Eifersüchtig und taxifreundlich

Die Story hat mir ein Kollege am Stand erzählt, aber ich muss sie einfach weitertratschen …

Besagter Kollege stand am Ostbahnhof und bekam einen Funkauftrag zu einem nahegelegenen Altersheim. Dort sprang ihm eine Seniorin ins Auto – und zwar mit folgenden Worten:

„Nur, dass se sich nich‘ wundern: Ick bin sehr eifersüchtig!“

Der Kollege ließ das mal so stehen und brachte sie wie gewünscht zu einem Kiosk ums Eck. Er meinte zu mir:

„Ick dachte noch: Na Wahnsinn – was ick mir hier wieder für ’ne Tour rausjelassn hab …“

Am Kiosk, den sie eifersüchtig aufsuchte, um ihren Gatten aufzutreiben, wurden sie nicht fündig, also ging es zum nächsten Dönerladen. Sie sprach dort mit Angestellten, blieb aber auch dort erfolglos. Dann kam sie zurück zum Auto und meinte:

„Wissense, ich bin ja nicht nur eifersüchtig – ich fahr‘ auch gerne Taxi!“

Also hat sie den Kollegen gebeten, mit ihr an der Eastside-Gallery langzufahren, dann musste er ihr das Matrix zeigen und zu guter letzt auch noch die Revaler und die Warschauer Straße.

„Dann kann ich meiner Tochter sagen: Kenn ich alles schon!“

Am Ende blieb eine 19€-Tour, die bereits im Vorfeld mit 25 € großzügig beglichen worden war – und offensichtlich waren alle Beteiligten zufrieden. Gut, was mit dem Gatten war … who cares?

Klassischer Fall von: Sowas kann man sich einfach nicht ausdenken!

Heimliche Gemeinsamkeiten

Mitten im Taxialltag kommt man bisweilen dazu, sich sonderbare Fragen über die Menschen an sich zu stellen. Zum Beispiel „Welche Sprache sprechen sie gerade?“, „Wie kommt’s, dass kaum jemand sein Limit für Alkohol kennt?“ oder aber auch: „Ist es vielleicht leichter für Menschen, ablehnend als zustimmend zu sein?“.

Die letzte Frage kam nicht von ungefähr, denn ich musste wirklich einen Moment darüber nachdenken, ob ich der Kundin vermitteln können würde, dass ich ihr voll und ganz zustimme. Aber nein, ich konnte es nicht. Es war bereits eine Stunde nach meinem geplanten Feierabend und grob 20 € über Soll, als ich eigentlich nur noch heim wollte. Aber man lässt Leute ja nicht stehen, wenn man am nächsten Tag wieder eine Stunde auf sie warten muss. Und es könnte ja in die richtige Richtung …

„XY-Straße bitte.“

„Uff. Moment, ich überlege kurz …“

„Ist in der Nähe vom Hohenzollerndamm.“

„Scheiße!“

Ich hab’s wirklich gesagt, aber sehr leise nur. OK, 25 € auf dem Silbertablett, aber der Heimweg verlängerte sich damit von 7 auf 35 km. Komplett falsche Richtung, noch dazu einmal durch die komplette Innenstadt. Aber gut, meine Schuld. Ich hätte ja die Fackel ausmachen oder sie sonstwie übersehen können. Also wollte ich erst ein bisschen gute Laune auflegen, aber jetzt fing sie an:

Die Fahrt sei total unnötig und nervig! Sie hätte nach der Weihnachtsfeier einfach mit einer Kurzstrecke heimfahren können: Von Kreuzberg nach Mitte. Aber dann hat sie sich überreden lassen, in einen doofen Club nach Prenzlauer Berg zu fahren, dort kam sie wegen eines blöden Spruchs eines Kollegen nicht rein – und musste nun, weil es so spät war, bei ihrer Schwester am anderen Ende der Stadt pennen. Eigentlich sollte es ja gut fürs Trinkgeld sein, den Kunden zustimmend zu begegnen. Aber wie?

