Was viele Berliner ja gar nicht ahnen, ist, wie eigenartig diese Stadt wirklich ist. Ich als Zugezogener und nur mäßig begabter Städtekenner will da jetzt auch keinen vom Pferd erzählen über die vielen interessanten Besonderheiten Berlins. Was aber wirklich für viele Touristen nicht einfach zu begreifen ist, ist die flächige Verteilung dessen, was gemeinhin als „Innenstadt“ gilt. Und tatsächlich liegen hier selbst die drei angesagtesten Clubs (welche immer man da im einzelnen nennen will) ein ganzes Stückchen auseinander. Schlimmer noch: zwischen ihnen liegt nicht einmal immer noch irgendwie belebte Gegend.
Natürlich ist das einer der Gründe, warum in Berlin viel Taxi gefahren wird. Bzw. warum ich als Taxifahrer das so oft zu hören kriege. Aber mich hat’s auch erstaunt, als ich mich ein bisschen mit der Stadt beschäftigt hab. Und ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie irritiert ich in einer meiner ersten Schichten war, als ich entdeckte, dass das pralle Leben am Ku’damm nachts völlig zum Erliegen kommt – weil es halt eher eine Einkaufs- als eine Partymeile ist.
Und nun hab ich – eigentlich schon auf dem Heimweg – am Potsdamer Platz noch Winker gehabt. Zum nh-Hotel „Alexanderplatz“. Schöne Winkertour, zwar nicht übermäßig lang, aber nicht einen Meter abweichend von der Strecke, die ich sowieso fahren wollte. Ich begrüßte die drei jungen Männer wie so viele:
„Hey, guys. Let me guess: The party’s over for tonight?“
Die eher unerwartete Antwort war:
„Party? Tell us were’s teh parteeey!?“
Aber ja, nachts ist der Potsdamer Platz heute noch manchmal so trist wie zu Mauerzeiten. Also bevölkerungsmäßig.
Am Ende habe ich ihnen ein paar noch offene Clubs genannt, war aber froh, dass sie ihren Plan nicht noch einmal geändert haben. Manchmal braucht es halt mehr als einen Abend, um sich daran zu gewöhnen, dass das Clubhopping hier in Berlin auch Taxifahrten einschließt. 🙂
Da lobe ich mir Hamburg St.Pauli, da ist alles in Laufreichweite….
Belebter als damals am 21. Juli 1990 ist der Potsdamer Platz danach nie wieder geworden. Weil, anstatt den als Partymeile zu belassen, mussten ja irgendwelche großkotzigen Konzerne, unter anderem der mit dem Stern aus Stuttgart und der mit dem CD-Rootkit aus Tokio, da ihre großkotzigen Betonklötze hinbauen.
Aber dieser 21. Juli 1990, der war etwas Besonderes. Been there, seen that. Es war heiß, es war staubig, es war fantastisch. Und wenn ich mir heute das Konzert oder Ausschnitte davon auf Youtube anschaue, werd‘ ich direkt romantisch, und denke mir gleichzeitig, Cliff, was bist du für’n alter Sack geworden…
https://www.youtube.com/watch?v=xIjkVazKjWY
Ups, eigentlich arbeite ich seit sieben Minuten…
Was den Ku’damm angeht: Ich kenn’s als Zugezogener ja auch nur aus Erzählungen, aber zu Mauerzeiten muss die Ecke wohl die klassische Mischung aus Einkaufs- und Partymeile gewesen sein. Vom Linientreu im Bkinihaus bis rüber zum Big Eden auf dem Ku’damm. Nicht zu vergessen das Metropol am Nollendorfplatz, das heutzutage als „Goya“ zum gesichtslosen Partyraum runtergewirtschaftet worden ist. 🙁
@ELP:
Ja, das ist halt der Unterschied …
@Cliff McLane:
Nun gut, soo viel los ist ja nun an den wenigsten Plätzen auf der Welt dauerhaft. 😉
@Jens:
Das war ja leider vor meiner Zeit. Mal sehen, was man über die heutigen In-Locations in 20 Jahren sagt. Davon können wir dann erzählen … 🙂
@Sash,
> soo viel los ist ja nun an den wenigsten Plätzen auf der Welt dauerhaft
Hätte ja nicht sein müssen, aber soviel ich gerade nachgeschaut habe, gehen weder die deutsche noch die englische Wikipedia darauf ein, dass damals ernsthaft darüber diskutiert wurde, den Platz möglicherweise nicht zu bebauen und so eine Art „Begegnungspark“ zu schaffen. Sowas wie den New Yorker Central Park. Aber das wäre ja ein nicht-monetarisierbarer Ansatz gewesen, und war somit zum Scheitern verurteilt. Dabei hätte Berlin damals, gerade nach dem Konzert, die einmalige Chance gehabt, etwas wirklich Schönes zu erschaffen. Na ja, wäre in der Stadtgeschichte ja auch eine Premiere gewesen, und Berliner haben Angst vor Veränderung. Bauen wir was drauf, weil, das können wir. Die ortsansässigen Feldhasen sind in den benachbarten Medelssohn-Bartholdy-Park abgewandert, und die Kakerlaken in das dortige Studentenwohnheim. Ich hab‘ sie gesehen, die Hasen und die Kakerlaken.
