Wir hatten die Silvesterschicht hier noch gar nicht, merke ich gerade. Wobei da auch nur ausgewählte Touren wirklich spannend waren und ich überhaupt für die Nacht der Nächte sehr wenige hatte. Aber gut, hier die vermutlich aufregendste:
Ich stand am Bahnhof Zoo, denn dort hatte ich eben feierwütige Mädels rausgelassen, die mich und sich ununterbrochen mit dem Handy gefilmt hatten. Den Aussagen der Damen nach bin ich jetzt sicher irgendwo als coolster Taxifahrer in Berlin bei Youtube, aber überprüft habe ich das nicht.
Und während ich so noch kurz vor dem McDonald’s stand, hatte ich gleich wieder Kundschaft. Wen wundert’s an Silvester?
„Kannsu fünfe? Machsu fünfe? Korrekt, Digga, ich schwör!“
Es war nicht leicht, die Vorzeige-Gangsta ins Auto zu bekommen, aber mit mehrmaligem Zurechtweisen (Natürlich weisen wir Taxifahrer so echte Hardcore-Gangsta auch mal zurecht, muss schließlich sein! 😉 ) hat das aber dann doch geklappt. Auf Komfort wurde keinen Wert gelegt:
„Ey, wenn Du nach hinten willst, kann ich Dir auch die Sitze vorkl …“
„Haha, nee Alda! Sch’bin Einbrecher, isch komm‘ überall rein!“
Na klar. Am Ende waren alle drin und ich wartete auf ein Fahrtziel.
„Fahr‘ ma‘ andere Seite Bahnhof! Da drüben!“
Also zum Taxistand. (Eigentlich keine 30 Meter entfernt, aber mit dem Auto etwa 200 Meter)
„Haha, Digga, was würdst’n sagen, wenn wir da hin wollen?“
„Dass das die bescheuertsten 6 € sein werden, die ihr 2015 ausgeben werdet.“
Das Gelächter war groß. Dabei war es die Wahrheit. Und ich hätte ehrlich gesagt kein Problem damit gehabt, die Vollspaten nach 200 Metern wieder vor die Türe zu setzen. Mein Kilometerschnitt und damit meine Einnahmen wären super gewesen. Aber die Ansage stimmte nur zum Teil. Gestoppt hab ich am (leeren) Taxistand zwar schon, aber nur, weil einer mal raus musste, um irgendwas zu erledigen. Vielleicht Drogengeschäfte oder so, wer weiß. Die hellsten Kerzen auf der Torte waren sie zwar alle nicht, aber ich habe es zu schätzen gewusst, dass sie irgendwann hinten die Fenster aufgemacht haben. Ehrlich! Denn die Begründung war für Silvester völlig sinnvoll:
„Damit die Leute sehen, dass hier schon wir drin sin‘ un‘ nich‘ leer is‘!“
Der ausgestiegene Typ kam wieder, dann wurde mir ein Fahrtziel genannt. Irgendeine Bar. Von der ich natürlich niemals gehört hatte. Aber die zugehörige Straße sagte mir was, also bin ich nach ein oder zwei Nachfragen in Richtung Westen losgefahren. Die Diskussionen im Auto wurden laut, nicht immer wurden die Sprachen benutzt, die ich kenne – und am Ende wurde das Ziel auf die Kreuzung See-/Beusselstraße verlegt. Na gut, mir brachte die Irrfahrt ja wenigstens Geld …
Dort angekommen dirigierten mich die Jungs weiter in den Friedrich-Olbricht-Damm, direkt an die JVA Plötzensee. Ich muss ehrlich gestehen, dass mir die bisher nicht einmal ein Begriff war. Dort sollte ich das Auto direkt vor der Gefängnismauer parken, denn sie wollten „einen Kumpel grüßen“.
Und das haben sie getan. Und wie! Sie rüttelten an Toren, sprangen wie wild auf und ab und brüllten neben „Frohes Neues!“ einige wirklich nicht zitierfähige Sätze in Richtung der Staatsgewalt. Ringsum gingen die Lichter an, Beamte kamen zum Vorschein und ich war reichlich froh, bereits einen Fuffi („als Sicherheit, Digga!“) auf dem Armaturenbrett liegen zu haben. Hätte gut passieren können, dass sie auch alle mal spontan einfahren …
Am Ende lief – wie so oft – alles bestens. Die Jungs haben sich für mein Warten bedankt, sich noch ein bisschen weiter bringen lassen und den Fahrtpreis am Ende mit einem guten Trinkgeld aufgerundet. Ein klassischer Fall von „Ich hätte schlimmeres erwartet“. Und wo sie ausstiegen, kamen gleich die nächsten Kunden. Touris, zu einem Hotel. Silvester halt.
PS:
Das „Besuchen“ ihres Kumpels fand ich im Wesentlichen eine verdammt geile Aktion, auch wenn ich teilweise blöd dazwischen stand. Ja, ihr Freund wird vermutlich nicht ohne Grund einsitzen. Das kann ich mir bei dem Haufen vorstellen. Aber wir haben uns als Gesellschaft aus guten Gründen vom altmodischen Rachegedanken bei der Bestrafung abgewandt und Gefängnisinsassen haben trotz ihrer Verbrechen eine menschenwürdige Behandlung verdient (die leider oft genug nicht existent ist). Dass Freunde „von draußen“ ihnen ein frohes Neues Jahr wünschen, ist meiner Meinung nach eine völlig legitime Aktion – auch wenn’s in dem Einzelfall für mich ein wenig chaotisch war.