Fahrten, die nur einmal pro Jahrzehnt kommen

Ich bleibe bei dem Artikel kurz und pointenlos, weil es keine meiner Fahrten war und ich etwas verfremden muss. Ein Kollege kam am Stand angerannt und rief:

„Sascha, Sascha, ich hab mal wieder eine Story für Dich!“

Und was für eine! Der Kollege wurde zu einem guten Restaurant bestellt, wo der angetrunkene Kunde ihm mitteilte, die Fahrt würde nicht im Taxi stattfinden, sondern in seinem Auto. Das kann man machen, kostet halt doppelt, weil man als Taxifahrer nach der Tour selbstverständlich mit einem Kollegen wieder zum eigenen Taxi zurückfährt. Ohne etwas derartiges zu erwarten, stand der Kollege plötzlich vor einer Kiste sondersgleichen:

„Ich hab nochmal gegoogelt: 500 PS hatte der!“

Die Fahrt war kurz, beinhaltete aber zwei Stopps an Bordellen. Der Kollege tat sich an 20€-Getränken ohne Alkohol gütlich, während der „Fahrgast“ … nun ja, etwas mehr Geld ausgab. Daraufhin folgten noch etwas seltsame auf Lautsprecher durchgeführte Telefonate mit der Freundin des Kerls, der selbiger vorwarf, ihn zu betrügen (!) und am Ende eine unkomplizierte Überreichung dreier grüner Scheine, wovon sich nach zwei Stunden Zeitaufwand immer noch bequem die 20€-Tour zurück zum Taxi bezahlen ließ …

Ich jammere ja gerne mal über meine Finanzen. Aber SO locker will ich das Geld eigentlich nie sitzen haben. Wie man sieht, macht man ja doch nur Blödsinn damit!

Uber und der Skandal, der keinen interessiert

„Arm an Skandalen“ wäre jetzt zugegebenermaßen nicht die Formulierung, die ich für Uber wählen würde. Jetzt aber bin ich dann doch etwas verwundert, dass das neueste Problem gar nicht so richtig in der Welt angekommen ist. Jetzt, bei einer Geschichte, wo man einmal zugeben muss, dass Uber nicht einmal das Grundproblem war – sondern nur wie üblich am Ende den Vogel abschießt. Aber gut, bislang betrifft es Deutschland nicht, vielleicht ist das der Grund.

Es geht um Nutzerdaten. Dass diese versehentlich öffentlich werden, wäre nicht das erste Mal. Um auch diese Form von Ärger mal mitzumachen, ließen sie 2014 schon mal einen Sicherheitsschlüssel auf einer offen zugänglichen Website liegen. Was gefühlt irgendwie nicht arg viel dämlicher war als dass sie selbst bei einer Presseveranstaltung Prominente live trackten und das auch noch lustig finden.
Dieses Mal geht es um Kundendaten. Und zwar scheinbar nicht die der harmlosen Sorte. Vor einem Monat hat das Online-Magazin Motherboard berichtet, dass diese Daten im Netz verkauft werden. Sie sollten später noch eine Schritt-für-Schritt-Anleitung finden, wie man sich damit Fahrten auf Kosten der gehackten Accountinhaber erschleicht. Und, was geschah wohl? Richtig: Es wurde genutzt!

Der BusinessInsider berichtet von tausenden Beschwerden wegen Fahrten, die Kunden in Rechnung gestellt wurden, die sie nicht bestellt hatten. Teils auf anderen Kontinenten. Was genau passiert ist, scheint unklar zu sein. Ob Uber gehackt wurde oder nur „einzelne“ Kunden. Uber sagt schlicht, sie hätten keinen Angriff bemerkt und die Fälle an die Behörden weitergeleitet. Großzügigerweise verzichten sie wohl zumindest manchmal auf das Geld und stornieren die Fahrten. Was aus keinem der Berichte zu erfahren war, war ob Uber wenigstens irgendwie die User gewarnt hat oder wenigstens einen Passwortwechsel empfohlen. Andererseits könnte das Thema dann ja vielleicht noch größere Wellen schlagen – und das will offenbar ja auch keiner …

„Den Taxifahrer mal testen“

Ich könnte den Text mit einer Umfrage starten, an die mitlesenden Kollegen gerichtet. Die Frage würde ungefähr wie folgt lauten:

„Habt Ihr schonmal erlebt, dass bei einer bestellten Fahrt am Ende zu wenig Platz für Fahrgäste und/oder Gepäck war?“

Und diese Umfrage habe ich nur deswegen nicht eingefügt, weil ich zwar zwei Antwortfelder anfügen würde, allerdings nicht „Ja“ und „nein“, sondern nur „Ja“ und „Ich hab erst gestern in dem Job angefangen und verstehe die Frage nicht“.

