Das mit dem kleinen Finger …

Jaja, reicht man ihnen den kleinen Finger, dann wollen Sie die ganze Hand …

Es ist schön, wenn man sich Stresser am absoluten Ende einer absolut grandiosen Schicht einfängt. Dann tut es nicht so weh, falls es wirklich schief geht. Ich hatte dank Biermeile und Leserfahrten „den Sack zu“, wie einige meiner Kollegen diesen Zustand nennen, wenn man den angestrebten Umsatz bereits eingefahren hat. Aber nicht nur das. Ich hatte glatte 25 € über Soll, darüber hinaus aber selbst bei leerer (weiter) Heimfahrt einen bombigen Kilometerschnitt, eine auch für Normalbürger akzeptable Arbeitszeit und dank viel Trinkgeld, ausschließlich netten Fahrgästen und einer kurz vorher eingelegten Kippenpause die beste Laune, die ich so während einer Schicht aufzubringen in der Lage bin.

Ich war also zu 100% auf dem Weg in den verdienten Feierabend, als es durch die Nacht hallte:

„HALT MAL AN, TAAAAXIIIIII, MAAAAAANNN!“

Ach, was soll’s? An einem anderen Tag würde ich eine Stunde auf sowas warten. Drei junge Kerle in hautengen Hemden, nicht mehr komplett nüchtern, aber erstaunlich fit für die Uhrzeit. Sie wollten zum Hermannplatz. Da ich gerade aus der äußerst südwestlichen Ecke der Stadt kam, war das für mich bezahlte Heimfahrt. Gut, nicht ganz der Weg, den ich einzuschlagen gedachte, aber absolut richtige Richtung. So denn!

Kurze Zeit später kam dann die Frage nach einem Festpreis auf, die ich abgewatscht habe. Sie haben das halblebig akzeptiert und sich nun dem Gesang irgendwelcher Lieder gewidmet. Ich hab’s ganz sicher nicht genossen, aber ich hab auch einfach keine Ahnung, was sie gesungen haben. Da ich ihre Sprache kein bisschen beherrschte, hätten das für mich sowohl Fußball-Schmähgesänge oder Kinderlieder sein können. Irgendwann meinte dann einer, dass sie nur noch 12 € hätten. Obwohl ich zuvor bereits „ungefähr 15 €“ angesagt hatte.

Nun, was tun? Sie waren schon wieder am Singen. Ich hab für mich die Lage sondiert. Ich hatte es mit drei kraftstrotzenden jungen Kerlen zwischen 20 und 25 zu tun, die laut eigener Aussage „die Party erst starten“ und noch zum McDonald’s wollten. Ergo: sie hatten Geld, egal was sie erzählten. Ich war zwar „satt“, aber auch nicht gewillt, sonderlich große Zugeständnisse zu machen. Wenn ich schon lautstarkes Singen und Rumhampeln ertragen muss, dann bitte zu meinen Konditionen. Sie bei 12 € irgendwo in unbekanntem Terrain abladen wäre sicher scheiße für die Stimmung gewesen. Bei aller guten Laune: um mich mit denen im Dunkeln anlegen, waren mir 3 € zu wenig. Also hab ich die Uhr einfach weiter laufen lassen, denn am Hermannplatz ist es immerhin mal hell und belebt. Und im schlimmsten Fall hätte ich ein paar Euro als Fehlfahrt abzurechnen. …

Kurz vorher bemerkte einer der drei, dass die Uhr bei 14,80 € stand und erinnerte sich in jeder Hinsicht falsch, dass wir 15 € ausgemacht hätten. Nun ja:

„Ach ja, ist ja nicht mehr weit. Also mach‘ ich hier mal aus, ok?“

Ja, ich hab das nur halb freiwillig gemacht. Aber besser so als mit Stress. Und immerhin waren das jetzt schon 3 € mehr als vorher. 😉
Die letzten 500 Meter sind wir dann also so gefahren, was soll’s. Der Schnitt war wie gesagt ohnehin bombig. Und auch wenn ich gerne stur bin beim Preis: ich muss ja nicht in unklaren Situationen Stress provozieren. Und wirklich schlau geworden bin ich aus den Typen nicht.

