Geschätzt

Natürlich ist alles eine Frage des Einzelfalls. Gewisse Verhaltensweisen können entweder liebevoll wertschätzend oder arrogant hochnäsig wirken. Ein gutes Beispiel ist immer wieder das Duzen. Ich finde das auf gleichberechtigter Ebene gut, mag also das grundsätzliche Duzen im Gewerbe sehr gerne. Schön, dass ich sowohl meine Chefs als auch Fahrer aus fremden Firmen duzen kann, ohne darüber nachdenken zu müssen. Mit der Kundschaft ist das – wie schon mehrfach besprochen – unterschiedlich. Manche Menschen hält man geradezu gerne mit einem professionellen Sie auf Abstand, bei anderen erfreut einen das Du.

(Und in manchen Spezialfällen kriegt man fürs Siezen weniger Trinkgeld, aber das vernachlässigen wir mal.)

Da plötzlich sprang er von hinten an mich und einen Kollegen heran, eine Art Barney-Stinson-Imitator: Im Anzug unterwegs, aber mit jugendlichem Elan daherfedernd und die wirklich selten gehörten Worte rufend:

„Hey Jungs, hat einer von Euch ein Taxi für mich?“

Und es war glücklicherweise genauso locker gemeint wie es klang. Kein Stress, ein ehrliches Gespräch, eine kurzweilige und gar nicht so kurz wie vermutet ausfallende Fahrt mit anschließenden 20% Trinkgeld – weil:

„Ach komm, war angenehm!“

Von solchen Fahrten gerne mehr. 🙂

27 Kommentare bis “Geschätzt”

  1. silverchaser sagt:

    Wenn man als Tagfahrer Geschäftsleute duzt, kann es unangenehm werden.

    Die Gruppe, die du ansprichst, sind doch eher Jugendliche. Man würde sich älter vorkommen als man ist, wenn man von seinem Gegenüber gesiezt wird.

    Tagsüber sollte man das vermeiden. Wie kommt es wohl beim Kunden an, wenn man eine Oma duzt?

  2. Sash sagt:

    @silverchaser:
    Ich sieze meine Fahrgäste eigentlich fast immer. Es ist ja eher die Frage, was sie machen. 🙂

  3. Tk sagt:

    Ich trage im Dienst meistens Anzug. In der Freizeit leidenschaftlich Basecap und Kapuzenpulli plus Turnschuhe. Es ist schon interessant wie unterschiedlich man wargenommen wird, besonders beim duzen / siezen. Im Taxi oute ich mich dann gerne auch als ex- Kollege und dann merke ich meistens das es dem Kutscher trotzdem schwerfällt mich als Anzugträger zu duzen.Ja, Kleider machen Leute. Wenn die Lage unklar ist vielleicht einfach das Thema direkt mal ansprechen.

  4. hrururur sagt:

    Ich sieze im Job auch eigentlich erstmal jeden(und versuche bei denen, bei denen ich mir nicht sicher bin ob die eher zwölf oder eher neunzehn sind, was im Supermarkt ja deutlich häufiger vorkommen dürfte als im Taxi, irgendwie drum rum zu kommen, weil ich so sehr darunter gelitten hab, dass ich durch meine Größe teilweise schon seit ich elf bin gesiezt werde), aber wer mich duzt, wird zurückgeduzt, egal ob derjenige das will. Gerade schmierige ältere Männer, die ohne Taschenflasche Korn zum Frühstück ihren Job nicht antreten können, geilen sich ja irgendwie an diesem Machtgefälle auf, wenn sie das Mädel an der Kasse(zum Glück bin ich kein Sitzriese) duzen und von der gesiezt werden. Die finden das ziemlich kacke, wenn ich sie duze und da alle Verachtung in die Stimme lege, die ich habe. Einer von denen hat sich mal bei meinem Chef darüber beschwert, warum er seinen Untergebenen[sic!!!] erlaube Kunden zu duzen. Das ginge so nicht, ich müsse abgemahnt werden und dazu verdonnert diesen Kunden ganz besonders höflich zu behandeln. Chef ist dann mit dem Kunden zu mir gekommen und hat mich übertrieben höflich darauf hingewiesen, dass ich diesen Kunden in Zukunft bitte ganz höflich siezen soll, wenn ich ihn daran erinnere, dass er ab jetzt Hausverbot hat, weil Chef ihn zufällig ein zwei Tage vorher zufällig beim klauen erwischt hat auf der Videoanlage, aber nicht schnell genug war. Wir wussten da natürlich von und sollten den Chef rufen, wenn der Typ wieder auftaucht, und ich musste mich SO zusammenreißen, als mein Chef mich da so zugesülzt hat. In Kombination mit dem dämlichen Blick des Kunden war das einer dieser absolut unbezahlbaren Momente, die man nicht vergisst. Als der draußen war haben wir soooo lachen müssen, auch die anderen Kunden, die ihn ja auch kennen(kleiner Ort und so früh am Morgen ist das auch ein sehr festes Publikum).

