Das tägliche Lotto

„Jungs, nehmt Ihr uns mit?“

Ich hab gerade mit einem Kollegen geplaudert, den ich nicht wirklich kannte, hab mich entsprechend schnell aus dem Gespräch gelöst und der Dreiertruppe zugesagt:

„Logo.“

Ich stand ganz vorne, der Kollege war der einzig weitere. Die Kunden konnten sich nicht gleich entscheiden:

„Wo stei’n wir ein? Opel, Daimler, Daimler, Opel?“

„Mir egal, aber mach hinne! Es ist kalt!“

Ich hab auch gleich gesagt, dass sie sich’s aussuchen können – angetrunkene Jungs, die rummeckern, braucht ja niemand. Sie haben sich dann aber spontan doch für mich entschieden und sind zügig eingestiegen.

„Du weißt aber schon …“

begann der erste fast schon bedrohlich irgendwas einzuwerfen, so dass ich vorsichtshalber gleich das Schlimmste erwartet hab. Aber nee:

„… dass Du jetzt ’ne ganz schöne Strecke vor Dir hast?“

Und wo ging’s hin? Tatsächlich bis nach Falkensee – und der kürzeste Weg war auch nicht ihr Ding:

„Ach, fahr ruhig Heerstraße.“

Und auch sonst war das die definitiv beste Fahrt der letzten Wochen. Sie hatten einen im Tee, und einem war sogar schlecht. Aber das Verantwortungsbewusstsein in Person. Man kann sich immer mal vertun, aber der hat mich umgehend überzeugt, dass er sich eher eine Tasche zum Reinreihern häkeln würde, bevor er das Auto in Mitleidenschaft zieht. Er hat mir gesagt, dass er sich nur gerne an die Scheibe lehnen würde, aber eine Mütze aufhätte, und sie deshalb nicht verschmieren würde. Die Scheibe nicht verschmieren! Der Kerl hat mit dem einen Satz 80% der Normalkundschaft hinter sich gelassen. Aus irgendeinem Grund sind Taxischeiben ja besonders anziehend für die Fahrgäste. Würde man die Scheiben mal ein Jahr nicht waschen, würde man die Fingerabdrücke und DNA-Spuren einer mittleren Kleinstadt mit sich rumfahren. Und ausgerechnet einer, der mit „Mir ist schlecht!“ das Gespräch beginnt, achtet darauf. Noch dazu Dorfis, die zum Feiern in der Stadt waren …

Am Ende hab ich mit den dreien großzügig scherzend übers Ins-Taxi-kotzen gelästert, tatsächlich vernünftigen Gesprächen gelauscht und zuletzt einen Fünfziger bekommen, auf den ich nicht einmal mehr etwas rausgeben musste.

Was der Kollege für eine Tour bekommen hat, weiß ich natürlich nicht. Aber ich hab arge Zweifel an der Theorie, dass sie besser war.

Vergurkt

Manchmal klappt’s einfach nicht. Jeder hat mal einen schlechten Tag auf Arbeit, ich natürlich auch. Meist merke ich das an geringen Umsätzen – aber selbst da hab ich als Nichtfunker schon mal eine Gefahrenquelle weniger. Fehlfahrten hab ich so gut wie nie. Aber keine Regeln ohne Ausnahmen. Am Freitagabend hab ich mich nach etwas Hin und Her via Twitter (und letzten Endes SMS) mit @luutoo am Flughafen Tegel treffen wollen. Das war ein krisensicherer Plan, das hat bisher immer funktioniert. Er wurde nur geringfügig dadurch beeinträchtigt, dass wir uns nicht darüber unterhalten haben, an welchem Terminal ich warten solle.

Natürlich ist das bescheuert, aber ich hab bisher alle meine Fahrgäste am Terminal A abgeholt und mit der Zeit einfach nicht mehr darüber nachgedacht. Dass mein äußerst netter Leser an Terminal C ankam und fortan wohl etwas irritiert durch den Flughafen irrte – wozu auch ich mit unzureichenden Angaben sicher beigetragen habe – war so nicht geplant.

Dabei waren wir beide ungefähr mit gleich viel Verspätung angekommen, es hätte also alles so gut passen können. Stattdessen war es dann ein klassisch wortkarger Kollege, der mir wohl zumindest mal entfernt ähnlich sah, der keine Anstalten gemacht hat, die Verwechslung aufzuklären und „meinen“ Fahrgast mitgenommen hatte, was ich etwas überrascht mitbekam, als es in einer SMS nunmehr nicht mehr um Terminals ging, sondern darum, dass – sollte ich nach der grandiosen Verpeilung noch Interesse an der Fahrt haben – nun nach Moabit kommen könnte.

