(Nicht) erkannt

Manchmal werde ich ja hellhörig. Zum Beispiel, wenn mir wie heute morgen gesagt wird:

„Ich les‘ da ja auch so ’nen Taxiblog. Keine Ahnung, wie der Typ heißt, ist aber ganz lustig …“

Nun hab ich ja den kleinen Vorteil, dass GNIT immer noch der wohl größte Taxiblog hierzulande ist, sodass ich etwas nachgehakt habe. Hatte ja nicht viel zu verlieren, die Bewertung „ganz lustig“ stand ja schon im Raum. 😉

„Und ich hab mir beim Einsteigen noch gedacht: Isserdas oder nicht?“

War nett, mit einer Leserin und einer Eventuell-bald-Leserin zu reden und zudem Grüße an eine weitere offenbar sehr begeisterte Leserin (*wink*) auszurichten. Und immerhin war das Gespräch offenbar so gut, dass die beiden Damen es nicht einmal gemerkt haben, wie ich in der Zwischenzeit das Navi für die korrekte Hausnummer angeschmissen hab. Obwohl es zentral in der Mittelkonsole sitzt. Aber man ist ja geübt als Taxiblogger. 🙂

Geschätzt

Natürlich ist alles eine Frage des Einzelfalls. Gewisse Verhaltensweisen können entweder liebevoll wertschätzend oder arrogant hochnäsig wirken. Ein gutes Beispiel ist immer wieder das Duzen. Ich finde das auf gleichberechtigter Ebene gut, mag also das grundsätzliche Duzen im Gewerbe sehr gerne. Schön, dass ich sowohl meine Chefs als auch Fahrer aus fremden Firmen duzen kann, ohne darüber nachdenken zu müssen. Mit der Kundschaft ist das – wie schon mehrfach besprochen – unterschiedlich. Manche Menschen hält man geradezu gerne mit einem professionellen Sie auf Abstand, bei anderen erfreut einen das Du.

(Und in manchen Spezialfällen kriegt man fürs Siezen weniger Trinkgeld, aber das vernachlässigen wir mal.)

Da plötzlich sprang er von hinten an mich und einen Kollegen heran, eine Art Barney-Stinson-Imitator: Im Anzug unterwegs, aber mit jugendlichem Elan daherfedernd und die wirklich selten gehörten Worte rufend:

„Hey Jungs, hat einer von Euch ein Taxi für mich?“

Und es war glücklicherweise genauso locker gemeint wie es klang. Kein Stress, ein ehrliches Gespräch, eine kurzweilige und gar nicht so kurz wie vermutet ausfallende Fahrt mit anschließenden 20% Trinkgeld – weil:

„Ach komm, war angenehm!“

Von solchen Fahrten gerne mehr. 🙂

Schlechter Fang?

Gut, ich stand schon etwas. Da wären lange Touren natürlich herzallerliebst. Wo es hingehen sollten, sagten die 6 Leute dann allerdings erst einmal nicht, sondern fragten, ob sie überhaupt reinpassen würden ins Auto. Das hatten wir dann recht schnell geregelt, also schwang ich mich unter den leuchtend blauen Lettern, die da „BERLIN OSTBAHNHOF“ in die Nacht brüllten, in den Wagen und drehte den Zündschlüssel um.

„Wo darf’s denn hingehen?“

„Das A&O-Hostel in der Köpenicker.“

Uff. Irgendwas zwischen 900 Metern und einem Kilometer. Entsprechend hab ich nach grob geschätzt 50 Sekunden den Zündschlüssel wieder umgedreht und den Preis angesagt. Der war dank Einstiegspreis, Zuschlägen und den ja durchaus teuren ersten Kilometern bei 8,20 €. Ich weise da auch immer drauf hin, dass es wegen dem Zuschlag so teuer sei, weil …

„Ja ja, blabla, passt so.“

Zehn Euro. Für eine Minute Fahrt. Andererseits hab ich dafür aber auch 6 Leuten mal eben schnell die Heimfahrt in vielleicht einem Zehntel der sonst benötigten Zeit ermöglicht. Oder das Laufen erspart. Wirklich nach Feiern zumute war ich aber erst, als ich von der Köpi (200 Meter entfernt) mal noch schnell eine 15€-Winkertour bekommen habe. 🙂

