Kurzstreckenmeckerer

Da fragt ein potenzieller Fahrgast einen Kollegen vor mir am Stand nach einer Kurzstrecke. Der sagt, dass der Kurzstreckentarif vom Stand aus nicht gilt und er sich doch, sollte er die Verbilligung nutzen wollen, einen Kollegen von der Straße heranwinken solle. Daraufhin erleichtert sich der potenzielle Kunde in einer Hasstirade gegenüber denn ach so fies geldgeilen Taxifahrern, darüber, was wir doch allesamt für gescheiterte Existenzen und lebensunwerte (Oh ja, so hat er das ausgedrückt!) Kreaturen seien. Und wundert sich anschließend, dass auch ich seine Nachfrage mit einem vergleichsweise netten „Vergiss‘ es!“ beantworte.

Lasst uns mal eines klarstellen: Im Taxi wie überall im Handel- oder Dienstleistungssektor gibt es entgegengesetzte Interessen. Natürlich will man als Kunde gerne umsonst bis nach Kasachstan transportiert werden und als Dienstleister würde man gerne einfach mal einen Scheck über 10.000 € einstecken dürfen, weil man so nett gelächelt hat. So gesehen haben sich bisher nicht viele Wünsche der Menschheit erfüllt.

Bei der Taxi-Kurzstrecke selbst ergibt sich dann das Bild, dass der Kunde gerne für 4 € seine 2 Kilometer fahren will, der Taxifahrer da aber rund 7 € haben will, weil er sich schon angestellt und auf eine Fahrt gewartet hat. Beides an sich erst einmal legitime Wünsche. Aber:

Wenn man schon mieseste Beleidigungen ausspricht, sollte doch wenigstens der Hauch eines Grundes vorhanden sein! Der Taxitarif ist gesetzlich vorgegeben – der Kunde hat den Fahrer also de facto zu einem Rechtsbruch überreden wollen. Das kann man machen, aber für gewöhnlich sollte man dafür bessere Gründe haben als „Ich will xyz aber billiger!“.

Auch wenn man’s sich noch so schönredet, sind Sonderangebote mit Einschränkungen was anderes als Normalpreise. Wenn ich heute beim Netto einen Käse für 50 Cent mitnehme, weil er in zwei Tagen abläuft, kann ich bei der nächsten Charge, die für einen Euro verkauft wird, nicht drauf pochen, dass das Zeug „sonst“ oder „normal“ nur 50 Cent kostet. Berlin ist ohnehin eine absolute Ausnahme mit dem Kurzstreckentarif – und ich bin dagegen, dass er abgeschafft wird! – aber es gab und gibt ihn nur für eine kurze Fahrt ohne Zwischenstopp beim Heranwinken eines Taxis.

Einem Taxiunternehmer entstehen Kosten, wenn man zu einem Stand fährt. Einen Taxifahrer kostet es zudem Zeit, wenn er irgendwo wartet. Das ist im normalen Tarif eingepreist, nicht aber in der Kurzstrecke, weil sie eben genau dafür nicht geschaffen wurde, sondern für besonders günstige Spezialfälle.

Ich will sicher kein Arschloch sein, das darauf pocht, unsinnige Regeln einzuhalten. Mitnichten! Aber, liebe Mitmenschen:

Einen Taxifahrer beschimpfen, um ihn zu einer ihn auch noch Geld kostenden Ordnungswidrigkeit anzustiften … so viel Realitätsverweigerung muss man ja nun nicht noch wohlwollend begleiten, oder? -.-

18 Kommentare bis “Kurzstreckenmeckerer”

  1. Jan sagt:

    Gilt die Kurzstrecke eigentlich auch, wenn sich mehr als vier Leute in dein Taxi quetschen wollen?

  2. Uwe sagt:

    @Jan: Ja klar, die Tarifordnung sagt hier nichts über die Anzahl der Fahrgäste aus, jedoch kommen noch die Zuschläge bei mehr als 4 Personen dazu (je 1,50 ab der 5. Person), denn die Taxitarifordnung macht bei den Zuschlägen keine Ausnahmen für den Kurzstreckentarif. Fahren also 5 Leute Kurzstrecke, kostet das dann eben 5,50 Euro. Bei 7 und 8 Personen wird’s dann spaßig, kostet nämlich dann 8,50 bzw. 10,00 und da wären dann 2 Kurzstreckentaxen billiger…

  3. mathematikos sagt:

    hello….
    …..diese sorte fahrgast gibts ja auch bei uns in der obersteiermark.
    steigt unlängst einer ein: „wir fahren nach bruck (etwa 16km, anm.), aber nur,wenn du mir 50% nachläßt. ich kenn dich nämlich aus dem lokal XY, bruhaha. und wir trunkenbolde müssen ja zusammenhalten, bruhahaha etc.etc.“
    darauf ich: „ich kenn dich auch und zusammenhalten, ja,das finde ich auch gut. ich weiß, daß du heizungsinstallateur bist. wir machen ein geschäft! du bei mir halbhalb, ich bei dir halbhalb!
    mein heizungskessel gehört serviert und ein kleines leck im abwasser hab ich auch. kostet offiziell etwa 2000 EUR….also, schlag ein: jeder beim anderen halbehalbe?!“
    nachdenkliche stille. dann er:
    „Ist ja kein geschäft für mich.“
    ich so:
    „geht mir auch so.“
    nach einer art befreiend-beschämtem gelächter meines fahrgastes, SOOOOOO hätte er das eigentlich noch nicht gesehn,
    gabs zu den 20 EUR fuhrlohn noch einen 5er als biergeld.
    „bist ja ein cooler typ“, so er zum abschied.
    tja,
    besser oft bissi denken vorm reden…….