„Ach, dann sind wir schon zwei: Ich hab auch keinen Bock, sie da hinzufahren!“

Kannste ja nicht machen.

Also hab ich während der Fahrt ein wenig überlegt, ob man vielleicht auch in anderen Fällen überwiegend nicht nett zu Menschen ist. Arg viel weiter als bis zu der Tatsache, dass ich schon mehr Menschen „Verpiss Dich, Du Arschloch!“ als „Ich liebe Dich!“ gesagt habe, bin ich aber nicht gekommen. Und an dem Punkt war mir dann auch klar, dass es Gründe gibt, den Feierabend nicht ewig hinauszuzögern – das ist nicht gerade förderlich für den Geist. 😉

Man kann’s halt echt nie wissen …

„Hi! Ach, rauch ruhig noch auf, dann zünd‘  ich mir auch noch eine an …“

Obwohl ich immer wieder gerne eine angefangene Kippe gegen eine sofortige Fahrt tausche, ist die Ansage ja erst einmal nett. Und hier am Ostbahnhof … ich kann’s als Raucher ja verstehen: Da geht man für die erste Kippe seit Stunden kurz vor die Tür und direkt da steht dann ja auch schon das Taxi. Da überschneidet sich das halt mal.

Ich hab also dem Kollegen hinter mir Bescheid gegeben, dass ich schon besetzt bin und hab eine Minute später dann einen Kunden zu ihm durchgereicht mit dem Hinweis darauf, diese Dame hier gleich zu fahren. Unschön, aber eben Teil der Geschichte, wenn man seinen Fisch schon an der Angel hat.

Sie hatte ihre frisch angezündete Zigarette beendet, bevor ich meine fertig rauchen konnte, wir stiegen dann beide ein und ich fragte sie, wo’s hingehen solle.

„Zum Engeldamm.“

-.-

Ich bin nach wie vor kein Kurzstreckenfeind, aber da die einzige Ampel grün gezeigt hat, hat die Fahrt am Ende ungelogen ungefähr 45 Sekunden gedauert. Vielleicht 50. Da kommen einem dann drei Minuten Raucherpause vorher doch reichlich unnötig vor. Aber ja, man weiß es halt nicht vorher. Nächstes Mal ist es vielleicht wieder die 50€-Schichtrettung, die man sich mit der aufgebrachten Geduld an Land zieht … und dass man das nicht weiß, macht die Sache ja auch irgendwie spannend. 😉

Ich bin der Beste. Zufällig, aber der Beste.

Ja, es kommt schon mal vor, dass ich gelobt werde, die kürzeste Strecke ever gefahren zu sein. Ich fahre nachts, ich bin erschreckend uninspiriert, was meine Profitmaximierung angeht und ich tue anderen Leuten gerne was gutes. Da kommt es schon mal vor, dass man als Taxifahrer hier und da wirklich die kürzeste Strecke ausbaldowert.

So gesehen hätte es jetzt nicht unbedingt eine Überraschung sein müssen, dass mein Kunde am Ende der Tour bei 25,10 € auf der Uhr anerkennend bemerkte, er wäre noch nie so günstig heimgekommen, normalerweise seien das eher so um die 30 €.

Wieso es dennoch beachtlich war?