Am Ende ist es dann ja egal, wie man auf seinen Schnitt kommt …

Confusing

Es war ein selten klischeehaftes Gegacker, als die vier jungen Damen eingestiegen waren. Ich stand auf der Warschauer Brücke, wo dank wunderbarer Baustellen inzwischen nachts um 1 Uhr nicht nur auf dem Gehweg, sondern auch auf der Straße Stau herrscht. Kaum dass die Mädels eingestiegen waren, plapperten wirklich alle gleichzeitig auf mich ein, es war schlicht überhaupt nichts zu verstehen. Die Namen von Straßen und Bahnhöfen, alles wild durcheinander. Irgendwo glaubte ich ein „Rehberge“ zu hören, dann aber wurde halbwegs verständlich „Ritter Butzke“ gesagt. Na also, das kenne ich doch!

(Den U-Bahnhof Rehberge auch, aber das nur nebenbei …)

Ich wendete also baldestmöglich und prompt baten mich die Damen, das Auto zu stoppen. Also eine, nein zwei von ihnen. Es war wohl tatsächlich so, dass zwei zum Ritter Butzke und zwei zum U-Bahnhof wollten. Völlig entgegengesetzte Fahrtrichtungen. Das freilich hatten sie nicht etwa zuvor geklärt, sondern taten es nun, wo ich auf der Brücke stand und auf halbwegs eindeutige Anweisungen wartete. Würde mir nicht einfallen, aber kann man ja mal machen. Bei laufender Uhr ist das auch für mich kein Problem.

Obwohl für mich der Bahnhof Rehberge eine bessere Tour bedeutet hätte, war es schon ok, dass mir am Ende die Ritter-Butzke-Fraktion blieb. Die anderen wollten schließlich insbesondere deswegen heim, weil sie schon einen über den Durst getrunken hatten. Was man von den beiden Partytanten neben und hinter mir nicht sagen konnte. Die hatten eindeutig noch mehr geplant und waren noch entsprechend fit. Nachdem wir die anderen losgeworden waren, bekam ich eine wirklich aufrichtige Entschuldigung für den Stress:

„I am so, soo, sooooo sorry for that, believe me! Soooooo sorry!“

„No problem, really. It was just a bit, you know, confusing. But that’s all, everything’s fine.“

Die folgende Fahrt über haben wir uns hauptsächlich über meine Englischkenntnisse und ihre Taxierlebnisse unterhalten. Und immerhin kann ich inzwischen relativ gut auf englisch erzählen, wie schlecht ich englisch kann. 😉

Im Ernst: Ich hab‘ eine gute Aussprache, aber mein Vokabular ist eben beschränkt. Aber es wächst – und damit auch das Lob der Fahrgäste. Faire Entlohnung sozusagen. Der Taxifahrer vom Flughafen aus hätte nur schlecht englisch gesprochen, viel schlimmer aber sei gewesen, dass er nicht wusste, wo sie hinwollten. Also hab ich den jungen Touristinnen mal eben die Taxi-Problematik in Schönefeld erläutert und dass das bedeutet, dass die Fahrer dort keine Ortskunde für Berlin haben müssen. Was im Taxi eben so unter Smalltalk fällt.

Das Trinkgeld am Ende war schlecht, sehr schlecht sogar, das muss ich zugeben. Was aber keinesfalls böse gemeint war, sondern eher der Unwissenheit geschuldet. Und dann mag ich das nicht so recht als Manko sehen. Denn zum einen hätten mich die beiden auf einen Drink eingeladen, zum anderen betonten sie, dass ich „the best taxi driver we ever met“ gewesen wäre und eine der Damen bestand darauf, mich mit einem High-Five zu verabschieden. Sicher, kaufen kann ich mir dafür nix. Aber solche Touren sorgen auf der anderen Seite dafür, dass einem die Arbeit gar nicht wie Arbeit vorkommt. Und fürs nette Quatschen mit fremden Menschen bekommen die meisten anderen auch nicht mehr als Anerkennung. Da sind vierfuffzig brutto zusätzlich doch eigentlich schon ok …

Tariferhöhung – ja oder nein?

