Volle Lotte in 5 Minuten

Der gemächliche Start in die Woche war gut geplant. Erst einmal zur Waschanlage, die Kiste wieder vorzeigbar machen! Aber – unberechenbar, wie das Geschäft nunmal ist – stand an der letzten Kreuzung vor der Tanke ein Winker. Also „stand“ …
Während ich mir zunächst unsicher war, ob ich es mit einem Betrunkenen oder einem Gehbehinderten zu tun hatte, sorgte er recht schnell dafür, die Lage zu klären:

„Sorry, ick hab ma heute besoffn!“

Er nannte mir brav Straße und Hausnummer, was mir aber erst einmal nichts brachte. Die Straße lag zwar quer vor uns, aber im Unwissen um alle Hausnummern in Berlin musste ich wissen, in welche Richtung es gehen sollte.

„Links rum!“

Na ja, da hatte ich schon schlimmere Besoffene.

Aber eigentlich war der Abend noch jung, der Verkehr noch entsprechend dicht – und ich stand nun auf der Rechtsabbiegerspur und sollte links ab. Über drei Geradeaus-Spuren. Das wäre alles kein Ding gewesen, wären die Leute nicht alle so zappelig in ihren Autos. Ja, das war natürlich superdoof, aber  verdammt nochmal: Ich hab gerade als Taxifahrer für alle sichtbar einen Kunden aufgenommen! Wie viel deutlicher kann man denn im Straßenverkehr sagen: „Ich hab mir die Situation so nicht ausgesucht und ja, es macht leider einen Unterschied, ob ich mal eben 500 Meter  bis zur nächsten Wendestelle fahre!“?

Na ja, ich hatte also ungefähr 3 Minuten nach Schichtbeginn bereits ein veritables Hupkonzert verursacht. Wenn einem sowas nach anderthalb Wochen Krankheit nicht wieder die Freuden der Arbeit näherbringt, was dann?

Anderthalb Minuten später, kurz vor dem letzten Wohnblock:

„Ähm, sollte ich hier dann nicht mal …?“

„Neee, dit is ja allet verkehrt! Die 133! Hab ick doch jesacht!“

„Orrr. Ja, haben Sie. Aber auch, dass sie Bescheid sagen. Sorry, dass ich mich darauf verlassen habe.“

Also doch das Navi. Grmpf! Und natürlich waren wir lange vorbeigefahren. Ich hab mich so langsam ein wenig geärgert, dass ich sein „Is nur kurz ums Eck“ als Kurzstrecke ausgelegt hatte. Ja, die hat auch so noch gereicht. Aber eigentlich war mir das zu stressig um nett zu sein in dem Moment. Aber ich hab nett und  vorwurfslos angemerkt:

„Ich sagte doch schon: Alle Hausnummern kenne ich natürlich auch nicht auswendig.“

„Ja, aber weißte, eigentlich würde ich sagen, dass man das ja dann doch irgendwie schon auch können sollte …“

Was hätte der wohl dazu gesagt, dass ich nicht einmal alle Straßen dieser niedlichen 900km²-Stadt auswendig kenne?

Immerhin hat er am Ende die 5,00 € fast schon entsetzt mit 7,00 € beglichen. Schätze, wir haben uns beide vor allem auf dem falschen Fuß erwischt. 🙂

Es. Geht. Weiter.

Tja, wer hätte das gedacht: Das Leben geht weiter. In diesem Falle meines und damit auch GNIT. Eigentlich bin ich noch krankgeschrieben, aber das endet auch ohne freiwillige Selbstüberschätzung am heutigen Abend. Und auch wenn ich mein Leben, GNIT ausgenommen, sicher gut ohne Taxifahren rumbringen könnte: Die letzte Woche war ein Desaster. Abgesehen vom Aufbau  des neuen Computers hab ich ungefähr das quadrierte Nix hinbekommen, obwohl das schlimmste Symptom (Schmerzen. Sehr heftige Schmerzen) bereits seit Mittwoch vergangener Woche überraschend schnell kein Thema mehr war.

Die letzten Tage war es wie so oft: Ich hab mich zwar am Riemen gerissen, schon der Heilungschancen wegen – aber eigentlich hatte ich schon Bock drauf, mal wieder im Auto die Stadt unsicher zu machen. Und auch wenn ich gestern entsprechend noch einen schönen Abend mit meiner besseren Hälfte gemacht habe: Ab heute stehen drei voraussichtlich gute Tage bevor, ich will das Wochenende nicht mehr geschont auf dem Sessel verbringen, wenn ich stattdessen einen Fahrersitz mit Sitzheizung haben kann. Außerdem hatte ich diesen Monat 2 spontan freigenommene Tage und war jetzt fast anderthalb Wochen krank – irgendwann, fürchte ich, vergessen meine Chefs dann, dass ich bei ihnen arbeite.