Da war er wieder: Der Punkt, an dem ich aufgehört habe, mich darüber zu ärgern, was passiert war, sondern mit geradezu grenzdebilem Grinsen einfach nur gemeint hab, dass das ja nun nach all dem Hickhack auch kein Problem mehr sei. OK, natürlich war das am Ende eine Stunde mehr Zeit als geplant, die Tour war kürzer und auf der Uhr standen nochmal 10 Kilometer mehr. ABER WENN WIR MAL ANFANGEN, EINE TOUR ZU „PLANEN“, DANN ZIEHEN WIR DIE AUCH DURCH! 😀

Und ich hab’s nicht bereut, ehrlich. Der @luutoo ist ein furchtbar netter Zeitgenosse und der Umweg war definitiv besser als die Tour am Ende nicht zu fahren. Und das nicht wegen des Trinkgeldes oder weil es am Ende doch noch wenigstens eine 17€-Tour war, sondern weil’s Spaß gemacht hat. Obwohl oder weil es so schiefgegangen ist. Egal! Und wer von uns jetzt mehr oder weniger verpeilt hat? Egal! Am Ende hat’s auf abenteuerliche Weise dann halt doch gepasst.

Kurzstreckenmeckerer

Da fragt ein potenzieller Fahrgast einen Kollegen vor mir am Stand nach einer Kurzstrecke. Der sagt, dass der Kurzstreckentarif vom Stand aus nicht gilt und er sich doch, sollte er die Verbilligung nutzen wollen, einen Kollegen von der Straße heranwinken solle. Daraufhin erleichtert sich der potenzielle Kunde in einer Hasstirade gegenüber denn ach so fies geldgeilen Taxifahrern, darüber, was wir doch allesamt für gescheiterte Existenzen und lebensunwerte (Oh ja, so hat er das ausgedrückt!) Kreaturen seien. Und wundert sich anschließend, dass auch ich seine Nachfrage mit einem vergleichsweise netten „Vergiss‘ es!“ beantworte.

Lasst uns mal eines klarstellen: Im Taxi wie überall im Handel- oder Dienstleistungssektor gibt es entgegengesetzte Interessen. Natürlich will man als Kunde gerne umsonst bis nach Kasachstan transportiert werden und als Dienstleister würde man gerne einfach mal einen Scheck über 10.000 € einstecken dürfen, weil man so nett gelächelt hat. So gesehen haben sich bisher nicht viele Wünsche der Menschheit erfüllt.

Bei der Taxi-Kurzstrecke selbst ergibt sich dann das Bild, dass der Kunde gerne für 4 € seine 2 Kilometer fahren will, der Taxifahrer da aber rund 7 € haben will, weil er sich schon angestellt und auf eine Fahrt gewartet hat. Beides an sich erst einmal legitime Wünsche. Aber:

Wenn man schon mieseste Beleidigungen ausspricht, sollte doch wenigstens der Hauch eines Grundes vorhanden sein! Der Taxitarif ist gesetzlich vorgegeben – der Kunde hat den Fahrer also de facto zu einem Rechtsbruch überreden wollen. Das kann man machen, aber für gewöhnlich sollte man dafür bessere Gründe haben als „Ich will xyz aber billiger!“.

Auch wenn man’s sich noch so schönredet, sind Sonderangebote mit Einschränkungen was anderes als Normalpreise. Wenn ich heute beim Netto einen Käse für 50 Cent mitnehme, weil er in zwei Tagen abläuft, kann ich bei der nächsten Charge, die für einen Euro verkauft wird, nicht drauf pochen, dass das Zeug „sonst“ oder „normal“ nur 50 Cent kostet. Berlin ist ohnehin eine absolute Ausnahme mit dem Kurzstreckentarif – und ich bin dagegen, dass er abgeschafft wird! – aber es gab und gibt ihn nur für eine kurze Fahrt ohne Zwischenstopp beim Heranwinken eines Taxis.

Einem Taxiunternehmer entstehen Kosten, wenn man zu einem Stand fährt. Einen Taxifahrer kostet es zudem Zeit, wenn er irgendwo wartet. Das ist im normalen Tarif eingepreist, nicht aber in der Kurzstrecke, weil sie eben genau dafür nicht geschaffen wurde, sondern für besonders günstige Spezialfälle.