Das Drama am Ziel hatte ich jedoch nicht vorhergesehen, jetzt, da wir uns „auf 15 € geeinigt“ hatten.

Vom einem Typen bekam ich einen Fünfer. Von einem zweiten vier Euro. Und die sechs vom Dritten? Nicht. Der beschwerte sich und sagte, es sei sein Fünfer gewesen, den er dem ersten gegeben hätte. Der wiederum versuchte mir klarzumachen, dass er mich ja bezahlt hätte und ich mich gefälligst an den anderen zu wenden hätte.

Um es klar zu machen: keiner hat sich getraut, mich nicht zu bezahlen, sondern einer von ihnen hat versucht, seinen Kumpel in die Scheiße zu reiten. Da ein ewiges Hin-und-Her nicht fruchtete, hab ich eingeworfen, dass es mir wirklich vollkommen scheißegal sei, wer jetzt wem was schulde, dass bei mir aber 6 € offen seien.

Und obwohl der eine bereits gesagt hatte, ich solle die Polizei holen, um den Kumpel anzuzeigen (WTF? Wer geht mit solchen „Freunden“ feiern?), hab ich einfach mal der primitivsten Küchenpsychologie vertraut und darauf gewettet, dass ich bei der Sache nicht der Verlierer sein würde:

„Jungs, macht mal halblang! Ihr wollt feiern und ich bin Euch entgegengekommen! Ich hab die Uhr vorher ausgemacht, obwohl ich das nicht gemusst hätte! Und jetzt wollt Ihr mich hier abziehen? Was läuft bitte bei Euch schief? Klärt das mit der Kohle doch später untereinander und fickt nicht mich, der ich nichts damit zu tun hab, ok!?“

Ich hab noch nicht einmal aussteigen müssen, wirklich mit der Polizei drohen oder sonstwas. Ich hab die „total coolen“ Jungs, die mir ein paar Minuten zuvor „fetten Gangsta-Rap“ vorgelegt hatten, einfach nur bei dem gepackt, was sie für essentiell wichtig in ihrem peinlichen Biotop halten: der Ehre.

„Ihr würdet euch wegen 6 € gegenseitig die Bullen auf den Hals hetzen? Und mich abzocken? Na herzlichen Glückwunsch!“

Gut, ich muss zugeben: Trinkgeld gab es keines. Und ja, ich hab 500 Meter umsonst zurückgelegt. Aber von Möchtegern-Posern geknickt 6 € gereicht zu bekommen … ich will mich im Nachhinein nicht über den Unterhaltungswert dieser Fahrt beschweren. Und so lange ich nicht solche „Freunde“ habe, lache ich ggf. auch über solche Fehlfahrten. Ich bin mir jedenfalls sicher, dass ich in der Nacht insgesamt weniger Stress hatte als diese drei anschließend beim McDonald’s. Die streiten wahrscheinlich zur Stunde noch rum, wer das einsame Gürkchen auf diesem oder jenem Cheeseburger bezahlt hat  …

7 Kommentare bis “Das mit dem kleinen Finger …”

  1. ichso sagt:

    Boah, was für armselige Würstchen.

  2. Hm, da hattest du aber Glück. „Ehre“ zählt nämlich meiner Erfahrung nach nur, solange sie den höchsteigenen und winzigen Ego-Kosmos einzelner Personen betrifft. In der Gruppe wird viel drüber geschwallt, sobald es ernst wird, ist „Ehre“ aber nur noch ein Argument und keine Ehrensache mehr.

  3. Kante sagt:

    Wobei das „Ehre“-Argument leider inzwischen auch oft ganz andersherum zaehlt. Diese Argumentation schlaegt naemlich immer oefter leider um, wenn man die Ehre in Frage stellt, nachdem sich Leute wie Arschloecher benehmen. Da kommt dann: „Hey, Alter, sagst du ich hab keine Ehre oder was?“ und dann gibts ruckzuck aufs Maul.