Und wie komme ich jetzt auf die Idee?

Ich bin die Tage über eines der vielen Verstehen-Sie-Spaß-Videos mit Taxifahrern gestolpert, dieses Mal explizit mit Berliner Taxifahrern, die, so wird vorsichtshalber erklärt, gerüchteweise „nicht immer die freundlichsten sein sollen“. In dem für Taxifahrer wirklich unerklärlich unlustigen Video werden also Taxifahrer zu einem Haus bestellt, wo dann immer mehr und mehr Koffer und Leute kommen, auf jeden Fall zu viele fürs Fahrzeug. Ich will da jetzt auch nicht miesepetrig sein oder mich als Taxifahrer angegriffen fühlen, aber wie die äußerst unspektakuläre Reaktion der Kollegen (Kopfschütteln und vermutlich „Wer hat diesen Vollspaten in der Kindheit das Tetris-Spielen verboten?“ denken) zeigt, ist das nichts weiter als ein (eher deprimierender) Teil unseres Alltags, wenn auch leicht überzeichnet.
Und den Fahrern, die es bis zum Ende durchhalten, wurde abschließend erklärt, dass gar keine Fahrt stattfindet und es nur ein Test für den richtigen Urlaub in zwei Wochen wäre und das ja glücklicherweise nix kosten würde.

Und genau dabei ist mir dann was interessantes aufgefallen. Nicht nur, dass es trotz all den Überfällen und Flitzern offenbar immer noch für lustig befunden wird, Taxifahrer als Dienstleister mit der Drohung zu verarschen, man würde sie nicht bezahlen – nein, vor allem dieses „Testen“. Der Dienstleistung, der Grenzen des Personals, der Vorschriften.

Und, keine Sorge liebe andere Dienstleister, ich laufe da sicher nicht mit einer Scheuklappe rum. Jeder, der mit Kunden zu tun hat, hat auch Spaßvögel an der Backe, die nicht so lustig sind wie sie glauben. Ich würde mich sogar ganz besonders von Euch freuen zu hören: Geratet Ihr auch so oft an Leute, die Euch spaßeshalber „testen“ wollen? Wie die Kunden an der Supermarktkasse, die bei fehlerhaften Barcodes fragen:

„Na, dann kostet das wohl nix, hihi!“

Ganz empfehlenswert hierzu übrigens das tolle Buch „Tüte oder so was“ (Amazon-Partnerlink) von Ulrike Sterblich, wo durchaus einige nette Beispiele aufgeführt sind.*

Aber es ist gefühlt fast nirgends gängig, dass jemand zum Beispiel folgenden Spruch bringt:

„Kennste Rummelsburg, Hauptstraße?“
„Sicher.“
„Allet klar, wollt‘ Dir nur testen!“

Ja, Ortskunde gehört zu unserer Dienstleistung. Aber hat mal wer einen Metzger gefragt, ob er wisse, was Rehrücken ist? Und dann gesagt, dass man lieber ein Kilogramm Schweinemett möchte?

Dasselbe mit Fahrtstrecken.

„Is‘ jetzt schon blöd für Dich, dass ich nur ein Brötchen kaufe, wa?“

Hat das mal irgendwer gesagt?

Und dann die Leute, die gar nicht wirklich fahren wollen und so Sachen fragen, wie ob man sie zur anderen Straßenseite bringen würde. Gibt es Menschen, die ironisch nach einem einzelnen Schuh im Schuhgeschäft oder beim Metzger nach einer Viertelscheibe Mortadella fragen? Oder ob man denn für einen Fuffi nach Hamburg kommt, ob wir gute Laune haben … bei was man nicht alles „testen“ kann, ob der Taxifahrer das noch mitmacht. Beim Partyservice sagen, man würde das Hochzeitsbüffet für einen Zwanni ja nehmen … irre ich mich, oder passiert sowas wirklich nicht?

Und auf der anderen Seite ist mein Hauptjob das Auto zu fahren, das ich jeden Tag fahre, und Leute bieten mir großzügig an, an der Kreuzung auszusteigen, damit ich in der Sackgasse nicht wenden muss. Und das mindestens einmal jede Woche.