Es war erwartbar. Angesichts des zum ersten Januar einzuführenden Mindestlohns haben die Gewerbevertretungen auch für Berlin Anträge auf eine Erhöhung des Taxitarifs gestellt. Ja, Plural – einig sind sie sich wie immer nicht. 🙁

Nun ist das ausnahmsweise mal eine schwierige Situation. Ich bin nach wie vor kein Freund von Tariferhöhungen, allerdings sowohl ein Freund des Mindestlohns als auch meines Arbeitsplatzes an sich. Und in der aktuellen Situation ist es einfach schwer, sich für oder gegen eine Erhöhung an sich zu entscheiden.

Eine Tariferhöhung sorgt in erster Linie für mehr Einkommen, schon klar. Andererseits schreckt es Kunden ab und es gäbe nach wie vor andere Möglichkeiten, den Verdienst zu erhöhen. Zusätzlich zur normalen Inflation kommt jetzt der Mindestlohn, der etliche Unternehmer einfach wegen des geringen Stundenumsatzes der Fahrer wirklich an die Grenze der Rentabilität bringt. Ist andererseits ein Stellenabbau nicht auch gut? Fragen über Fragen – und vieles eine reine Meinungs- und Gewichtungssache.

Argumente pro Tariferhöhung:

Trotz Abschreckungseffekt würden die Umsaätze im Taxigewerbe wohl etwas steigen.

Sollte das zutreffen, könnten durch einen erhöhten Tarif mehr Arbeitsplätze gerettet werden.

Argumente gegen die Tariferhöhung:

Die Kunden zahlen mehr für Taxifahrten.

Die Zahl der Kunden verringert sich (ob merklich oder nicht, es passiert).

Am Ende bleibt die Glaubensfrage, ob es um die Auslastung oder die Bezahlung gehen soll. Der (durchschnittliche) Lohn der Taxifahrer wird notgedrungen im Laufe der Zeit auf Mindestlohnniveau steigen. Mit Tariferhöhung oder ohne. Ohne würde bedeuten, dass mehr Taxifahrer ihren Job verlieren. Auch nicht zu verachten: Wenn mehr Taxifahrer ihren Job verlieren, es also weniger Taxis gibt, wird die Verfügbarkeit sinken. Ob das dramatisch wird: Keine Ahnung. Aber ja, ein Teil des Taxipreises ist immer auch der Verfügbarkeit geschuldet gewesen.

Ich persönlich schätze, dass eine auf Mindestlohnniveau „lohnende“ Arbeit drin ist, wenn einige Taxen wegfallen und die Tarife nicht erhöht werden – und das, ohne dass es die Kunden zu arg beeinträchtigt. Aber dafür hab ich keine Zahlen, es gibt vermutlich auch keine. Und im Einzelfall könnte tatsächlich deswegen mal kein Taxi verfügbar sein, das es davor noch gegeben hätte.

Eine Tariferhöhung hingegen könnte mehr Menschen in Lohn und Brot stehen lassen und damit mehr Taxen in der Stadt garantieren. Allerdings für höhere Preise, weiterhin niedrige Auslastung und auf die Gefahr hin, dass noch mehr Leute auf Alternativen umsteigen.

Obwohl ich gerne gegen eine Tariferhöhung plädiere, kann ich mich dieses Mal nicht hinstellen und sie voller Überzeugung als grenzenlos gut darstellen. Wie immer hat alles Vor- und Nachteile, und jetzt ist es schwieriger denn je, sie abzuwiegen. Von den Details der einzelnen Vorschläge will ich dabei noch nicht einmal reden. Bin ich dafür, dass mehr Kollegen arbeitslos werden oder dafür, dass die Kunden höhere Preise zahlen und weniger werden? Das ist die Wahl zwischen Pest und Cholera. 🙁

Das Taxigewerbe in Berlin steht an der Wand gerade, ganz ehrlich. In Teilen selbstverschuldet, aber auch dem Senat haben wir da einiges zu verdanken. Detlef Freutel hat Recht, wenn er sagt, dass auch die Politik Schuld daran hat: im Kampf gegen Schwarzarbeit wurden wir im Stich gelassen – ja wirklich! Anfangs begeistert vom „Hamburger Modell“, das im Wesentlichen mehr Überprüfungen vorsieht, hat der Senat am Ende kaum was davon umgesetzt – am allerwenigsten die Kontrollen. So stehen die ehrlichen Firmen seit Jahren schon unter dem Druck, illegale Konkurrenz erdulden zu müssen, was natürlich die Umsätze senkt.