  4. Wahlberliner sagt:

    @Sash: Interessant, dies ist einer der seltenen Artikel, in denen Du darüber berichtest, einen Fahrgast abgewiesen zu haben. Der Grund ist eigentlich immer derselbe, wenn Du das machst: Der Fahrgast wollte nicht für die Leistung gemäß dem gesetzlichen Tarif bezahlen.
    Falls es andere Situationen gibt, so werden sie zumindest im Blog nicht erwähnt.

    Aber eigentlich kommentiere ich ja nur, weil ich einen Link verbreiten wollte. Zu Uber! Die scheinen nämlich auch mit Dreck werfen zu wollen (zumindest in den USA, und um mal eine tangentiale Überleitung zu bauen): http://heise.de/-2459145

  5. metro sagt:

    Hätte die Möglichkeit bestanden, hätte ich, als Taxifahrer, dem Kunden kurz ein fahrendes Taxi rangewunken und somit die Situation entschärft…

  6. Anubis sagt:

    @Metro wärst du Taxifahrer hättest du es aus von Sash erwähnten Gründen nicht gemacht…

  7. Carom sagt:

    Idioten die Welt erklären zu wollen, ist vergebene Liebesmüh, und alle anderen meckern nicht wegen so einem Stuß 🙂

  8. thorstenv sagt:

    Oh schön. „Keiner hat die Absicht, kritische Reporter auszuforschen“.
    Aber das mit Wunschmusik hat was. Und passt auch hier zum Thema Taxifahrer runterhandeln. Der Herr will nicht feilschen? Dann legen wir jetzt mal für die halbstündige Fahrt Maria und Margot Hellwig auf. BRUAHAHAHA!!!
    Ich hab auch noch einen Link. „Wunschkonzert“ für Sash https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2014/_11/_04/Petition_55693/

  9. Sash sagt:

    @Jan:
    Siehe Uwe. 🙂

    @Uwe:
    Haha, über mehr als sechs Leute hab ich bisher noch gar nicht nachgedacht als Nicht-Bus-Fahrer …

    @mathematikos:
    Auf dem Niveau kann man ja gerne miteinander reden. Sobald ein wenig Verständnis da ist, lässt sich ja alles klären. So gesehen eine tolle Geschichte!

    @Wahlberliner:
    Eine nicht aus tariflichen Gründen abgelehnte Fahrt hab ich mal verbloggt, bin aber gerade zu faul, den Link rauszusuchen. Und danke für den Uber-Link, die sind ja mal wieder richtig über sich herausgewachsen … -.-

    @metro:
    Ich bin ja wirklich nett – aber glaub mir: Dem Vollpfosten behilflich zu sein, stand ganz weit unten auf meiner Prioritätenliste.

    @Carom:
    🙂

    @thorstenv:
    Der Link tut nicht. 🙁

  10. Sam sagt:

    Was ich mich bei dem spotify angebot von uber grade frage: muss dann jeder ihrer fahrer einen neuen wagen anschaffen, wenn es noch keine drahtlosen schnittstellen gibt? Oder wird da irgendein gerät zwischen geschaltet? Und über wessen verbindung wird gestreamt? Irgendwie kann ich mir die alltagstauglichkeit noch nicht vorstellen.

  11. Peter sagt:

    Obige Petition ist wahrscheinlich diese hier:
    http://tinyurl.com/nj6dy3p

  12. Sash sagt:

    Zur Petition werde ich mal einen eigenen Text schreiben, denke ich. Danke jedenfalls für die vielen Links!

  13. elder taxidriver sagt:

    Den Bundestag erreichten im Jahre 2012:

    15724 Petitionen..

  14. Aro sagt:

    Ähem: Wer will schon nach Kasachstan?

  15. Falcon030 sagt:

    @Aro: Unterschätz mir Kasachstan nicht – ich hab da mal ein paar Jahre gearbeitet und das Land hat durchaus seine Reize. Aber mit dem Taxi würde auch umsonst nicht hinfahren wollen…

  16. Der Banker sagt:

    Nimms gelassen, Sash.
    Was meinst du, was ich immer mal wieder zu hören bekomme, weil ich mich erdreiste, mich an irgendwelche grad im Weg rumstehenden gesetzlichen Regelungen zu halten?

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