Kurzer Rückblick auf den Beginn der Fahrt: Der Kunde steigt ein, nennt mir eine nie gehörte Straße, konkretisiert das dann etwas und ich denke mir nur:

„WTF, was bitte ist da der kürzeste Weg?“

Anstatt an dieser Stelle wie üblich das Navi anzuschmeißen, hab ich mal fünfe gerade sein lassen und beschlossen:

„Ach, scheiß drauf: Über ein paar Hauptstraßen kriegen wir das mit viermal Abbiegen (immer nach rechts!) hin, das wird schon passen. Genauer will’s am Ende eh niemand – und der hier sowieso nicht …“

Habe dann eben bei Google Maps nochmal nachgeschaut und tatsächlich keinen Weg gefunden, der auch nur einen Hauch kürzer ist. 🙂

Immer diese Entscheidungen …

„An der nächsten Ampel können Sie links fahren.“

Ihr Begleiter indes sah betrunken und verträumt einem anderen Taxi nach, das geradeaus fuhr:

„Hihi, guck ma! Da, der da: Verfolg denn mal!“

Ich hab kundgetan, dass mich im Zweifelsfall lieber für die etwas nüchternere Wegansage entscheiden würde – woraufhin sie jedoch gleich einwarf:

„Ach, wenn ich zu Hause bin … Ihr dürft ruhig den anderen Wagen verfolgen.“

Und dann sah mich der zweite mit Hundeblick an:

„Woll’n wa?“

Am Ende ist er dann doch mit zu ihr. Aus Pflichtgefühl, sagte er. Aufpassen, dass sie sicher heimkommt.

Is‘ klar. 😉

Volltreffer

Ich hab den gestrigen Abend doch nicht auf der Straße verbracht. So oft ist mein Bruder nicht zu Besuch und wir haben den Abend lieber mit ein wenig Zocken zu Hause verbracht. Nachdem alle außer mir im Bett waren, wollte ich dann trotzdem das Auto schonmal holen. Nicht wirklich zum Arbeiten, sondern um schon mal alles für heute Abend herzurichten, mir heute die Anfahrt zur Firma zu ersparen, sowas halt.

Und naja, für den unwahrscheinlichen Fall, dass noch jemand winken sollte, hatte ich natürlich vor, diese Tour dann auch noch zu machen.

Es gab tatsächlich Winker. Nur eine Tour. Dafür aber auch gleich ein armenischer Kunstmaler, der von Karlshorst nach Siemensstadt wollte und sich mit mir während der Fahrt für schlappe 40 € über Jazz und das Leben in Ostdeutschland unterhalten wollte. Etwas schräg, durchaus, aber weit besser als alles, was auch nur entfernt in die Nähe meiner Vorstellungskraft geraten konnte.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

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Fremd in der eigenen Stadt

„Und kannst Du mir sagen, ob das Hotel ok ist, so qualitativ?“

„Ganz ehrlich: Nein. Ich hab eine Wohnung in Berlin, entsprechend schlafe ich hier selten im Hotel.“

„Haha, ja, so geht’s mir ja eigentlich auch …“

Hat mich gefreut, dass er dieser Argumentation so bereitwillig gefolgt ist. Aber von der Sache her isses ja wirklich so. Ausgerechnet bei Hotels! Dass ich Museen schon besucht, in Restaurants schon gegessen oder in Clubs schon getanzt habe … das sind ja sehr naheliegende Gedanken – obwohl meine Erfahrungen auch diesbezüglich sehr überschaubar sind. Aber wer bucht als Einheimischer schon mal ein Hotel?

Wie er genau in die Situation geraten ist, hat er nicht erzählt. Seine Erklärung, dass er eigentlich Familie hat, jetzt aber unbedingt mal 3 Nächte außerhalb schlafen müsse, hat mich fragend und mit ungesundem Kopfkino hinterlassen.

Vergleichsweise glücklich war ich indes mit seinen Ansprüchen. Das Intercity direkt im Ostbahnhof war ihm zu teuer, das Ibis gegenüber auch – obwohl wir da zunächst die Preistafel begutachten sollten. Das A&O in der Köpenicker hingegen war ihm zu Low-Budget, also hat die Fahrt wenigstens auf 8,50 € gereicht: Zum Moritzplatz ans Motel One.

Wie so oft werde ich nie erfahren, was es mit der Fahrt auf sich hatte. Aber immerhin fand er mich super hilfreich. 🙂