Nun ja, da ich jetzt am Morgen noch einen Arzttermin habe, wird das mit dem Schlafen wieder alles etwas knapper, und deswegen hab ich das Auto bereits zu mir geholt und soweit eingerichtet. Heute Nacht, so gegen 2 Uhr. Und was soll ich sagen: Trotz meiner knappen Arbeitszeiten ist das Taxi ja dann doch auch ein bisschen Zuhause. Der Job hat schöne und nicht so schöne Seiten, aber gelegentlich gehöre ich in der Berliner Nacht einfach hinters Steuer.

Um weiter zu erzählen, muss ich kurz etwas ausholen:

Dass ich das Auto extra nachts zu mir gefahren habe, hat ja den Grund, dass meine Firma nun nicht direkt ums Eck liegt. In anderen Gebieten Deutschlands wäre das sicher schon die Nachbarstadt. Mit Verpassen einer Bahn, allem Umsteigen und den beiden kurzen Fußwegen kommt man gefühlt nicht unter einer Stunde Wegzeit dahin. Aber nachts Bahnfahren mag ich ja auch. 😉
Bereits als ich in die erste der beiden Bahnen eingestiegen bin, ist mir ein Typ aufgefallen, der hackevoll war und irgendwas von „Ssslimmelbla Motherfucker“ gemurmelt hat, als ich an ihm vorbeigelaufen bin. Er ist dann nach einer Station am Bahnhof Marzahn mit seiner Bierflasche ausgestiegen und stand dann am Bahnsteig rum. Wow, beachtliches Level!
Ich indes bin ein paar Stationen weitergefahren, hab dann 10 Minuten auf die nächste Bahn gewartet, bin 30 Minuten bis nach Niederschöneweide gefahren, hab dort das Auto geholt und startklar gemacht, bin gemächlich gen Marzahn zurückgegurkt. Alles so wie es sein soll.

Und jetzt ratet mal, wer am Bahnhof Marzahn gewunken hat!

Ja, tatsächlich. Und da er es in ungelogen mehr als einer Stunde gerade einmal auf die andere Straßenseite geschafft hatte, durfte ich ihn nun für eine Kurzstrecke mitnehmen Richtung Marzahn Nord. Ich hatte die üblichen Bedenken bezüglich stark angetrunkenen Leuten – aber am Ende sollte er keinen Ärger machen. Und da er inzwischen wieder sprechen konnte, dachte ich, ich bringe doch mal in Erfahrung, wo man um die Zeit in Ostberlin so ausführlich Pegelsport betreiben kann. Rein berufliches Interesse, ist klar.

„Und? Party vorbei für heute?“

„Party, haha, nix  Party. Komme von eine Arbeit, gehe zu die nächste!“

0.o

Das mit der Ehrlichkeit üben wir noch ein bisschen, liebe Kundschaft! Ansonsten: Die erste Tour gleich blogbar – das sieht gut aus für GNIT die nächsten Tage! 😀


PS: Ich weiß. Die Tastatur ist noch neu und ich habe gerade regelmäßig eine leicht erhöhte Anzahl an Leerzeichen im Text. Es wird besser werden, versprochen!

Kurznotiz in eigener Sache

Hier bei GNIT ist gerade ein paar Tage Pause. Ich hätte das gerne vorher angekündigt, aber ich konnte leider nicht so wirklich vorhersehen, dass ein vermeintlich kleines Wehwehchen mich nach etwas Vorlaufzeit mal eben voll von den Hufen reisst und mir diese Woche im Taxi unmöglich macht.

Jetzt, wo ich das schreibe, ist erst einmal alles ok soweit und ich bin guter Dinge, nächste Woche geradezu froh und begeistert wieder im Auto zu sitzen. Vor 48 Stunden hat ungelogen das Tippen am PC noch weh getan.

Also: Ich bin derzeit krank, eine sofortige Bestellung von Grabbeilagen wäre aber etwas voreilig. Aber da mir gerade nix taxispezifisches passiert, lasse ich den Blog für die Zeit mal ruhen. Sorry für die ausgefallene Morgenlektüre, ich hab Euch nicht vergessen! Aber glaubt mir: Tauschen wollen hättet Ihr mit mir auch nicht!

