Von der besten aller Möglichkeiten

Steht da ein zerzauster Typ mit einer Aldi-Tüte voller Bierflaschen am Straßenrand zwischen Stralau und Rummelsburg und winkt ein Taxi heran. In meinen Gedanken spulten sich die möglichen Anfragen ab:

a) „Bringst mir für’n Fünfer nach Friedrichshain?“

b) „Ich hab mich verlaufen. In welche Richtung geht’s Richtung Ostkreuz?“

c) „Haste mal’n Euro?“

d) „Du, die Aliens verfolgen mir, fahr mit mir inne Spree, das verwirrt die!“

e) „Warum halten Sie?“

Trotz geringer Wahrscheinlichkeit handelte es sich aber um einen Superwinker der Extraklasse, und der stellte dann Anfrage f):

„Reicht ein Hunni bis nach Bad Saarow?“

Hat gereicht. 🙂

Am Ende hat er mich zwar am Bahnhof dort einmal im Kreis fahren lassen, bevor er dann wirklich wieder aufgewacht ist – aber sonst war’s eine absolut grandiose Fahrt.

Unbeabsichtigte Funktionsüberprüfung

Die Alarmanlage der 2925 funktioniert. Aber natürlich habe ich diese Erkenntnis nicht freiwillig erlangt, sondern versehentlich beim Abstellen des Autos. Der Alarmknopf ist bei der 2925 genau dort angebracht, wo er auch in der 1925 seinen Platz hatte. Und das bedeutet eben: So gut erreichbar wie nur irgend möglich. Da kommt man auch mal versehentlich dagegen. Und obwohl mir eben dies lange nicht mehr passiert war, wusste ich glücklicherweise noch so gut, wo der Ausknopf liegt, dass ich ihn binnen weniger Sekunden blind gefunden hatte. In einem stillen Viertel wie meinem ist das Ding dann doch höllisch laut.

Dass wir die Dinger nicht umsonst spazieren fahren, bewies aber erst vorgestern wieder mal eine aktuelle Pressemeldung der Polizei. An dieser Stelle wünsche ich dem Kollegen schnelle Genesung!

Betrunkene Frauen, Mercedessterne und Kartenzahlung

Ich hatte die beiden Frauen bereits gesehen, als sie am Ostbahnhof vor mir ein anderes Taxi verlassen haben. Schließlich war es schon spät, es fuhren keine Bahnen mehr von dort und selbst der 24h-McDonald’s hatte seine einstündige Putzpause eingelegt. Entsprechend enttäuscht kamen die beiden auch aus der Bahnhofshalle wieder raus, nachdem der Kollege schon abgedampft war. Und ich war erster in der Schlange. Eine der beiden steuerte zielstrebig auf mich zu, die andere wollte weiterlaufen.

„Kann ich hier mit Karte zahlen?“

„Sicher.“

„Oh, super! Schatz, steig ein!“

„Schatz“ aber hatte andere Pläne:

„Komm doch mit ins Q-Dorf!“

„Schatz, wir sind am Ostbahnhof!“

„Nee, gleich hier ums Eck, glaub mir doch!“

„Schatz, wir sind am Ostbahnhof!“

„Ja, Schatz, aber gleich hier das Q-Dorf …“

„Ostbahnhof!“

„Ist doch egal, ich seh doch den Mercedesstern!“

„Schatz, das ist der Ostbahnhof!“

„Weiß ich doch, vertrau mir doch einmal. Lass uns ins Q-Dorf feiern gehen!“

(Das ist eine Zusammenfassung eines fünfminütigen Austausches …)

Man sollte anmerken, dass wir – hatte ich ja schon geschrieben – tatsächlich am Ostbahnhof waren. Und dass die Dame, die ins Q-Dorf wollte, rund 1 Promille mehr intus hatte als die andere, die mir nebenbei gesagt hat, ich solle sie zum Hauptbahnhof bringen. Entsprechend habe ich entschärfend eingegriffen und der sehr betrunkenen Freundin erklärt, dass Berlin schon lange nicht mehr nur über einen rotierenden Mercedesstern verfügt und dieser hier nicht der des Europacenters sei, den sie sicher im Kopf hätte.

Mit einem Satz, der ungefähr „Ihr Ficker, macht doch was ihr wollt!“ lautete, stieg sie dann letztlich ein.

„Nur ums Eck. Zum Q-Dorf!“

„Das ist gut und gerne 8 Kilometer weit weg!“,

wusste ich nun einzuwerfen.