Ich will sicher kein Arschloch sein, das darauf pocht, unsinnige Regeln einzuhalten. Mitnichten! Aber, liebe Mitmenschen:

Einen Taxifahrer beschimpfen, um ihn zu einer ihn auch noch Geld kostenden Ordnungswidrigkeit anzustiften … so viel Realitätsverweigerung muss man ja nun nicht noch wohlwollend begleiten, oder? -.-

Zur Glubschallee bitte!

Die Glubschallee in Berlin. Quelle: philipk76 via fotolia.de (für Original Bild anklicken)

Die Glubschallee in Berlin. Quelle: philipk76 via fotolia.de (für Original bitte das Bild anklicken)

Beim unbekannten Kollegen vor mir stieg ein Fahrgast ein. So weit, so gut, das passiert an einem Taxistand schon mal. Dann aber fuhr das Taxi nicht etwa weg, sondern der Kollege stieg aus und ging auf mich zu. Das ist schon eher seltener, passiert aber auch gelegentlich. Eine Frage vermutlich. Ich freue mich immer, wenn ich Kollegen helfen kann. 🙂

„Kollege, kennste zufällig die Glubschallee?“

„Die WAS bitte? Glubsch?“

„Weiß nich‘ genau, versteh‘ ihn nicht …“

Ich bin mal mit zum Auto. Ich dachte mir gleich, der Fahrgast würde englisch sprechen und der Kollege nicht. Also quatschte ich den auf der Rückbank wartenden jungen Mann an und fragte, wo genau es nochmal hingehen sollte. Er antwortete, tatsächlich in englisch. Was an der Aussprache des Ziels nichts änderte, da er das schon den deutschen Ohren angepasst hatte …

Ich wendete mich an den erwartungsvollen Kollegen und sagte:

„Du, der Kerl will zum Club Chalet.“

Glubschallee! Darauf wäre ich im Traum nicht gekommen! 😀

Man muss dazu sagen, dass der Name dem Kollegen nicht geläufig war, da kommt sowas vor. Ich hab auch gleich an mein Ringen mit der Gleichestraße denken müssen. Hab also auch noch schnell erklärt, wo das genau ist. Hoffe, der Kollege kann rückblickend trotz der kurzen Fahrt ein wenig über die Geschichte lachen. 🙂

Was machen?

Mein erster Impuls war natürlich: „Anzeigen! Was für eine Frage!“

Aber natürlich ist das nicht so einfach, wenn man mal drinsteckt. Worum es eigentlich geht?
Nun, ein Leser hat mir eine Mail geschrieben, in der es um miese Arbeitsbedingungen im Taxigewerbe geht:

ein Freund von mir ist Taxifahrer und ich mache mir im Moment Gedanken um seine Situation, weiß aber nicht, ob ich da etwas tun sollte (oder auch was).
 
Die Eckdaten: Es geht um eine Großstadt im unteren Drittel der Liste der Großstädte, also sicher kein leichtes Pflaster für Taxifahrer. Einen nicht vernachlässigbaren Teil der Fahrten machen soweit ich weiß Krankenkassenfahrten aus.
 
Mein Freund ist in den 50ern und durchaus froh, den Job zu haben (macht ihn sicher auch gut). Das Problem sind seine Arbeitsbedingungen, die ziemlich sicher illegal sind. Er hat eine 6-Tagewoche (Mo-Sa), und im Prinzip jeden Tag eine 12-Stundenschicht. Gleichzeitig wechseln sich jede Woche Tag- und Nachtschicht ab.
 
Auf den kommenden Mindestlohn angesprochen meinte er, dass sein Chef dann sicher jeden auf dem Papier 7 Stunden arbeiten lässt, er aber trotzdem 12 im Auto sitzt.
 
Frage an dich und deine Leser: Was würdet ihr tun?
 
