„Dreizig? Waruum dreizig?“

Sie kam aus dem Bahnhof Friedrichsfelde-Ost und bat mich, ihren Koffer einzuladen. So mehr oder weniger zumindest, denn ihr Deutsch war nahezu so schlecht wie mein Russisch – was offenbar ihre Muttersprache war. Aber es schien zunächst so, als sei sie gut vorbereitet: Sie gab mir eine Karte mit dem Standort eines Hotels. In Moabit.

Das ist natürlich erst einmal schön, aber spätestens als sie mir dazu einen Schmierzettel reichte, auf dem handschriftlich nochmal die Straße mit Hausnummer und der Vermerk „Hotel XY, 40€/Nacht“ zu finden waren, hatte ich die Befürchtung, dass sie eine so teure Fahrt nicht eingeplant hatte und eher an der falschen Station ausgestiegen war. Und sie fragte auch prompt nach dem Preis. Ich hab ihr gleich mal grob 30 als Größenordnung genannt und das war ihr gar nicht recht. Da sie wie eingangs angemerkt kaum Deutsch sprach, habe ich nicht alles verstanden, was sie daraufhin bemängelte, aber vom Prinzip her ging es darum, dass es ja von irgendwo anders auch 30€ gewesen wären und sie jetzt extra hierher gefahren sei. Wenn ich meinem Gehör trauen kann, ging es um Ahrensfelde.

Das ist die Crux mit den teuren ersten Kilometern. Natürlich haben beide unsere Zahlen nicht ganz gestimmt, ich lag um etwa 4€ nach unten falsch, sie um 4€ nach oben. Begünstigt wurde das Ganze dadurch, dass Friedrichsfelde auf der Bahnstrecke der Punkt ist, der am weitesten von der Optimallinie abweicht. Die Strecken und Fahrtpreise hätten sich ganz grob wie folgt gestaltet:

Ahrensfelde – Moabit: 17,5km / 34€
Friedrichsfelde – Moabit 12,5km / 26€

Allerdings liegt Friedrichsfelde bereits 8km von Ahrensfelde entfernt, gefühlt hatte sie also schon fast den halben Weg gemacht, ich hab durchaus Verständnis für das Gefühl, dass da was nicht stimmt. Andererseits hat es mich auch etwas genervt, denn zum einen kann man Taxipreise wirklich gut vorher rausfinden. Zum anderen: Wenn sie mit der Bahn von Ahrensfelde kam, hätte es für sie folgende andere Umsteigeoptionen gegeben (Auswahl):

Ostkreuz: 9,5km / 22€
Ostbahnhof: 6,5km / 17€
Alexanderplatz: 5km / 14€
Friedrichstraße: 2,5km / 9€
Hauptbahnhof: 1km / 6€

Natürlich: Vielleicht hatte sie gute Gründe, die ich nicht kenne, vielleicht hat sie sich vertan. Ich fand es trotzdem erst einmal nervig, mich ständig rechtfertigen zu müssen. Aber ich hab sie explizit nochmal gefragt, ob ich losfahren soll und sie hat bejaht. Nach all den Zweifeln wurde es sehr bald eine schweigsame Fahrt und ich hatte wirklich die Sorge, dass sie am Ende nicht zahlen will, also zumindest nicht den vollen Preis.

Aber wie so oft hab ich gut daran getan, nicht einfach meinem Frust freien Lauf zu lassen, sondern abzuwarten. Sie bat mich am Ende, sie noch zum Supermarkt auf die andere Straßenseite zu fahren, war geradezu ausgelassen, dass ich das auch gemacht habe und hat sogar ein kleines Trinkgeld gegeben. Was immer auch auf ihrer Seite los war: Ich kann das somit als gute Fahrt abtun. 🙂

Die erste echte Januarschicht ’18

Der Januar kickt nach Silvester immer übel rein, inzwischen geht mir das erstaunlich wenig auf den Keks. Es ist zwar irgendwie schon deprimierend, aber so schnell wie diese Nacht sind meine Stunden bei so wenig Kundschaft noch nie rumgegangen. Es war also mies, blabla, keine Überraschung. Aber wie sagt man so schön:

Erst hat man kein Glück und dann kommt auch noch Pech dazu!