@Jens, oh ja, das legendäre Big Eden… – Aber wenigstens das Klo scheint’s noch zu geben. Sorry, aber ich habe mich nie in eine dieser Touristenfallen begeben, obwohl ich 7 Jahre in Berlin wohnte. Hab‘ ich was versäumt? Hing damals viel lieber in der Bronx ab; gibt’s die wenigstens noch? Sorry, bin seit über 10 Jahren „out of town“, und wenn Sash nicht wäre, hätte ich komplett den Kontakt zum Berliner Nachtleben verloren.
@Cliff: Bin ja selber noch fast Neuberliner. Im Big Eden war ich aber ein einziges Mal. Das war lange vor meinem Zuzug, Anfang der 2000er als Teil einer geschlossenen Gesellschaft. Insofern hab‘ ich keine Ahnung, wie das normale Publikum da so war, aber wen’s der puffigen Atmosphäre des Ladens entsprach, wäre es nicht so ganz meines gewesen. Über Metropol und Linientreu hingegen habe ich legendäre Geschichten vernommen – jetzt nimm mir bitte nicht meine Illusionen indem Du mir erzählst, dass das auch nur Touri-Läden waren. 😀
Da wo mal das Bronx war, ist offenbar jetzt dieser Laden hier: http://www.cortinabobberlin.de/index.htm
Hach ja.. Wir sind damals – muss so 1986 gewesen sei – hin und wieder für einen Samstagabend von Kiel nach Berlin gefahren, um im „Twentyfive“ Party zu machen und danach über den Ku’damm zu schlendern. Das war für uns Berlin. Der Ku’damm war Berlin. Da fuhren irgendwelche Vögel ihre fetten Karren zur Schau, sind den Ku’damm nachts immer auf und ab gefahren. Das war DIE Meile.. Und morgens im Mövenpick frühstücken war pflicht.
Nach der Wende war ich dann ab 1993 wieder häufiger in Berlin. Da musste ich mich erstmal an die neuen Stadtteile gewöhnen. „Mitte“ war total angesagt. Auch zum Wohnen – damals günstig, nun schon seit Jahren unbezahlbar. Dann schwappte diese Welle nach Prenzlberg und weiter nach Xberg und nun auch seit einiger Zeit nach F’hain. Ich kenne kaum eine Stadt, die so eine krasse Veränderung durchlaufen hat..
Es gab ja damals so wie heute einen Verteiler, der dich von der illegalen mit dem Zug der Illegalen zur nächsten brachte. Das ging damals wie heute durch gute Bekanntschaften der Organisatoren, die sich kaum änderten über die Jahre.
Was letztlich aber n Scheiß über die Party an sich aus machte, denn ob sie gut war, brachte auch kein „es ist so geheim“ ein. Das Kribbeln, das entstand eher beim Bier 10-15 Meter von der Partylocation entfernt, wenn du dir ein entferntes Bier gönntest.
Heute ist das so schnell aufgelöst, so schnell guckste nicht. Auch weil der DJ immer über Maß aufdrehen muss 🙂 Da stehste dann deine 10-15 Meter wieder und siehst nach 10-15 Minuten die blauen Lichter auf dich zuleuchten.
1 Tag Besetzungen sind schön. Im entfernten Osten die verlassenen Villen stürmen und ne Nacht wie ein Besitzer fühlen oder auch nicht, das kann schön sein. Unglaublich wie das einen Kontrast zur Kaufwütigkeit dieser Stadt wirft, wie da so wertvoller Besitz, monatelanger Aufbau einfach so verkommt. Vermutlich aber auch nicht lang..
Prost.
Aber Andreas, nach F’hain kam Neukölln. Und langsam geht’s im Wedding los.
Überzogene Mietpreise machens möglich.
@Ana:
Stimmt, Neukölln hatte ich vergessen. Ist noch zu „frisch“ 🙂 Ich hab‘ da vor etwa 5 Jahren einen Freund besucht und da dachte ich noch: „Oh mann, hier willste auch nicht tot über’m Zaun hängen“. Tja, und jetzt geht’s da ab. Ja, hatte auch schon gehört, dass es jetzt im Wedding weitergehen soll. Aber ich könnte mir vorstellen, dass da nicht ganz so krass wird, dass da noch „gemütliche“ Ecken bleiben..
Ob nachts nichts los ist kommt auf die Ecke und den Wochentag an.
Richtung Zoo ist der Ku’damm auch nachts gut gefüllt.
Natürlich kein Vergleich mit der Eberswalder/Schönhauser…