Ich freue mich auf Antwort, bleibe aber lieber anonym 😉
Zunächst ist es natürlich mal so, dass 6-Tage-Wochen im Gewerbe normal sind. Traurig, aber wahr. Steht in meinem Arbeitsvertrag auch so drin. 12-Stunden-Schichten dauerhaft vorzuschreiben, geht meines Wissens nach nicht, man kann aber als williger Fahrer zumindest mal dafür sorgen, dass das dank „Pausen“ im eher uneigentlichen Sinne schon klargeht. Ich hab mich ehrlich gesagt nie sonderlich viel ums Arbeitnehmerrecht gekümmert, weil ich meine Arbeitszeit selbst bestimmen kann und die Grenzen nach oben nicht einfach versehentlich einreisse, da kenne ich mich zu gut.
Was aber natürlich gar nicht geht, ist das Unterschlagen von Stunden wegen des kommenden Mindestlohns. Scheißegal, ob der Unternehmer keine andere Möglichkeit sieht, es geht einfach nicht. Aber ja: Was tun? Vor allem, wenn man mit ein bisschen weniger Kohle doch bisher auch gut gefahren ist und den Job eigentlich nicht verlieren will?
An alle, die das jetzt kommentieren:
Wie gesagt: Ich hab mir auch gedacht, dass das doch kein Thema sein sollte. Einfach, weil es das für mich nicht ist. Aber ja, es ist schwierig für andere – und es ist ganz offensichtlich deswegen schwierig, weil sie unter nicht so guten Bedingungen arbeiten und vielleicht weniger Alternativen haben. Nutzt das also bitte nicht für neunmalkluges Rumprahlen damit, wie gut es euch selbst geht, sondern helft mir und dem verzweifelten Leser mit ein paar guten Ideen!

Dieses „Normal“

„Wie ist das denn so normal?“

„Normal stell‘ ich mir das ganz locker vor.“

„Ist das normal für Sie?“

Normalität ist etwas seltsames, wenn man sie im Taxi zu ergründen sucht. Insbesondere in einer Berliner Nachtschicht. Natürlich ist Taxifahren in vielen Belangen ein normaler Job. In manchen Dingen ist die Normalität da halt etwas stapazierbarer als jetzt vielleicht die eines Fließbandarbeiters.

Und die Frage wird immer wieder gestellt. Angefangen von den Leuten, die gerade irgend was „total verrücktes“ machen und selbstverständlich absolut NICHT normal sein wollen; bis hin zu jenen, die sich versichern wollen, dass ihre Tour jetzt aber hoffentlich nicht zu sehr aus dem Raster fällt. Ob das jetzt die Länge der Fahrt, die Uhrzeit, die Themen der Gespräche oder das Fahrtziel angeht – überall die Angst oder Hoffnung, normal zu sein.
Aber auch im Gewerbe, beim Bloggen – selbst jetzt bei der unseligen Uber-Diskussion – überall wird erzählt, wie was jetzt „normalerweise“ ist. Und keine Frage: ich verwende den Begriff auch oft. Ist ja normal. 😉

Meistens ist das ja egal, weil es nur ein dahergesagtes Wort für häufig ist. Traurig finde ich halt, wenn sich eine Rentnerin fürchtet, mir die Schicht zu verderben, weil ich sie vom Ostbahnhof mit einem Stapel Gepäck bis nach Mahlsdorf bringen muss. Das passiert zwar viel zu selten, ist aber abgesehen vom überdurchschnittlichen Verdienst eine ganz normale Fahrt für mich. Ebenso wie um 5 Uhr morgens zwei verknallte Kerle vom Berghain zu Tom’s Bar zu fahren eine ganz normale Fahrt ist. Die Auslöser für diesen Eintrag waren zwei Jungs, Anfang dreißig, hackedicht aber lieb. Wegen eines Junggesellenabschieds in Berlin und auf dem Weg in ihr Hotel. Für mich völlig normal, hätte ich den beiden aber nicht sagen dürfen. Für sie war es nämlich der geilste Abend der letzten Jahre.

Trinkgeld ist von 0,00 bis vielleicht 5,00 € völlig normal. Was aber – und da kommen wir der Sache näher – nicht heißt, dass es deswegen uneingeschränkt selbstverständlich ist. Oder für mich kein Grund, mich zu freuen.

Ich glaube, im Dienstleistungsbereich geht die Spanne des „Normalen“ im Vergleich zu vielen anderen Jobs bis weit vom Durchschnittswert weg. Weil Dienstleister eben auf sehr unterschiedliche Kundschaft stoßen und zumindest im Taxi beispielsweise auch unsere Arbeitsweise stark ändern können. Mag die Durchschnittsfahrt im Gewerbe 12 € bringen, wird ein Flughafenfahrer noch Touren für 40 € völlig normal finden, während mein Tagfahrer vielleicht nicht mehr ganz so normal findet, was sich betrunkene Mädels auf dem Heimweg über ihre Freunde erzählen. Ich selbst bekomme schon Probleme, wenn Kunden mich fragen, wie lange ich normal arbeite.