Und so ist mir vorhin eine Tour entgangen, wie sie mir noch nie entgangen ist. Der Kollege am Stand vor mir war eingeschlafen, was ich ihm in Anbetracht der Umstände nicht einmal vorwerfen will. Ich hätte in meine 9 Stunden auch bequem 7 Stunden Schlaf packen können. Dummerweise stand er noch eher so an Position 2 oder 3 in Friedrichsfelde-Ost, obwohl die vor ihm schon weg waren. Und hinter mir stand auch ein Kollege. Und so konnte ich die Kunden, die behutsam am Schläfer vorbeigeschlichen sind, gar nicht mitnehmen, weil mir die Durchfahrt versperrt war. 🙁

Aber in dem Fall muss ich auch sagen, dass ich dem Kollegen letztlich die Fahrt gegönnt habe. Wer weiß, wie lange er da schon stand …

Gegenseitig großzügig

Dass sich Leute an Silvester ein Taxi teilen, ist so ungewöhnlich nicht. Immerhin sind die Wartezeiten lang, und bei grob gleicher Richtung kann das ja passen. Als mir am Funkhaus ein junger Kerl zustieg, war er dennoch perplex, als sich eine Frau als Begleitung anbot. Der Weg war nur so mittel zusammenpassend, aber halbwegs ok. Er wollte nach Neukölln, sie in den Norden des Weddings. Für sie eigentlich sogar günstiger. Dachte ich.
Dann aber bat sie am Ziel des Typen, er solle sein Geld wegstecken, sie übernehme die Tour als Gegenleistung dafür, dass er sie habe miteinsteigen lassen. Und wir waren an dem Punkt fast schon im 20€-Bereich. Etwa ähnlich viel sollte dann noch einmal hinzukommen, was zum Teil dem gesperrten Tunnel zu verdanken war. Sie aber nahm es sportlich, obwohl sie ein paar Stunden später einen Flug erwischen musste.

(Das muss man Silvester lassen: WENN die Leute ein Taxi haben, geht’s eigentlich mit dem Stress!)

Als sie dann die knapp 40 aufgelaufenen Euro zahlen sollte, hat sie das dann zudem noch mit einem glatten Fuffi getan und mir dieses höchste Trinkgeld der Schicht mit sehr netten Worten vermacht:

„Weißt Du, ich fliege ja nachher, da kann ich kein weiteres Kleingeld gebrauchen …“

Jaja, schön war’s. Und jetzt ist Januar.

Die ganz Harten und ihre Vorsätze

Ich hatte ja neulich schon so einen Vogel im Auto, der seine eigenen Klischees übererfüllt hat, aber nun an Silvester hatte ich einen, der das noch um Längen toppen konnte und alle Vorurteile bestätigt hat, die ich so über manche Menschen mit mir rumtrage.

Aber zunächst, bei seinem ersten Bier, ging es um die Liebe. Die Frau trennt sich von ihm. Scheiß Jahresstart, aber er hätte jetzt das mit dem Entzug wirklich vor. Das hab ich mit ehrlicher Anerkennung quittiert. Drogenabhängigkeit ist hart, meine Mutter hat ja auch ihren Alkoholismus nicht überlebt. Zu dem Teil der Story stehe ich. Aber leider war die Fahrt lang genug, dass sich das Thema nicht darin erschöpfte, dass er jammerte, sein Mitbewohner wolle von seinen Sorgen nix mehr hören.

Nein, es ging weiter damit, dass er seine Beziehungsprobleme schilderte, deren Höhepunkt wohl ein Axteinsatz seinerseits „durch de janze Wohnung“ seiner Frau war. Er dachte, sie hätte einen anderen. Schien ihm als Begründung immer noch auszureichen.

Überhaupt Gewalt: Er bemühte sich zwar philosophisch, das Problem bei sich und seinem toten Vater zu suchen, aber am Ende wurde es eine Heldensaga, wen er nicht wo wegen nichtiger Anlässe schon vermöbelt hätte. Nur eines sei witzig: Der Taxifahrer, dem er mal das Leben gerettet hätte, obwohl er ihn eigentlich verkloppen wollte.

