Keine Poblem!

Cottbus also. Viel gesehen habe ich in der Nacht nicht von der Stadt, aber sie wirkt nachts recht beschaulich. Wie ja fast alles in Deutschland. Die Rückfahrt war an sich schön, 100 Kilometer unbeschwerter Heimflug mit bereits verdientem Geld – besser geht es ja kaum. Aber gezogen hat es sich. Heute taut der ganze Schnee bereits weg, auf der Autobahn nach Berlin hat man sich nach 5 Minuten gefühlt, als würde man auf einen Win98-Screensaver starren, Schneeflocken überall. Eine gewisse Hirbeligkeit im Kopf machte sich breit. Ich hab’s dann auch langsam angehen lassen, dem Tempomat die Geschwindigkeit unter der maximal erlaubten diktiert und zwei Coffees gegen die aufkommende Müdigkeit eingeworfen.

Da arbeitet man 4 Jahre in der Nachtschicht und hat seinen Biorhythmus immer noch nicht umfassend verarscht!

Zuletzt hab ich die hellen und abwechslungsreichen Straßen Berlins geradezu herbeigesehnt. Ich war zwar erst rund 6 Stunden auf der Straße, aber dafür weite Teile durchgehend – ist man ja als Taxifahrer auch nicht gerade gewöhnt. Kurzum: ich dachte an einen frühen Feierabend. Aber wie immer schaltete ich die Fackel nicht einfach aus. Kann man ja nicht machen, schon gar nicht an einem Sonntag Morgen um 3 Uhr!

Ich wurde umgehend wieder fitter in der Stadt und beschloss, zumindest den Gastank schon mal wieder aufzufüllen. Kleiner Umweg zur nächsten Tanke, ansonsten hab ich mal grob in Richtung Heimat gezielt. Nach dem Tanken kurz Winker, kleine Tour, unter 8 €. Kam mir irgendwie mickrig vor. Egal, weiter!

Ich war bereits gefühlt in Marzahn, eierte die Rhinstraße hoch, da winkte es tatsächlich noch. Ein bereits reichlich verlebt aussehender Typ, um die fünfzig vielleicht, offenbar asiatischer Abstammung. Ich hoffte auf eine schnelle Tour, die mich der Heimat näher bringen würde, stattdessen meinte er:

„Kenndu Casino, Lessandaplas?“

„Hm, Casino am Alex?“

„Opossdaplaas!? Possdaplaas!“

„Aber ein Casino? Am Potsdamer Platz. Die Spielbank?“

„Bielank! Ja!“

Es mag undankbar erscheinen, aber sonderlich gefreut habe ich mich nicht über diese zehn Kilometer lange Fahrt, zu der ich umgehend wenden musste und mit der meine Heimat langsam im Rückspiegel verschwand. Auf der anderen Seite war es aber eben eine fette 20€-Winkertour. Trotz Cottbus ist das eine tolle Sache. Während ich mich innerlich also mit meinem Schicksal arrangierte, indem ich mir meinen Verdienst ausrechnete, ermahnte mein Fahrgast mich:

„Biee snell fahe!“

„OK, ich sehe, was ich tun kann.“

Schnell fahren. Das ist nachts um halb vier nicht wirklich ein Problem, aber an gewisse Verkehrsregeln hat man sich als professioneller Fahrer dann halt doch zu halten. Wenigstens so grob …
Dass ich ganz knapp über der erlaubten Höchstgeschwindigkeit war, nicht einmal ihm, sondern eher mir zuliebe, nahm er wortlos zur Kenntnis und neigte umgehend zum Wegnicken. Nach einer knappen Minute standen wir an der Rechtsabbiegerampel, die uns auf Alt-Friedrichsfelde, die große Ost-West-Achse, führen sollte.

„Oje. Kenne Lampe. Is lange Waatn!“

„Ach ja …“

„Keine Poblem! Einfa faahe!“

Na klar. Vom Beifahrersitz aus redet sich das ja schön daher. Aber ein fleißiger Gesetzeshüter in der Ecke und ich hätte – dieses Mal zu Recht – wieder den ganzen Mist wegen überfahrenen Rotlichts an der Backe. Nicht nur, dass ich eigentlich recht stolz bin auf meine 0 Punkte in Flensburg, ein beknackter Verstoß wie der hätte mich mehr gekostet als die ganze Nacht gebracht hatte. Inklusive Cottbus, inklusive Trinkgeld! Manche blöde Ideen erkennt man recht schnell und ich hab meinen Fahrgast folglich einfach auflaufen lassen. Hat mich vielleicht einen oder zwei Euro Trinkgeld gekostet. Boah, tragisch!

Den Rest der Fahrt über hat er glücklicherweise geschlafen und nach der Tour hatte ich auch nichts anderes mehr vor. Dieses Mal hab ich den Heimflug auf dem kürzesten Weg auch geschafft. Ohne Unterbrechungen. Irgendwann ist dann auch mal gut.

6 Kommentare bis “Keine Poblem!”

  1. S-Man sagt:

    Hm… „überschaubar“ ist ein nettes Wort 😀 Ist auch am Tag nicht anders, haste nix verpasst. Ehrlich.

    S-Man
    – glücklicher Ex-Cottbuser

  2. elder taxidriver sagt:

    Bitte mehr Asiaten fahren, sprachlich gesehen. Und gegen Erkältung : Hühnelsuppe?

  3. Birgit sagt:

    Starfield Simulation 😉

  4. Der Banker sagt:

    Starfield Simulation… ja richtig! Lange nicht gesehen! Den hab ich doch irgendwo… ob der auf W7 auch noch läuft…?

  5. Sash sagt:

    @S-Man:
    Ich finde überschaubar einen total netten und unterschwelligen Euphemismus und war mir sicher, er passt auf Cottbus. 😉

    @elder taxidriver:
    Also nach der Sprache suche ich mir die Fahrgäste dann ja auch nicht aus. Und hey, ich hab ihn ja schließlich mitgenommen, obwohl es mir eigentlich nicht gepasst hat. Also ein Anfang! 🙂

    @Birgit:
    Stimmt! Hatte den Namen vergessen und wollte nicht googeln.

  6. Bernd K. sagt:

    Von Berliner Warte aus ist innerhalb Deutschlands wahrscheinlich fast alles „überschaubar“ 🙂

    Einem Taxifahrer aus der Nachbarstadt, der auf dem Weg zu mir das Abbiegen an der richtigen Kreuzung verpasst hatte, hab ich dann halb im Scherz gesagt, er könne ja die nächste Strasse reinfahren, wenn er sich traue (Nicht-Einbahnstrasse gesperrt mit „Verbot der Einfahrt“). Das hat ihn nicht sehr amüsiert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

%d Bloggern gefällt das: