Grenzen der Contenance

In den Kommentaren ging’s in letzter Zeit hier und da mal darum, dass ich so unglaublich ruhig bin und alles so gelassen hinnehme. Ich würde das so ohnehin nicht unterschreiben, denn vielfach ist ja genau das der leichteste Weg. Ist ja nicht so, dass sich Kunden beispielsweise rausschmeißen lassen und dann dafür am Ende noch bedanken und Trinkgeld geben. Was wiederum recht oft passiert, wenn man irgendwelche Hirbel mal fünf Minuten spinnen lässt und trotzdem heimbringt.

Aber gut, gestern war’s dann soweit, dass ich meinen eigenen Lautstärkerekord innerhalb des Taxis mühelos gebrochen hab und einer jungen Dame nach nur zwei Kilometern folgendes an den Kopf geworfen hab:

„HÖRST DU JETZT WOHL AUF DAMIT!? IST MIR SCHEISSEGAL, WIE VIEL DU GESOFFEN HAST, ABER VERSAU NICHT MIR DEN TAG DESWEGEN! DU BIST SO DERMASSEN BESCHEUERT, DASS KEINER AHNEN KANN, WAS VON DEINEM VERFICKTEN BOCKMIST WAHR IST UND WAS NICHT! UND WENN DU LIEBER LAUFEN WILLST: BITTE!“

Und ja: Zu Ende gebracht hab ich die Tour dann nicht ihretwegen, sondern wegen der beiden Freundinnen, die sie – zwar mehr schlecht als recht, aber immerhin – zu bändigen versucht haben.

Nun fragen sich alle Stammleser zu Recht, was bitte mich dermaßen aus der Fassung bringt. Noch dazu binnen zwei Kilometern. Nun, sie hat wirklich nichts ausgelassen. Ich will jetzt gar nicht allzu sehr ins Detail gehen, aber als Liste sieht das ganze etwa so aus:

  • Sie hat versucht, im Auto zu rauchen
  • Sie wollte einen Festpreis von ca. 50% des Tarifs haben
  • Sie hat sowohl mich als auch meine Frau beleidigt
  • Sie hat behauptet, sie hätte nicht genügend Geld für die Fahrt
  • Sie hat mir unvermittelt während der Fahrt auf die Schulter geschlagen
  • Sie hat versucht, während der Fahrt die Türe zu öffnen
  • Sie hat „zum Spaß“ gesagt, sie müsse kotzen und angedroht, das in meine Richtung zu tun
  • Sie hat all das nur gebrüllt und mit Schimpfwörtern garniert
  • Sie fand das auch noch lustig und war stolz drauf („Haha, ich bin halt aggressiv, wenn ich besoffen bin!“)

Nach meiner Ansprache war da glücklicherweise nur noch kleinlautes Genöle. Sie hat die Fahrt mit einem Fuffi ohne Trinkgeld beglichen und war höchst erpicht darauf, eine vollständige Quittung zu erhalten. Wahrscheinlich hat sie davon fantasiert, mich wegen des ach so hohen Preises anzeigen zu können. Was ich mir geradezu wünschen würde, wo ich doch wie immer den absolut kürzesten Weg gefahren bin. 😉
Und am Ende der Fahrt war ich auch schon wieder voll im Dienstleistermodus und hab ihr die verlangte Quittung wie gewünscht und mit einem scheißfreundlichen Grinsen überreicht, was ihr sichtbar unangenehm war.

Für sowas gibt es leider keine perfekte Lösung. Natürlich: Rausschmeißen oder die Cops holen sind Optionen, aber die kosten auch wieder Zeit und/oder Geld. Vielleicht handhabe ich das nächstes Mal anders, ich weiß es nicht. Ich hoffe einfach still und heimlich, eine ihrer Freundinnen hatte im Laufe des restlichen Abends noch die Gelegenheit, ihr eine zu scheuern. Ich wäre nicht so blöd, das selbst zu tun, aber der Gedanke erheitert mich dann doch …

Wenn’s auf der Rückbank romantisch wird …

„Nee, so Weichkäse mag ich gar nicht.“

„Ich auch nicht so, aber einmal im Jahr! Das ist wie – sagen wir mal ein Sandwichtoaster: Niemand hat einen Sandwichtoaster, aber wenn man einen hätte, dann könnte man einmal im Jahr …“

„Ich hab einen Sandwichtoaster.“

„Ja?“

„Ja.“

„Du? Darf ich bei dir zum Toasten vorbeikommen?“

XD

Sash – voll unkollegial!

Der Kollege vor mir schlief. Das war nicht schwer zu erkennen, denn er hatte bereits, als er auf den ersten Platz vorrücken sollte, anderthalb Minuten im Auto gelegen, war dann panisch hochgeschreckt und danach umgehend wieder weggekippt. Ich finde übermüdet zu fahren scheiße, aber wenn ich ehrlich bin, hatte ich davor an Position drei auch mal die Augen zugemacht. Aber so im Halbschlafmodus, wo ich jeden Fußgänger – und noch wichtiger hinten in der Reihe – jedes Motorgeräusch und vor allem die Bremslichter aller Kollegen vor mir wahrnehme. Nun schlief der Kollege auf Position eins und ich stand auf Position zwei rauchend vor dem Auto. Und so kamen die beiden jungen Damen nachdem sie im Zeitlupentempo von vorne an den Stand gelaufen waren – und nach einem kurzen skeptischen Blick in den Wagen des Ersten – direkt zu mir. Ob ich sie, *nestelnestel* in diese Straße fahren könne. Ich guckte mir den Zettel an: Fontanestraße, nebenbei eine Karte mit der genauen Lage der Hausnummer. Ich sagte zu und rechnete in Gedanken schon mal aus, wie viel es kosten würde, falls die beiden fragen würden.

Und dann wachte der Kollege aus und stieg aus.

Mich nahm er gar nicht zur Kenntnis, er wandte sich gleich an die beiden Damen und meinte:

„Ich bin der erste!“ und deutete auf sein Auto.

Nachdem er das noch einmal wiederholt hatte und ich mir das Schauspiel skeptisch angesehen hatte, erwiderte eine der Damen zaghaft:

„Äh … english?“

„Ich bin der erste!“, wiederholte der Kollege wieder.

Woraufhin die beiden Frauen sichtlich irritiert bei mir eingestiegen sind. Der arme Erste wollte schon wieder einsteigen, dann ist ihm aber eingefallen, dass es da ja noch jemanden gab – und kam zu mir:

„Kollege, das macht man nicht! Ich bin der erste, Du musst Sie zu mir schicken!“

Mir ging’s wirklich nicht um die Tour, aber das „Du musst“ war definitiv eine Spur zu weit aus dem Fenster gelehnt. Denn vor allem „muss“ man am Stand bereit zum Fahrtantritt sein und sich nicht erst wecken lassen. Aber mir ging’s nicht drum, den Kollegen vorzuführen, außerdem hatte ich Kundschaft im Wagen – also hab ich beschwichtigend gesagt:

„Komm Kollege, die werden schon einen Grund gehabt haben, warum sie mich ausgesucht haben …“

Kleiner Wink mit dem Zaunpfahl, alles ruhig und leise – und dem Kollegen hinter uns musste ich ja nicht auch noch erzählen, dass der Erste gepennt hat. Kein Stress, wir machen hier alle unseren Job und gut is‘. Laut geworden ist der Kollege auch nicht mehr, aber er hat mich beleidigt angeguckt und mir vorgeworfen:

„Darum geht’s gar nicht! Aber sowas macht man nicht, das ist unkollegial!“

Weia!

Mal ganz im Ernst, lieber Kollege: Es ist nicht alles unkollegial, was Dir nicht in den Kram passt. Ich lasse so oft Kollegen beim Einreihen vor, helfe, weise sie auf Dinge hin und ich zeige den Kunden auch gerne den Weg zum ersten Taxi in der Schlange. Was ich aber ganz sicher nie machen würde, ist einem Kollegen zu versuchen eine Fahrt abzuluchsen und ihn vor den Fahrgästen bloßzustellen, wenn ich selbst mal unachtsam war (oder sonst irgendwas passiert ist). Nicht, wenn die Touris bei mir nur eine Frage hatten, nicht wenn der Fahrgast beim anderen mit einem 100€-Gutschein von der Bahn wedelt. Einfach nie. Denn DAS ist unkollegial!

Und dass unsere Kunden das Recht haben, einen (zumindest scheinbar) übermüdeten Kollegen zu meiden, ist vermutlich das Beste, was der Taxiordnung je passiert ist.

