Hupschnur gerissen?

Aggressive Verkehrsteilnehmer sind ja auch so ein begeisterndes Phänomen. Gestern Abend bin ich die Warschauer langgefahren und hab an der Ampel bei der Kopernikusstraße schon zwei Leute jenseits der Kreuzung gesehen, die aussahen, als wollten sie gleich winken. Der Wagen hinter mir blinkte schon zum Abbiegen, also konnte ich nach dem Grünsignal geradeaus los und gleich den Blinker setzen, als die beiden dann wirklich winkten. Wie man das halt zwanzigmal pro Woche macht als Taxifahrer.

Dass ich dann beim Anhalten trotzdem angehupt werde, kenne ich auch schon. Je nach Laune hupe ich dann gerne zurück, wird ja schon irgendwie wichtig sein, da helfe ich gerne. Und insbesondere in Situationen wie dieser, wo ich im Vorfeld schon gesehen hab, dass da Kunden stehen, mache ich das alles locker mit rechtzeitigem Blinken und in keinster Weise hektisch. Ja, da muss man dann halt mal kurz warten, das war’s aber auch schon.

In dem Fall aber war der hinter mir super wichtig, denn seine Mami hatte ihm morgens eine Polizeiuniform rausgelegt, das entspannt so schön beim Autofahren. Und deswegen hat er auch nicht kurz gewartet, sondern musste mal eben entspannt auch die zweite Fahrspur blockieren, um neben mir zu halten und mich anzubrüllen, dass ich das ja so gefälligst nicht machen darf. (Spoiler: Ich darf!)

Also mitten auf der Straße halten. Ein paar Meter weiter wäre nämlich ein Parkplatz. Aha. Schön für den Parkplatz.

Da hat er vielleicht gemerkt, dass das mich jetzt nur so mittel beeindruckt. Trotz Rumbrüllen und Polizeiuniform. Also hat er mal flugs etwas herbeifabuliert, was weder ich noch meine Fahrgäste irgendwie bemerkt hatten. Er habe „EINE GEFAHRENBREMSUNG HINGELEGT, VERSTEHEN SIE!!!???“

Da musste ich passen. Wenn jemand eine Gefahrenbremsung ohne quietschende Reifen, aber mit Benutzung der Hupe hinlegt, dann überstrapaziert er meine Definition dieses Wortes enorm. Und im Gegensatz zu gereizten Unsympathen blinke ich auch nicht zum Spaß, sondern um ein Halten am rechten Fahrbahnrand anzuzeigen, das ist ziemlich üblich – zumal bei Taxis – und ich hab den leisen Verdacht, dass das ein Grundwissen ist, das man selbst von Polizisten erwarten kann.

Er hat dann noch ein bisschen rumgebrüllt, was bei mir in etwa wie folgt ankam:

„ICH HAB HIER DIE TEURERE HOSE AN UND BIN SAUER, DASS MEIN KAFFEE HEUTE MORGEN KALT WAR!“

Er hat dann gefragt, ob ich das verstanden hätte und das hab ich bejaht.

Und siehe da: Obwohl ich ganz offensichtlich unzählige Menschenleben gefährdet habe, durfte ich einfach weiterfahren. Ich weiß, dass viele nicht verstehen, wieso mich sowas aufregt. Die allgemeine Stimmung ist eher so „Sei doch froh, dass nix passiert ist!“.
Bin ich auch. Aber ich hab es schon oft genug hier geschrieben: Wenn ich mal Mist baue, dann stehe ich dafür gerade. Wenn ich geblitzt werde, mecker ich nicht groß rum und wenn ich sonstige illegale Dinge tue, schreibe ich das sogar mal und riskiere die Anzeige. Und hey, natürlich freue ich mich auch, wenn ein Polizist dann sagt, dass er es bei einer Verwarnung belässt. Aber sinnlos rumbrüllen, ohne irgendwas in der Hand zu haben, einfach nur, weil ihm nicht gepasst hat, dass er anhalten musste, finde ich einfach daneben. Hätte ich in dem Moment keine Kundschaft gehabt, hätte ich auf die Frage, ob ich „das jetzt verstanden“ habe, gerne ehrlich mit nein geantwortet. Ich hab’s mir drei Sekunden ernsthaft überlegt vor meinem süffisanten Ja. Wäre sicher Stoff für mehr als einen Blogeintrag geworden.

Ich hoffe, ich hab irgendwem Prügel erspart dadurch, dass der Tag des Typen etwas besser war, weil er es heute dem Taxifahrer schon mal so richtig gezeigt hat.

