Ich könnte den Text mit einer Umfrage starten, an die mitlesenden Kollegen gerichtet. Die Frage würde ungefähr wie folgt lauten:
„Habt Ihr schonmal erlebt, dass bei einer bestellten Fahrt am Ende zu wenig Platz für Fahrgäste und/oder Gepäck war?“
Und diese Umfrage habe ich nur deswegen nicht eingefügt, weil ich zwar zwei Antwortfelder anfügen würde, allerdings nicht „Ja“ und „nein“, sondern nur „Ja“ und „Ich hab erst gestern in dem Job angefangen und verstehe die Frage nicht“.
Und wie komme ich jetzt auf die Idee?
Ich bin die Tage über eines der vielen Verstehen-Sie-Spaß-Videos mit Taxifahrern gestolpert, dieses Mal explizit mit Berliner Taxifahrern, die, so wird vorsichtshalber erklärt, gerüchteweise „nicht immer die freundlichsten sein sollen“. In dem für Taxifahrer wirklich unerklärlich unlustigen Video werden also Taxifahrer zu einem Haus bestellt, wo dann immer mehr und mehr Koffer und Leute kommen, auf jeden Fall zu viele fürs Fahrzeug. Ich will da jetzt auch nicht miesepetrig sein oder mich als Taxifahrer angegriffen fühlen, aber wie die äußerst unspektakuläre Reaktion der Kollegen (Kopfschütteln und vermutlich „Wer hat diesen Vollspaten in der Kindheit das Tetris-Spielen verboten?“ denken) zeigt, ist das nichts weiter als ein (eher deprimierender) Teil unseres Alltags, wenn auch leicht überzeichnet.
Und den Fahrern, die es bis zum Ende durchhalten, wurde abschließend erklärt, dass gar keine Fahrt stattfindet und es nur ein Test für den richtigen Urlaub in zwei Wochen wäre und das ja glücklicherweise nix kosten würde.
Und genau dabei ist mir dann was interessantes aufgefallen. Nicht nur, dass es trotz all den Überfällen und Flitzern offenbar immer noch für lustig befunden wird, Taxifahrer als Dienstleister mit der Drohung zu verarschen, man würde sie nicht bezahlen – nein, vor allem dieses „Testen“. Der Dienstleistung, der Grenzen des Personals, der Vorschriften.
Und, keine Sorge liebe andere Dienstleister, ich laufe da sicher nicht mit einer Scheuklappe rum. Jeder, der mit Kunden zu tun hat, hat auch Spaßvögel an der Backe, die nicht so lustig sind wie sie glauben. Ich würde mich sogar ganz besonders von Euch freuen zu hören: Geratet Ihr auch so oft an Leute, die Euch spaßeshalber „testen“ wollen? Wie die Kunden an der Supermarktkasse, die bei fehlerhaften Barcodes fragen:
„Na, dann kostet das wohl nix, hihi!“
Ganz empfehlenswert hierzu übrigens das tolle Buch „Tüte oder so was“ (Amazon-Partnerlink) von Ulrike Sterblich, wo durchaus einige nette Beispiele aufgeführt sind.*
Aber es ist gefühlt fast nirgends gängig, dass jemand zum Beispiel folgenden Spruch bringt:
„Kennste Rummelsburg, Hauptstraße?“
„Sicher.“
„Allet klar, wollt‘ Dir nur testen!“
Ja, Ortskunde gehört zu unserer Dienstleistung. Aber hat mal wer einen Metzger gefragt, ob er wisse, was Rehrücken ist? Und dann gesagt, dass man lieber ein Kilogramm Schweinemett möchte?
Dasselbe mit Fahrtstrecken.
„Is‘ jetzt schon blöd für Dich, dass ich nur ein Brötchen kaufe, wa?“
Hat das mal irgendwer gesagt?
Und dann die Leute, die gar nicht wirklich fahren wollen und so Sachen fragen, wie ob man sie zur anderen Straßenseite bringen würde. Gibt es Menschen, die ironisch nach einem einzelnen Schuh im Schuhgeschäft oder beim Metzger nach einer Viertelscheibe Mortadella fragen? Oder ob man denn für einen Fuffi nach Hamburg kommt, ob wir gute Laune haben … bei was man nicht alles „testen“ kann, ob der Taxifahrer das noch mitmacht. Beim Partyservice sagen, man würde das Hochzeitsbüffet für einen Zwanni ja nehmen … irre ich mich, oder passiert sowas wirklich nicht?
Und auf der anderen Seite ist mein Hauptjob das Auto zu fahren, das ich jeden Tag fahre, und Leute bieten mir großzügig an, an der Kreuzung auszusteigen, damit ich in der Sackgasse nicht wenden muss. Und das mindestens einmal jede Woche.
Wie gesagt: Es ist echt nicht so, dass mir mein Humor abhanden gekommen ist. Eigentlich freue ich mich vor allem auf lustige Anekdoten aus anderen Berufen in den Kommentaren. Aber wenn man sich wie ich ein bisschen im Taxigewerbe umguckt, dann sind da auf der einen Seite die Idioten unter den Kollegen, die der ein oder anderen Nachfrage irgendwie unnötig Sinn verleihen und andererseits die Fraktion der Uber-Fans, die behaupten, man könne das alles von einem Rudel Vollhonks ohne Erfahrung machen lassen.
Und da kommt man dann – und das ist wirklich nicht auf ein missglücktes Ulk-Video zurückzuführen – schon auf den Gedanken, mal zu fragen:
Hallo, könnte vielleicht irgendwer auch mal versuchen, uns als Dienstleister ernst zu nehmen?
*Disclaimer: Vor Jahren hat mich Ulrike Sterblich ziemlich ergebnislos bei der Recherche zu diesem Buch interviewt und ich habe dabei auf ihre Kosten getrunken und ein Exemplar des Buches erhalten. Ansonsten ist die Empfehlung aber ehrlich, ich mag das Buch.