Offensichtlichkeiten

An Silvester ist die Kundschaft ja immer ein wenig in der Überzahl. Als ich in Hohenschönhausen an einer großen Kreuzung stand, winkten bereits gegenüber 3 Leute, dann aber sah ich ein älteres Paar auf mich zustürmen, noch schnell über die rote Fußgängerampel hinweg. Ich bin, als es grün geworden ist, gleich rechts rangefahren und hab auf sie gewartet.

Die Frau riss die Tür auf, stieg aber nicht ein. Stattdessen sagte sie:

„Da drüben an der Ampel stehen drei Leute, die gerne mit ihnen fahren würden.“

Vielen vielen Dank für diese wichtige Meldung! Hätten die beiden mich nicht angehalten, dann wäre ich einfach rübergefahren, jetzt musste ich eine Rotphase länger stehenbleiben. Der größte Witz aber war, dass mir dann jemand ins Auto gesprungen ist und ich die Jungs gegenüber doch nicht gefahren hab…

Superman-Hemd, yes!

Ich hab nicht ohne Grund meinen „Silvester im Taxi„-Artikel geschrieben. Die Situation an Silvester war eben genau so, wie es zu erwarten war: Die unbesetzten Taxen waren rar und folglich waren auch ein paar eher verzweifelte Gesellen unterwegs. Nach wie vor tut mir das leid für jeden einzelnen. Ich würde ja gerne alle Fahrgäste in dieser Nacht mitnehmen, aber mein Tag hat auch nur 24 Stunden…

Mein letzter Fahrgast vor der Autopanne war insgesamt eine halbe Stunde in meinem Wagen und sichtlich irritiert davon, wie viele Menschen winken, wenngleich wir doch wenigstens ohne leuchtende Fackel unterwegs waren. Er selbst gehörte zur eher lockeren Sorte und lud mich mehr oder weniger zu einer Raucherpause mit laufender Uhr an der East-Side-Gallery ein. Ein paar hundert Meter vorher hatten wir dann allerdings die „freundlichste“ Begegnung des Abends. Ein reichlich genervt und dümmlich dreinblickender junger Mann beließ es nicht beim Winken, sondern schritt auf die Fahrbahn, als ich keine Anstalten machte, das Tempo zu drosseln.
Das tat ich fortan zwar leicht, wechselte ansonsten aber auf die linke Spur und fuhr zügig vorbei. Die an sich völlig logische Tatsache, dass ich meinen Fahrgast noch zu seinem Ziel bringe, anstatt besser den übereifrigen Fußgänger einzuladen, quittierte er damit, dass er uns sein Bier in einem Schwall über die Windschutzscheibe leerte, als wir vorbeifuhren.

OK, der Scheibenwischer lief eh und der Kerl hatte jetzt weniger Bier… was soll’s?

Wir hielten also bald darauf an und rauchten wie geplant eine Zigarette. Kurz darauf kam just jener Evolutionsverweigerer mit seiner Truppe angelatscht, wir lagen wohl auf dem Weg. Dann machte er mich mit genervtem Unterton an, wer von uns denn „dieses Ding da“ fahren würde.

Daraufhin hab ich in Anbetracht der vergangenen Ereignisse ziemlich gehässig gesagt:

„Ich. Aber mach dir keine Hoffnung, denn DICH werde ich ohnehin nicht fahren!“

Wirklich gerafft hat er das nicht, aber einer seiner Kumpels fühlte sich berufen, zu fragen:

„Was soll’n des? Wohl mit’m Superman-Hemd geschlafen heute Nacht!?“

„Ja, heute ausnahmsweise mal schon. Viel Spaß noch bei der Taxi-Suche!“

Leute, ganz im Ernst: So rede ich eigentlich nie mit potenziellen Kunden! Egal, ob ich besetzt bin oder nicht. Aber derartige Dünnbrettbohrer könnten mir auch Montags gestohlen bleiben! Es ist schön, sie in einer Nacht zu treffen, wo man sich im Nachhinein mal kein schlechtes Gewissen machen muss. 😀

Es tut mir leid für alle, die in dieser Nacht leider kein Taxi erwischt haben, aber ich und meine Kollegen haben alles menschenmögliche versucht. Wer meint, es ausgerechnet uns, die wir arbeiten, während fast alle anderen feiern, mit Häme, Gewalt oder Missgunst danken zu müssen, der muss halt laufen. Für diese Form der Gerechtigkeit lege ich mir gerne Nachts das Superman-Hemd an 😉

Einmal Zufall zum Mitnehmen, bitte!

