„Sie würden sich freuen!“

„So, dann befreien wir noch schnell das Gepäck …“

„Ja, bitte!“

„Sind auch immer die unangenehmsten Fahrten, wenn ich mit den Koffern abhaue …“

„Ach, da sind zwei edle Flaschen Schnaps drin, SIE würden sich freuen!“

„…“

„Obwohl … Sie müssen ja fahren, oder?“

Mal abgesehen davon, dass Schnaps fast jeglicher Art nicht mein Fall ist: Der hatte ja keine Ahnung, wie schnell ich Feierabend* machen kann, wenn ich will! 😉

*Hab gerade „Feuerabend“ getippfehlert – wohl so eine Art freud’scher Vertipper.

Eine frische Sicht auf Berlin

Manchmal attestiere ich mir immer noch eine unbedarfte und frische Sicht auf diese Stadt, die man vermutlich nie ganz erschlossen haben wird. Noch besser klappt das allerdings von ganz außerhalb, wenn man auf Besuch ist. Das ist jetzt nicht unbedingt mein Thema, ich hab mich dann ja doch schon ein wenig eingelebt in den letzten 7 Jahren.

(Fuck, so lange schon? Irgendwann gehen den vor noch längerer Zeit Zugezogenen eventuell sogar die Argumente gegen mich aus … 🙂 )

Besuch, Berlin, was hat das mit GNIT zu tun? Was haben die Touris im Taxi jetzt schon wieder angestellt?

Nix. Und das ist das Problem. Die waren alle brav und nicht bloggenswert. Deswegen aber möchte ich ein weiteres Mal auf Reinhold aus München verweisen, der Anfang des Jahres eine Reise nach Berlin gemacht hat. Und darüber gebloggt. Ich hab ihn dabei nicht getroffen, wir kennen uns (bislang?) nicht persönlich. Dennoch ist es ein schöner Reisebericht, wie er nur von Menschen geschrieben werden kann, die Freude daran haben, Neues zu erkunden. Ich kenne die Orte und Kneipen teilweise nicht, die Reinhold besucht hat, hab also auch noch neues gelernt – aber trotzdem (oder genau deswegen) einfach gerne seine bisherigen Texte gelesen. Na gut, eigentlich lese ich ja ohnehin gerne bei ihm. 😉

Der Einstieg ist leicht bedrückend, da er noch vor Berlin ein Besuch am Grab von Klaus und Moni schildert – aber ja, auch das ist gerade in Taxibloggerkreisen in/um Berlin ein Thema gewesen und ich finde es schön, dass Reinhold den Besuch gemacht und das niedergeschrieben hat.

Bis heute erschienen sind bei ihm folgende Reiseetappen:

Erster Tag – Letzter Besuch

Dickes B

ÖsterReichisches

System

und

Eingewickelt

Wie gesagt: Ich mag Reinholds Schreibstil, seine Herangehensweise an Neues, seinen Blog allgemein. Auch wenn die genannten Texte mit dem Taxifahren nicht viel zu tun haben, erzählen sie dann doch auch was über Berlin – und damit wiederum etwas, das mich als Berliner Taxifahrer anspricht. Bayern und Berlin sind womöglich die unterschiedlichsten Welten in Deutschland. Ob für Taxifahrer oder andere Menschen. Wenn ich Reinholds Blog empfehle, dann deswegen, weil er es schafft, zum einen genau das zu betonen – und zum anderen aufzuzeigen, dass diese Unterschiede in erster Linie interessant, erfahrenswert und bereichernd sind. Ich jedenfalls hab beim Lesen viel gelernt und gelacht. Und was, wenn nicht das, ist ein Grund zum Lesen, sharen und liken?

In diesem Sinne auch nochmal persönlich:

Lieber Reinhold,

danke für deine wunderbaren Texte!

 

Die drei Phasen der Arbeitsnacht

1. „Heute klotze ich richtig ran!“

2. „Das Auto streikt? Scheiße, aber dann kommen wir mit der Steuererklärung wenigstens weiter!“

3. „Wir haben jetzt 6 Stunden über irgendwelches Zeug geredet? Ich mach mir dann mal’n Bier auf …“

Läuft bei uns.

„So ein Glück!“

Berlin im Januar. Obwohl Wochenende ist, läuft es einfach nur endlos beschissen. Stundenlanges Vergammeln an der Halte, kaum mal eine Tour – und wenn dann ums Eck. Als ich, eigentlich fast vier Stunden vor Feierabend, nach zweistündigem Warten eine 6,80€-Fahrt zur Landsberger Allee bekomme, nutze ich deren Verlauf, um unmittelbar nach Hause zu preschen. Bei drei Euro Stundenumsatz ist selbst das Jammern darüber schon unnötige Muskelkraft im Vergleich zum eingefahrenen Geld.

Den Haken über den S-Bahnhof Marzahn lasse ich ja nie aus. Man weiß ja nicht, es könnte doch … und tatsächlich! Eine Kundin, die ihren Straßennamen nur schlecht aussprechen kann, die Straße soll aber „gei-ia“ liegen. „Gleich hier“ also. Marzahner Vietnamesisch für Anfänger. Nach rund 4 Kilometern waren wir dann auch schon am Ziel. Ein Zehner aus dem Nichts, eine Art Himmelsgeschenk oder so in dieser Nacht. Ich fahre wieder zurück, das möchte ich nochmal probieren!

Und schon auf dem Weg zum Bahnhof ein Winker auf der anderen Straßenseite. Ich hab brav gewendet und die Türe aufgemacht. Der junge Mann mit der strubbeligen Frisur sah mich ungläubig an:

„Da-darf ick?“

„Ja sicher.“

„Na dit is‘ ja … also so ein Glück!“

Und für mich erst. Zwei Touren hintereinander. Mit der vom Stand vorhin quasi drei in Folge. So viel hab ich davor in 4 Stunden nicht geschafft.

„Und ick dacht‘ schon, ick müsste loof’n!“

Und so gesehen hatte er sich einer gewissen Fleißaufgabe gestellt. Sein Ziel lag in über 6 Kilometern Entfernung in Hohenschönhausen. So ein Glück! 😉

Gefangenenbesingung

Wir hatten die Silvesterschicht hier noch gar nicht, merke ich gerade. Wobei da auch nur ausgewählte Touren wirklich spannend waren und ich überhaupt für die Nacht der Nächte sehr wenige hatte. Aber gut, hier die vermutlich aufregendste:

Ich stand am Bahnhof Zoo, denn dort hatte ich eben feierwütige Mädels rausgelassen, die mich und sich ununterbrochen mit dem Handy gefilmt hatten. Den Aussagen der Damen nach bin ich jetzt sicher irgendwo als coolster Taxifahrer in Berlin bei Youtube, aber überprüft habe ich das nicht.

Und während ich so noch kurz vor dem McDonald’s stand, hatte ich gleich wieder Kundschaft. Wen wundert’s an Silvester?

„Kannsu fünfe? Machsu fünfe? Korrekt, Digga, ich schwör!“

Es war nicht leicht, die Vorzeige-Gangsta ins Auto zu bekommen, aber mit mehrmaligem Zurechtweisen (Natürlich weisen wir Taxifahrer so echte Hardcore-Gangsta auch mal zurecht, muss schließlich sein! 😉 ) hat das aber dann doch geklappt. Auf Komfort wurde keinen Wert gelegt:

„Ey, wenn Du nach hinten willst, kann ich Dir auch die Sitze vorkl …“

„Haha, nee Alda! Sch’bin Einbrecher, isch komm‘ überall rein!“

Na klar. Am Ende waren alle drin und ich wartete auf ein Fahrtziel.

„Fahr‘ ma‘ andere Seite Bahnhof! Da drüben!“

Also zum Taxistand. (Eigentlich keine 30 Meter entfernt, aber mit dem Auto etwa 200 Meter)

„Haha, Digga, was würdst’n sagen, wenn wir da hin wollen?“

„Dass das die bescheuertsten 6 € sein werden, die ihr 2015 ausgeben werdet.“

Das Gelächter war groß. Dabei war es die Wahrheit. Und ich hätte ehrlich gesagt kein Problem damit gehabt, die Vollspaten nach 200 Metern wieder vor die Türe zu setzen. Mein Kilometerschnitt und damit meine Einnahmen wären super gewesen. Aber die Ansage stimmte nur zum Teil. Gestoppt hab ich am (leeren) Taxistand zwar schon, aber nur, weil einer mal raus musste, um irgendwas zu erledigen. Vielleicht Drogengeschäfte oder so, wer weiß. Die hellsten Kerzen auf der Torte waren sie zwar alle nicht, aber ich habe es zu schätzen gewusst, dass sie irgendwann hinten die Fenster aufgemacht haben. Ehrlich! Denn die Begründung war für Silvester völlig sinnvoll:

„Damit die Leute sehen, dass hier schon wir drin sin‘ un‘ nich‘ leer is‘!“

Der ausgestiegene Typ kam wieder, dann wurde mir ein Fahrtziel genannt. Irgendeine Bar. Von der ich natürlich niemals gehört hatte. Aber die zugehörige Straße sagte mir was, also bin ich nach ein oder zwei Nachfragen in Richtung Westen losgefahren. Die Diskussionen im Auto wurden laut, nicht immer wurden die Sprachen benutzt, die ich kenne – und am Ende wurde das Ziel auf die Kreuzung See-/Beusselstraße verlegt. Na gut, mir brachte die Irrfahrt ja wenigstens Geld …

Dort angekommen dirigierten mich die Jungs weiter in den Friedrich-Olbricht-Damm, direkt an die JVA Plötzensee. Ich muss ehrlich gestehen, dass mir die bisher nicht einmal ein Begriff war. Dort sollte ich das Auto direkt vor der Gefängnismauer parken, denn sie wollten „einen Kumpel grüßen“.

Und das haben sie getan. Und wie! Sie rüttelten an Toren, sprangen wie wild auf und ab und brüllten neben „Frohes Neues!“ einige wirklich nicht zitierfähige Sätze in Richtung der Staatsgewalt. Ringsum gingen die Lichter an, Beamte kamen zum Vorschein und ich war reichlich froh, bereits einen Fuffi („als Sicherheit, Digga!“) auf dem Armaturenbrett liegen zu haben. Hätte gut passieren können, dass sie auch alle mal spontan einfahren …

Am Ende lief – wie so oft – alles bestens. Die Jungs haben sich für mein Warten bedankt, sich noch ein bisschen weiter bringen lassen und den Fahrtpreis am Ende mit einem guten Trinkgeld aufgerundet. Ein klassischer Fall von „Ich hätte schlimmeres erwartet“. Und wo sie ausstiegen, kamen gleich die nächsten Kunden. Touris, zu einem Hotel. Silvester halt.

PS:

Das „Besuchen“ ihres Kumpels fand ich im Wesentlichen eine verdammt geile Aktion, auch wenn ich teilweise blöd dazwischen stand. Ja, ihr Freund wird vermutlich nicht ohne Grund einsitzen. Das kann ich mir bei dem Haufen vorstellen. Aber wir haben uns als Gesellschaft aus guten Gründen vom altmodischen Rachegedanken bei der Bestrafung abgewandt und Gefängnisinsassen haben trotz ihrer Verbrechen eine menschenwürdige Behandlung verdient (die leider oft genug nicht existent ist). Dass Freunde „von draußen“ ihnen ein frohes Neues Jahr wünschen, ist meiner Meinung nach eine völlig legitime Aktion – auch wenn’s in dem Einzelfall für mich ein wenig chaotisch war.

Dieses „einfach perfekt“

Ich kann nicht behaupten, dass ich an der Halte versauert wäre – aber so wirkliche Freude kam bei der 9€-Fahrt rein finanziell nicht auf. Dabei mag ich bei gutem Geschäft Fahrten zwischen 3 und 5 Kilometern wirklich am allerliebsten. Aber gut, es hat nicht sollen sein. Die Tour endete völlig unspektakulär mit dem oberdurchschnittlichen Euro Trinkgeld und einem „Guten Abend noch!“ zum Abschied. Dienst nach Vorschrift quasi.

Dann aber kam ein junges Pärchen aus dem Hauseingang, in dem meine Kundin verschwand und sie fragten mich beide skeptisch:

„Äh, Sie sind jetzt nicht zufällig gleich frei?“

„Doch. Genau jetzt.“

„Cool. Können wir dann?“

„Sicher.“

„Hach, wir waren gerade noch am Diskutieren, ob wir ein Taxi bestellen. Aber so, direkt vor der Haustüre …“

In einem Umkreis von 20 Metern ist einmal genau dieser idealtypische Zustand eingetreten, bei dem weder Fahrer noch Fahrgäste warten brauchten. 🙂

Die Fahrt ging dann stressfrei zum Sisyphos und da hat es wie immer auch nicht lange gedauert. An den guten alten Kilometerschnitt wurde also auch gedacht …

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Ortskundefragen

Gleich vorweg: Ja, die Bornitzstraße könnte man kennen. Eine nicht kleine Straße in Lichtenberg. Aber leider auch eine völlig unbedeutende, so lange man nicht wegen Stau ausweichen oder direkt in jene Straße fahren muss. Der Alternativrouten sind gar viele …

„Oh, da haben Sie mich erwischt. Bei der Straße bin ich unsicher.“

„Na, Rathaus Lichtenberg! (mir bekannt) Loeperplatz! (mir bekannt)

„Und, wo kommen Sie her, wenn Sie sich in Berlin nicht auskennen?“

DA hab sogar ich ein bisschen schlucken müssen. Es war sicher nicht besonders böse gemeint und zudem liegt die Straße in einem Gebiet, das ich halbwegs zu kennen glaube, ich hatte also genug Gründe, eher an mir als an der Kundschaft zu zweifeln. Aber bitte: Ich hätte auch aus Charlottenburg kommen können oder erst seit gestern Taxifahrer sein. Ich bilde mir wirklich nichts auf meine Ortskenntnis ein, aber: EINE Straße in Berlin nicht kennen bedeutet eben einfach mal überhaupt nix.