Die Club-Kundschaft …

Ich  musste nicht einmal warten wie die gefühlt fünfhundert Leute in der Schlange vor dem Club. Taxis waren keine da, ich blinkte nur kurz rechts und nahm die erste Kundin auf, die mir bereits fröhlich entgegengehüpft kam.

Nach über acht Jahren wird man nur noch selten überrascht, die jedoch hat das schon mit dem Gesprächseinstieg geschafft, denn der dürfte einzigartig gewesen sein:

„Hey, guck mal: Avocados! Hihi.“

Und was soll ich sagen: Sie trug Leggings mit Avocado-Muster.

Ein weiteres Highlight war folgende Erkenntnis:

„Gott sei Dank hab ich so viel Glitzer im Gesicht. Sonst hätte ich übelst die Augenringe!“

Und beendet wurde das Ganze nach 10 Minuten mit dem Dank, ich sei „der beste Nachhause-Taxifahrer der Welt“.

Sowas nimmt man doch gerne mal mit. 🙂

Einfach mal nett sein

Ich hatte nicht wirklich einen Grund zu klagen. Die Warterei am Ostbahnhof hat mir immerhin eine 20€-Tour in den Wedding beschert. Mit zwei wirklich netten Jungs, die sich am Ende dafür bedankten, dass es so eine nette Fahrt gewesen sei. Das Trinkgeld blieb zwar unterdurchschnittlich, aber man will ja wirklich nicht an den Details herumnörgeln.

Ich blieb gleich an der Ecke kurz stehen, um mir den Umsatz zu notieren, da klopfte es an meine Scheibe. Ein netter junger Mann fragte in gebrochenem Deutsch:

„Hallo? Hab ick je’and. Du fahre?“

„Äh, sicher.“

Zugegeben, meine Alarmglocken waren scharf geschaltet, denn in der Regel schaffen es die Fahrgäste ja selbst, ihre Anfrage zu formulieren. Und die junge Frau, die der Frager dann zum Taxi geleitete, wirkte auch ein wenig wackelig auf den Beinen. Kaum dass sie einstieg, war aber klar: Eher keine Kotzgefahr. Sie heulte wie ein Schloßhund und presste nur kurz eine grobe Richtungsangabe in der 25€-Region hervor. Für mich als Taxifahrer also erst einmal wow.

Andererseits hatte ich jetzt für mehr als 20 Minuten eine heulende Frau im Auto, das ist dem Menschen in mir dann doch auch etwas unangenehm.

Ich hab eine Weile warten müssen, dann aber irgendwann einen Punkt finden können, an dem ich ein „Alles in Ordnung bei ihnen?“ einwerfen konnte. Natürlich war nix in Ordnung. Aber ich konnte kurz und schnell das Eis brechen, indem ich sagte, dass ich ihr gerne ein Taschentuch anbieten würde, aber ausgerechnet heute keines dabei hätte.

(Was nicht gelogen war, denn ich hatte kurzfristig ein neues Auto bekommen. Details dazu gibt es die Tage mal, ich hab aber noch nicht einmal Fotos gemacht.)

Sie stammelte, dass sie so gerne eine rauchen würde und fragte, ob ich rauche. Da war ich ja nun gleich doppelt der Spielverderber mit meiner Aussage, ich hätte aufgehört. Sie meinte dann, dass sie ja „eigentlich“ auch aufgehört hätte, aber jetzt und hier … ob wir nicht zusammen eine rauchen könnten.

„Bitte lassen Sie mich da raus! Aber eine Ausnahme im Jahr genehmige ich mir im Hinblick auf die Taxiordnung. Wenn Sie also wollen, ich lasse ihnen das Fenster runter, rauchen Sie eine. Ich würde mir aber wünschen, Sie würden darauf achten, auch ordentlich aus dem Fenster zu aschen.“

Und schon konnte die unglücklichste Frau Berlins ausgerechnet in meinem Taxi für einen kleinen Moment gar nicht fassen, was für ein riesiges Glück sie hat. Obwohl das weder psychisch noch toxikologisch eine Meisterleistung war: Es hat ausgereicht, vorübergehend die Tränen versiegen zu lassen. 🙂

Der Rest war dann ein Bisschen Zuhören von meiner Seite aus. Einer Story, die um eine an diesem Abend beendete Beziehung und zu viel Rotwein kreiste. Es soll nicht abschätzig klingen, aber eine Überraschung war das da dann auch schon nicht mehr wirklich. Der Mensch in mir war schon einmal zufrieden und gegen Ende sollte es auch noch einmal was für den inneren Taxifahrer geben.