Kuriose Situationen gibt es immer wieder. Vor einiger Zeit bin ich Abends zum Stammdöner meiner Wahl gewatschelt. Zu Essen wollte ich nichts, lediglich meine Cola war alle. Da ich ohne mein Lieblingsgetränk am Schreibtisch zu nicht viel zu gebrauchen bin, hab ich meinen inneren Schweinehund mit mir zusammen vor die Türe getreten, obwohl bereits kaltes Herbstwetter dort auf uns wartete.

Als ich den Schnellimbiss mit angeschlossener Kneipe betrat, standen an der Dönerheke ein Angestellter, den ich erst einmal gesehen habe und ein Kunde. Letzterer eher ungelenk angelehnt an die Glasfront, hinter der sich frisch geschnittenes Gemüse türmte. Er kam auch gleich zur Sache, als er mich sah:

„Haschne sammaal Tasse Fahaa!?“

Der Gastwirt winkte ab:

„Nein, der ist kein Taxifahrer!“

Ich hab meine Klappe nicht halten können und gekontert:

„Selbstverständlich bin ich Taxifahrer. Aber ich bin leider außer Dienst.“

Gut, das „leider“ war bei dem Kunden ein bisschen gelogen, ich geb’s ja zu.

Richtungswechsel

Die Taxihalte am Ostbahnhof ist zweckmäßig organisiert, keine Frage. Für Kunden ohne Ahnung ist sie schlicht nicht verständlich. Die ersten 4 bis 5 Taxen halten ganz links vor den Ausgängen. Über die gesamte Länge der Bahnhofshalle befinden sich auf der anderen Straßenseite die Nachrückeplätze. Kein Wunder, dass insbesondere Kunden, die einen Ausgang weiter rechts vermuten, meist das erste Taxi irgendwo gegenüber am Beginn einer der nachstehenden Rücken vermuten.

Schlimm ist das nicht wirklich. Im Gegensatz zu manch anderer Halte ist es zumindest nachts am Ostbahnhof wirklich kein Problem, ein Taxi von weiter hinten zu nehmen. Es ist selten, dass sich unter die vielen Stammfahrer dort ausgerechnet irgendwelche Niesel verirren, die das mit der freien Wahl der Taxe nicht so genau nehmen.

Eine besonders interessante Vermutung hat sich nun aber bereits seit Ewigkeiten unter den Kunden breit gemacht: Die, dass die Taxen auf der jeweiligen Seite nur in diese Richtung abfahren können. Sicher, es ist nicht unangenehm, zu Fahrtbeginn nicht wenden zu müssen, andererseits sind die meisten Taxifahrer durchaus mit der Steuerung ihres Fahrzeugs vertraut und erfüllen auch solche Wünsche gerne 😉

Viele Kunden fragen aber, welches das erste Taxi ist oder wo sie einsteigen müssen. Da hilft man gerne und verweist auch mal auf den ersten. Wenig Zeit für Erklärungen ließ mir aber eine Frau, die schnurstracks auf mich zuschritt, obwohl ich mitten in der Schlange der ersten Nachrücke stand.

„Sagen sie, wie würden sie von hier zum Kotti fahren? Hier runter?“

Dabei deutete sie in Richtung Mühlenstraße. Es soll ja Kollegen geben, die das versuchen, aber das verdoppelt die Strecke beinahe. Also antworte ich wahrheitsgemäß:

„Nein, natürlich nicht. Ich würde in die andere Richtung und dann über die Schillingbrücke…“

„Danke!“

hörte ich noch von ihr, dann drehte sie sich um und stieg gegenüber ins Taxi des Ersten ein. Ich schwör euch, bis ich das geblickt hab, muss ich ziemlich dumm in die Landschaft gestarrt haben.

Fenster öffnen

Mit Fahrgästen hatte ich noch nie Diskussionen über das Öffnen meiner Fenster. Nicht nur, weil ich akzeptiere, dass die Taxiordnung das Entscheiden über das Fensteröffnen ihnen überlässt, ich bin auch nicht empfindlich. Im Winter trage ich meine Jacke meist auch im Auto. Ich weiss selbst nicht genau, warum. Schätze, jeder hat so seine Gewohnheiten.

Aber jetzt hatte ich ein Gespräch durch mein Fenster. Ein eher seltsames, aber das passiert, wenn sich Taxifahrer mit Kindern unterhalten. Es war zu Beginn meiner Schicht. Also ganz zu Beginn. Ich war gerade ins Auto gestiegen und bereitete mein Auto und den Papierkram vor.