  5. silverchaser sagt:

    Hahahaha. Like.

  6. Carom sagt:

    @hrururur:
    😀 Sehr geile Geschichte!

  7. Sash sagt:

    @hrhrurur:
    😀

  8. Der schweizer sagt:

    Gefällt @hrurur 😀

  9. Der Bankier sagt:

    @hrururur:
    Arbeiten mit Menschen ist doch schön. So Kunden kennt glaube ich jeder.
    Meine Favoriten sind die Grafen von und zu Grosskotz mit Pfändungsschutzkonto gegenüber der Flaschensammlerin mit ner halben Mio auf der hohen Kante. Jetzt rate mal wer immer nett und freundlich ist und wer eigentlich nur vom Vorstand bedient werden will.

  10. hrururur sagt:

    Klar ist arbeiten mit Menschen schön. Aber meine Arbeit ist es die Einkäufe der Menschen zu kassieren, nicht ihnen als Wichsvorlage zu dienen oder den Arsch nachzutragen. Dann wäre ich nicht Kassiererin, sondern Pornostar oder Hausdiener. Mehr als höflich und freundlich muss ich nicht sein. Ich muss das nicht so meinen… Im Gegensatz zu Sash hab ich verhältnismäßig viele Stammkunden und das in einem Nest mit dreitausend Einwohnern. Ich hab also bei allem, was irgendwie mit Menschen zu tun hat, mit den meisten meiner Kunden zu tun. Ein Arschloch bleibt ein Arschloch und ich bin ernsthaft froh den zumindest auf der Arbeit los zu sein

  11. Sam sagt:

    Das ist der Vorteil einer (ich nenne es jetzt auf Grund mangelndem besser passenden Vokabulars mal so:) Szenekneipe. Prinzipiell wird bei uns jeder geduzt. Und wenn sich mal wer zu uns verirrt, der das „Sie“ benutzt, weisen wir freundlich drauf hin, dass wir alle einander eigentlich duzen, aber auch gern beim „Sie“ bleiben, wenn gewünscht. Bisher hat es keiner gewünscht. 😀
    Wir haben Publikum von 16-65 und es ist schon angenehmer mit dem „Du“. Chef ist „Du“, Angestellte sind „Du“ und Kunden eben auch. So groß ist unser Wirkungsbereich dann doch noch nicht und die meisten kennen sich über maximal drei Ecken sowieso. Da wäre ein „Sie“ auch irgendwie unangebracht, finde ich. Außerdem erspart es einem den leidigen Wechsel von „Sie“ zu „Du“, insbesondere wenn jemand häufiger kommt, fiele mir der sehr schwer (Wann? Und einfach so, weil er das 3. mal die Woche da ist oder anbieten?).

  12. Sash sagt:

    @Der Banker:
    Hier, ich! Ich! Ich will lösen! 😉

    @Sam:
    Weise Worte, gelassen ausgesprochen. 🙂

  13. hrururur sagt:

    Wenn ich den Chef nicht vorher schon privat kenne, würde ich ihn immer siezen. Ich hab mehrere Jahre in ein Unternehmen mit „flacher Hierarchie“ gearbeitet, bei der das duzen einfach angeordnet wurde. Nicht in gegenseitigem Respekt, sondern einfach um eine nicht vorhandene Nähe zu signalisieren. Ging leider über in völlige Respektlosigkeit den Mitarbeitern gegenüber. Und Menschen siezen, die einem von Grund auf unangenehm sind, war nicht so geil. Innerhalb der Filiale kein Thema, aber den Regionalleiter oder den Geschäftsführer? Niemals wieder! Ein herzliches Sie immer gern, aber meine Chefs werde ich niemals wieder duzen und möchte auch nicht von denen geduzt werden. Bei aller Herzlichkeit und allem Rumblödeln und so. Ich mag meinen Chef wirklich sehr und wir ziehen uns auch so gegenseitig auf und alles, aber ich bin mir sicher, dass wir schon mindestens in zwei Situationen richtig böse aneinander gekachelt wären, wenn wir uns duzen würden. Wenn jemand ein Problem damit hat, dass ich ihn sieze, dann soll derjenige mich nicht einstellen. Und ich duze wirklich gerne und viel im privaten Rahmen. Auch gerne mal die Polizei und so, wenn es passt. Aber meinen Chef und dessen Chefs? Niemals wieder.

