Mehr Geld, weniger Hirn

Ich ärgere mich ja selten über Fahrgäste. Sie bringen mir Geld und bei all ihren Eigenheiten haben sie ja auch alle ihre Geschichten und Hintergründe, über die man nicht vorschnell während 5 Minuten urteilen sollte. Und es gibt einfach völlig bescheuerte Vollidioten.

OK, ich will ehrlich sein: Ich war schon von der Fahrtstrecke wenig begeistert. Nach zwei schlechten Schichten lief diese eine endlich mal gut und ich war glücklich auf dem Heimweg. Noch vielleicht 5 Kilometer bis Zuhause. Als sie winkten, freute ich mich noch. Zwei junge Frauen, ganz offensichtlich feiernderweise hier im Osten unterwegs, müsste also ein Stich in die richtige Richtung sein. War es aber nicht:

„Was kost’n Mariendorf, Alter?“

Anfangs hatte ich noch gehofft, sie mit 30 bis 35 € überzeugen zu können, dass sie doch die Bahn nehmen, aber nein …

OK! Gute Miene zum bösen Spiel, es ist ja dann doch ein Haufen Geld und morgen warte ich vermutlich wieder ewig, bis ich so viel zusammenkriege!

Aber ach! Da waren die zwei durch die ganze Stadt in einen Laden gefahren, den ich nicht einmal als Club kannte. Von außen dachte ich immer, dass das ein Spielcasino sei. Gut, war es vermutlich auch hauptsächlich …

Die eine der beiden (es sind ja nie gleich alle doof) bemängelte dann, wie „asi“ und „voll schwul“ das alles gewesen sei. Während ihre Freundin mir mitteilte, dass sie eigentlich nur heimfahren würde, weil die Holde schon mehrmals schier mit dem Kopf auf den Tresen geknallt sei, so blau wäre sie.

Ich hab mich aus dem Gespräch ausgeklinkt, denn meistens ging es nur darum, welche Idioten jetzt wie dumm seien, wer scharf sei, aber einen kleinen Penis hätte, wie überteuert die Drinks und wie mies der Laden an sich wäre. Schon bei den kleinen Gesprächsfetzen hab ich mich gefragt, wie jemand so blöd sein kann, einen (sehr langen) Abend irgendwo zu verbringen, wo es einem nicht gefällt. Die meisten Locations haben Türen. Richtig substanzlos wurde es dann aber, als die beiden – warum bitte auch das noch? – anfingen, ein paar Worte über die Flüchtlingsmisere zu verlieren:

„Ey, ’schab kein Bock auf scheiß Asylanten!“

„Halt die Fresse! Du bist blau und selber nicht von hier!“

„Schweiß, aber die kotzen misch an, weil die ha’m ma voll die cooleren Handys als isch!“

Ich hab’s zu ignorieren versucht, aber sicher trotzdem schon beim Zuhören mehrere IQ-Punkte eingebüßt. Kurz vor dem Ziel hat sie dann auch noch angefangen, etwas kryptisch mitzuteilen, dass sie mir jetzt ja eigentlich nur nicht ins Auto kotzt, weil sie ja so eine tolle und zurückhaltende Person sei. Und Flecken am Fenster hat sie trotzdem noch großzügig hinterlassen. WTF, muss das denn alles auf einmal kurz vor’m Schlafengehen sein?

Ich hab selten Leute mit größerer Genugtuung aus dem Auto geschmissen, als die beiden, als wir am Ziel waren. Das Trinkgeld war sogar ganz ok, das muss man ihnen lassen. Tatsächlich aber war ich am Ende fast schon ein bisschen schadenfroh, als mir zu Hause aufgefallen ist, dass ich einen deutlich kürzeren Weg hätte wählen können, um ans Ziel zu kommen. Hab ich trotz Generve nicht absichtlich gemacht, aber mein schlechtes Gewissen ist bezüglich dieser Tour trotzdem erstaunlich ruhig.

Warum es geil ist, nachts zu fahren

Nehmen wir nur mal dieses Bild:

Mein neues Kartenprojekt: Annähernd-eine-Gera.de, Quelle: osrm.at

Mein neues Kartenprojekt: Annähernd-eine-Gera.de, Quelle: osrm.at

(Ja, schon wieder eine Karte. Aller guten Dinge sind drei … 😉 )

Kollegen erkennen darin zunächst vermutlich dasselbe wie ich bei der Aufnahme der Kunden auch: Eine Standard-Tour. Nur ein paar Hauptstraßen lang, alles kein Problem.