Ich habe einen Facebooktroll, der mich seit Monaten fragt, wie viel man „normal“ im Taxi verdient, wann man „normal“ arbeitet, was einem „normal“ erlaubt ist und nebenbei natürlich, warum ich ihm darauf nach dreimaligem Klarstellen, warum das schwierig ist, nicht mehr antworte.

Deswegen sind die meisten Jobblogs meiner Meinung nach Dienstleistungsblogs. Weil unser „Normal“ manchmal weit in den „Skurril-Bereich“ der Leser reinragt.

Das Ganze hat aber eine weitere Dimension. Nämlich die, dass es genau das ist, was uns Dienstleistern den Job so schwer macht und unsere eigentliche Qualifikation sein sollte: dass wir Dinge irgendwie „normal“ handhaben können, obwohl viele Menschen da draußen das nicht finden. Ich weiß – und bin stolz drauf – dass mich als Dienstleister auszeichnet, dass ich mit betrunkenen Jugendlichen, knausrigen Oberlehrern, wehleidigen Rentnern und streitenden Pärchen umgehen kann. Ohne immer nur das Schlechte zu sehen, ohne die Leute für Dinge verantwortlich zu machen, für die sie nichts können. Und letzten Endes auch ohne daran selbst kaputtzugehen.

Auch das ist ein Grund – und der Hinweis muss immer und immer wieder sein – warum ich mich hier so in diesen an sich lächerlichen Kampf mit Uber stürze, obwohl ich selbst immer öfter lachen muss, wenn ich den Namen höre. Im Taxi- und Mietwagen-, aber auch in jedem anderen Dienstleistungsgewerbe hat man zu kämpfen. Damit, dass nicht alles normal und geregelt ist. Diese Firma – oder zumindest ihr Diplomatiegenie an der Spitze – stuft, was ich und viele Kollegen machen, als überflüssig ein. Weil das ja auch ohne Regeln hobbymäßig für noch weniger Geld erledigt werden könnte. Wie immer an den meist schwammigen und anzweifelbaren Aussagen aus dem Hause Uber ist auch daran zumindest mal so viel richtig, dass man es schlecht als komplett falsch verwerfen kann. Abends an seiner Lieblingsbar die Stammkunden einsacken und heimfahren kann jeder. Seinen Lebensunterhalt mit dem Heimbringen derer zu bestreiten, die in Läden rumliegen, die aus Gründen niemandes Stammkneipen sind, kann halt nicht jeder. Genauso wie beispielsweise nicht jeder in der Lage ist, mir meine Wut über einen unnötigen Internetausfall durch Pfusch an der Hotline zu nehmen und das Problem sachlich und schnell zu lösen.

Normal in der Personenbeförderung jeder Art ist es, auch mal auf Fahrten warten zu müssen. Oder unliebsame, weil schwierige Fahrten für wenig Geld zu machen. Nicht nur, dass niemand einem die nervigen Kunden ewig vom Hals halten kann. Nein, am Ende brauchen wir die auch noch, um unser Geld zusammenzukriegen. Die Belohnung sind dann Fahrten wie diese:

Winker am Mariannenplatz (halbwegs normal). Sechs Leute, die zufällig ein Großraumtaxi angetroffen haben (schon eher glücklich). Meine dritte Winkertour in Folge (Wahnsinn!).
Die Größe der Passagiere passte perfekt zu den komplizierten Platzverhältnissen (sehr selten!) und nach etwas Eisbrechen gelang uns eine flüssige Konversation (normal) in englisch (ebenso normal).
Die Familie kam aus Israel (normal), war allerdings hier, weil die Mutter in der letzten Sitzreihe hier in Berlin geboren war (in der Kombination eher selten) und sie nun mal auf den Spuren der Vergangenheit wandeln und entfernte Verwandte besuchen wollten. Die eine Hälfte der Leute war still (normal), der Vater war nach allen vorbereitenden Gesprächen ein geradezu anstrengender Berlin-Enthusiast, der bei jedem Haus wissen wollte, was da drin ist und dauernd schwer zu beantwortende Fragen stellte wie „Wo kann man hier abends noch weggehen?“ (grenzwertig normal). Am Ende kamen wir auf gute 15,80 € Umsatz (normal), alle waren bester Laune (normal), aber die Mutter gab mir keinen Cent Trinkgeld (bei so einer Tour eher selten). Während mich der Vater beim Zusammenklappen der Zusatz-Sitze weiter mit Fragen löcherte (nicht mehr wirklich normal), kam einer der Söhne an und steckte mir die 4,20 € Wechselgeld zu, bei der die Mutter sich offenbar nicht getraut hatte, sie mir zu geben (normal. Quatsch, war so unerwartet natürlich extrem geil!).