Bis nächste Woche, gehabt Euch wohl und lest und kommentiert fleißig anderswo oder hier im Archiv! 🙂

Sash

Der Schocker: Legale Drogen!

Nach einer mehr als gesalzenen Wartezeit lümmelte ich so neben meinem Taxi herum, als ein Reisender mehr als nur subtil einen interessierten Blick auf mein Fahrzeug warf. Ich sprang gleich um auf dieses Dienstleister-Kunden-Dingsi und sagte:

„Schönen guten Abend.“

Womit ich nicht gerechnet hatte, war seine Reaktion. Er sah nämlich erschrocken auf, anschließend mich an und insistierte geradezu:

„Aber: SIE RAUCHEN DOCH!“

Gut, das abzustreiten wäre in Anbetracht der Kippe in meiner rechten Hand ein wenig unglaubwürdig gewesen. Ich hatte jedoch keine Ahnung, worauf der Typ rauswollte, so schockiert wie er zu sein schien. Dass Fahrgäste wegen eines 20-Cent-Artikels zwischen meinen Fingern glauben, mich nicht in meiner heiligen Pause unterbrechen zu dürfen, das kenne ich ja. Aber die sagen immer nur beschwichtigend, ich solle doch bitte erst aufrauchen. Aber der war so panisch, dass ich – ohne das je gehabt zu haben – völlig selbstverständlich wie folgt geantwortet hab:

„Ja, aber ich fahre Sie gerne. Wenn Sie aber Sorgen wegen des Rauchens haben, können Sie sich gerne einen Nichtraucher unter den Kollegen aussuchen.“

Immerhin, das mit der Schlagfertigkeit sitzt.

Am Ende hat er sich im Übrigen tatsächlich als einer von diesen Pausen-Fetischisten herausgestellt, mit dem ich ab da eine vergnügte, wenn auch nicht allzu lange, Tour hatte. Aber hier unter uns: Der hat mich ehrlich erschreckt mit seinem Ausruf, und das schaffen nicht viele Kunden. 0.o

PS: Wie auch bezüglich der freien Fahrzeugwahl hab ich kein Problem damit, wenn mich ein Kunde meidet, weil ich eine Zigarette rauche. Wie jeder Raucher bin ich bestens informiert über die gesundheitsschädlichen Auswirkungen dieser Drogen und glaube auch gerne, dass einige Leute da sehr empfindlich reagieren. Allerdings möchte ich mit Blick auf einige (und nicht einmal die schlimmsten) Kollegen darauf hinweisen, dass man als rauchempfindlicher Taxifahrgast manchmal sogar gut damit fährt, einen Fahrer zu wählen, der vor dem Auto steht und eine raucht. Denn schon, dass man dafür aussteigt, hat sich in den ca. 9 Jahren Rauchverbot im Taxi noch nicht so wirklich unter allen Fahrern rumgesprochen …

Überraschend freundlich

Womit man es im Stadtgebiet recht selten zu tun hat, sind Drängler. Also zumindest, wenn man in den meisten Ecken irgendwo normal nahe der Höchstgeschwindigkeit unterwegs ist. Auf den Hauptstraßen in Berlin wird das Verkehrsgeschehen auch dadurch entschärft, dass einem mehr als eine Spur zur Verfügung steht.

Und dann war da der Audi-Fahrer hinter mir, der mehrmals Lichthupe gab und dicht auffuhr. Während ich das noch halbwegs gelassen genommen hab und mir überlegt hab, wie viel einfacher es wohl für ihn gewesen wäre, wäre er an mir vorbeigefahren … – nein, es war meine Kundin, die irgendwann gereizt rief:

„Was will der Arsch?“

Und da sind wir beim Punkt: Ich hatte mich bereits links eingeordnet, weil wir in ein paar hundert Metern links abbiegen wollten. Dass ich auf einer häufig blitzlichtbelasteten Straße, auf der 50 erlaubt war, nur lächerliche 48-52 km/h gefahren bin, hielt ich indes für kein großes Problem. Immerhin sollte doch gerade den eiligen Leuten bekannt sein, dass man innerorts vollkommen legal rechts überholen darf (im Gegensatz zum Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit übrigens 😉 ).

Der nicht. Der hat gelichthupt, bis es selbst mir zu blöde war und ich kurz rübergezogen bin. Rechtliche Argumente helfen ja ohnehin nicht gegen einen verkürzten Kofferraum.