Nun: Die Tour startete ein paar Meter vor dem grünen Marker und ging nach dem roten noch etwas weiter. Was hier auf der Karte dargestellt ist, ist der Teil der Fahrt, den ich ohne jeden Stopp bei grüner Welle und ohne Stau einfach durchfahren konnte. Durchfahren! Immer mindestens dritter Gang!

Ich kann’s nur immer wieder sagen: Ich habe keinen Grund, die Tagfahrer-Kollegen zu beneiden. Umso mehr aber einen, ihnen Respekt zu zollen.

PS: Ja, natürlich poste ich das jetzt, weil mir dieses Glück so extrem auch nur selten zuteil wird. Also nur kein überbordender Neid bitte! 😉

Aus der Reihe: Zu kurz, um … ähm, ist aber wahr!

Ich bin ja nun der Letzte, der Kunden schilt, weil sie mal eine kurze Tour haben. Bei Winkern ist mir das nochmal mehr egal. Aber man fragt sich dann manchmal doch, wie sie auf die Idee kommen, für so eine Fahrt einen Fünfer (hier Kurzstrecke) zu verbraten:

618 Meter sagt das Navi. Quelle: osrm.at

618 Meter sagt das Navi. Quelle: osrm.at

Und Fußgänger hätten noch einmal abkürzen können!

Wieso ich mich nach 7 Jahren im Taxi überhaupt noch wundere …

Verwechslungen

So, liebe Leser, sieht der kürzeste Weg von der Zechliner Straße zur Zechliner Straße aus:

Der Weg? Pah! Der START ist das Ziel! Quelle: osrm.at

Der Weg? Pah! Der START ist das Ziel! Quelle: osrm.at

Also, natürlich nur, wenn man vor dem Aufbrechen zu einer Einweihungsparty nicht abklärt, zu WELCHER Zechliner Straße in Berlin es gehen soll. Kostet im Übrigen schnuckelige 21,90 € mit dem Taxi. Allerdings, das möchte ich auch anfügen: Es ist ja auch ein Dienst am Gastgeber der Party, ihn darauf hinzuweisen, dass er künftig trotz guter Wohnlage hier und da mal Ärger mit via Taxi anreisenden Kumpels oder Postlieferungen haben könnte … 😉

PS: Die Zechliner, zu der es gehen sollte, kannte ich bis dato auch nicht. Die andere ist Namensgeber für eine Haltestelle, an der ich lange Jahre auf dem Weg zum Taxi vorbeigefahren bin.

Immer höflich bleiben!

Da lief die Schicht (wie vom Januar erwartet) völlig unterirdisch – und was mache ich? Ich hab mir in Lichtenberg gesagt, dass ich jetzt lieber in Karlshorst nach Kundschaft gucken will als in Mitte. OK, Nichtberliner wundert das jetzt vielleicht nur minimal, aber in Karlshorst um 3 Uhr Winker zu bekommen, ist utopisch. Nun gut, ich bin also in den Süden gegurkt und hab … in Karlshorst eine Winkerin bekommen.

Tja, aber hallo! Einmal mit Profis arbeiten …

13 € nannte sie ihr eigen und wollte „so nahe wie möglich an Prenzlauer Berg ran“.

„Aber ich guck mal, ob ich noch mehr finde …“

Nun hat meine Ortskenntnis sich eingemischt und das ziemlich schnell verworfen. Also bis Prenzl’berg selber wird das nix. Nicht mal die südlichsten Ausläufer am alten Schlachthof hätte ich erreicht. Also ging es mehr so in Richtung Warschauer, damit sie mit der Bahn weiter könnte. Die inzwischen zusammengesammelten 16,80 € hätten da wohl gereicht – allerdings bei weitem nicht bis in die Paul-Robeson, wo sie eigentlich hinmusste. Zu allem Überfluss sah es mit der Reisetauglichkeit bezüglich Bahn eher mau aus. Zunächst hat sie noch ein paar nette Worte über ihr Studium und anschließend über mich verloren, dann gestand sie aber:

„Tut mir leid, ich bin viel zu besoffen, um mich zu unterhalten.“

Nun denn, so weit es geht. Das wäre in solchen Fällen bei 16,80 € also so ungefähr bis an die 20€-Grenze – vorausgesetzt, es ergibt sich dadurch ein Vorteil – wie z.B., dass man unterwegs die Bahn noch überholt und Wartezeit erspart. Aber noch bevor es soweit war, standen wir in Friedrichshain an einer Ampel und sie meinte:

„Oh, das ist praktisch. Ich mach kurz die Tür auf, ok?“

„Äh, weswegen das?“

„Ich würde mich gerne übergeben.“

Im Ernst jetzt? „Ich würde mich gerne übergeben“? So ganz sachlich, als kleiner Wunsch vorgetragen. Wie „Ich fahre da vorne immer gerne links, da sind weniger Ampeln.“ Ich hab noch nie so gefeiert, während ein Fahrgast gekotzt hat! 😀

Ich muss dazu sagen, dass ich bei der netten Anfrage ja auch gleich automatisch in den Dann-isses-nicht-so-wild-Modus verfallen war und gemeint hab:

„Dann einen Moment noch, ich fahr eben ein Stück weiter nach rechts …“

Wenn das mit dem Kotzen schon Zeit hat, dann sichere ich die Situation doch auch gegen potenzielle in diesem Moment rechts überholende Radfahrer ab. Wobei das sicher als ekligster Unfall in die Annalen Berlins eingegangen wäre. 😉

Die Kundin war nun während der ganzen Aktion natürlich nicht würdevoller als alle Menschen es sind, die sich würgenderweise ihr Essen nochmal durch den Kopf gehen lassen. Aber sie hat sich Zeit gelassen, keine Hektik, weil man ja schnell weiter muss oder so. Nachdem sie dann ein Tuch zum Abwischen angenommen und ein Bonbon abgelehnt hatte, war sogar ich sehr überzeugt davon, dass es das jetzt wirklich gewesen sei. Wobei der verbleibende Weg ja nun auch nicht mehr sehr weit war. Obwohl …

„Äh, sag mal? Kann ich auch mit Karte zahlen?“

„Sicher.“

„Ach, dann hab ich ja quasi so viel Geld wie ich will … dann bring mich mal heim. Paul-Robeson XY – und danke!“

In aller Regel bin ich ja nur mäßig begeistert, wenn bei Kotzern mal eben ein paar Kilometer obenauf kommen. Aber heute hab ich mich nur gefreut. Auf dem weiteren Weg ist dann das buchstäbliche Nichts passiert. Meine Kundin hat nur selten mal die Augen aufgemacht, von Reden und Kotzen wollen wir gar nicht erst anfangen …

Für so komplexe Aktionen, wie während der Kartenzahlung ein Trinkgeld anzusagen, war sie am Ende leider schon zu hinüber. Ich tröste meine sehr im Rahmen befindliche Stimmung jetzt halt damit, dass ich anscheinend „der netteste Taxifahrer aller Zeiten“ bin. Ich meine, bei anderen Kunden bleibt nicht mal das Auto sauber. Und, nicht vergessen: „Ich würde mich gerne übergeben.“ 😉

Schneeschicht \o/

oder: Nun ja, irgendwas ist ja immer …

Ich geb ja zu: Wie eigentlich immer hab ich mich über die gestrige Warnung vor Schnee, Eis und Wind eher gefreut als Angst bekommen. Nachts ist ja Platz auf den Straßen, da macht das alles ja Spaß.

Andererseits muss ich jetzt auch zugeben: Matschig und kalt ist es deswegen trotzdem; auch Schneewetter macht den Januar nicht gerade kundenreich … und dann gibt’s auch noch Nischenprobleme. Heute: Der Scheibenwischer.

Ich finde Scheibenwischer per se ein ziemlich unterentwickeltes Feature, dafür dass sie ungefähr hundert Jahre alt sind. Dafür, wie genau heute die Motoren z.B. bei Einspritzung und Verbrennung arbeiten oder sich selbst illegal drosseln, um Abgasnormen zu „erfüllen“, sind Scheibenwischer doch irgendwie ziemlich lame. Es gibt immer irgendeinen Regen, für den es keinen passenden Intervall gibt, irgendeine fiese Matschkombo lässt sie dann doch schmieren … also perfekt sieht anders aus.