10 Kommentare bis “Hupschnur gerissen?”

  1. Peter Klews sagt:

    §12 Absatz 4 …… hab ich mir gemerkt.
    Hilft immer, wenn die Polizei mich aus der 2.Reihe „verjagen“ möchte 😉

  2. Sebastian sagt:

    Die Woche scheint emotionsgeladen zu sein:
    Mittwoch wurden mir von einem Falschparker Schläge angedroht. Sie stand auf einem Ladeplatz und ich musste nunmal laden. Sie kam ohnehin zum Auto um loszufahren, aber irgendwie musste sie ihren Kindern wohl mal zeigen, was freundliches miteinander im Straßenverkehr ist.
    Samstag kam dann eine Belehrung von einem falschparkenden Fahrlehrer. Auch der parkte(!) auf einem eindeutig beschilderten Ladeplatz, dieses Mal an der Autobahn. Seiner Auffassung nach „hält“ legal, wer sein Auto verlässt und sich außer Sichtweite begibt. Die StVO sieht das anders, aber wen kümmert die schon, wenn man einen Fahrschüler dabei hat…

  3. Waldsen sagt:

    Been there, seen that.
    Menschen mit Macht. Behörden, Ämter, Uniformträger…

  4. Gotttlob Bürger sagt:

    Was war denn d a s für ne Pfeife, so typusmäßig?

  5. Asd sagt:

    Mann, habe ich es gut, dass ich kein Auto habe. Abgesehen von den vielen Hundertern, die ich im Monat spare, muss ich mich auch nicht mit solchem Geschmeiß herumplagen.

  6. Der Banker sagt:

    Ich habe auch kein Auto, aber das rettet einen auch nicht vor gewissem (Zitat) „Geschmeiss“.
    Beruflich habe ich mit den blauröcken mehr zu tun, als ich als Autofahrer je könnte ohne meinen Führerschein zu riskieren. Da waren dann auch schon welche bei, die ziemlich sauer waren wegen eines Fehlalarms (in einem Fall leider auch wegen eines durch technischen Fehler wiederholten Fehlalarms). Das Benehmen habe ich mir dann auf der ohnehin gut geölten Kundenleitspur ganz geschmeidig irgendwo vorbeigehen lassen.

    Die anderen 99% sind nett, und ich bemüh mich aus Prinzip, dass sie bei uns einen entspannten Routinefall mit freundlichen Leuten bekommen.

  7. /me sagt:

    Ich hatte es in einer anderen Verteilung. Weil eine Ampel am Rotwerden war (in unserem Nachbarland blinken die vorher viermal „grün“, dafür ist gelb mindestens so streng wie rot bei uns), habe ich etwas Gas gegeben und dabei die „Verfolgung“ eines Polizeiautos begonnen. Sie haben diese Ordnungswidrigkeit meinerseits offenbar nicht festgestellt, weil sie vermutlich gerade mit dem gleichen Vorgang beschäftigt waren.
    Ich habe die Vollzugsbeamten verloren, unmittelbar bevor ich eine nicht zu üppige Lücke zum Spurwechsel nutzte. Der jetzt hinter mir nachfolgende Verkehrsteilnehmer hat es „drawig“ (=eilig) gehabt und mich „im Affekt“ (Vermutung, er entschwand später) angehupt.
    An der nachfolgenden Kreuzung, recht groß, wechselte er auf eine der beiden Linksabbiegespuren, um im Kreuzungsbereich wieder auf die Geradeausspur, inzwischen weit vor mir, zu wechseln, und zwar mit hohem Tempo.
    Als ich mein Fahrzeug aufgrund der während des gesamten Vorgangs eindeutig kirschgrün (die reifen Kirschen!) zeigenden Ampel ruhig und in der ersten Startreihe zum Stehen gebracht hatte, bekam ich einen Lachanfall und fragte mich, wo denn die Vollzugsbeamten von gerade eben geblieben wären. Es hätte mir eine Menge Spaß gemacht, wenn die das mitbekommen hätten.

  8. Bitlefelder sagt:

    Wird das Wetter sein.

  9. Jan Wenzel sagt:

    Wegen wen?

  10. Nanny Ogg sagt:

    Das hab ich ganz ohne Polizeiausbildung in der Fahrschule gelernt – wo/wann Taxifahrer anhalten dürfen und dass man darauf achten muss, wenn vor einem ein leeres Taxi fährt. Gehört das gar nicht zum Grundwissen als Autofahrer?

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