Als wir nämlich noch etwa zwei Minuten vom Ziel entfernt waren, standen etwa 22€ auf der Uhr. Sie kramte in ihrer Tasche und meinte:

„Ich möchte Ihnen schon mal, gleich vorweg, 50 € geben.“

„Danke, aber warten Sie doch bitte, bis …“

„Nein, nein! Ich meine ohne Rückgeld!“

„Oh. Äh, mal ganz im Ernst: Haben Sie sich das gut überlegt?“

„Ja, das passt so.“

Ich bin, deswegen hab ich’s so in die Überschrift gepackt, eigentlich nur einmal mehr einfach nett gewesen. Ich hab aber das Gefühl, dass das an diesem Abend für diese eine Kundin wirklich wichtig war.

Ich bin die Tage im Netz über so einen neunmalklugen Kalenderspruch gestolpert, der mir eigentlich zu kitschig war. Er besagte sinngemäß, dass man immer erst einmal nett sein sollte. Weil man, wenn man damit nicht weiterkommt, immer noch gemein sein könnte, ohne dass sich am Ergebnis was ändert; dass das aber umgekehrt sehr viel schwerer bis unmöglich wäre. Und nach der Fahrt ist mir das wieder eingefallen und ich hab mir überlegt, wie die Fahrt wohl ausgegangen wäre, wenn ich gleich zu Beginn zur Kundin gesagt hätte, sie solle mir mit dem Geschnodder ja nicht das Auto vollsauen. Ich schätze mal, dass es dann weniger als 110% Trinkgeld gewesen wären. 😉

Eigentlich BVG-Kunden

Eine Truppe Winker in Friedrichsfelde. Eine (weitgehend) nüchterne Frau und zwei sturzbesoffene Kerle mit Getränkebechern. Ich verstehe die Kollegen, die das gar nicht machen, aber ich bin halt der Gutmütige, der am Ende auch noch den Rest einsammelt. Ich hab um Vorsicht gebeten, die beiden haben mir selbige versprochen, so wie sie auch sonst alles auf der Welt versprochen hätten. Alles. Auch einen Friedensvertrag zwischen den USA und Nordkorea. Aber immerhin hat das mit den Bechern geklappt.

Die Frau wollte nach Marzahn, die beiden Jungs nach Hellersdorf und Hönow. Schnell war klar, dass die 20€ von ihr  für alles nicht reichen würden. Also eine Straßenbahnstation. M6, meine Linie, kenn‘ ich. Anstatt sie drei Kilometer nach der zurechnungsfähigen Kundin rauszuschmeißen, kam mir die Haltestelle vor meiner Haustüre in den Sinn. Sie fanden das gut, es gab kein Geklecker, alles super.

Ich zu meiner nunmehr einzigen Kundin:

„Sorry, sollte nicht fies aussehen, aber mit den beiden am Ende alleine … da wäre ich der einzig zurechnungsfähige Mensch im Wagen gewesen.“

„Oh, das verstehe ich total!“

Am Ende blieben mehr als drei Euro Trinkgeld und der Hinweis, ich fahre „sehr gut“.

Was ein paar Minuten  zuvor noch mit „Wo biste’n jetze? Hohenschönhausen oder wat?“  kommentiert worden war. Einmal mehr: Alles richtig gemacht!

Und  an die BVG: Sorry, falls Putzarbeit angefallen ist!

Ganz eigene Probleme …

Ein Ire. Das erste Mal in Deutschland, noch dazu mit Freude, mit Freunden, mit Erwartungshaltung. Und ja, klassischer Fall: Sie wollten hier trinken. Dank des Streiks an den Berliner Flughäfen war sein Flug umgeleitet worden, der seiner Kumpels nicht. Sie hatten ihm also ein paar Stunden voraus.

