Diese Gelassenheit in der Nachtschicht

Ich bin ja froh, nachts zu arbeiten. Und ich bin das, obwohl mir im Taxigewerbe die Gegenseite im Grunde fremd ist. Ja, für eine Lesertour bin ich mal tagsüber gefahren, aber eigentlich halte ich mich da raus. Kein Berufsverkehr, keine eiligen Termine – das sind im Grunde meine besten Argumente für die Nachtschicht.

Nun ist es aber so, dass dank der Baustellen auf der Warschauer auch mal nachts Stau ist. Da bin ich mit einer Kundin auch prompt reingeraten, aber das war ehrlich gesagt wunderbar. Natürlich ist Stau scheiße. Aber dieses Mal hat er einfach eine sonst sehr kurze Fahrt angenehm verlängert. Sicher, dank der Wartezeitunterdrückung hat mir das kein Geld gebracht – aber die nette Frau hatte so viele Fragen zum Taxigewerbe; und die konnte ich nur durch diese Zusatzzeit beantworten.

Die Fahrt war toll, das Trinkgeld gut, aber am meisten gefreut hat mich am Ende ihr Fazit:

„Da hatte ich ja Glück, dass das länger gedauert hat. Es war ein so nettes Gespräch mit Ihnen und ich hab so viele Dinge gelernt, die ich bisher nicht wusste. Ich bin so froh, dass ich heute Taxi gefahren bin und das war vermutlich die beste Fahrt meines Lebens, ich danke Ihnen von Herzen dafür!“

Es klingt immer kitschig, wenn man sagt, dass man den Job (auch) der Kunden wegen gerne macht. Aber so ein Feedback ist echt mehr Wert als ein Euro mehr auf dem Konto, ganz ehrlich!

15 Kommentare bis “Diese Gelassenheit in der Nachtschicht”

  1. Klingt überhaupt nicht kitschig – gerade sowas ist das beste Motiv, Taxi zu fahren.
    Die Kohle kann es ja nicht wirklich sein. 😉
    Jedes Mal wenn mir ein Fahrgast sagt, das wäre mal eine angenehme Taxifahrt gewesen, dann freut mich das ehrlich und ich weiß, alles richtig gemacht.
    Und wenn ich mich nicht irre, sagt ja auch Deine Firma, es ist Bestandteil des Jobs, den Fahrgästen zu zeigen, was der Unterschied zwischen einer Busfahrt und taxifahren ist… .

  2. Sash sagt:

    @Matthias Hagenbäumer:
    Genau so ist es. 🙂

  3. Wahlberliner sagt:

    Und wenn sie so interessiert am Taxifahren ist, dann hast Du sicher auch gleich eine neue Stammleserin für Dein Blog gewinnen können – so schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe 🙂

  4. Sash sagt:

    @Wahlberliner:
    Ich erzähle nicht allen Fahrgästen, dass ich blogge. Es wäre sicher gut für mich, aber in dem Fall z.B. habe ich es nicht getan. Warum auch immer …

  5. Robert sagt:

    Ja, der Job hat auch seine schöne Momente. Man erlebt als Zuschauer, manchmal auch als Beteiligter und Akteur halt das nahezu komplette Leben in seiner ganzen Bandbreite. Dazu gehören Begegnungen wie jene hier genauso wie die anderen, die wir kennen oder vielleicht auch noch nicht kennen.

    Was ist denn Wartezeitunterdrückung? Ein Berliner „Special“ oder Deine Kulanz?

  6. DrAnubis sagt:

    @Sash da musst du direkt auf dein Buch verweisen: „noch mehr informatives, interessantes und lustiges finden Sie in diesen netten Büchlein…

  7. Robert sagt:

    @ DrAnubis:
    Eben nicht. Dann wäre der Zauber dieser schönen Begegnung sofort zerstört. Solch ein Moment bereichert einen doch genug.

  8. Drakoon1964 sagt:

    Das sind die Momente die auch auch liebe 🙂
    Alledings neige ich dazu bei längeren Gesprächen am Fahrtende kleinere, essentielle Sachen zu vergessen!
    Erst letzte Woche hat mich ein Kunde 30 min nach der Fahrt angerufen und gefragt ob er bezahlt hätte :-), aaaaeh er bezahlt es jetzt beim nächsten Mal mit!

  9. ednong sagt:

    Nachvollziehbar.
    Kunden können Spaß machen.

  10. Micha sagt:

    Sash darf ich dann Deine Dienste auch mal in Anspruch nehmen wenn ich mein Geld schon komplett vertrunken habe? Ich sülz dich auch mit den kitschigsten Dingen zu die Du hören willst. Versprochen 🙂

  11. Sternennacht sagt:

    Sehr schön die Gründe für die Nachtschicht beschrieben. Sind ziemlich genau die Gründe warum ich meist nur nachts unterwegs bin. Gelegentlich an Samstagen und Sonntagen auch mal nachmittags.