(Kleiner Funfact: Uber hat es also nicht einmal geschafft, in Punkto Illegalität innovativ zu sein. Gut, sie sind weiter gegangen als die Schwarztaxler, aber selbst das taugt für ihre „Voll neu!“-Legende kaum.)

DIE richtige Entscheidung gibt es beim Thema Tariferhöhung alleine also nicht. Man müsste den Wirkungsbereich ausweiten. Denn wirklich perfekt wäre tatsächlich, den Tarif nicht zu erhöhen und stattdessen einfach mal ein paar Kontrolleure loszuschicken. Dann würde sich die Zahl der Taxifahrer durch den Wegfall der schwarzen Schafe ergeben und die Kunden müssten eine geringere Einschränkung der Verfügbarkeit hinnehmen, während die Taxifahrer immer noch besser ausgelastet wären und damit besser verdienen würden. Aber dreimal dürft Ihr raten, welcher Wunsch genau nicht in Erfüllung gehen wird …

Gebete

Vom Ostbahnhof eine Tour nach außerhalb zu bekommen ist immer gut. Egal in welche Richtung – unter 25 € kommt man kaum weg. Was allerdings noch viel besser ist, ist auf dem Rückweg kurz hinter der Stadtgrenze wieder Winker zu bekommen, die in die Stadt wollen. Eine Art Wunder kleineren Ausmaßes. Mein Fahrgast schien es zunächst sogar für ein viel größeres zu halten:

„Ein Taxi! Meine Gebete wurden erhört! Junge, ich schwör: ich bin gläubiger Moslem und hab gebetet, dass jetzt hier ein Taxi vorbeikommt und schon bist Du da!“

Nun stehe ich nicht sonderlich drauf, als Argument für Gespenstergeschichten egal welcher Art herzuhalten, aber gefreut hab ich mich ja trotzdem über Kundschaft. Der junge Mann vollzog dann auch einen überraschenden Sinneswandel …

„Ey wirklich heftig, bei Allah! Weißt Du, da stehe ich hier in der Einöde, bete, und schon kommst Du ums Eck. Wahnsinn! OK, jetzt mal im Ernst: Krasser Zufall, oder?“

Da konnte ich dann auch nur noch schmunzeln. 🙂

Kauft das Buch!

Wie kam Sash eigentlich zum Taxifahren? Das beschreibt er in seinem ersten eBook "Papa, ich geh zum Zirkus!".

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Noch ein Blog?

Kleiner Tipp: Sash hat noch einen zweiten Blog, auf dem es auch gelegentlich was zu lesen gibt.

Jatz!

„Sind wir nicht neulich schon mit ihnen gefahren?“

„Kann sein. Ich bin aber wirklich schlecht im Merken von Gesichtern …“

„Jaaa … aber von der Sprache her … das könnten Sie gewesen sein.“

„Schon möglich. Aber wissen Sie, ich hab viele Kunden …“

„Egal. Naja, wir waren ja heute auf einem Jazz-Abend und da …“

BÄM! In der Tat hatte ich die Kundschaft derletzt schonmal. Denn in den letzten zehn Jahren (mindestens!) habe ich nur bei dieser einen Tour erlebt, dass jemand „Jazz“ komplett deutsch wie „Jatz“ ausspricht. Und obwohl ich selbst kein Fan von Jazz bin, musste ich mir ein Lächeln verkneifen, als der Senior trotz dieser absurden Aussprache anmerkte, er und seine Frau seien nun „ja schon seit etliche Jahrzehnte inne Szene, wissen ’se?“