  14. hrururur sagt:

    …Und Menschen DUZEN, die einem von Grund auf unangenehm sind, …

  15. Der Banker sagt:

    Och, ich finde, ein verächtliches „Sie“ ist auch nicht zu verachten. Meine Stimme wird dann ganz leise und ruhig bis zu einer bemitleidenden Ironie und geht dabei sehr tief runter.
    Gut, ist natürlich doof für eine junge Kassiererin von normalem Wuchs, die sowas nicht drauf hat.

    Ich bin normalerweise so der burschikose Typ und duze im Kollegenkreis alles, was nicht bei drei auf den Bäumen ist.
    Zur Weihnachtszeit kommen aus dem Büroetagen dann schon mal für ein paar Tage Kollegen als Aushilfen an die Front. Da stand also eines schönen Tages ein Neuer, hemdsärmling, jung, und ließ sich erklären wie der Betrieb so läuft und was er zu tun habe. Klar, hab ich den geduzt. Bis meine Filialleiterin ganz pikiert darauf hinwies, der käme von sonstwo ein paar Etagen höher, da könnte ich doch nicht einfach…!
    Seitdem war das ein Running Gag, wenn sie einen Besuch ankündigte, mich zu vergewissern, dass ich den (nicht) duzen dürfte.

    Aber Kunden duzen? Näh!
    Die muss ich schon sehr gut kennen, und zwar so weit, dass man sich auch unterm Bedienen kabbelt.

  16. silverchaser sagt:

    @ hrururur:

    Das meintest du also mit „besonders nett sein“

    Und dein Chef meint dann noch, dass du jedes Mal so nett sein sollst, wenn usw.?

    Ich sehe die Sache so: Als Kassierer geht es nur um das was deine Arbeit definiert. Keiner hat das Recht persönlich zu werden.

    Wenn es persönlich wird, darfst du den Kunden rausschmeißen, wenn es dir unangenehm wird. Du musst den Chef nicht fragen. Lediglich ein Hausverbot darf nur er aussprechen.

  17. Sash sagt:

    @silverchaser:
    Es müssten doch eigentlich auch Angestellte im Namen des Chefs Hausverbote erteilen können.
    (Immer vorausgesetzt, der Chef erlaubt ihnen das.)

  18. silverchaser sagt:

    Bei den meisten Chefs könnte es Ärger geben. Besser ist es, man informiert den Chef über den Vorfall und lässt ihn entscheiden. Nicht dass man noch selbst eine Abmahnung bekommt, weil man Kunden „vergrault“.

    Es kann ja sein, dass der Chef nicht im Haus ist, dann muss man handeln, dass man den Kunden rausschmeißt. Den Vorfall meldet man dann später dem Chef und der wird dann sagen, dass beim nächsten Mal man ihm wegen diesem Vorfall ein Hausverbot erteilt. Man darf nicht vergessen, dass einem der Laden nicht gehört.

    Manche Leute sind aber auch unverschämt…

    Da hat ein Kunde in einer Apotheke sich über den Verkaufstresen gebeugt und zu dem Apotheker gesagt:
    „Sie haben aber eine schöne Armbanduhr.“

    Ein anderer Kunde meinte mal zu einer Angestellten, sie möge ihrem Chef sagen, dass er andere T-Shirts der Apotheke bestellen soll. Die, die sie jetzt tragen, haben einen zu kleinen Ausschnitt.

    Ein Rollstuhlfahrer randaliert, weil das Medikament, was er braucht zurzeit nicht da ist.

    Dann gab es da noch einen, der Massen an Potenzmittel gekauft hat und lauthals durch die Apotheke gerufen hat, er feiert eine Orgie und alle wären eingeladen.