„Egal, dann halt da kurz an!“

„Das ist aber wesentlich weiter als zum Hauptbahnhof, das ergibt keinen Sinn!“

Die nüchternere der beiden  sagte mir, ich solle einfach zum Bahnhof fahren, ich solle nicht auf die andere hören. Dass sie wusste, was sie tat, hat mich gefreut, dass „Schatz“ indes so lautstark groteske Ideen hatte, war allerdings eher unschön. Bei voller Fahrt rief sie z.B. plötzlich laut, dass ich sofort anhalten solle. Ich hatte ohnehin Sorge, dass ihr eventuell schlecht werden könnte, aber stattdessen war es nur so, dass ihr plötzlich bewusst geworden war, dass sie kein Geld mehr hatte. Was eigentlich keine Rolle spielte, da ihre Freundin ja mit Karte zahlen wollte. Argh!

Kurz gesagt: Es war eine anstrengende Fahrt. Obwohl die Begleiterin (oder eher: meine eigentliche Kundin?) sehr nett war. Am Bahnhof angekommen passierte dann das, was passieren musste: Die Karte funktionierte nicht. Was irgendwie klar war. Denn natürlich hatte ich den Zuschlag für die bargeldlose Zahlung bereits eingegeben – insgesamt war aber nur noch Bargeld für den eigentlichen Betrag übrig. Da hab ich als Neuling* aber auch ein Glück gerade. Aber gut: Wenn ich ehrlich bin, war ich am Ende vor allem froh, die Tour hinter mir zu haben. Spätestens seit meine Kundin ihrem „Schatz“ das Geld aus der Tasche pfrimelte und jene mir in dem Moment eloquent mitteilte:

„Was wills’n Du hier überhaupt mit deinem Scheißbart? Bist Du dumm oder so?“

Manche Kunden sieht man vermutlich in jedem Job irgendwann eher als Patienten.

*Neuling bezieht sich auf die Kartenzahlung. Seit dem 8. Mai 2015 müssen alle Berliner Taxifahrer Kartenzahlung akzeptieren. Ich hab das bisher nicht thematisiert, weil ich selbst ein wenig spät überlegt habe, wie ich das mache. Ich hatte mit einem Gerät fürs Handy geliebäugelt, aber das wollen meine Chefs nicht zahlen. Denn grundsätzlich hatte ich schon lange einen Kartenleser an Bord, der aber nur in Kombination mit dem Datenfunkgerät funktioniert. Und das Teil ist – das sage ich auch jetzt, nach ein paar Wochen Benutzung, eine Ausgeburt der Hölle. Wäre das Ding eine Software zum Bloggen, dann müsstet ihr mit unformatiertem Text leben und ich das Veröffentlichen im vierten Untermenü des Punktes „Lustige Nebenaspekte“ suchen. Aber ja, ich nutze es inzwischen, zu genau dem Zweck: die inzwischen vorgeschriebene Kartenzahlung zu bieten. Und dabei habe ich inzwischen eine tolle Quote: Immer (!) wenn alles funktioniert hat, hatte ich vergessen den Zuschlag zu drücken – und immer (!) wenn die Kartenzahlung wegen kaputter Karten oder wählerischem Leser fehlschlug, hatte ich ihn bereits eingetippt. Was für ein praktisches Werkzeug …

Überraschendes Trinkgeld

Sicher: Wirklich verlässliche Regeln gibt’s beim Trinkgeld nicht. Man kriegt gutes Trinkgeld von Menschen jeder Gehaltsklasse und schlechtes, egal ob die Fahrt gut lief oder nicht. Ebenso wird einem manchmal erzählt, man werde gutes Trinkgeld bekommen – was dann nicht stimmt (und sei es nur, weil die Leute keine Ahnung von der durchschnittlichen Trinkgeldhöhe haben) – und zu guter Letzt gibt es eben auch Tips, die man einfach nicht erwartet hat. Und auf letzteres hofft man natürlich immer, wenn man besonders nett zu den Leuten ist. Man hat oft genug das Gefühl, dass es am Trinkgeld gar nichts ändert, wie man sich verhält; da weiß man als netter Dienstleister eben zu schätzen, wenn Kunden mit Begründung mehr geben.

In dem Fall waren es drei Jungs aus England. Sie hatten schon leicht einen im Tee, waren nicht ins Sisyphos reingekommen und wollten nun ihr Glück am Berghain versuchen. Dass die sich überhaupt für mich interessiert haben, wundert schon. Aber ja, ich hab auf ihre Anfrage hin kurz nach einem Radiosender mit elektronischer Musik gesucht und die Lautstärke hochgedreht. Wie ich immer sage: Für fünf Minuten könnte mir nichts egaler sein. Die abgesehen vom Musikgeschmack eigentlich recht sympathischen Briten aber hatten nicht einmal damit gerechnet, dass man auch im Taxi ernsthaft Musik hören könnte und waren Feuer und Flamme für diese Sonderbehandlung, die eigentlich (mit Einschränkungen) in der Berliner Taxiordnung schriftlich festgehalten ist. Und so wurde mir die Fahrt von 9 € (wir sind nicht am Sisyphos gestartet, sie haben mich rangewunken) mit amtlichen 15 € beglichen. Da streift einen dann doch das Gefühl, das Richtige zu tun.