Ich hab zwischenzeitlich überlegt, Kollegen zwecks Verstärkung anzufordern, aber der Typ war halb so groß wie ich und badete eigentlich in Selbstmitleid. Das waren keine passiv-aggressiven Provokationsversuche, der war echt so peinlich, dass er glaubte, ich fände das irgendwie toll.

Dann kamen Verschwörungstheorien dazu. Ich als Chronist tue hiermit also meine Pflicht und warne euch: Am 13. Januar werden eure Konten gepfändet! Ist wie in Griechenland, Ihr wisst schon! Ach so, der BER wird übrigens nicht fertiggebaut, weil er nur eine Kulisse ist. Mit (sehr sehr tiefem!) Tunnel „zum Bundestag“, damit DIE dann schnell flüchten können. Also über den funktionsunfähigen Flughafen … egal: Ihr wisst Bescheid!

Bleibt nur noch zum Schluss, dass er völlig ungerechtfertigt Stress auf Arbeit hat, weil er als Nazi gebrandmarkt würde, nur weil er „alle Schwarzen“ über einen Kamm scheren würde. Bewusst! Schließlich habe die Polizei mal wen totgefahren, als sie Kollegen helfen wollten, die „einen von denen“ nicht alleine festnehmen konnten. Wenn das kein Grund ist!

Aber eigentlich isser „n Netter“, auch wenn er mal Günther Jauch angepöbelt hat („DEM JEHÖRT HALB POTSDAM!“), obwohl der mal eine coole Reportage über seine Autorennen-Kumpels in der DDR gemacht hat.

Liebe Evolution, können wir uns mal darüber unterhalten, wie unrealistisch deine Charaktere mittlerweile geworden sind?

 

„Spezialabkürzung“

Mein Kunde war sich sehr sicher:

„Immer geradeaus!“

„Ich weiß nicht, ob …“

„Wir fahren Pablo-Picasso …“

„Aber geradeaus kommen wir zur …“

„Ja ja, zeig ick Dir! Heut mach ma mal Spezialabkürzung!“

„Von Marzahn nach Hohenschönhausen, aber Spezial bitte!“ Quelle: maps.google.com

„Lohnt sich …“

Ich denke, ich brauche hier nicht all die Artikel meinerseits verlinken, in denen es darum geht, dass die Fahrgäste mir hohe Trinkgelder versprochen haben, die sich dann am Ende als bestenfalls unterdurchschnittlich erwiesen haben. Das ist natürlich kein Naturgesetz, aber immerhin so häufig, dass ich solche Ankündigungen inzwischen einfach überhöre. Bringt ja nix, sich auf was zu freuen, was eventuell nicht eintritt.

Und nun hatte ich zwei junge Leute, ganz offensichtlich mit dem Partyeinkauf für die Silvesternacht bepackt. Der Weg war erwartungsgemäß kurz, die wenigsten kaufen irgendwo weit weg von Zuhause ein. Unterwegs fiel dann der Satz „Keine Sorge, lohnt sich für dich!“. Ich hätte es wirklich vergessen, hätte die Anweisung bei der Bezahlung nicht gelautet:

„Und den Rest behältste für Dich, ok?“

Amtliche Ansage für einen Zwanni bei 6,50€ auf der Uhr! 🙂

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Weihnachtsstimmungen

Ein Fahrgast tritt am Bahnhof an die Tür, wir signalisieren uns durch ein Nicken, dass wir beide zu der Gattung Mensch gehören, die wissen, dass das jetzt die Durchführung einer Dienstleistung wird. Er fragte schweigend, ob ich ihn mitnehme, ich antwortete schweigend, dass ich das gerne tue. Da er auf die Beifahrertür zusteuert, beginne ich den Sitz dort aus der vordersten Position zurückzustellen. Er winkt ab und geht zur hinteren Tür:

„Lass mal, ich steig hinten ein. Da hab ich mehr Platz mit all den Taschen. Blöde Weihnachtsgeschenke, braucht kein Schwein, so’n Scheiß!“

Oh, also einer dieser ganz dankbaren Gesellen, die jeder so gerne an den Feiertagen mit am Tisch sitzen hat.

Und sieh an: Niedrigstes Trinkgeld der Schicht …