Wohlbekannt nässende mathematische Kenngrößen

„Am Feuchten Winkel“ ist so eine typische Taxifahrerstraße in Berlin. Ein Haufen Menschen fährt sie täglich entlang, aber kaum einer kennt den Namen wirklich. Außer uns eben, weil wir diese blöde Straße für die Ortskundeprüfung gut brauchen können. Fest jeder, der aus Berlin-Mitte mal nach Berlin-Niederschönhausen oder Berlin-Französisch Buchholz musste, ist da schon langgefahren. Aber ja, es ist nur eine kleine Straße, die mal eben die Verbindung von der Prenzlauer Allee (bzw. der A114) zur Pasewalker Straße herstellt. Eine klassische Durchfahrtsstraße. Und die Anrainer scheinen das auch zu wissen:

„Wo darf’s hingehen?“

„Blankenburg.“

„OK.“

„Aber: Feuchter Winkel – kennste, ne?“

Und in der Tat: 90% der Blankenburger Adressen würde man eher über einen anderen Weg anfahren. Das ist dann wieder mal dieses kleine Plus in Ortskenntnis, das einen als Taxifahrer mitunter schneller entscheiden lassen kann als ein Navi. Auch fast 7 Jahre nach der Prüfung freut es mich, hier und da festzustellen, dass ich wirklich nicht alles umsonst gelernt habe. 🙂

the street with the girls

Insbesondere die Leser meines Buches dürften sich auch heute noch an ihn erinnern: Den himmelblauen Australier. Der, der von seinem Hostel nur noch wusste, dass der Name mit C anfängt und „at a place called Platz“ liegt. An dem auch ein Zug oder sonst irgendeine Bahn fährt. Nun, der Kerl hat nun einen richtig guten Nachfolger. Und der wollte wohin?

„To the street with the girls, you know?“

OK, mir war klar, dass es nicht einfach um Mädchen, sondern um Prostituierte ging. Das engt die Auswahl schon ein. Aber eben nur so halbwegs.

„In the center, you know?“

Ein Schelm, wer dabei an die Oranienburger Straße denkt. Die war es nämlich genau nicht. Am Ende war es mit der Kurfürstenstraße immerhin meine zweite Idee – was aber vom Ostbahnhof aus immer noch einen guten Umweg bedeutet hat. Mir sollte es also recht sein. Aber seine Sorglosigkeit bezüglich seiner Zieladresse war wirklich atemberaubend:

„OK, you’re staying in a hostel. Do you have the name?“

„No, of course not! I’m just here for one fucking weekend!“

Ähm, ok. Das ist natürlich total, äh, einleuchtend. 0.o

Diese besondere Wertschätzung

Ich hab das Auto mit 6 Leuten wirklich voll beladen bekommen. An der Biermeile. Den Trikots nach zu urteilen fünf Sportlerinnen und ihr Trainer. Er nahm vorne Platz, die Mannschaft (die Sportart weiß ich leider nicht) hinten. Während die Mädels gut gelaunt sangen und quatschten, fragte auch er mich wegen des Großraumzuschlags aus. Immerhin hätte ich ihnen damit ein weiteres Taxi erspart, da wäre das ja nicht so wild. Und überhaupt: Das koste jetzt nur so Pi mal Daumen 13 €? Wie würden wir Taxifahrer denn dann bitte ordentlich Geld verdienen? Ich hab ihm die Frage entsprechend unseres Gesprächs auf englisch beantwortet:

„Well, the secret is: we do not!“

Die Tour war wirklich nicht lang, es ging zum Radisson Blue am Alex, aber er brachte ein paar sehr pointierte Fragen unter zu meiner Arbeit und ihrer Bezahlung, dass ich es schon beachtlich fand. Er betrieb das beileibe nicht, um einfach eine Vorlage für Smalltalk zu finden, ihn haben die Berliner Taxifahrer wirklich interessiert.