Was lernen wir daraus? Nur weil das Wort „normal“ gefühlte hundert Mal in einem Blogeintrag vorkommt, muss der noch lange nicht normal sein. 😉

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Planungsdefizite

Ich mache mich nicht gerne über Kollegen lustig. Denn wenn wir ehrlich sind: wenn man die gleiche Arbeit macht und ein Missgeschick eines anderen mitbekommt, dann kann man in der Regel verstehen, wie es passiert ist, hat sowas vielleicht selber schon erlebt und leidet ein bisschen mit. Also zumindest mir geht das so. In diesem Fall hab ich allerdings nur noch staunen und kichern können.

Ich stand am Ostbahnhof an zweiter Position. Ich sehe eine Mutter mit ihrem Kind und viel Gepäck ankommen. Das Kind ist noch sehr klein, die Frau trägt es in einem Tuch an der Brust. Eine Fahrt für ein Taxi mit Babyschale. Nicht leicht zu bekommen, entsprechend immer schwierig. Ich hab mich gedanklich schon weit weggewünscht, weil das so Situationen sind, in denen man als Taxifahrer ohne Babyschale meist nichts rausholen kann. Man muss ablehnen, wenn man nicht das Risiko (immerhin den unnötigen Tod eines kleinen Menschen) in Kauf nehmen möchte und ist deswegen in vielen Fällen einfach ein Arschloch, das seinen Job nicht machen will. Da sind Eltern mitunter sehr konsequent in ihrer Auslegung, man will sich gar nicht ausmalen, was man an der Backe hat, wenn man sie fährt und es passiert wirklich was …

In dem Fall hätte man zwar die berühmte Ausnahme machen dürfen, weil Kinder bis 9 kg im Taxi nicht gesichert werden müssen – aber ich denke dabei immer an Georg Kreisler und sein wunderbares Lied „Als der Zirkus in Flammen stand„, wo der im Bezug auf einen Kindsmord die einleuchtenden und hier wohl anzuwendenden Worte gebraucht:

„… denn das Kind war höchstens sieben Jahr‘ alt, in dem Alter merkt man’s noch nicht so …“

Und ich weiß, dass dieses Lied ironisch gemeint ist.

(Ich hab das mit den Kindersitzen alles hier schon mal erläutert.)

Kurzum: ich wünschte, dass der Kelch an mir vorüberging. Und tatsächlich war ja nun erst mal der Kollege vor mir am Zug. Er redete kurz mit der Frau und begann dann, das Gepäck zu verstauen. Was eine ganze Menge war. Ich sah erleichtert zu, wie er sich abmühte, den Kinderwagen kleinzufalten und in den Kofferraum seiner Limousine zu packen, die Koffer zu drehen und zu wenden, bis am Ende nur noch Frau und Kind übrig waren. Mit der Mutter wechselte er noch zwei drei Worte, dann drehte er sich etwas irritiert guckend um und fragte mich:

„Sag mal, Du hast nicht zufällig einen Kindersitz für so ein kleines Kind?“

„Äh, nein …“

„Scheiße, was’n jetzt!?“

Dass ich da ein wenig innerlich grinsen musste, ist hoffentlich verständlich, oder? 😀

Dann hat er panisch völlig zufällig ein paar andere Kollegen angefragt und hat nach der Erkenntnis, dass das hoffnungslos ist, am Ende doch die Fahrt so angetreten. Natürlich hoffe ich (und bin mir ziemlich sicher), dass nix passiert ist. Das fände ich selbstverständlich kein bisschen lustig. Aber wie kann man bitte als Taxifahrer zwei Minuten damit zubringen, einen Kinderwagen zu falten, um am Ende von dem Kind überrascht zu werden, das die Mutter vor sich herträgt? Ich bin ernsthaft überfragt.

Aber gut, sowas passiert einem in der Regel kein zweites Mal … 😉