„Ach, mach doch mal billiger, Du fährst doch eh in die Richtung!“
Das ist, wie ich oft hier bei GNIT erwähnt habe, kein Argument. Obwohl beim Taxifahren vieles Zufall ist, bleibt am Ende dann doch, dass auch unsere Verfügbarkeit vor Ort bereits Teil der Dienstleistung ist. Das ist nicht immer fair, da auch der Winker einmal ums Eck nach dem nächsten Kunden noch den vollen Grundbetrag zahlen muss, aber dafür musste ich meiner letzten Kundin am Sonntag eben nicht auch mal eben hundertdrölfig Euro Anfahrt berechnen, weil mein Kilometerschnitt völlig im Arsch war, als ich sie einlud.
Aber der (abgesehen vom Schnitt sehr gute) Abend war für mich vorbei und mit ihrem Ziel in Marzahn kam sie mir ohne es zu wissen sehr entgegen. Sie wollte auch keinen Sonderpreis, sondern hat nur erwähnt, dass sie nur noch 11,50€ dabei hätte und ich dann eben ggf. stoppen solle. Passiert öfter, und unter diesen Umständen finde ich da meist auch eine versöhnliche Lösung. Hier folgende:
„Ich glaube nicht, dass das komplett reicht, aber warten wir mal ab. Um ehrlich zu sein: Die Richtung passt mir ganz gut.“
Ja, das ist in gewisser Weise das Gegenteil von dem, was ich eingangs erwähnt habe, aber genau da liegt der sehr sehr wichtige Punkt: Natürlich gibt es Momente, in denen man als Taxifahrer mal jenseits von Recht und Gesetz fünfe grade sein lassen kann. Aber wann das passiert, entscheidet der Taxifahrer nach seinen Möglichkeiten und nicht der Kunde! Es mag sein, dass man da ethische Grenzfälle finden kann, aber für uns ist der Deal, dass wir uns (und unter Umständen unseren Chef) um Geld bringen und zusätzlich das Gesetz misachten. So toll Kundschaft an sich ist: Dieses Entgegenkommen ist für uns ausschließlich negativ, denn unsere Alternative ist es, drölfzig bezahlte Kilometer Umweg zur schwerhörigen Uroma zu fahren, die dem Fahrgast das Geld schenkt. Und ja: Nix anderes ist einforderbar, alle Alternativen sind semilegale Geschenke von unserem wohlverdienten Lohn.
Aber wie ich bereits festgestellt habe: Auch das tut mal mehr und mal weniger weh und außerdem ging es mir nie nur um Prinzipienreiterei um der Prinzipienreiterei (die übrigens ein sehr unbefriedigender Sport ist) wegen.
Also hab ich der Kundin noch vor Ende der Fahrt erklärt, dass ich sie schon heimbringen würde, weil mir der Weg gut passte. Und nur um das mal zu erklären: „Der Weg passt“ ist nicht immer das, was Kunden darunter verstehen. Selbst wenn man z.B. einer Veranstaltung entgegen fährt, kann es für mich blöd sein, nicht bereits die ersten Kunden einzuladen, sondern erst die einen Kilometer weiter. Sicher, oft kann ich das selbst nicht gut genug einschätzen, weil die nächsten ja auch unterschiedliche Touren haben könnten, aber das typische „Na, Du kannst ja froh sein, wieder in die City zu kommen …“ ist leider nicht immer ein gutes Argument. Vielleicht ist im Außenbezirk auch gerade eine fette Party der Anziehungspunkt, von der fast alle Anwesenden Touren ins Umland zu bieten haben.
Aber wie ich wusste: Bei meiner Kundin war das nicht der Fall. Abgesehen von der geringen Partydichte in Lichtenberg und Marzahn am Montagmorgen war es auch so, dass ich langsam müde war, wirklich Feierabend machen wollte und ihr Ziel wirklich DIREKT auf dem Weg zum Abstellplatz lag. Eben genau die von Kunden sicher gerne herbeifantasierte Situation von „Entweder das oder gar nix“. Selbst wenn unterwegs Winker gewesen wären: Ich hätte sie nicht gewollt, ich hab nach der Tour für die verbleibenden anderthalb Minuten die Fackel ausgemacht. Und das ist auch nach achteinhalb Jahren immer noch ein nur ungefähr einmal jährlich auftretender Zustand.
Der Witz war, dass die 11,50€ am Ende zu 100% exakt bis zum Zielort gereicht haben. Abgesehen davon, dass ich sonst vielleicht noch ein Trinkgeld hätte einstreichen können, hab ich mich nicht einmal irgendwie aus dem Fenster lehnen mü …
„Ach, wenn Sie sowieso abbiegen: Könnten Sie mich dann da am Zebrastreifen rauslassen?“
Na gut, die einhundert Meter …
Ein spätes Foul ihrerseits. Aber dafür war mein Kilometerschnitt trotzdem wieder im Rahmen. 🙂
