Es war erwartbar. Angesichts des zum ersten Januar einzuführenden Mindestlohns haben die Gewerbevertretungen auch für Berlin Anträge auf eine Erhöhung des Taxitarifs gestellt. Ja, Plural – einig sind sie sich wie immer nicht. 🙁
Nun ist das ausnahmsweise mal eine schwierige Situation. Ich bin nach wie vor kein Freund von Tariferhöhungen, allerdings sowohl ein Freund des Mindestlohns als auch meines Arbeitsplatzes an sich. Und in der aktuellen Situation ist es einfach schwer, sich für oder gegen eine Erhöhung an sich zu entscheiden.
Eine Tariferhöhung sorgt in erster Linie für mehr Einkommen, schon klar. Andererseits schreckt es Kunden ab und es gäbe nach wie vor andere Möglichkeiten, den Verdienst zu erhöhen. Zusätzlich zur normalen Inflation kommt jetzt der Mindestlohn, der etliche Unternehmer einfach wegen des geringen Stundenumsatzes der Fahrer wirklich an die Grenze der Rentabilität bringt. Ist andererseits ein Stellenabbau nicht auch gut? Fragen über Fragen – und vieles eine reine Meinungs- und Gewichtungssache.
Argumente pro Tariferhöhung:
Trotz Abschreckungseffekt würden die Umsaätze im Taxigewerbe wohl etwas steigen.
Sollte das zutreffen, könnten durch einen erhöhten Tarif mehr Arbeitsplätze gerettet werden.
Argumente gegen die Tariferhöhung:
Die Kunden zahlen mehr für Taxifahrten.
Die Zahl der Kunden verringert sich (ob merklich oder nicht, es passiert).
Am Ende bleibt die Glaubensfrage, ob es um die Auslastung oder die Bezahlung gehen soll. Der (durchschnittliche) Lohn der Taxifahrer wird notgedrungen im Laufe der Zeit auf Mindestlohnniveau steigen. Mit Tariferhöhung oder ohne. Ohne würde bedeuten, dass mehr Taxifahrer ihren Job verlieren. Auch nicht zu verachten: Wenn mehr Taxifahrer ihren Job verlieren, es also weniger Taxis gibt, wird die Verfügbarkeit sinken. Ob das dramatisch wird: Keine Ahnung. Aber ja, ein Teil des Taxipreises ist immer auch der Verfügbarkeit geschuldet gewesen.
Ich persönlich schätze, dass eine auf Mindestlohnniveau „lohnende“ Arbeit drin ist, wenn einige Taxen wegfallen und die Tarife nicht erhöht werden – und das, ohne dass es die Kunden zu arg beeinträchtigt. Aber dafür hab ich keine Zahlen, es gibt vermutlich auch keine. Und im Einzelfall könnte tatsächlich deswegen mal kein Taxi verfügbar sein, das es davor noch gegeben hätte.
Eine Tariferhöhung hingegen könnte mehr Menschen in Lohn und Brot stehen lassen und damit mehr Taxen in der Stadt garantieren. Allerdings für höhere Preise, weiterhin niedrige Auslastung und auf die Gefahr hin, dass noch mehr Leute auf Alternativen umsteigen.
Obwohl ich gerne gegen eine Tariferhöhung plädiere, kann ich mich dieses Mal nicht hinstellen und sie voller Überzeugung als grenzenlos gut darstellen. Wie immer hat alles Vor- und Nachteile, und jetzt ist es schwieriger denn je, sie abzuwiegen. Von den Details der einzelnen Vorschläge will ich dabei noch nicht einmal reden. Bin ich dafür, dass mehr Kollegen arbeitslos werden oder dafür, dass die Kunden höhere Preise zahlen und weniger werden? Das ist die Wahl zwischen Pest und Cholera. 🙁
Das Taxigewerbe in Berlin steht an der Wand gerade, ganz ehrlich. In Teilen selbstverschuldet, aber auch dem Senat haben wir da einiges zu verdanken. Detlef Freutel hat Recht, wenn er sagt, dass auch die Politik Schuld daran hat: im Kampf gegen Schwarzarbeit wurden wir im Stich gelassen – ja wirklich! Anfangs begeistert vom „Hamburger Modell“, das im Wesentlichen mehr Überprüfungen vorsieht, hat der Senat am Ende kaum was davon umgesetzt – am allerwenigsten die Kontrollen. So stehen die ehrlichen Firmen seit Jahren schon unter dem Druck, illegale Konkurrenz erdulden zu müssen, was natürlich die Umsätze senkt.
(Kleiner Funfact: Uber hat es also nicht einmal geschafft, in Punkto Illegalität innovativ zu sein. Gut, sie sind weiter gegangen als die Schwarztaxler, aber selbst das taugt für ihre „Voll neu!“-Legende kaum.)
DIE richtige Entscheidung gibt es beim Thema Tariferhöhung alleine also nicht. Man müsste den Wirkungsbereich ausweiten. Denn wirklich perfekt wäre tatsächlich, den Tarif nicht zu erhöhen und stattdessen einfach mal ein paar Kontrolleure loszuschicken. Dann würde sich die Zahl der Taxifahrer durch den Wegfall der schwarzen Schafe ergeben und die Kunden müssten eine geringere Einschränkung der Verfügbarkeit hinnehmen, während die Taxifahrer immer noch besser ausgelastet wären und damit besser verdienen würden. Aber dreimal dürft Ihr raten, welcher Wunsch genau nicht in Erfüllung gehen wird …