Und was macht der Typ, nachdem er vorbeigezogen ist? Nicht etwa den Vogel, den Finger oder sonstwas zeigen. Nee, er hat sich mit einem einzelnen Warnblinken höflich bedankt. Ich tippe auf Stimmungsschwankungen. 😉

„Wo sind wir?“

Es gibt so Typen, die einem um 3 Uhr morgens ins Auto steigen, und obwohl man weiß, dass außerhalb Berlins 90% der Leute schon im Bett sind, denkt man:

„Ui, stattliches Level für die frühe Uhrzeit!“

Nachdem das Ziel halbwegs klar war (die Hälfte der Zeit redeten sie davon, noch irgendwo anders in eine Kneipe zu gehen), hatte ich von meinem Beifahrer einen Endlos-Monolog im Ohr, der erkennbar kaum was beinhaltete außer „Ick bin so blau, merkste selber, wa?“.

Der zweite auf dem Rücksitz war weitaus fitter und rief seinem Kumpel auch gelegentlich zu, er solle die Fresse halten, was dieser dann mit einem „Schon gut, mach ick. Also blablabla …“ quittierte. Aber das war’s eigentlich auch schon. Sie laberten Bullshit, das passiert halt.

Keine 500 Meter vor dem Ziel fing der hintere dann an zu meckern:

„Na, willste uns verscheißern? Wo sin‘ wir denn hier? Glaub ja nich, Du kannst mit uns durche Pampa …“

woraufhin der zweite sich das erste Mal wirklich im Raum orientierte, kurz

„Ha! Hier is‘ die Kneipe, Du Eumel!“

rief, und ungeachtet der Tatsache, dass ich auf der linken Spur war, rechts die Tür aufriss und über die Straße rannte. -.-

Und der hinten hatte immer noch keine Ahnung:

„Alter, wo sind wir?“

„Da vorne, nächste Kreuzung, ist Eure Straße!“

„Ehrlich? Boah, ick muss mir ersma‘ umkiekn!“

Und das tat er dann aus dem Auto raus. Gemütliche drei Minuten lang, nachdem ich schnell mal mit offener Beifahrertüre an den rechten Straßenrand gefahren bin. Am Ende glaubte er, ungefähr zu wissen wo er sei, und gab atemberaubende 30 Cent Trinkgeld. Wenn ich jetzt noch irgendwo eine offene Kneipe gesehen hätte, wäre mir die Fahrt allerdings ein wenig sinnvoller vorgekommen als so …

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Das mit der Technik

Seit nunmehr fast einem Jahr müssen wir Taxifahrer in Berlin Kartenzahlung akzeptieren. Das ist aufgrund der in Deutschland immer noch recht unverbreiteten unbaren Bezahlung ein Nischenthema, aber in Sachen Service find ich’s ja nicht grundsätzlich schlecht.

Das Dumme ist: Wir sind in diesem Punkt der Technik genauso ausgeliefert wie der Kunde.

Und so kam es, dass ich extra schnell weggekommen bin, weil ich das mit der Annahmepflicht im Vergleich zu manch anderen Kollegen auch ernst nehme – und die Fahrt war nicht einmal schlecht. Ein sympathischer Typ, der immerhin mehr als 15 € im Taxi liegenzulassen gedachte, passte also alles.

Nur … man ahnt es … hat der Leser halt die Karte nicht erkannt. Und der Kunde hatte entsprechend seiner Anfrage natürlich kein Bargeld dabei. Super Sache! Nun kann ich natürlich kleinlaut sagen, dass die im Taxi eingebauten Leser nicht State of the Art sein mögen – andererseits sind die Teile dann doch eher auf Robustheit ausgelegt und es möge nur derjenige den ersten Stein werfen, dessen Magnetstreifen auf der Karte nicht verkratzt und in 1A-Zustand ist.

In dem Fall war’s Glück im Unglück. Der Umweg zur Bank betrug ca. 500 Meter und da hatten weder mein Kunde noch ich auch nur die Idee, uns drüber zu streiten, wer das jetzt bezahlt. Und drei Minuten später war alles ok, inklusive beidseitiger Zufriedenheit.

Aber obwohl sich das bei uns noch in vielleicht vergleichsweise bescheidenem Umfang abspielt: Auch im Taxi müssen Fahrer und Fahrgast inzwischen mehr der Technik trauen als früher. Ging es einst nur ums Auto, sind es heute ggf. auch Navi, die Vermittlungsapp, der Kartenleser oder dergleichen. Ich will damit keineswegs sagen, dass früher alles besser war – mitnichten! Die damit einhergehenden Erleichterungen erfreuen mich auch täglich. Aber es erfordert auch ein Umdenken, bezüglich welcher Dinge man tolerant ist. Nur mal so als Denkanst0ß.