Namen und Datum auf den Schichtabschreiber kritzeln, Anmelden am Taxameter, CD ins Laufwerk, Tageskilometer nullen… was man halt so macht. Dann lief ein kleiner Junge in Erwachsenenbegleitung an meinem Auto vorbei. Ich bin beim Schätzen was das Alter angeht furchtbar schlecht, aber er war noch ziemlich klein. Jedenfalls war er sehr interessiert daran, was ich tat, wahrscheinlich weil es ziemlich seltsam ist, wenn ein erwachsener Mann im Dunkeln in einem Auto sitzt und lauter Knöpchen drückt und irgendwas auf Zettelchen kritzelt.

Nachdem er eine Weile neben dem Beifahrerfenster, durch das er gerade so sehen konnte, gestanden hatte, hab ich es einfach mal runtergelassen und einen guten Abend gewünscht. Eine Frage hatte er dann auch gleich:

„Duhu? Machst du das Fenster gleich wieder zu?“

Man muss es ihm lassen: Die dümmste mögliche Frage war es nicht 🙂

Also hab ich ihm das bejaht und auf Nachfrage erklärt, dass es sonst ja kalt würde und ich noch ziemlich lange in dem Auto sitzen müsste. Hat ihn auch alles beeindruckt. Leider ist keine Fahrt draus geworden. Ich hab es der Mutter (vermute ich mal)  angeboten. Wären nur 300 Meter gewesen, da hätten wir das Bezahlen durchaus mal vergessen können. So lag es dann an ihr, wie sie ihm erklärt, warum Männer nachts in Autos sitzen und Knöpfchen drücken. Ich hoffe mal, sie kombiniert das nicht mit den „Steig nicht bei Fremden ins Auto“-Reden. Unser Ruf ist auch so schon schlecht genug 😀

Monolog-Idee

„Verstehe ich das also richtig: Sie stellen sich an eine Bushaltestelle? An eine Haltestelle, die ihren durchaus lustigen Namen daher bekommen hat, weil sie ein fix eingeplanter Haltepunkt öffentlicher Verkehrsmittel – in diesem Fall Busse – ist. An dieser Haltestelle warten sie also eine Weile und als der lang ersehnte Bus endlich kommt, winken sie ihm zu? Dem Bus, der ohnehin an dieser Haltestelle hält? Und sie wundern sich ernstlich, dass ein vor dem Bus fahrender Taxifahrer das als Signal für sich selbst missversteht und seinerseits vor dem Bus neben ihnen hält?

Mal ganz ehrlich: Wer von uns beiden ist jetzt blöd und behindert den Verkehr?“

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Böses Omen?

Jetzt hab ich neulich erst ein bisschen in meinem privaten Blog damit kokettiert, dass Berlin ja eigentlich gar nicht so unheimlich ist. Das sollte man als Quintessenz aus 3 Jahren Taxifahren auch so stehen lassen. Manchmal aber bestätigen die Ausnahmen die Regel.

Es war am vergangenen Wochenende, genau genommen am frühen Morgen des Sonntags, kurz nach 5 Uhr. Ich hatte gerade eine Fahrt direkt (!) zu meinem Abstellplatz in Lichtenberg, hab mich aber nochmal in den Kampf geschmissen, um ein paar weitere Euronen zum Zwecke der Lebenshaltung einzufahren. Die Stadt war in herrliche Dunkelheit getaucht und es waren nur sehr wenige Leute auf der Straße.

Unweit des Ringcenters an der Frankfurter Allee hab ich an einer Ampel halten müssen und blickte mich um. Viel interessantes gab es eigentlich nicht zu sehen, das normale Bild auf den Straßen. Weggeworfene Essensverpackungen wehten über die Straße, das letzte verbliebene Laub einiger Bäume raschelte im Wind und ein Mann schlurfte langsam über den Gehweg. Er war schon etwas älter und die fettigen graumelierten Haare hingen ihm ein wenig wirr ins Gesicht. Ich hab ihn nur aus den Augenwinkeln betrachtet, da er alles in allem nicht sonderlich freundlich gesinnt schien.

Plötzlich wandte er sich mir zu und starrte mich mit einem derart irren Blick an, dass ich echt nicht wusste, ob ich lachen oder mit Vollgas über die rote Ampel davonbrausen sollte. Der Typ wandte sich allerdings wieder ab und ich hab ein wenig erleichtert die Anlage ein wenig lauter gestellt. Es ist wirklich wirklich ziemlich verstörend, wenn dort dann ausgerechnet folgende Textzeilen des alten Doors-Klassikers „Riders on the Storm“ kommen:

If you give this man a ride
sweet memory will die
killer on the road

Manchmal bin sogar ich froh, wieder in belebte Gegenden zu kommen 😀