    Gespräche sind da oft interessant und der Gesprächspartner hat da oft sowohl Zeit als Muse diese zu führen. Sollte man tatsächlich mal in einem Stau kommen, reagieren die meisten Fahrgäste sehr entspannt . Sehr häufig bekommt man Komplimente für das Gespräch oder die Fahrt und kann dieses Kompliment meist zurück geben.

    Eines fällt mir nach all den Jahren immer wieder auf, nämlich wenn die ersten Busse zu fahren beginnen und du an dort wartenden Busfahrgästen vorbei fährst, freundlich schaut da keiner. Ich habe oft den Eindruck dass zu dieser Zeit lachen verboten ist. Speziell wenn du augenscheinlich vom Abend übrig gebliebene Fahrgäste fährst.

  12. Sash sagt:

    @Robert:
    Wartezeitunterdrückung ist ein Spezialfall des Berliner Tarifs. Bei uns schaltet das Taxameter nicht vom Kilometer- auf den Zeittarif um, wenn nicht eine Minute vergangen ist. Will heißen: Bei stockendem Verkehr oder an Ampeln läuft die Uhr immer erst nach einer Minute weiter. Ist natürlich schlecht für uns Kutscher, sorgt andererseits aber dafür, dass Fahrten mit Stau die Kunden weniger kosten.

    @DrAnubis:
    Auch wenn’s vielleicht pathetisch klingen mag: Da stimme ich Robert zu. Es ist total unangenehm, aus einer schönen Fahrt ein Verkaufsgespräch zu machen.

    @Drakoon1964:
    Gut, sowas krasses ist mir noch nicht passiert. Einmal das Gepäck vergessen, ok. Aber die Bezahlung … nee, echt nicht. 😀

    @Micha:
    Hey, ich habe zwar geschrieben, dass sowas manchmal mehr wert ist als die Bezahlung – aber mit keinem Wort gesagt, dass diese deshalb auszubleiben hat! 😉

    @Sternennacht:
    Wohl wahr. 🙂
    Insbesondere das mit den Leuten im Berufsverkehr. Auf der anderen Seite muss ich ehrlich gestehen, dass ich auch nicht an jedem einzelnen Arbeitstag fröhlich wirken dürfte, wenn ich Abends in der Bahn sitze und die Leute um mich herum gerade Feierabend haben …

  13. MsTaxi sagt:

    Solche Touren sind es, die einen dann doch am Job festhalten lassen. Vorletztes Wochenende war der Freitag wie einer aus der Hölle, kurze Touren, schlecht gelaunte Kunden, wenig Trinkgeld, da verdrehst du irgendwann die Augen gen Himmel und fragst dich: Echt, warum tu‘ ich mir das an?

    Die Nacht darauf war wieder wie aus dem Bilderbuch: Ein paasr gute Touren, ein paar gute Gespräche über interessante Themen, gut gelaunte Fahrgäste, zweimal fingen sie sogar an, die Songs aus meiner Playlist mitzusingen, das Taxi fuhr nicht, sondern swingte und groovte seinen Weg durch die Nacht. Das sind dann die Nächte, wo du am nächsten Morgen aus dem Taxi steigst und sagst: Hey, GENAU DESWEGEN tu‘ ich mir das an.

  14. Sternennacht sagt:

    @Sash

    So habe ich es noch nicht gesehen 🙂 aber da dürftest du in der Bahn eher in der Unterzahl sein 🙂

    @MsTaxi

    Sehr schön geschrieben, besonders der letztere Absatz. Deshalb liebe ich das Taxifahren nachts so sehr :))

  15. Bernd K. sagt:

    Als Fahrgast erinnere ich mich auch an zwei Fahrten, die definitiv zu kurz waren für die richtig gute Unterhaltung mit dem Fahrer. Und ich denke, diese beiden werden die Tour mit mir am Tagesende auch jeweils positiv verbucht haben – selbst wenn ich gelegentlich mit der korrekten Tringkeldhöhe etwas überfordert bin („Trinkgeld-Dyskalkulie“).

    Zum allgemeinen Unfroh-Aussehen der meisten ÖPNV-Nutzer: Vor vielen Jahren im Winter in einem Frühzug mit Arbeitern und Angestellten. Leicht schläfrig-mufflige Stimmung, der Schaffner kommt zur Fahrkartenkontrolle und macht eine passende, heitere Bemerkung. Fast jeder lacht oder schmunzelt, die Stimmung hat sich gewandelt und die Leute beginnen ihren Tag etwas froher als üblich.

    Und als Fahrgast kann man, wenn man selber einigermassen gut drauf ist, mit einem kurzen freundlichen Lächeln zum Sitznachbarn diesen meist auch zu einem Gegen-Lächeln „provozieren“. Einfach mal ausprobieren, müsste sogar in Berlin funktionieren 😉

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