Die an der 2925 haben mich heute während des nächtlichen Schneefalls jedenfalls ordentlich getrollt:

Auf der Außenseite war das Auto nicht warm genug, dass der Schnee sofort geschmolzen ist – weswegen die Randbereiche der Scheibe laufend Schneematsch angesammelt haben. Im Gegensatz zu Wasser, das dann im Wesentlichen dort bleibt, wurde ein Teil dieses Schnees dann aber von den Scheibenwischern wieder mit über die komplette Scheibe gezogen. Mal abgesehen davon, dass das natürlich etwas suboptimal für die Sicht ist: So ließ sich nicht einmal der Regensensor sinnvoll nutzen. Denn in aller Regel tue ich das. Die Intervalle der Wischer sind allesamt furchtbar hektisch, also nehme ich gerne den automatischen, der immer angeht, wenn sich ein paar Tropfen angesammelt haben. Ist auch nicht immer perfekt, aber geht schon. Ja, was meint Ihr, wie die Scheibenwischer abgehen, wenn sie bei jeder Rückbewegung einen Klops Schneematsch über den Sensor ziehen?

Ich sag’s mal so: Dank meiner Vorsicht auf der Straße waren die Scheibenwischer heute deutlich schneller unterwegs als die 2925 an sich. 😉

Das – verbunden mit einer eigentlich aussichtslosen Suche nach Kunden – hat dann tatsächlich dazu geführt, dass ich heute etwas früher Feierabend gemacht hab. Aber gut, nun ist wieder Wochenende! Und ein bisschen Schnee schafft’s vielleicht ja auch noch, bis heute abend durchzuhalten. Ich bin da mal optimistisch.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Zuständigkeitserfreunisse

Ja, liebe Dudenredaktion: Nehmt „Zuständigkeitserfreunisse“ ruhig in die nächste Ausgabe mit auf. Denn es gibt sie!

Ich bin an Silvester irgendwann quer durch Buckow in Richtung Osten gefahren. Ich würde das in jeder anderen Schicht eher vermeiden, weil ich zwischen Lichtenrade und Kreuzberg auf dem Damm mehr Kundschaft erwarten würde … aber hey, Silvester! Irgendwo winkt sicher wer. Und 5 Minuten Pause wären auch kein Weltuntergang …

Aber, siehe da, da winkte es. Ich hab angehalten und es doch gleich ein wenig bereut. Silvester ist bekannt dafür, dass alle betrunken sind, und so war es bei mir in der Schicht bisher natürlich auch. Dann aber kamen von der linken Straßenseite zwei Frührentnerinnen angewatschelt und schleiften dabei einen Typen in ihrem Alter mit sich mit. Ja: schleiften.

Während meine Gedanken nur darum kreisten, ob mit dem Kerl jemand mitfahren würde und ob das medizinisch gesehen schon grenzwertig sein könnte, trällerte die eine Helferin nur:

„Na, dann sind sie wohl das bestellte Taxi!“

Puh.

„Nee, leider nicht, ich war nur zufällig hier.“

„Ach? Hmm, na was machen wir denn nun?“

„Naja, ich fahre gerne, aber der Kollege ist sicher schon unterwe … ach, sehen Sie mal: Da vorne kommt er ja schon!“

Und ja, ein suchender Kollege mit ausgeschalteter Fackel tastete sich langsam heran. Als er mich ansah, hab ich auf die inzwischen hinter mir stehenden Kunden verwiesen und zugesehen, dass ich Land gewinne.

Er hat mir schon leid getan, ganz ehrlich. Da nimmt der arme Kerl tatsächlich Bestellungen an Silvester an – und dann sowas! Aber, um das mal in Perspektive zu rücken:

Ja, auch das ist ein guter Grund, an Silvester nur Winker mitzunehmen, denn die kann man sich vorher anschauen! Darüber hinaus: Die Kollegen, die Bestellungen annehmen, finden nix mieser, als wenn irgendwer sie vor ihnen einsackt – und das mache ich nach wie vor nicht. Dass da auch mal eine Niete hängenbleibt, passiert halt. Und zu guter Letzt: Wie ich von vielen meiner Fahrten mit total zerstörten Leuten ja auch weiß: Es kann ja trotzdem eine gute Tour geworden sein! Vielleicht ist der Typ gleich eingepennt, hatte eine 50€-Tour und hat am Ende mit einem Hunderter und „schdimmso“ gezahlt, weil er’s nicht mehr gerafft hat. Und ablehnen können hat der Kollege auch noch. Man sollte meine Schadenfreude, so man sie denn aus diesem Text herauslesen könnte, wirklich nicht überbewerten.

Aber ja: In einer Schicht mit 50€-Stundenschnitt war ich heilfroh, dass dieser Kelch Kerl an mir vorüberging!