund eines offenbar wichtigen Staatskonvois […]

  14. […] wahr, aber ganz alltäglich blieb die Fahrt nicht. Wie schon letztes Mal war es am Ernst-Reuter-Platz, als fast unmittelbar vor meiner Nase abgesperrt wurde, um einer […]

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