    Weil nicht deren „Benimm dich wie’n Arschloch“-Verhalten hat ihre Ehre geschaedigt. Sondern du, der dich erdreistest, denjenigen an der Ehre zu packen!

    Quelle: Ich war mehrere Jahre Tuersteher und hab das inzwischen aufgegeben, genau aus diesem Scheiss. Weils keine Ehre mehr gibt, sondern nur noch egoistische kurzsichtige Flitzpiepen. Und bevor jemand mit dem Vorwurf kommt: nein, das betrifft nicht nur Auslaender – Diese „Ehre“-Geschichte betrifft alle die, die fett auf Gangsta machen, egal woher sie kommen.

    @Sash: Und zum Thema „solche Freunde“ -> Ich koennt dir zahllose Geschichten erzaehlen, als Gruppen bei uns in den Laden wollten und einer nicht rein kam (nicht, weil er falsch gekleidet war oder sowas – so’n Laden waren wir nicht. Aber wenn jemand deutlich ueber seinen Ereignishorizont konsumiert hatte und abzusehen war, dass derjenige im Laden im besten Fall nur noch im Eck liegen und im schlechtesten Fall sich quer urinierend/vomitierend ueber den Floor verteilen wird, dann haben wir denjenigen halt auch lieber heimgeschickt). War das uns damals passiert, haetten wir gesagt „Alla gut, kommt, gehmer woanders hin“. Heutzutage ist die Reaktion „Tja, Dude, scheisse fuer dich, nimm dir’n Taxi und fahr heim, is halt bloed gelaufen jetzt“ voellig normal :/.

  4. metro sagt:

    Beim angetrunkenen Jungvolk, die schon beim Einsteigen am Preis drehen wollten, bin ich meistens mit Vorkasse gefahren. Grund sagte ich: Schlechte Erfahrung, hat persönlich nichts mit Euch zu tun. Dann: Strecke im Navi eingegeben, in meine kleine Tabelle geschaut, was die km kosten und die Kohle in die Mittelkonsole. Fertig aus, wenn die nicht wollten, gerne eine andere Taxe…
    Und natürlich nur ohne Bier in der Kralle einsteigen…

  5. mathematikos sagt:

    tja, die wichtigprotze……
    ….steigt mir unlängst einer ein, gaaaanz auf wichtig.
    „geht fixpreis?“
    ich so: „nur nach rücksprache mit cheffe.“
    er so: „pah! bin selber chef.hab installationsfirma. machma einfach 50%,hm?“
    ich: „der deal macht mir spaß.hör mal: ich mach dir 50%,gut so.das trifft sich gut,weil: meine pelletsheizung gehört servierte und das steuergerät is hinüber.mach wir jedem dem anderen 50% und gut is,hm?“
    er so: ????????? bist deppat? (zu deutsch: bist du blöd?)
    ich: wir schenken uns ja eh nix, wenn jeder 50% gibt, sinds am ende eh wieder 100.“
    weitere fahrt wortlos, installationscheffe pikiert. dann gabs doch noch einen 5er trinkgeld und ein beschämtes lächeln,tja.
    lg,
    werner aus leoben in der obersteiermark

  6. Taxi 123 sagt:

    Jibbet jetzt Gürkchen auf’m Cheeseburger? auch haben will!!!

  7. Mic ha sagt:

    Klingt nach nem normalen Arbeitstag meinerseits. Respekt @Kante, kann ich nachvollziehen und klingt unfrustriert trotzallem. Gib dir noch ein paar Jahre, Sash, und diese Situationen regeln sich gemütlicher. Und v.a. vergiss das Vorurteil von der Ehre (Dieses Ehreding ist ein Mediending. Und schon erledigt. So mein Eindruck.). Versuchs einfach über Respekt. Und zwar auch deinem eigenem. Erklär ihnen, dass auch du Geld verdienen musst, dass das hier jeder irgendwie muss, und sie schnallens irgendwann.
    Denn eigentlich sind sie nur ohne den Horizont, den man genau dann bräuchte. Aber sie lernen viel früher, was der bedeutet und ihn kennen. Wenn man darauf baut, und das mit Respekt, dann ist der auch ratzfatz da.

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