Wie gesagt: Es ist echt nicht so, dass mir mein Humor abhanden gekommen ist. Eigentlich freue ich mich vor allem auf lustige Anekdoten aus anderen Berufen in den Kommentaren. Aber wenn man sich wie ich ein bisschen im Taxigewerbe umguckt, dann sind da auf der einen Seite die Idioten unter den Kollegen, die der ein oder anderen Nachfrage irgendwie unnötig Sinn verleihen und andererseits die Fraktion der Uber-Fans, die behaupten, man könne das alles von einem Rudel Vollhonks ohne Erfahrung machen lassen.

Und da kommt man dann – und das ist wirklich nicht auf ein missglücktes Ulk-Video zurückzuführen – schon auf den Gedanken, mal zu fragen:

Hallo, könnte vielleicht irgendwer auch mal versuchen, uns als Dienstleister ernst zu nehmen?

*Disclaimer: Vor Jahren hat mich Ulrike Sterblich ziemlich ergebnislos bei der Recherche zu diesem Buch interviewt und ich habe dabei auf ihre Kosten getrunken und ein Exemplar des Buches erhalten. Ansonsten ist die Empfehlung aber ehrlich, ich mag das Buch.

Eiskeller, Berlin

Es ist schon eine Weile her, damals war es sogar noch richtig kalt in Berlin. Da traf ich mit Kollegen am Taxistand zusammen, wir unterhielten uns übers Wetter. Und uns beschäftigte alle das gleiche Thema:

Wo zur Hölle soll Berlin-Eiskeller sein?

Berlin-Eiskeller. Von dort wurde in den Tagen öfter die Temperatur durchgegeben, aber keiner der Kollegen konnte sich darauf einen Reim machen. Und wenn Taxifahrer als professionelle Auskenner an den Wettermeldungen scheitern, dann ist das doch etwas seltsam.

Nun gut, ich selbst bin noch „halbwegs neu“ in der Stadt, ich kenne natürlich nicht alles. Aber dass es den anderen auch so ging … WTF?
Ob es nun eine Siedlung, ein S-Bahnhof oder ein Spitzname für irgendwas wäre – einer hätte es doch kennen müssen! Aber: Fehlanzeige!

In dem Fall – wie überhaupt sehr oft – hilft Wikipedia. Eiskeller ist ein Landschaftsschutzgebiet im äußersten Westen der Stadt, was erklärt, wieso es zum einen Ostberliner, zum anderen sogar (Nacht-)Taxifahrer nicht kennen. Wer lässt sich schon in ein Landschaftsschutzgebiet bringen?

Dabei ist die Geschichte von Eiskeller laut Wikipedia sogar sehr interessant. Als Fast-Exklave von Berlin, später sogar der BRD während der Teilung, lag es im Zentrum gleich mehrerer Gebietsaustäusche. Und dann noch die Anekdote mit dem Jungen, der 1961 behauptete, auf dem Schulweg von Volkspolizisten der DDR auf dem Schulweg aufgehalten worden zu sein, deswegen künftig von einem britischen Panzerwagen eskortiert wurde, und der erst drei Jahrzehnte später zugab, damals gelogen und nur die Schule geschwänzt zu haben – herrlich!

Es ist wirklich immer wieder eine geile Sache, mehr über Berlin herauszufinden. Und falls doch mal wer nach Eiskeller will, weiß ich ja jetzt Bescheid … 😀

PS:

Inzwischen ist mein Buch seit zwei Monaten draußen. Wer noch ein signiertes Exemplar haben will, kann nach wie vor unter buch@gestern-nacht-im-taxi.de eines bestellen. Wollte ich nur nochmal erwähnen, bevor ich in den nächsten Tagen den großen Banner oben wieder deaktiviere.

Die Nigeria-Connection live

Wer hat sie noch nicht bekommen, eine der legendären Spam-Mails, in denen ein superreicher, meist wohl nigerianischer Typ einem unkompliziert ein paar Millionen zukommen lassen will, weil er Probleme mit der Bank hätte. Man müsse nur ein paar tausend Euro in die Gegenrichtung senden – und zack: Geldsegen!

Ist natürlich Bullshit und bei Wikipedia findet sich die „Nigeria-Connection“ unter dem mir bislang unbekannten aber nachvollziehbaren Artikel „Vorschussbetrug„.

Und nun hatte ich im Auto einen von ihnen. Also nein, vermutlich nicht einen jener Kriminellen, aber einen der Superreichen, denen zu begegnen wohl viele irgendwann erhoffen, weil sie sich was davon versprechen. Der Fahrgast kam prallgekifft wie sonstnochwas aus dem Yaam und erzählte mir die Story vom Pferd, dass er froh sei, hier in Berlin nicht erkannt zu werden, mal Geschäftsmann war, sich von seinem Vater aber längst seinen 20-Milliarden-Dollar-Anteil (!) hat auszuahlen lassen.

Logo, einer der ungefähr 50 reichsten Männer der Welt sitzt bekifft in meinem Opel-Taxi, weil es da warm ist …

Bezahlt wurde ich immerhin, das unterscheidet mich wohl von den hoffnungsvollen Überweisern an die Mailspammer. Andererseits betrug das Trinkgeld 0,00 €. Unter den Umständen ist es mir als Taxifahrer dann sowieso egal, wie reich der Fahrgast ist …

Der Feind des Taxifahrers ist die Langeweile

Zumindest in manchen Nächten kommt man nicht umhin, sich zu langweilen. In der einen Schicht mehr, in der anderen Schicht weniger. Aber wegen des berechtigten politischen Ziels, dass im Grunde immer ein Taxi verfügbar sein sollte, haben wir Leerlauf. Der ist manchmal gering, manchmal umfangreich und nervenaufreibend. Wir haben im Vergleich zu vielen anderen Berufsgruppen viel Leerlauf. Was also machen wir daraus?

Zunächst einmal: Jeder etwas anderes. Das sollte klar sein. Es gibt die Kollegen mit Fernseher im Auto, die GNTM sehen, andere pokern online, chatten mit Freunden, twittern oder lesen sogar Bücher.

Ich selbst mache, was mir gerade reinpasst, Abgesehen von den Laberrunden am Taxistand lese und schreibe ich, wie es mir gerade passt. Manchmal tue ich auch ganz explizit nichts, was auch mal ganz erholsam sein kann oder höre sogar Radio – allerdings eher keine Musik, aus Gründen.

Im Laufe des Monats hab ich mal wieder meiner gelegentlichen Lust auf Thriller gefröhnt und Tom Rob Smiths wunderbare „Trilogie“ über den russischen Agenten Leo Demidow gelesen: Kind 44, Kolyma und Agent 6. (Amazon-Partnerlinks)
Wie so ein junger Autor so fantastische Stories vor dem historischen Background der Stalin-Zeit schreiben kann, nötigt mir einiges an Respekt ab. Natürlich sind die Bücher kein Geheimtipp mehr, aber da man bei Thrillern am Klappentext in der Regel nicht den Hauch einer Chance hat zu erkennen, ob sie gut oder schlecht sind, wollte ich auch zwei Tage nach dem Tag des Buches (und des Bieres!) hier mal noch eine Empfehlung aussprechen. Und jedes der drei Bücher reicht definitiv für mehr als nur eine frustrierende Schicht mit viel Standzeit. 🙂

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

Immer dranbleiben!

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Wenn die Kollegen schlechte Tage haben

Jeder hat mal einen Tag, an dem irgendwie alles schief geht. Irgendwie war das gestern wohl bei einem Kollegen der Fall, der „mein“ Auto hatte. Noch bevor ich zur Arbeit aufgebrochen bin, hab ich auf dem Handy gesehen, dass er angerufen hatte. Und da klingelte es prompt wieder.

Er riefe nur an, um mir zu sagen, dass sich der Grund, warum er vorhin angerufen hätte, erledigt hätte. Aha.

Wobei das verständlich war. Er hatte befürchtet, sein Handy im Auto liegengelassen zu haben, hatte es inzwischen aber wiedergefunden.

Dann kam ich zum Auto und sah, dass die hintere Seitenscheibe offen war. Aber gut, es war warm und hatte nicht geregnet und im Hof sind zumeist nur Kollegen unterwegs. Glück gehabt. Dann hab ich festgestellt, dass der Stifthalter am Armaturenbrett sich abgelöst hatte. Passiert alle paar Jubeljahre mal, die sind nur angeklebt. Nur war auch im ganzen Auto kein Kuli zu finden, den hatte er offenbar eingesteckt. Und nebenbei vergessen, die Kilometerzahl auf dem Abschreiber einzutragen.

Das ärgert einen kurz. Aber der Kollege ist ein netter, das war sicher keine Absicht. Und wenn ich mir vorstelle, wie er wohl in Eile beim Abstellen ums Auto gewuselt ist, dann stelle ich mir das sogar irgendwie ziemlich lustig vor. Und einen anderen Kollegen mit überschüssigem Kuli im Auto zu finden, war dann auch nur eine Sache von Minuten …