Ich hatte die beiden Frauen bereits gesehen, als sie am Ostbahnhof vor mir ein anderes Taxi verlassen haben. Schließlich war es schon spät, es fuhren keine Bahnen mehr von dort und selbst der 24h-McDonald’s hatte seine einstündige Putzpause eingelegt. Entsprechend enttäuscht kamen die beiden auch aus der Bahnhofshalle wieder raus, nachdem der Kollege schon abgedampft war. Und ich war erster in der Schlange. Eine der beiden steuerte zielstrebig auf mich zu, die andere wollte weiterlaufen.
„Kann ich hier mit Karte zahlen?“
„Sicher.“
„Oh, super! Schatz, steig ein!“
„Schatz“ aber hatte andere Pläne:
„Komm doch mit ins Q-Dorf!“
„Schatz, wir sind am Ostbahnhof!“
„Nee, gleich hier ums Eck, glaub mir doch!“
„Schatz, wir sind am Ostbahnhof!“
„Ja, Schatz, aber gleich hier das Q-Dorf …“
„Ostbahnhof!“
„Ist doch egal, ich seh doch den Mercedesstern!“
„Schatz, das ist der Ostbahnhof!“
„Weiß ich doch, vertrau mir doch einmal. Lass uns ins Q-Dorf feiern gehen!“
(Das ist eine Zusammenfassung eines fünfminütigen Austausches …)
Man sollte anmerken, dass wir – hatte ich ja schon geschrieben – tatsächlich am Ostbahnhof waren. Und dass die Dame, die ins Q-Dorf wollte, rund 1 Promille mehr intus hatte als die andere, die mir nebenbei gesagt hat, ich solle sie zum Hauptbahnhof bringen. Entsprechend habe ich entschärfend eingegriffen und der sehr betrunkenen Freundin erklärt, dass Berlin schon lange nicht mehr nur über einen rotierenden Mercedesstern verfügt und dieser hier nicht der des Europacenters sei, den sie sicher im Kopf hätte.
Mit einem Satz, der ungefähr „Ihr Ficker, macht doch was ihr wollt!“ lautete, stieg sie dann letztlich ein.
„Nur ums Eck. Zum Q-Dorf!“
„Das ist gut und gerne 8 Kilometer weit weg!“,
wusste ich nun einzuwerfen.
„Egal, dann halt da kurz an!“
„Das ist aber wesentlich weiter als zum Hauptbahnhof, das ergibt keinen Sinn!“
Die nüchternere der beiden sagte mir, ich solle einfach zum Bahnhof fahren, ich solle nicht auf die andere hören. Dass sie wusste, was sie tat, hat mich gefreut, dass „Schatz“ indes so lautstark groteske Ideen hatte, war allerdings eher unschön. Bei voller Fahrt rief sie z.B. plötzlich laut, dass ich sofort anhalten solle. Ich hatte ohnehin Sorge, dass ihr eventuell schlecht werden könnte, aber stattdessen war es nur so, dass ihr plötzlich bewusst geworden war, dass sie kein Geld mehr hatte. Was eigentlich keine Rolle spielte, da ihre Freundin ja mit Karte zahlen wollte. Argh!
Kurz gesagt: Es war eine anstrengende Fahrt. Obwohl die Begleiterin (oder eher: meine eigentliche Kundin?) sehr nett war. Am Bahnhof angekommen passierte dann das, was passieren musste: Die Karte funktionierte nicht. Was irgendwie klar war. Denn natürlich hatte ich den Zuschlag für die bargeldlose Zahlung bereits eingegeben – insgesamt war aber nur noch Bargeld für den eigentlichen Betrag übrig. Da hab ich als Neuling* aber auch ein Glück gerade. Aber gut: Wenn ich ehrlich bin, war ich am Ende vor allem froh, die Tour hinter mir zu haben. Spätestens seit meine Kundin ihrem „Schatz“ das Geld aus der Tasche pfrimelte und jene mir in dem Moment eloquent mitteilte:
„Was wills’n Du hier überhaupt mit deinem Scheißbart? Bist Du dumm oder so?“
Manche Kunden sieht man vermutlich in jedem Job irgendwann eher als Patienten.
*Neuling bezieht sich auf die Kartenzahlung. Seit dem 8. Mai 2015 müssen alle Berliner Taxifahrer Kartenzahlung akzeptieren. Ich hab das bisher nicht thematisiert, weil ich selbst ein wenig spät überlegt habe, wie ich das mache. Ich hatte mit einem Gerät fürs Handy geliebäugelt, aber das wollen meine Chefs nicht zahlen. Denn grundsätzlich hatte ich schon lange einen Kartenleser an Bord, der aber nur in Kombination mit dem Datenfunkgerät funktioniert. Und das Teil ist – das sage ich auch jetzt, nach ein paar Wochen Benutzung, eine Ausgeburt der Hölle. Wäre das Ding eine Software zum Bloggen, dann müsstet ihr mit unformatiertem Text leben und ich das Veröffentlichen im vierten Untermenü des Punktes „Lustige Nebenaspekte“ suchen. Aber ja, ich nutze es inzwischen, zu genau dem Zweck: die inzwischen vorgeschriebene Kartenzahlung zu bieten. Und dabei habe ich inzwischen eine tolle Quote: Immer (!) wenn alles funktioniert hat, hatte ich vergessen den Zuschlag zu drücken – und immer (!) wenn die Kartenzahlung wegen kaputter Karten oder wählerischem Leser fehlschlug, hatte ich ihn bereits eingetippt. Was für ein praktisches Werkzeug …