Am Ende stand die Uhr bei 8,90 € plus eben dem einen Fünfer Zuschlag. Er kramte einen Zehner raus und meinte:

„This is for the ride.“

Dann legte er einen Fünfer obenauf und betonte:

„And this is for the other taxi we would normaly have taken too.“

Dann sammelte er ein wenig Kleingeld unter den Mädels ein und überreichte sie mir mit den Worten:

„And this is the tip. You’re doing a great job, I appreciate that. I couldn’t do that and you should be proud of what you’re doing. This is great. I enjoyed to meet you and I wish you a very succesful shift!“

Ich könnte jetzt pseudopathetisch damit schließen, dass diese Worte mir viel besser getan hätten als das Geld. Und ja, das haben sie vielleicht, das hat sich echt gut angefühlt. Aber als chronisch unterfinanzierter Taxifahrer muss ich doch auch mal anmerken, dass satte 11,80 € Trinkgeld einfach auch eine ziemlich geile Sache waren! 😀

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Erst mal zur Aral …

Biermeile-Kundschaft. Zwei Kerle, gut einen im Tee, eher prollmäßig gekleidet – aber nach dem ersten Hallo zwei eigentlich gar nicht so unsympathische Gestalten. Sie waren jedenfalls die meiste Zeit damit beschäftigt, über ihre Freundschaft und die zu den anderen eben zurückgelassenen Leuten zu philosophieren. Und wo sollte es hingehen?

„Ersma zur Aral – ich will noch’n Bier. Und dann nach Hohenschönhausen!“

„Ähm, welche Aral denn?“

„Die auffer Brücke. Immer geradeaus, sag ick Dir dann.“

Die in Lichtenberg also. Kann man machen, ist halt ein „kleiner“ Umweg:

"Immerhin fast eine Gerade …" Quelle: osrm.at

„Immerhin fast eine Gerade …“ Quelle: osrm.at

Ich hab da jetzt aber auch nicht den Besserwisser raushängen lassen. Ich hätte zwar vermutet, die Total-Tanke an der Storkower hätte auch ein Beck’s und ein Berliner Kindl gehabt, aber was weiß ich schon …

Der Stopp an der Tanke dauerte. Der Ausgestiegene ließ es sich nicht nehmen, am Nachtschalter mit einer ebenfalls dort vorgefahrenen anderen Kundin zu flirten und überhaupt war die Stimmung angenehm entspannt. Wünscht man sich viel öfter genau so mit Partygängern. Nach dem Wiedereinstieg kam dann das Problem auf, dass die Bierflaschen ja geöffnet werden mussten. Die beiden verfielen in einen gewissen Sucheifer, den ich mir nicht lange angetan habe. Ich hab ihnen mein Feuerzeug gereicht. Der Erste öffnete sein Bier und war glücklich. Der Zweite im Grunde auch, nur stammelte er anschließend, dass das Feuerzeug nun wohl hinüber sei.

„Ach, wenn da Plastik abgesplittert ist – scheiß drauf!“

„Nee, Meista, ehrlich: Du brauchst ein neues! Hol ick Dir, keen Problem. Aber Du brauchst ein Neues!“

Und in der Tat, er hatte mal eben versehentlich den kompletten Kopf mit dem Zündmechanismus abgebrochen.

„Tut mir ehrlich leid, weeßte, eijentlich sind wir Profis im Bieraufmachen, ehrlich, ick schwör!“

Hätte ich nicht die traurigen Überreste meines Feuerzeugs in der Hand gehalten, ich hätte es geglaubt. Aber gut, so haben wir am Ende noch einen zweiten Tankstellenstopp gemacht. Dieses Mal war die Kassiererin diejenige, die sich einen langen Monolog mit sicher quälenden Entscheidungsfragen gefallen lassen musste, zumindest blickten sie und der Kunde hinter ihm interessiert in meine Richtung, wohl um zu sehen, wer denn dieser Taxifahrer ist, der so gewaltsam um sein Eigentum gebracht worden war. Freudestrahlend kehrte er dann zurück und überreichte mir feierlich gleich zwei Feuerzeuge.

„Eines von denen gefällt Dir hoffentlich!“

Eine gewagte Aussage bei zwei identischen. 😉 (Für ein Foto: Twitter)

Am Ende setzte ich sie beide an ihren Wohnungen ab und für die ohnehin reichlich teure Tour (29,90 €) gab es auch noch ein Trinkgeld von 2,10 € obenauf. Natürlich klappt das nicht immer – aber genau sowas erhoffe ich mir, wenn ich die Biermeile entlanggurke und auch mal anhalte, obwohl ich skeptisch bei den Fahrgästen bin.