„Well, I guess your friends are already drunk …“

„Think so too.“

War eher lustig gemeint., aber er hat das Trinken noch als ernsthaften Sport gesehen:

„I was drunk before the flight too, but now I’m sober. Wasted money!“

Man glaubt ja gar nicht, wie sehr die Fluggäste bei einem Streik leiden! 😉

Der Coole

Drei Fahrgäste, alle ganz nett. Winker im Außenbezirk.

„Also zuerst müssten wir zum Bahnhof. Da steigt der eine schon aus …“

„DER COOLE STEIGT DANN AUS!“

Ich hab in den Rückspiegel geblickt und gesagt:

„Nee, das geht nicht.“

„WAS? WIESO?“

„Ich muss das Auto fahren.“

Zwei neue Kunden, ein neuer Feind. Die Statistik passt soweit. 😉

Passiv, aber heftig.

Die Schicht war scheiße gelaufen, aber jetzt winkte es ausgerechnet im südlichen Neukölln, als ich das Auto gerade in Richtung Firma bringen wollte. Nun denn, so ist das Spiel eben! Der Winker stand auf dem Mittelstreifen und gab mir gut erkennbar den Hinweis, dass ich vor ihm (an einer Kreuzung) drehen solle und es wieder stadteinwärts gehen würde. Kein Ding.

Und dann stiegen drei Leute ein, die mich so dermaßen ins Jahr 1998 zurückgeflasht haben, dass ich mir selbst erst mal klarmachen musste, dass es am Geruch lag.

„Alter, nice, dass Du so angehalten hast! Reicht Wildenbruch noch Kurzstrecke?“

„Wir können’s zumindest versuchen.“

„Yeah. Also nicht, dass das war, was ich, also wir, ich äh … hihi.“

„Wir fahren Kurzstrecke auch immer von woanders, ist manchmal schwer einzuschätzen.“

„Is‘ super, Digger! Wir wollen ja nur noch kurz noch einen rauchen … das machste sicher auch nicht, wa?“

Hätte ich nicht vor ungefähr 15 Jahren mein gelegentliches Kiffen zugunsten eines Fahrerjobs ad acta gelegt, hätte ich anhand der Luft im Auto noch die Sorte an Gras bestimmen können, die die drei Gesellen offenbar die letzten Monate anstelle von Atemluft benutzt haben. Also hab ich mal frech geantwortet:

„Nee, Jungs, das passt nicht mit dem Job. Aber ganz ehrlich: Was ich gerade passiv mitnehme, versaut mir ohnehin schon die nächsten Drogentests.“

Zugegeben, es war nur sehr bedingt überraschend, aber: Sie mussten lachen. 😀

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

Abonniert doch den RSS-Feed von GNIT. Mehr von Sash gibt es außerdem bei Facebook und bei Twitter.

Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

„Meine Dienste“

Mittzwanziger, leicht abgeranzte Klamotten, schon leicht einen im Tee. Soweit der erste Eindruck.

Ich war der einzige Taxifahrer am Stand, also kam er zu mir. Mal sehen …

„Einen Wunderschönen! Ick müsste mal Ihre Dienste für eine janz kurze Zeit beanspruchen, geht das klar?“

Berliner Dialekt und Höflichkeit. Da gehe ich ja innerlich ohnehin auf die Kniee.

Ja, die Tour blieb mit knapp neun Euro nur mittelmäßig ergiebig. Andererseits muss ich jetzt auch mal die lediglich drei Minuten Wartezeit und die fürstlichen drei Euronen Trinkgeld erwähnen. Und, welch edler Herr in schäbigem Gewand musste sich meine Dienste so höflich erbitten?

Einfach nur ein echt netter Barkeeper, der nach drölfzig Stunden mehr als ich völlig platt war, aber vorm Schlafengehen noch unbedingt Kippen an der Tanke holen musste.

Meinetwegen muss das Protokoll ja nun nicht derart pingelig eingehalten werden, aber in dem Fall hab ich’s einfach mal als echte Höflichkeit gewertet. I like! 😀