Naja, trotzdem wird irgendwann mal wieder jemand Trinkgeld geben, der mich gleichzeitig beschuldigt, einen Umweg gefahren zu sein. Oder ich bekomme keines, obwohl ich in höchsten Tönen gelobt wurde. Ganz so einfach ist das halt nicht …

Diese Gelassenheit in der Nachtschicht

Ich bin ja froh, nachts zu arbeiten. Und ich bin das, obwohl mir im Taxigewerbe die Gegenseite im Grunde fremd ist. Ja, für eine Lesertour bin ich mal tagsüber gefahren, aber eigentlich halte ich mich da raus. Kein Berufsverkehr, keine eiligen Termine – das sind im Grunde meine besten Argumente für die Nachtschicht.

Nun ist es aber so, dass dank der Baustellen auf der Warschauer auch mal nachts Stau ist. Da bin ich mit einer Kundin auch prompt reingeraten, aber das war ehrlich gesagt wunderbar. Natürlich ist Stau scheiße. Aber dieses Mal hat er einfach eine sonst sehr kurze Fahrt angenehm verlängert. Sicher, dank der Wartezeitunterdrückung hat mir das kein Geld gebracht – aber die nette Frau hatte so viele Fragen zum Taxigewerbe; und die konnte ich nur durch diese Zusatzzeit beantworten.

Die Fahrt war toll, das Trinkgeld gut, aber am meisten gefreut hat mich am Ende ihr Fazit:

„Da hatte ich ja Glück, dass das länger gedauert hat. Es war ein so nettes Gespräch mit Ihnen und ich hab so viele Dinge gelernt, die ich bisher nicht wusste. Ich bin so froh, dass ich heute Taxi gefahren bin und das war vermutlich die beste Fahrt meines Lebens, ich danke Ihnen von Herzen dafür!“

Es klingt immer kitschig, wenn man sagt, dass man den Job (auch) der Kunden wegen gerne macht. Aber so ein Feedback ist echt mehr Wert als ein Euro mehr auf dem Konto, ganz ehrlich!

Schichtsalat

Was will man sonst sagen …

Zunächst mal: Ich hatte Unrecht. Die 1528 ist doch kein neuer Zafira Tourer, sondern ein normaler B-Zafira, nur deutlich neuer als die 2925 – kurz vor der 100.000km-Marke. Eine Umgewöhnung war also nicht wirklich nötig. Also mal abgesehen davon, dass sie eine funktionierende Kupplung hat. Hab die Kiste gleich zum Start mal an der Ampel abgewürgt wie so’n Fahranfänger. 🙂

Und dann begann die Schicht ultragrottig. Allenfalls ein Zehner pro Stunde. Richtig mies aber war das Trinkgeld. Aus welchen Gründen auch immer. Vielleicht hab ich komisch gerochen oder so. Also wenn selbst besoffene Engländer, die im Interconti hausen und nach eigener Aussage noch Chancen auf Karten fürs Championsleague-Finale heute Abend haben, kein Trinkgeld auf eine 6€-Tour geben, dann stimmt was nicht.

Umso schöner war dann der Russe, der mit schwer verständlichem Deutsch an der Frankfurter Allee stand und wollte, dass ich ihn in die neue Bahnhofstraße bringe. Er drückte mir gleich 15 € in die Hand, obwohl ich die Fahrt für eine Kurzstrecke hätte machen können. Am Ziel schaute er nochmal kurz aufs Taxameter, wo mickrige 6,60 € aufgelaufen waren und meinte:

„Daan is guut. Schöne Abend Du nooch!“

Und am Ende kamen dann doch noch genug Touren zusammen. Eigentlich wollte ich die notfalls am Sisyphos machen, genau da bin ich aber nicht einmal hingekommen, weil ich immer vorher rausgewunken wurde. Hach.

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Nachgekuppelt

Es gibt interssante Neuigkeiten zur Kupplung – und die wollte ich Euch nicht vorenthalten. Die Kollegen trifft im Wesentlichen gar keine Schuld, es war mal wieder unser Herzchen von Mechaniker. Der hat vorgestern das Auto auf der Bühne gehabt und verkündet:

„Das hält noch’n paar Wochen!“

Irgendwann merken hoffentlich auch meine Chefs, dass andere Mechaniker ihren Job etwas besser beherrschen …

Mein Wochenende indes ist soweit gerettet. Ich werde von heute bis Sonntag die 1528 fahren, einen von den neuen Zafira Tourern. Ich hab mir die Kiste bei einem Kollegen schon mal angeschaut, scheint Vorteile, aber auch Nachteile gegenüber den B-Zafiras zu haben. Ich werd’s jetzt jedenfalls im Detail rausfinden … 🙂