  19. Sash sagt:

    @silverchaser:
    Aber der Chef kann einem Angestellten doch einfach die Befugnis geben …
    Wir sind doch als Taxifahrer auch selbst verantwortlich für Rausschmisse und dergleichen.

  20. silverchaser sagt:

    Das ist was anderes. Wenn der Chef eine Befugnis erteilt, nimmt er alle Konsequenzen in Kauf. Dann ist man als Angestellter auf der sicheren Seite.

  21. whiskey sagt:

    “ Ich hab mehrere Jahre in ein Unternehmen mit “flacher Hierarchie” gearbeitet, bei der das duzen einfach angeordnet wurde.“

    das hatte ich auch schon. bei der firma war das aber damit begründet, dass es ne amerikanische firma war, deren leute aus amerika sich in deutschland einfach schwer taten mit der unterscheidung von „Du“ und „Sie“. „you“ ist halt einfach „you“ *g*

    wobei ich mich damals dann auch schon immer gefragt habe: wenn die ein „Du“ von einem „Sie“ nicht unterscheiden können, wie haben die es dann in die oberen etagen geschafft?

  22. hrururur sagt:

    „you“ heißt „Sie“, „thou“ heißt „du“. Die englische Sprache unterscheidet das schon, die englisch sprechenden nicht. Das „thou“ ist quasi einfach ausgestorben.

    In besagter Firma sollte das Nähe und halt flache Hierarchien signalisieren. Ist halt von der Chefetage vor dreißig Jahren mal als Garagenwerkstatt gegründet worden und zu einer größeren Firma mit deutschlandweiten Filialen gewachsen. Das ist den Chefs bzw deren Egos halt nicht gut bekommen. Die haben das, was sie jetzt im Unternehmen tun halt nicht gelernt und sehen sich auch nicht als Chefs und das macht Probleme im Alltag. Dann hab ich lieber einen strengen, aber einschätzbaren Chef. Und den siez ich halt auch lieber und möchte auch gesiezt werden, weil es bei allem freundschaftlichen Umgang immer eine sachliche Basis behält. „Du Arschloch“ rutscht einem viel schneller raus, als ein „Sie Arschloch“ und das hilft beiden Seiten nicht unprofessionell zu werden, nur weil man sich privat gut versteht. Ich bin mit meinem Chef auch schon mal in den Urlaub gefahren, wir haben das gleiche Hobby und seinem Team war jemand abhanden gekommen. Während des Urlaubs(und wenn wir seit dem öfter mal was unternehmen auch) waren wir per Du, aber im Laden wird gesiezt, ganz einfach.

  23. silverchaser sagt:

    Was redest du für ein Unsinn?

    Wenn du schon daran denkst, jemanden als Arschloch beleidigen zu wollen und das nur auseinanderhälst weil du den einen duzt und den anderen siezt, auch bei Vorgesetzten das für möglich hälst, dann hast du in einer öffentlichen Arbeit nichts zu suchen.

  24. hrururur sagt:

    Deswegen hatte ich dir auch weiter oben nicht mehr geantwortet: wir sprechen einfach unterschiedliche Sprachen und ich habe nicht die Muße mich hier ewig zu erklären. Ist schließlich Sashs Blog

  25. silverchaser sagt:

    Ach, das war also dein Ernst?

    Ich denke, wir sind doch alle Profis, da sollte man schon über den Dingen stehen. Auch wenn man sich nicht alles gefallen lassen muss, ist die Art den Konflikt zu lösen professionell über die Bühne zu bringen.

    Beleidigungen und selbst Gedanken jemanden beleidigen zu wollen sind in einer öffentlichen Arbeit tabu. Das wird dir jeder Chef sagen.

  26. PMK74 sagt:

    Die Gedanken sind frei.

    Und wenn sich jemand benimmt wie ein Arschloch, dann kann ich durchaus daran DENKEN, ihn mit diesem Titel anzusprechen, auch wenn es im Kundenkontakt selbstverständlich tabu ist, dies laut zu sagen.

  27. silverchaser sagt:

    Korrekt.

    Jedoch schrieb hrururur was von „Rausrutschen“.

    Zitat:
    “Du Arschloch” rutscht einem viel schneller raus, als ein “Sie Arschloch” und das hilft beiden Seiten nicht unprofessionell zu werden,

    Zu dem Zeitpunkt, wo es einem rausrutscht, ist es unprofessionell, egal wem gegenüber!

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